Trockenheit, Schädlinge und Pilze schwächen den Wald
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JAG D, F O R ST U N D N AT U R Trockenheit, Schädlinge und allen voran der Buchdrucker, in unter- schiedlichen Entwicklungsstadien er- folgreich überwintern. Dem entspre- Pilze schwächen den Wald chend kam es bereits mit Beginn der Schwärmflüge im April zu starkem Neubefall durch Buchdrucker. Durch Aktuelle Waldschutzsituation in Hessen die im Frühjahr wechselhaften Witte- rungsbedingungen, unterschiedliche Das Jahr 2019 brachte für den Wald in Hessen nicht die erhoffte Entlastung, im Entwicklungsstadien der Überwinte- Gegenteil: Die als Folge des Extremjahres 2018 in vielen Regionen ohnehin schon rer-Generation und die Anlage von außerordentlich kritische Waldschutzsituation verschärfte sich witterungsbedingt Geschwisterbruten dauerte die erste noch weiter. Windwürfe durch die Sturmtiefs „Bennet“ und „Eberhard“ und vor Schwärmperiode bis etwa Ende Juni. allem extremer Borkenkäferbefall sorgten für Schäden in der Fichte in bisher nicht Gegenmaßnahmen zur Verhinderung gekannter Dimension. Besorgniserregend war auch die Zunahme der sogenannten von Stehendbefall, dessen rechtzeitige Buchen-Vitalitätsschwäche, die inzwischen auch auf besseren Standorten und Sanierung sowie die Unschädlichma- über die meisten Altersklassen hinweg zu beobachten ist und zum Absterben chung der Brut vor dem Ausflug im vieler Buchen führte. Sommer konnten häufig kapazitätsbe- dingt nicht flächendeckend durchge- Die Kiefer war weiterhin stark durch höheren Jahresdurchschnittstempera- führt werden. Ab Juli begannen daher das Diplodia-Triebsterben beeinträch- tur noch zu den kühleren Bundeslän- die bis dahin schon fertig entwickelten tigt, und bei nahezu allen Baumarten dern. Bei der Sonnenscheindauer wur- Jungkäfer mit der Anlage einer zweiten traten in unterschiedlichem Ausmaß de im Juni und bei der Temperatur im Generation, was im weiteren Verlauf zu Schäden durch Schwächepathogene Juli jeweils ein neuer hessischer Rekord einem enormen Anstieg der vom Buch- und andere sekundäre Schaderreger aufgestellt. Der Niederschlag lag mit drucker befallenen Bestände führte. auf. 730 Litern pro Quadratmeter bei etwa Trotz intensiver Gegenmaßnahmen In dem deutschlandweit betrachtet 92 Prozent des Solls. Damit konnte das sind auch in 2019 wieder sehr viele Kä- drittwärmsten, niederschlagsarmen und bereits im Vorjahr entstandene Boden- fer in die Überwinterung entkommen sehr sonnenscheinreichen Jahr 2019 wasserdefizit auch über die Wintermo- und stellen für das Jahr 2020 eine ext- zählte Hessen mit einer gegenüber dem nate nicht ausgeglichen werden, son- rem hohes Gefährdungspotenzial dar. langjährigen Mittel „nur“ um 1,9 °C dern vergrößerte sich noch im Besonders wichtig ist daher das recht- Jahresverlauf. Lediglich zeitige und konsequente Ergreifen aller der Mai war ein zu kühler im Rahmen des integrierten Pflanzen- und regenreicher Monat, schutzes erforderlichen und möglichen was aber nur kurzfristig zu Gegenmaßnahmen im Frühjahr, um ein einer geringen Entspan- weiteres exponentielles Wachstum der nung führte, denn der an- Buchdruckerpopulationen zu verhin- schließende trockene und dern. heiße Sommer verstärkte die Trockenheit im Boden Kupferstecher weniger in allen Schichten. Im erfolgreich als Buchdrucker Herbst verbesserte sich die Wasserversorgung im Der Kupferstecher war zwar vor al- Oberboden zwar regional, lem im Frühjahr noch stärker mit Neu- in den tieferen Boden- befall am Schadgeschehen in der Fich- schichten herrschte aber te beteiligt, verzeichnete dann allerdings nach wie vor eine große im weiteren Verlauf zumeist nur gerin- Trockenheit. ge Bruterfolge, sodass diese Borkenkä- ferart im Vergleich zum Buchdrucker Borkenkäfer sorgen in 2019 nachrangig war. Ähnlich ver- für enorme Wertver- hielt es sich mit dem Befall durch den luste Lärchenborkenkäfer, der zunächst re- gional nochmals starken Stehendbefall Borkenkäfer: Die im an den durch das Vorjahr geschwächten Vorjahr begonnene starke Lärchen verursachte, aber seine Ent- Borkenkäfer-Kalamität wicklung oftmals nicht erfolgreich be- setze sich in 2019 fort und enden konnte, sodass im Sommer nur führte zu massiven Schä- noch wenige Schäden durch ihn ent- den in der Fichte. Auf standen. Grund der für Borkenkä- fer sehr günstigen Witte- Waldmaikäfer: Im Rahmen des re- rungsbedingungen des gelmäßigen Monitoringprogramms Vorjahres (2018) und des zum Waldmaikäfer wurden im Forst- die Aufarbeitungskapazi- amt Hanau-Wolfgang in 2019 wieder täten vielerorts über- systematische Probegrabungen nach schreitenden Schaden- den Engerlingen des dritten Larvensta- sausmaßes konnten in den diums durchgeführt. Dieses Enger- Absterbende Birken durch Befall mit Melanconis sp. – hier Hauptschadensgebieten lingsstadium verursacht durch seinen die Stammnekrosen. Fotos: Archiv NW-FVA sehr viele Borkenkäfer, Wurzelfraß die stärksten Schäden mit 36 LW 2 0 / 2 0 2 0
JAG D, F O R ST U N D N AT U R Ausfällen vor allem in Kulturen und Jungbeständen. Bei hohen Dichten des Waldmaikä- fers können aber auch ältere Bäume durch fraßbedingte Wurzelverluste be- einträchtigt werden, was angesichts der ohnehin schlechten Bodenwasser-Situ- ation das Trocknisrisiko für die Bäume zusätzlich erhöht. Die Grabungsergeb- nisse zeigen, dass die mittleren Enger- lingsdichten an den Grabungspunkten deutlich höher waren als bei der voran- gegangenen Aufnahme im Jahr 2015. Auch die Befallsfläche hat sich weiter ausgedehnt. Somit ist für das Frühjahr 2020 mit einem sehr starken Flug des Waldmaikäfers in der betroffenen Re- gion zu rechnen. Eichenfraßgesellschaft: Bei den Fraßkartierungen zur Eichenfraßgesell- schaft auf insgesamt 198 Hektar wurde im Jahr 2019 in den Forstämtern Ha- nau-Wolfgang, Langen und Nidda überwiegend Fraß durch den Schwammspinner festgestellt, wobei Biscogniauxia nummularia, der Münzenförmige Rindenkugelpilz, in seiner Hauptfruchtform an Buche. geringer Fraß auf insgesamt 53 ha, mitt- lerer Fraß auf 31 ha und starker bis Kahlfraß auf 32 ha auftrat. Fraß durch Bei der Überwachung der Populati- stieg von Absterbeerscheinungen den Eichenprozessionsspinner wurde onen des Kleinen und des Großen festzustellen war, zeigten sich ab dem von den Forstämtern Wettenberg und Frostspanners mit Leimringen im Frühjahr 2019 eine nochmalige Aus- Hofbieber sowie dem Bundesforstbe- Herbst/Winter 2019/20 wurden keine weitung der Absterbeprozesse in Bu- trieb Schwarzenborn auf insgesamt 82 Überschreitungen der Warnschwelle chenbeständen. Absterbende Kronen- ha dokumentiert, wobei auf allen Flä- festgestellt. Diese Arten der Eichen- teile und das gehäufte Auftreten von chen bislang nur geringer Fraß festge- fraßgesellschaft befinden sich weiterhin Schleimflussflecken am Stamm wurden stellt wurde. Durch die allergene Wir- in der Latenz. dabei als typische Symptome beobacht. kung seiner Brennhaare kann es Weitere Symptome waren Rindenne- allerdings auch schon bei niedrigen Mäuse: Seit dem Herbst 2019 befin- krosen, Rindenrisse und abplatzende Dichten, die für den betroffenen Be- den sich die oberirdisch fressenden Rinde, was auf Sonnenbrand und/oder stand an sich noch keine Gefährdung Kurzschwanzmäuse in vielen Regionen einen Befall mit Rindenpilzen, teilwei- darstellen, zu gesundheitlichen Beein- wieder in einer Massenvermehrung. se gefolgt von Borken- und Prachtkä- trächtigungen bei Waldbesuchern und Diese wird durch das Angebot an den fern zurückzuführen war. Sehr schnell im Wald arbeitenden Personen kom- zur Vergrasung neigenden Freiflächen traten dann auch verschiedene Holz- men. die durch Windwürfe und Borkenkä- fäulepilze auf, die die Stabilität und Lokalen Fraß durch die Eichenfraß- ferkalamität entstanden sind, begüns- Standsicherheit der Buchen beeinfluss- gesellschaft, der ebenfalls überwiegend tigt. Die Probefänge der NW-FVA im ten. Während zunächst überwiegend durch den Eichenprozessionsspinner Herbst ergaben lokal bereinigte Index- bereits vorgeschädigte Buchen auf ex- verursacht wurde, meldeten außerdem werte von maximal 50 für Erd- und ponierten Standorten betroffen waren, die Forstämter Bad Schwalbach, Bie- Feldmäuse (2018: 25,3) und 53,8 für weiteten sich die Absterbeerscheinun- denkopf, Dieburg, Groß-Gerau, Neu- Rötelmäuse (2018: 24) je 100 Fallen- gen mit fortschreitender Trockenheit kirchen, Rüdesheim, Schotten, Wetzlar nächte. Auch die Überwachungen mit und den sehr hohen Temperaturen auf und Wiesbaden-Chausseehaus. Apfelsteckreisern bestätigten die sehr nahezu alle Altersklassen und zuneh- Die Überwachung des Schwamm- hohen Mäusedichten. Es wurden An- mend auch Bestände auf günstigeren spinners mit Hilfe von Pheromonfallen nahmeraten von bis zu 96 Prozent Standorten aus. zeigte, dass sich dieser Schmetterling (2018: 50 Prozent) ermittelt. Bisher Viele bisher nicht im Zusammenhang weiterhin in der Progradationsphase wurden rund 60 ha Schadfläche in Kul- mit der Buchen-Vitalitätsschwäche auf- befindet. Insgesamt wurde ein Anstieg turen gemeldet. Zur Sicherung der fällig gewordene Pilze führten als der Fangzahlen mit 25 Warnschwellen- zahlreichen Kulturen wird daher in Schwächepathogene sogar zum Abster- überschreitungen in den Forstämtern vielen Fällen eine Mäusebekämpfung ben der Bäume. Häufig war dies in 2019 Darmstadt, Groß-Gerau, Königstein, unumgänglich sein. zum Beispiel der Rindenkugelpilz, auch Lampertheim, Langen und Nidda er- Pfennig-Kohlenbeere und wissen- mittelt. An insgesamt acht Standorten Komplexe Schäden an Buche schaftlich Biscogniauxia nummularia wurden Fangzahlen von über 2 000 nehmen zu genannt. Dieser Wärme liebende Pilz Faltern pro Falle beobachtet. Die Suche ist als Schwächepathogen in europäi- nach Eispiegeln im Winter 2019/2020 Nachdem bereits im Herbst 2018 als schen Buchenwäldern heimisch, verur- ergab in 16 von 35 untersuchten Flä- Folge der extremen Witterungsverhält- sacht aber in der Regel keine Schäden. chen Warnschwellenüberschreitungen nisse eine Zunahme der Buchen-Vita- Bei einer starken Schwächung der Bu- in den Forstämtern Nidda und Langen. litätsschwäche und ein deutlicher An- chen kann er mit dem Übergang in LW 2 0 / 2 0 2 0 37
JAG D, F O R ST U N D N AT U R seine parasitische Phase reagieren und Holzfäule veursachen. Absterbende Bäume zeigen als Schadsymptome flache, beulenartige Aufwölbungen der obersten Rinden- schicht, ein Aufplatzen und Zurück- krümmen der Rinde mit einer zunächst weißen Sporenmasse, die später wach- sig-grau und abgetragen wird. Im Spätstadium zeigt sich dann eine graue bis braune Palisade aus Sporenträgern auf dem Stamm. Die mit den Schädi- gungen verbundene, schnelle Holzzer- setzung ist auch unter dem Gesichts- punkt der Arbeitssicherheit und der sien und Küstentannen in verschiede- rindenerkrankung sowie das so genann- Verkehrssicherung problematisch. Als nen Altersstufen. Auffällig war vor allem te Ahorn-Triebsterben, welches durch Folge der Witterungsbedingungen des in jüngeren und mittelalten Beständen den Pilz Stegonsporium pyriforme ver- Jahres 2019 wird auch für 2020 eine die Bildung von durch S. sapinea verur- ursacht wird, auch in 2019 wieder sehr weitere, erhebliche Zunahme der Schä- sachten, schildartigen Rindennekrosen auffällig in Erscheinung. Diese beiden den in Buchenbeständen befürchtet. an Stämmen und Ästen. Sie führten Schwächepathogene profitierten von meist zum Absterben der betroffenen der erneut trockenen und warmen Wit- Diplodia-Triebsterben Bäume oder Kronenteile. terung. Die letztgenannte Erkrankung der Kiefer tritt meist bei jüngeren Bäumen auf, die Schwächung der Eiche typischen, schwarzen Sporenlager sit- Zu starken Schäden durch das Dip- sowie des Ahorn zen auf und nicht wie bei der Rußrin- lodia-Triebsterben, veursacht durch denkrankheit unter der Rinde. Bei der den Wärme liebenden Pilz Sphaeropsis Viele weitere Baumarten wurden Aufarbeitung von Bäumen mit der sapinea , kam es wie imVorjahr vor al- durch Witterungsbedingungen der ver- Rußrinden-Erkrankung sollten die von lem im Bereich der hessischen Maine- gangenen zwei Jahre geschwächt und der Sozialversicherung für Landwirt- bene (Frankfurt, Langen). Aber auch dadurch in höherem Maße anfällig für schaft, Forsten und Gartenbau empfoh- aus anderen Regionen wurde erhebli- Schwächepathogene und sekundäre lenen Schutzmaßnahmen eingehalten cher Diplodia-Befall gemeldet. Das Schaderreger. So wurden Symptome werden. wiederum zu trockene, zu warme und der durch den Befall mit Stammläusen Ebenfalls als Folge der Trockenheit sehr sonnenscheinreiche Jahr 2019 und in der Folge mit dem Mikropilz und Hitze der beiden letzten Jahre wur- machte die Kiefer auf zahlreichen Neonectria neomacrosora hervorgeru- den Schäden an Eichen bis hin zum Standorten für das Diplodia-Triebster- fenen Tannen-Rindennekrose auf ver- Absterben von Bäumen oder Bestan- ben anfällig. Neben dem Triebsterben schiedenen Flächen festgestellt, wobei desteilen beobachtet. Symptome waren kann die Erkrankung auch Folgeschä- in einem Fall zusätzlich Befall durch eine vorzeitiger Laubverfärbung, das den nach sich ziehen, wie Käferbefall den Weißtannenrüsselkäfer (Pissodes Vertrocknen der Blätter und eine To- und Bläue im Holz, und führt bei ent- piceae ) auftrat. tastbildung in der Krone, Schleimfluss- sprechend starker Kronenschädigung An Ahorn traten die seit 2018 ver- flecken und Nekrosen am Stamm mit zum Absterben der Bäume. Betroffen stärkt beobachtete und durch den Pilz Besiedelung durch Schwächepathoge- waren neben der Kiefer auch Dougla- Cryptostroma corticale ausgelöste Ruß- ne, wie Botryosphaeria- und Diplodia- Pilze , sekundärem Befall mit Prachtkä- fern und/oder Werft- und Bockkäfern am Stammfuß und in unteren Stamm- bereichen sowie anderen sekundären Schadmerkmalen – dazu zählen Was- serreiser und sichtbar werdender Befall mit Hallimasch im Wurzelraum. Diese Schwächeparasiten und -pathogene belegen eine deutliche Schwächung auch der Eiche. An Birken wurden auf einigen Stand- orten Schleimflussflecken und abster- bende Triebe und Bäume beobachtet. Ausgelöst wurden diese Symptome durch einen Schlauchpilz der Gattung Melanconis, der endophytisch und überwiegend saprophytisch an Birke vorkommt, in anderen Regionen aber auch mit einem Birkensterben in Ver- bindung gebracht wird. Dr. Martin Rohde, Dr. Gitta Langer, Dr. Rainer Hurling und Dr. Pavel Plašil, Aufgeplatzte Rinde mit typischer schwarzer Färbung durch die Sporen des Erregers der Waldschutz der NW-FVA Rußrindenkrankheit an einem Bergahorn. Foto: NW-FVA aus: LW Hessenbauer Nr. 20/2020 38 LW 2 0 / 2 0 2 0
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