ZWISCHEN LAND UND MEER - Es ist vor allem die Vogelwelt, die den Maler und Illustrator Christopher Schmidt fasziniert. Doch auch andere Motive aus ...
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ZWISCHEN LAND UND MEER Es ist vor allem die Vogelwelt, die den Maler und Illustrator Christopher Schmidt fasziniert. Doch auch andere Motive aus der Natur inspirieren ihn im Wechsel der Jahreszeiten. 115
K alt und rau weht der Wind über das Meer. Eiderenten schwimmen wie Spielbälle in der aufgewühlten Ostsee. Auf den wellenbrechenden Lahnungen sitzen einige Kormorane, die nach dem Tauchgang ihre Flügel spreizen. Schlafende Zwergmöwe Es ist einer dieser Tage, die nicht hell werden wollen. Grau in Grau 1 verschwimmen Wolken und Meer fast miteinander. Hier an der ren Stütz- und Deckenbalken einen und Käferarten, Pflanzen oder Land- Hohwachter Bucht zwischen Kiel rustikalen Charme ausstrahlt. Zwei schaften. Seine Zeichnungen und und Heiligenhafen, an einem Sofas und ein roter Samtsessel stehen Bilder finden sich in Bestimmungsbü- Abschnitt mit Blick auf drei windge- für Besucher bereit, für Gespräche über chern, Kalendern und Fachzeitschrif- beugte Pappeln, sitzt Christopher Kunst und Natur. An den Wänden, die ten, die von verschiedenen Verlagen in Schmidt oft und malt – Vögel und teilweise noch das Fachwerk freigeben, Auftrag gegeben wurden. In jüngster die übersehenen kleinen Schätze, hängen viele seiner Werke. Manche Zeit widmet er sich verstärkt freien die das Meer angespült hat. sind unverkäuflich wie das Bild von der Arbeiten und eigenen Buchprojekten. schlafenden Zwergmöwe. „Diese Atelier im Resthof Situation hat mich besonders berührt. Mit Aquarellfarben Knapp 20 Kilometer westlich, Ich habe sie frühmorgens an einem Hauptsächlich malt Christopher mitten in der Holsteinischen Binnensee entdeckt, als noch keine Schmidt Aquarelle. Die Farben, die Schweiz, lebt der Naturmaler und Touristen unterwegs waren“, erzählt er. auf dem Papier zart und leicht wirken, hauptberufliche Lehrer mit seiner bringen die filigranen Vogelfedern Frau auf einem Resthof. Im vergan- Motive aus der Natur besonders gut zum Ausdruck. „Zur 2 3 genen Frühjahr hat er sich ein Naturkundlich faszinieren den Natur passt das Aquarell am besten. Atelier im ehemaligen Stallgebäude Biologen vor allem die Vögel. Das Mit den Farben erreiche ich eine eingerichtet, das mit seinen schwe- spiegelt sich auch in seinen Werken gewisse Weichheit.“ Kommt es ihm auf wider. Bis vor zehn Jahren hat er Details an, malt er auf Aquarellkarton, ausschließlich sie gemalt und gezeich- der auch kleine Korrekturen erlaubt. net. „Egal wie oft ich schon einen Wenn es dem Maler um die Komposi- Vogel gemalt habe, ich entdecke tion und Lebendigkeit des Bildes geht, immer neue Lichtverhältnisse.“ verwendet er handgeschöpftes Bütten- Inzwischen sind andere Motive papier. „Jeder Pinselstrich muss auf der hinzugekommen wie Schmetterlings- rauen Oberfläche sitzen.“ Das Atelier in einem ehemaligen Stallgebäude 4 strahlt einen rustikalen Charme aus. Christopher Schmidt sitzt hier an seinem Arbeitsplatz und arbeitet gerade an einem neuen Buchprojekt. 1) Versteckt: Junge Zwergseeschwalbe 2) Bekassine bei der Nahrungssuche 3) Fundstücke nach der Mauser: Uhufedern 4) Kormoran nach dem Tauchgang (links) mit zwei Eiderenten 116 117
Die besten Kompositionen schreibt die Natur. Nach draußen im Wasser spiegeln. Manchmal kommt Gern zieht Christopher Schmidt es aber ganz anders, denn den Takt gibt frühmorgens mit seinem Malrucksack die Natur vor. „Draußen entscheidet los, wenn es draußen noch dunkel ist. sich dann, ob ich nicht doch den Raus an die Hohwachter Bucht, ans Silberreiher in einer gerade besonders Meer, die Köge und Binnenseen. Auch schönen Lichtstimmung male.“ ehemalige Truppenübungsplätze, Entweder zeichnet er mit dem Bleistift auf denen er seltene Vögel wie Wiede- locker vor und mit den Aquarellfarben hopf, Raubwürger, Ziegenmelker oder nach oder das Bild entsteht direkt mit Schwarzkehlchen finden kann, sucht ihnen – vor allem dann, wenn es dem er auf. Bevor die Vögel aufwachen, Maler um eine Stimmung und die 2 legt er sich alles zurecht: packt das Schönheit der Farben geht. Schnelle Sitzkissen aus, Spektiv, Skizzenbuch, Momente hält er mit der Kamera fest, Papier, Radierer, Wasserbehälter und um seine Bilder zu Hause mithilfe 3 Aquarellfarben. Dann sitzt er, wartet der Fotos, Skizzen und Notizen 1) Im Skizzenbuch finden sich auch und beobachtet. auszuarbeiten. tagebuchartige Auf- Die Erfahrung sagt dem Maler und zeichnungen wie hier Illustrator, wann gute Tage für seine Frei oder ganz genau Mit Malrucksack und Skizzenbuch sitzt zum Stelzenläufer. Naturstudien sind – wie schöne „Richtige Kompositionen finde ich nur Christopher Schmidt in der Natur. 2) Seltener Wiedehopf Oktobertage, an denen die Kiebitze an in der Natur. So entstehen Bilder, die 3) Guter Kletterer: Siebenschläfer den Lebrader Teichen rasten und sich man sich nicht ausdenken kann.“ Ein 1 4) Hohwachter Bucht im März Bild ist für ihn gelungen, wenn es ihn Der Maler arbeitet häufig an der Hoh- emotional berührt, der Fantasie des wachter Bucht. Auch Betrachters genügend Spielraum lässt Binnenseen oder ehe- und in den entscheidenden Details malige Truppenübungs- dennoch genau ausgearbeitet ist. plätze sucht er auf. „Mein Ziel ist es, den Vogel so zu zeigen, wie ich ihn erlebt habe.“ Für Bestimmungsbücher hingegen muss er diszipliniert und sachlich arbeiten. Dazu fährt er auch zum Zoologischen Museum nach Kiel, um Vögel zu vermessen und Skizzen anzufertigen. „In der Zeichnung kann ich in derselben Lichtstimmung alle Merkmale vereinen, die für eine Art typisch sind. Damit schafft eine Zeichnung eine bessere Vergleichbar- keit als ein Foto, das immer nur ein Individuum zeigt“, erläutert der Biologe die Vorteile der Illustration. 4 118 119
einem bekannten amerikanischen haben kann“, sagt Christopher Vogelillustrator und einem jungen Schmidt und zieht aus einem Regal 1 Mann, der Anfang des 20. Jahr- eines der vielen Bücher, die er in den hunderts Naturmaler werden will. vergangenen 20 Jahren mit Leben „Das war meine Schule. Ich habe gefüllt hat: mit Bleistiftskizzen, viel über Morphologie gelernt, über Notizen zu Gefiederkennzeichen und Hintergrundfarben oder wie die Sonne zum Verhalten sowie tagebuchartigen Schatten auf den Vogel zeichnet.“ Aufzeichnungen über Arten, die noch nicht so häufig beobachtet wurden. Unterwegs mit Skizzenbuch Die Skizzenbücher dienen ihm als Als Biologe hat der Naturmaler einen Vorlage für aufwendige Bilder, die reichen Wissensschatz: Er weiß, wo er an seinem neuen Arbeitsplatz im welche Federarten auf dem Körper Atelier fertigstellt. Hier kann er vom 2 liegen müssen. Er kann sehr ähnliche Fenster aus sogar täglich die Seeadler Vogelarten an ihrem Verhalten, sehen, die über den Baumkronen KONTAKT Laufgang und der Körperhaltung des nahen Waldes kreisen. Christopher Schmidt, www.naturillustrationen.de voneinander unterscheiden oder weiß bei den Schmetterlingen genau, wie Leuchtende Blaukehlchen die Adern über die Flügel verlaufen. Jetzt im Frühjahr freut sich Christo- Er selbst betrachtet seine Vorbildung pher Schmidt auf die farbenprächtigen auch als ein kleines Risiko: „Es besteht Blaukehlchen, die zurückkehren und Männchen mit ihren leuchtend blauen die Gefahr, dass man nicht mehr hinterm Deich ihre Reviere beziehen Kehlen vor dem kargen, ockerfarbenen genau beobachtet.“ werden. „Am ersten warmen Tag Ende Schilfgürtel – hier, an der Hohwachter Wichtiger Begleiter auf seinen Exkur- März, Anfang April kommen sie und Bucht, an einem Abschnitt mit Blick auf sionen ist sein Skizzenbuch. „Es ist das fangen sofort an, im Schilf zu singen.“ drei vom Wind gebeugte Pappeln. ■ Persönlichste, das man als Naturmaler Als Maler reizen ihn vor allem die Text: Tanja Wobig, Fotos: André Reuter (4), Desiree Schmidt (2) 1) An der Ostsee- küste entdeckt: Schmetterlinge 2) Blaumeise auf Birkenzweig 3) Singendes Blaukehlchen Prägende Begegnungen der ihm den Kontakt zum Illustrator Bereits in der Kindheit fing Christopher vermittelte. Nach langer Zeit erhielt er Schmidt an, Vögel zu bestimmen und einen Brief. Darin beantwortete ihm der zu zeichnen. Seine Eltern schenkten in Südfrankreich lebende Vogelillustrator ihm als 13-Jährigem Pareys Vogelbuch, all seine Fragen zu Farben, Pinseln und ein Bestimmungswerk über die Vögel Papier. „Er versprach mir, mich in Herford Europas. Die Liebe zur Kunst wurde zu besuchen, wenn er mal wieder in Christopher Schmidt, der in Solingen Deutschland ist. Eines Tages kam er und Herford aufwuchs, quasi in die tatsächlich. Mit seinem Barett auf dem Wiege gelegt. Großvater, Vater und Kopf saß er in unserem Wohnzimmer Onkel haben gemalt. „Mein Großvater, und beäugte kritisch meine Werke. Ein den ich leider nie kennengelernt habe, Meilenstein für meine Weiterentwick- wollte Maler werden und war gut mit lung“, erinnert sich der heute 55-Jährige. den Worpsweder Malern bekannt“, Der Kontakt blieb über Jahrzehnte erzählt er. bestehen. Auf Ausstellungen kreuzten Neben der fördernden Familie führten sich die Wege der beiden immer wieder. ihn lebensprägende Begegnungen auf Auch ein Buch, das Christopher Schmidt seinem künstlerischen Weg weiter. Eine Ende der 1980er Jahre in einem Antiqua- davon ereignete sich bereits mit 17: Aus riat in Seattle entdeckt hatte, wurde für 3 jugendlichem Eifer heraus schrieb er an ihn zum Wegweiser: „To a Young Bird den Herausgeber von Pareys Vogelbuch, Artist“ umfasst den Briefwechsel zwischen 120
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