Wissenschaftliche Schulen damals und heute - Was der Mediziner Paul Ehrlich und der Physiker Horst Schmidt-Böcking gemeinsam haben

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Wissenschaftliche Schulen damals und heute - Was der Mediziner Paul Ehrlich und der Physiker Horst Schmidt-Böcking gemeinsam haben
Wissenschaftliche Schulen
damals und heute
Was der Mediziner Paul Ehrlich und der Physiker Horst Schmidt-Böcking
gemeinsam haben

von Heike Jüngst
Wissenschaftliche Schulen damals und heute - Was der Mediziner Paul Ehrlich und der Physiker Horst Schmidt-Böcking gemeinsam haben
Fächerkulturen

Manche Wissenschaftler haben die Gabe, andere zu
inspirieren. Sie ziehen talentierte junge Menschen an, sind
gut vernetzt und bringen wiederum erfolgreiche Forscher hervor.
Heike Jüngst spürt dem Erfolgsrezept der Begründer
wissenschaft­licher Schulen an einem historischen und
einem zeitgenössischen Beispiel nach.

M
         it Blick auf Frankfurts Skyline vor sei-   Horst Schmidt-Böcking mit einem verschmitzten
         nem Bürofenster sieht Reinhard Dörner      Lächeln. Also eine Idee davon, welche Fragen
         jeden Tag aufs Neue bestätigt: Er hat      neue Antworten in der großen weiten Welt der
einen privilegierten Arbeitsplatz. Reinhard Dör-    Quantenmechanik bringen. Und: »Sie müssen
ner ist Quantenphysiker, und er ist glücklich,      tiefer bohren als noch vor 100 Jahren.« Der
eben nicht dort drüben in den Bankentürmen          inzwischen emeritierte Professor spricht aus
der Finanzmetropole zu arbeiten. Keine Profite      langjähriger Erfahrung. Die grundlegenden
generieren zu müssen, keinen wirtschaftlichen       Erkenntnisse seien schließlich gewonnen, die
Zwängen zu unterliegen.                             großen Fortschritte gemacht worden in der Welt
    Der Physikprofessor schätzt das Klima der       der Quanten. Max Planck, Otto Stern, Niels Bohr.
Freiheit von Forschung und Lehre. Er schwärmt       Aber es gebe nach wie vor noch viel zu ent­decken
von den Möglichkeiten seines Instituts auf dem      und zu beweisen. Man glaubt es Schmidt-
Campus Riedberg der Goethe-Universität. Dem         Böcking sofort. In seinen Augen blitzen Ent­
Neubau, von dem er in der Cafeteria sitzend ins     deckergeist und Tatendrang. Nach wie vor.
Labor schauen kann. Fragen stellen zu dürfen            Er selbst entwickelte Anfang der 1980er Jahre
und dafür bezahlt zu werden. Man merkt dem          ein Messverfahren für die Forscher der Quanten-
Mann an, er ist Wissenschaftler aus Überzeu-        physikszene: das COLTRIMS-Detektionssystem.
gung: »Zu Beginn der Menschheitsgeschichte          Eine Art Mikroskop, das detaillierte Einblicke in
war es überlebensnotwendig, die Natur wenigs-       das Innenleben von Atomen und Molekülen
ten teilweise beherrschen zu können. Über die       erlaubt. Mithilfe der COLTRIMS-Methode lassen
Jahrtausende entstand daraus eines der fantas-      sich Reaktionen in Atomen und Molekülen drei-
tischsten Projekte der Menschheitsgeschichte,       dimensional verfolgen. Unsichtbares wird mit
eines, das wir niemals abschließen werden: die      dem COLTRIMS-Mikroskop sichtbar.
Natur zu verstehen«, sagt der 52-Jährige.               »Physiker sind wie Kinder. Sie wollen spie-      1 Der Arzt und Immunologe
»Daran mitarbeiten zu können, ist ein wunder-       len«, grinst Schmidt-Böcking. »Wir versuchen,        Paul Ehrlich und der Physiker
                                                                                                         Horst Schmidt-Böcking.
bares Privileg.«                                    etwas zu messen und geben den Grad der Wahr-
    Reinhard Dörner ist überzeugt: »Sie können      heit an.« Im Falle des COLTRIMS-Detektions­
die Quantenmechanik nur durch Fragen erklä-         systems ist der Grad der Wahrheit ein bis dato
ren.« Wissen könne da manchmal sogar hinder-        unerreicht hoher, so präzise arbeitet es. Schmidt-
lich sein. Er folgt mit diesem Denkkonzept der      Böcking erhielt dafür als erster Nicht-Amerika-
Schule seines Vorgängers Horst Schmidt-Böcking,     ner den renommierten Davisson-Germer-Preis
einem der renommiertesten Quantenphysiker           der American Physical Society. Nach dem Nobel-
weltweit. Schmidt-Böcking ist Dörners akademi-      preis ist das die wichtigste Auszeichnung auf
scher Ziehvater. Dieser habe ihn schon früh auf     dem Gebiet der Physik.
wichtige Fragen gestoßen.                               Schmidt-Böcking schuf mit dem COLTRIMS-
                                                    Detektionssystem das Handwerkszeug für viele
Das Unsichtbare sichtbar machen                     neue Erkenntnisse in der Quantenphysik. Im
»Sie müssen dumme Querdenkerfragen stellen          Nebeneffekt legte er damit auch den Grundstein
und Sie müssen eine Idee haben, wenn sie eine       für eine wissenschaftliche Schule. Gezielt hinar-
wissenschaftliche Schule etablieren wollen«, sagt   beiten könne man weder auf den Erfolg noch

                                                                                                         Forschung Frankfurt | 1.2014   59
Wissenschaftliche Schulen damals und heute - Was der Mediziner Paul Ehrlich und der Physiker Horst Schmidt-Böcking gemeinsam haben
Fächerkulturen

                                    2

          2 Historisches Labor          auf die Gründung einer Schule, sagt er retros-      che solcher Anekdoten. Überliefert sei auch der
               Paul Ehrlichs im         pektiv. Aber man müsse immer ein bisschen           Running Gag »Ehrlich färbt am längsten«, mit
           Georg-Speyer-Haus.
                                        besser sein als andere. »Sie müssen schon im        dem ihn seine Kommilitonen aufzogen. Man
                                        schnelleren Bob sitzen.«                            merkt Axel Hüntelmann an: Er mag den Prota-
                                            Unsichtbares sichtbar machen. Das wollte        gonisten seiner Forscherbiografie.
                                        auch Paul Ehrlich, erzählt sein Biograf Axel             Ehrlichs Leben und Arbeiten war geprägt
                                        Hüntelmann. Da unterschieden sich der Quan-         durch hohes Engagement. Persönlich, finanziell,
                                        tenphysiker der Gegenwart und der berühmte          ideell. Ihm fehlten die Strukturen einer Universi-
                                        Mediziner aus dem 19. Jahrhundert nicht. Farbe      tät. Er arbeitete in Instituten. Zunächst in Berlin.
                                        macht Unsichtbares sichtbar. Das war Paul Ehr-      Später in Frankfurt am Main, dem Georg-Speyer-
                                        lichs Methode.                                      Haus, einem chemotherapeutischen Institut. Den
                                            Den Mediziner Ehrlich interessierte vor         Ruf zum ersten Präsidenten der 1914 gegründe-
                                        allem das Innenleben von Blut. Zellen. Ein-         ten Goethe-Universität lehnte er ab.
                                        dringlinge wie Bakterien und Viren. Die Gesetz-          Trotz fehlendem Lehrstuhl wirkten auch
                                        mäßigkeiten des Immunsystems. Mit diagnosti-        Ehrlichs Forschungsergebnisse Schulen bil-
                                        schen Färbemethoden für Blutzellen und              dend, sagt Hüntelmann, vor allem in der Immu-
                                        Mikroorganismen wollte Paul Ehrlich mehr            nologie und der Chemotherapie. Ehrlichs Wis-
                                        erfahren über deren Struktur, die Prozesse der      sen darum, wie bakterielle Giftstoffe und die
                                        Immunabwehr verstehen. So fand er heraus,           vom Körper gebildeten Gegengifte sich neutra-
                                        wie Antikörper arbeiten. Paul Ehrlich erhielt       lisieren können, ermöglichte es ihm, das Diph-
                                        1908 für seine immunologischen Arbeiten den         therieserum und eine Arznei gegen Syphilis,
                                        Nobelpreis für Medizin.                             das Salvarsan, zu entwickeln. Diese Erfindung
                                                                                            war spektakulär. Bahnbrechend und wegwei-
                                        Eine wissenschaftliche Schule zu gründen,           send. Bis in die Gegenwart.
                                        darauf habe es Paul Ehrlich nie angelegt.
                                        Auch Ehrlich »spielte« lieber, lacht Axel Hüntel-   Forschung braucht konsequentes Management
                                        mann. Schon als junger Student in den 1870er        Geduld, Geschick, Geld und Glück – vier Gs
                                        Jahren färbte Ehrlich in aufwendigen Versuchs-      benötige es für wissenschaftlichen Erfolg, zitiert
                                        reihen Gewebe, zunächst von Tieren.                 Axel Hüntelmann Paul Ehrlich und übersetzt:
                                            Ehrlich habe gestohlenen Tauben Farbe ins       Methoden systematisieren, Netzwerke bilden
                                        Gehirn injiziert, worauf sich die Köpfe blau        und pflegen, Gelder einwerben, Resultate inter-
                                        gefärbt haben sollen, gibt der Wissenschafts­       pretieren und veröffentlichen, Mitarbeiter moti-
                                        historiker Hüntelmann zum Besten. Von einem         vieren – das sind die Säulen einer wissenschaft-
                                        solchen Experiment habe Ehrlichs Schwester          lichen Schule. Daran hat sich bis heute nichts
                                        Anna Knoche später berichtet. Es gebe zahlrei-      geändert.

60   1.2014 | Forschung Frankfurt
Fächerkulturen

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     In der Wissenschaftsgeschichte spricht man    nen uns in einem akademischen Umfeld erlau-            3 Reinhard Dörner mit
von Schulen, wenn Wissenschaftler der Denk­        ben, menschliche Umgangsformen zu pflegen.             seiner Arbeitsgruppe
                                                                                                          in der Beschleunigerhalle
tradition eines wegweisenden Vorgängers fol-       So wie in einem Freundeskreis. Anders als in
                                                                                                          des Instituts für Physik.
gen oder wenn Wissenschaftler ähnlicher Ori-       der freien Wirtschaft.« Reinhard Dörner legt
entierung zusammenarbeiten. Für den Physiker       Wert auf diese Feststellung. Der freundschaft­
Reinhard Dörner ist Forschung eine Haltung.        liche, familiäre Umgang miteinander ist Voraus-
Lifestyle. Eine Einstellung auch zum Leben. Ein    setzung für die Arbeit in der Welt der Quanten,
Grenzgang zwischen Physik und Philosophie.         die jeglicher Alltagserfahrung widerspricht, in
Und Teamarbeit. »Diese Art von Physik lebt         der nichts sicher und alles möglich ist.
nicht von einer Person, die auf eine bestimmte         Als Außenstehende ist man überrascht von
Art denkt. Sie lebt von dem Team, von der          der heiteren Atmosphäre bei den Quanten­
Gemeinschaft, die gemeinsam gute Ideen hat         physikern auf dem Riedberg. Eine entspannte
und umsetzt«, sagt Dörner. Geistige Wahlver-       Leichtigkeit liegt in der Luft.
wandtschaften. Das schweißt zusammen. Und              Der inzwischen 75-jährige Horst Schmidt-
macht erfolgreich. Erst vergangenes Jahr wurde     Böcking kommt immer noch mehrmals die
Reinhard Dörner von der Universität Frankfurt      Woche in sein Büro auf dem Riedberg. Die Mit-
zum »Wissenschaftler des Jahres« gewählt.          arbeiter seines Nachfolgers Reinhard Dörner las-
     Eine Ehrung, die vor allem seinem 40-köpfi-   sen ihn teilhaben an ihren Arbeiten, fragen ihn
gen Team gebührt, sagt er. Reinhard Dörner ist     um Rat. Nach wie vor. Als wissenschaftlicher
ein leiser, bedachter, ein bescheidener Mann.      Ideengeber ist Horst Schmidt-Böcking ebenso
Warum er so erfolgreich ist? Dörner antwortet      geschätzt wie als warmherziger Menschen-
nicht sofort. Lehnt sich zurück, überlegt. »Man    freund beliebt. Sein Geheimnis? Schmidt-
ist da so reingewachsen mit den Jahren«, sagt er   Böcking antwortet wie ein besonnener Vater:
achselzuckend. Mit Horst Schmidt-Böcking           »Sie müssen die jungen Leute machen lassen.
habe er einen wissenschaftlichen Ziehvater         Das Benzin in den Tank füllen, damit sie losfah-
gehabt am Frankfurter Institut für Kernphysik,     ren können. Und auffangen, wenn mal was
der ihm heute noch ein Vorbild sei. Auch in        schiefgegangen ist.«
Sachen Mitarbeiterführung. Menschlichkeit und          Der Mann hat eine bildreiche Sprache. Seine
Respekt sorgen für Vertrauen.                      Vorlesungen seien immer ein großes Vergnügen
     »Ohne die richtigen Mitarbeiter könnte es     gewesen, erinnert sich Reinhard Dörner
nie eine wissenschaftliche Schule und eine wis-    schmunzelnd. Schule ist immer nur so gut wie
senschaftliche Idee geben«, sagt auch Schmidt-     ihre Schulleitung. Da hilft es auch, ein Sympa-
Böcking. »Sie müssen diese Leute finden, und       thieträger zu sein.
Sie müssen sie motivieren können.« Vertrauen           Die große Gabe, abstrakte Theorien bildreich
im Team ist das Kapital des Instituts. »Wir kön-   zu erklären, besaß auch Paul Ehrlich. Hatte er

                                                                                                          Forschung Frankfurt | 1.2014   61
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beeindruckend                                       traditionell                                   modern
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Fächerkulturen

eine Idee, erzählte er sie immer zuerst seiner       nur dann Schule, wenn sie auch eine gesell-
Frau und den beiden Töchtern. Wissenschaft­          schaftliche Relevanz haben. Paul Ehrlich etwa
liche Laien. Menschliche Lackmusstreifen für         hätte 20 Jahre früher mit seinen Arbeiten wenig
die Plausibilität seiner Theorien, berichtet Axel    Chancen gehabt. Er experimentierte zu einer
Hüntelmann. Und ähnlich wie heute Schmidt-           Zeit, in der Wissenschaft noch in den Kinder-
Böcking verstand es auch Paul Ehrlich, mit           schuhen steckte und Empirie mehr zählte
einem einnehmenden, freundlichen Wesen               als theoretische Gedankengebäude, denen im
seine Mitarbeiter zu motivieren, wenn sie bei        Experiment erst nachgegangen werden musste.
den langen Versuchsreihen die Geduld verloren.       Doch für die damals großen Krankheiten Diph-
Für solche Lehrer geben Schüler ihr Bestes.          therie und Syphilis brauchte es eine Lösung. Vor
                                                     diesem Hintergrund waren Ehrlichs Medika-
Klappern gehört zum Handwerk                         mente eine Verheißung. Für die Gesellschaft
Geradezu ein Meister war Paul Ehrlich in             und den Staat.
Sachen Öffentlichkeitsarbeit. Unermüdlich warb            Auch die Erfindung des COLTRIMS-Detek­
er für seine Ideen, verschickte Sonderdrucke an      tionssystems folgt durchaus einer zeitgeschicht­
Wissenschaftler weltweit ebenso wie an poten-        lichen Logik. Anfang der 1980er Jahre des ver-
zielle Geldgeber. Ehrlich hielt sich damit im        gangenen Jahrhunderts verlor die Atomenergie
Gespräch, verschaffte seinen Arbeiten auf            in Deutschland rasant ihr Image als die Techno-
diese Weise Legitimität und Akzeptanz. Und er        logie der Zukunft. Kernphysik wollte kaum
behielt die Deutungshoheit darüber. Für seine        noch jemand studieren. Horst Schmidt-Böcking
Zeit war Ehrlich aus heutiger Sicht ein groß­        erzählt, wie sehr er selbst geschockt ist von den
artiger Netzwerker, sagt Biograf Hüntelmann.         Reaktorunfällen in Tschernobyl, in Fukushima.
Die vielen ausländischen Gastforscher an Ehr-        Sein Blick zeigt noch immer eine gewisse
lichs Frankfurter Institut taten ein Übriges,        ­Fassungslosigkeit. Er wandte sich völlig gegen
­Ehrlichs Konzepte weiterzuverbreiten. Wissen-        die Kernenergie. Da passte es perfekt in die Zeit,
 schaftliche Schulen brauchen Dialog, die Idee        ein Beobachtungs­   instrument wie COLTRIMS
 Verbreitung.                                         ent­
                                                         wickelt zu haben. LED, Transistor, Laser,
     Es sind die Veröffentlichungen und Patente,      Maser, Elektronenmikroskop, Kernspinreso-
 die am Ende zählen. Damals wie heute. Sie sind       nanz – bei allen diesen Geräten spielen quanten­
 die Währungen, nach denen gerechnet wird             physikalische Effekte eine zentrale Rolle. »Ohne
 in den Naturwissenschaften. Vor allem auf            uns gäbe es die moderne Medizin nicht«, sagt
 internationalen Konferenzen. Horst Schmidt-          Horst Schmidt-Böcking selbst­bewusst. Als Wissen­
 Böcking und sein Team gingen mit ihren               schaftler interessierten sich Physiker immer für
 Erkenntnissen noch einen Schritt weiter. Als sie     die Lösung von Problemen. Lösungen, die den
 das Potenzial ihrer COLTRIMS-Untersuchungs-          Menschen dienen. Lösungen, die Schule
 methode erkannten, erzählt Schmidt-Böcking           machen. 
 mit nachdenklichem Blick, da diskutierten sie
 lange miteinander. Was nun? Wie soll man mit
 dieser Erfindung umgehen? Im eigenen Institut
 als Wettbewerbsvorteil nutzen? Weltweit ver­
 öffentlichen? Oder das COLTRIMS-Mikroskop
 in Serie bauen und auch anderen Laboren zur
 Verfügung stellen? Man entschied sich für
 Letzteres: »Wir wollten viele an dieser Idee
 ­
 teilhaben lassen. So entsteht Schule«, sagt
 ­
 Schmidt-Böcking nicht ohne Stolz. Heute zäh-
 len COLTRIMS-Apparaturen zur Standardaus­
 rüstung von mehr als 100 Forschungs­laboren
 in aller Welt.

Ideen müssen passen
Schulenbildung habe vor allem etwas mit Spezi-                                     Heike Jüngst
alisierung zu tun, mit Ausdifferenzierung, erklärt
Wissenschaftshistoriker Hüntelmann. Und er ist                                     Heike Jüngst, geboren 1963, studierte Erziehungs-
                                                                                   wissen­schaften und Psychologie in Berlin und
überzeugt: »Man muss nicht genial sein, um
                                                                                   arbeitet als Journalistin unter anderem für die
wissenschaftlichen Erfolg zu haben. Der wissen-
                                                                                   Deutsche Welle. Sie lebt in Frankfurt am Main.
schaftliche Erfolg ist immer auch abhängig von
                                                                                   hjuengst@web.de
den soziokulturellen Begebenheiten.«
     Wissenschaftler sind immer auch Kinder                                        www.heike-juengst.de
ihrer Zeit, und Forschungsergebnisse machen

                                                                                                            Forschung Frankfurt | 1.2014   63
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