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2 Vol. 11 Psychologie des Alltagshandelns Psychology of Everyday Activity JOURNAL Editor P. Sachse JOURNAL Psychologie des Alltagshandelns Psychology of Everyday Activity Vol. 11 / No. 2, December 2018 ISSN 1998-9970 innsbruck university press
Impressum Herausgeber / Editor Pierre Sachse, Innsbruck (A) Redaktionsassistent / Editorial Assistent Thomas Höge, Innsbruck (A) Christian Seubert, Innsbruck (A) Verlag / Publisher innsbruck university press (A) www.uibk.ac.at/iup Mitherausgeber / Associate Editors Dietrich Dörner, Bamberg (D) Grafisches Konzept / Art Direction Winfried Hacker, Dresden (D) innsbruck university press (A) Hartmann Hinterhuber, Innsbruck (A) Oswald Huber, Fribourg (CH) Gestaltung / Layout Wolfgang G. Weber, Innsbruck (A) Carmen Drolshagen, Innsbruck (A) Eberhard Ulich, Zürich (CH) Organisation / Organization Gertraud Kirchmair, Innsbruck (A) Beirat / Advisory Board Petra Badke-Schaub, Delft (NL) Herstellung / Produced Claudia M. Eckert, Milton Keynes (GB) Sterndruck GmbH, Fügen Jürgen Glaser, Innsbruck (A) Birgit E. Schmid, Dornbirn (A) Philip Strasser, Zürich (CH) © 2018 Universität Innsbruck Alle Rechte vorbehalten. / All rights reserved. Rüdiger von der Weth, Dresden (D) Momme von Sydow, München (D) Anton Wäfler, Olten (CH) ISSN 1998-9970
Inhalt Präsentismus – Mobile Office im Fokus ......................................................................................... 5 Philip Strasser & Nora Varesco Kager Insafing – new intellectual technology of group work ................................................................. 15 Yury Dus, Vladimir Razumov, Leonid Ryzhenko & Victor Sizikov Der existenzielle Zugang in der zeitgenössischen Persönlichkeitspsychologie ....................... 25 Dmitry A. Leontiev Menschenwürde zwischen Stammes-, Kultur- und Lebensgeschichte ...................................... 36 Sarah Bitschnau & Gerhard Medicus Nachruf Irenäus Eibl-Eibesfeldt und sein humanwissenschaftliches Umfeld in Seewiesen .................. 40 Gerhard Medicus
Präsentismus – Mobile Office im Fokus Philip Strasser & Nora Varesco Kager Swiss Life AG, Zürich ZUSAMMENFASSUNG Mobile Office findet in Unternehmen zunehmende Verbreitung und ermöglicht es als Element erweiterter Arbeitsformen, die betrieblichen Anforderungen mit den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden in Einklang zu bringen. Bisherige Erkenntnisse deuten darauf hin, dass im Mobile Office auch das Thema Präsentismus – gemeint ist die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz gesundheitlicher oder anderweitiger Beeinträchtigung, die eine Abwesenheit legitimiert hätte – eine Rolle spielen dürfte. Das Ausmaß und die Gründe für Präsentismus sind vielen Unternehmen noch kaum bekannt. Da die mobile Arbeit weder örtlich noch zeitlich an einen fixen Arbeitsplatz gebunden und oft nur in einem begrenzten Zeitraum geleistet wird, z. B. an einem Tag pro Woche, besteht eine große Herausforderung sowohl in der Erfassung als auch in der Einordnung von Präsentismus. Anhand von Daten aus einer retrospektiven sowie einer Echtzeiterhebung bei einem Versicherer aus der Schweiz sollen mögliche Unterschiede in Bezug auf Präsentismus zwischen Mitarbeitenden, welche Mobile Office nutzen und jenen, die dies nicht tun, aufgezeigt werden. Im Mittelpunkt der Analyse stehen die Gründe für Präsentismus sowie das Präsentismusverhalten. Im Gruppenvergleich zeigt sich, dass Mobile Office Mitarbeitende ganz allgemein häufiger Präsentismus zeigen als Nicht Mobile Office Mitarbeitende. Mobile Office Mitarbeitende arbeiten sowohl im Büro als auch im Mobile Office etwa gleich häufig gegen ärztlichen Rat. Für Mobile Office Mitarbeitende scheinen Aspekte wie das Abschalten von der Arbeit sowie finanzielle Belange eine größere Rolle zu spielen als für Nicht Mobile Office Mitarbeitende. Im erweiterten Sinne soll eine vertiefte Diskussion zu Risiken und Chancen sowie Verantwortlichkeiten, was die Fürsorgepflicht der Unternehmen und die Treuepflicht der Mitarbeitenden im Mobile Office anbelangt, angeregt werden. Eine Sensibilisierung der Mitarbeitenden, auch im Mobile Office auf Präsentismusverhalten zu achten, scheint eine zu empfehlende Maßnahme zu sein. Schlüsselwörter Mobile Office – Präsentismus ABSTRACT As an element of extended working methods, the use of mobile office increases and offers the possibility to bring in line both companies’ and employees’ individual needs. Prior research suggests that presenteeism – described as presence at work despite health problems or other impairments that would justify absence – could be an important issue in the mobile office context. Many companies are neither familiar with the extent nor the reasons of presenteeism. Regarding the fact that work in the mobile office isn’t tied to fixed locations or times and is often only used during a limited period of time, for example for one day a week, surveying and interpreting presenteeism is a major challenge. The aim of this study is to point out possible differences regarding presenteeism between employees using mobile office and those who don’t, using data from a restrospective and a real-time survey from a Swiss insurance company. The analysis focuses on the reasons for presenteeism and the nature of the behavior associated with it. Group comparison shows that employees using mobile office generally seem to engage in presenteeism more often than those not using it. Mobile office workers practice presenteeism against medical advice to approximately the same extent in the office and in the mobile office. For those working in the mobile office, aspects such as detachment from work and financial issues seem to play a major role compared with those who don’t work in the mobile office. In a broader context, this paper aims to encourage an in-depth discussion about risks, opportunities and responsibilities regarding the duty of care on the part of companies as well as employees’ duty of loyalty with regard to mobile office. The sensitization of employees to remain mindful of presenteeism not only in the office, but also in the mobile office, seems to be a recommendable measure. Keywords Mobile office – presenteeism 2018 – innsbruck university press, Innsbruck Journal Psychologie des Alltagshandelns / Psychology of Everyday Activity, Vol. 11 / No. 2, ISSN 1998-9970
6 P. Strasser & N. Varesco Kager 1 Mobile Office und Präsentismus tig. Für die Außendienstmitarbeitenden, vertraglich „Handelsreisende“, ist Mobile Office ein unabdingba- Die fortschreitende Digitalisierung und Flexibilisie- rer Bestandteil der Arbeitsanforderungen. Für Mitar- rung der Arbeitswelt ermöglicht es vielen Mitarbeiten- beitende im Innendienst ist seit 2016 im Rahmen der den, ihre Arbeitsleistung an mehreren verschiedenen Initiative „Berufsleben aktiv gestalten“ regelmäßiges Arbeitsplätzen zu erbringen. Hierbei wird von Telear- Mobile Office als individuelle Vereinbarung zwischen beit gesprochen. Rudow (2014, S. 186) definiert Telear- den Mitarbeitenden und direkten Vorgesetzten mög- beit als „(…) jede auf Informations- und Kommunika- lich. Als Kriterien für das Arbeiten im Mobile Office tionstechnik gestützte Tätigkeit, die dauerhaft oder gelten, dass die Funktion, Aufgaben und persönliche zeitweise an einem außerhalb der zentralen Betriebs- Fähigkeiten des Mitarbeitenden für Mobile Office ge- stätte liegenden Arbeitsplatz verrichtet wird“. Eine eignet sind und die betrieblichen Bedürfnisse gewahrt Form der Telearbeit ist die mobile Telearbeit, bei der werden. die Arbeit an verschiedenen Orten, wie z. B. im Flug- In der Schweiz geben gemäß dem FlexWork zeug verrichtet wird (Rudow, 2014). In Unternehmen Survey 2016 (Weichbrodt, Berset & Schläppi, 2016) wird mobiles Arbeiten, oft als „Home Office“ oder „Mo- rund 38 % der Erwerbstätigen an, selten bis sehr häu- bile Office“ bezeichnet, im Zuge von flexiblen Arbeits- fig mobil zu arbeiten, wobei Männer und ältere Er- und Entwicklungsmodellen zunehmend gefördert. werbstätige häufiger mobil arbeiten als Frauen und Damit soll unter anderem eine gute Vereinbarkeit von jüngere Erwerbstätige. Zu den Gründen für mobile Berufs- und Privatleben angestrebt und die betriebli- Tätigkeit zählen u. a. die damit einhergehende Auto- chen Anforderungen mit den individuellen Bedürfnis- nomie, Ungestörtheit, Produktivität und Zeitgewinne. sen der Mitarbeitenden in Einklang gebracht werden. Interessant ist zudem der Vergleich zwischen jenen Die Arbeitsfähigkeit, Motivation, Gesundheit und eine Erwerbstätigen, die mobil arbeiten und jenen, die dies optimale Leistung sollen erhalten und verbessert bzw. gerne tun würden. Dabei geben letztere als Gründe u. gestärkt werden. Neben den Vorteilen müssen auch a. die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familie die Risiken flexibler Arbeitsmodelle beachtet werden, sowie die Vermeidung der Hauptverkehrszeiten an, beispielsweise durch die zunehmende Auflösung von während diese Gründe für tatsächlich mobil Arbeiten- Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. Im Hinblick de eine weniger wichtige Rolle spielen. Es scheint in- auf Präsentismus – gemeint ist die „Anwesenheit am sofern eine gewisse Differenz zwischen den Erwartun- Arbeitsplatz trotz gesundheitlicher oder anderwei- gen und der Realität der mobilen Tätigkeit zu beste- tiger Beeinträchtigung, die eine Abwesenheit legiti- hen. Ähnliche Erkenntnisse zur Verbreitung moderner miert hätte“ (Ulich, 2013, S. 1212) – deuten bisherige Arbeitsformen in der Schweiz finden sich in der Studie Erkenntnisse (Gisin, Schulze, K nöpfli & Degenhardt, zur Digitalisierung in der Schweizer Wirtschaft 2016 2013) darauf hin, dass dieses Thema auch im Mobile (Bienefeld, Grote, Stoller, Wäfler, Wörter & Arvantis, Office eine Rolle spielen dürfte. Das Ausmaß und die 2018), wonach 69.7 % der befragten Unternehmen Gründe für Präsentismus sind vielen Unternehmen keine mobile Tätigkeit und 51.8 % kein Home Office noch kaum bekannt. Da die Arbeit im Mobile Office anbieten. Insgesamt wird deutlich, dass entsprechen- weder örtlich noch zeitlich an einen fixen Arbeitsplatz de Arbeitsformen in modernen Dienstleistungsbetrie- gebunden und oft nur in einem begrenzten Zeitraum, ben häufiger genutzt werden als in anderen Branchen, z. B. an einem Tag pro Woche, geleistet wird, besteht doch selbst in den anbietenden Unternehmen nur eine große Herausforderung sowohl in der Erfassung schwach verbreitet sind. als auch in der Einordnung von Präsentismus. Der Mobiles Arbeiten wird zudem als eine mögliche vorliegende Beitrag beruht auf Daten einer retros- Entlastung der Verkehrssituation gehandelt. Weich- pektiven sowie einer Echtzeiterhebung zu Präsentis- brodt, Sprenger, Steffen, Tanner, Meissner & Schulze mus bei Swiss Life Schweiz (Strasser, Varesco Kager & (2013) untersuchten in Zusammenarbeit mit der Häberli, 2017), einem führenden europäischen Anbie- Schweizerischen Bundesbahn (SBB) und Swisscom ter von Vorsorge- und Finanzlösungen für Privat- und Schweiz, ob es durch die Flexibilisierung der Arbeit Unternehmenskunden (Swiss Life, 2018). Bei Swiss möglich ist den Arbeitstag so zu planen, dass weniger Life und insofern auch in diesem Beitrag, wird für die Fahrten in den Hauptverkehrszeiten erfolgen. Ihre Po- mobile Tätigkeit der Begriff „Mobile Office“ verwen- tentialanalyse ergab, dass eine Entlastung der Haupt- det, der jegliches Arbeiten in einer vom vertraglichen verkehrszeit von 7 – 13 % möglich wäre, wenn alle, Arbeitsort abweichenden Örtlichkeit ohne Anpassung die mobil arbeiten könnten und wollten, mindestens des Arbeitsvertrages meint und somit Arbeitsstunden 20 % ihrer Fahrten (2 Fahrten pro Woche) außerhalb betrifft, die z. B. Zuhause, in Generalagenturen, wei- der Hauptverkehrszeiten legen würden. teren Unternehmensstandorten, bei Kunden oder un- Die Arbeit im Mobile Office bringt neben bereits terwegs erbracht werden. Bei Swiss Life sind sowohl erwähnten Vorteilen auch unterschiedliche Anforde- Außendienst- als auch Innendienstmitarbeitende tä- rungen mit sich. So muss die jeweilige Person unter
Präsentismus – Mobile Office im Fokus 7 anderem ein hohes Maß an Eigenverantwortung und len, die Verantwortung gegenüber den Kunden wahr- Selbstdisziplin für die Erledigung und Sicherstellung nehmen und die Kollegen nicht im Stich lassen zu wol- der Qualität der Aufgabe wahrnehmen (Rudow, 2014). len. Dies könnte ebenfalls als Zeichen von Loyalität Zimmermann (2016) weist darauf hin, dass die mobile gegenüber dem Unternehmen angesehen werden. Tätigkeit auch Herausforderungen bezüglich e inem Es gibt aber auch als möglicherweise belastend ausgeglichenen Verhältnis zwischen Arbeit und Erho- empfundene Gründe für Präsentismus. Dazu gehö- lung, insbesondere dem Pausenverhalten, birgt. Das ren z. B. das Gefühl, nicht ersetzbar zu sein (Johan- Verhalten von Mitarbeitenden im Mobile Office lässt sen, Aronsson & Marklund, 2014) oder das Gefühl, sich aufgrund der Abwesenheit vom üblichen Arbeits- es werde erwartet trotz Beeinträchtigung zu arbeiten platz ganz allgemein erschwert erfassen. Dieser Um- (Krane et al., 2014). Ferner können das Gefühl, sich stand betrifft insbesondere auch die Erfassung von Fehlzeiten nicht leisten zu können (Johanson, Arons- Präsentismus (Lohaus & Habermann, 2018). son & Marklund, 2014), der Druck, aufgrund von or- Während zu Präsentismus am fixen Arbeitsplatz ganisationalen Prozeduren (z. B. Rückkehrgespräche) zunehmend Daten vorliegen, gibt es kaum Erkennt- zur Arbeit zu gehen oder die Befürchtungen vor ne- nisse im Zusammenhang mit Mobile Office. Gisin, gativen Konsequenzen (Baker-McClearn et al., 2010) Schulze, Knöpfli und Degenhardt (2013) untersuch- eine Rolle spielen. ten in der Schweiz, in welchem Ausmaß Präsentismus Den Autoren ist bisher keine Studie bekannt, wel- im Home Office vorkommt. Durchschnittlich wurden che untersucht, ob sich Arbeitnehmende, die zumin- geringe bis mittlere Präsentismustendenzen berich- dest teilweise im Mobile Office arbeiten, übergeordnet tet, wobei 6.1 % der einbezogenen Personen berich- in ihren Gründen für Präsentismus gegenüber jenen ten, dass sie oft bis sehr oft trotz tatsächlicher oder unterscheiden, welche dies nicht tun. Ziel der vor- intendierter ärztlicher Krankschreibung arbeiten, liegenden Arbeit ist es, erste Anhaltspunkte dazu zu 11 % manchmal und 82.9 % selten bis sehr selten. Im erschließen. Zudem interessiert das Präsentismusver- Vergleich dazu berichten Ulich und Nido (2014), dass halten im Vergleich der beiden Gruppen, z. B. gegen 5.1 % von 1.183 befragten unselbständig Erwerbstä- ärztlichen Rat zur Arbeit zu gehen oder die Erholung tigen in der Schweiz angaben, innerhalb der vergan- bis zum Wochenende aufzuschieben. genen 12 Monaten zwei bis fünfmal oder häufiger ge- gen den Rat ihres Arztes zur Arbeit gegangen zu sein, wobei keine Differenzierung zwischen Mobile Office 2 Methoden und Hypothesen und festem Arbeitsplatz vorgenommen wurde. Das Arbeiten im Mobile Office trotz Beeinträchtigung wird 2016 wurden bei Swiss Life Schweiz eine retrospek- möglicherweise als Kompromiss bzw. Alternative zur tive sowie eine Echtzeiterhebung zu Präsentismus krankheitsbedingten Absenz am üblichen Arbeitsort durchgeführt (siehe Strasser, Varesco Kager & H äberli, gesehen. Es ist insofern vorstellbar, dass im Mobile 2017). Office häufiger gegen ärztlichen Rat gearbeitet wird Wie in Abbildung 1 ersichtlich, konnten von den als im Büro, da der entsprechende Tag anders gestal- insgesamt 1.629 Teilnehmenden 498 Personen identi- tet werden kann (z. B. Erholung durch mehr Pausen, fiziert werden, die im Rahmen der dreiwöchigen Echt- keine An- und Rückreise zum Arbeitsort). zeiterhebung Gründe zu ihrem Präsentismusverhalten Angesichts des Ausmaßes von Präsentismus genannt hatten. Diese verhältnismäßig geringe Fall- (Ulich & Wülser, 2018; Ulich & Nido, 2014) ist es zahl ergibt sich durch eine technische Komplikation wichtig, die Beweggründe für dieses Verhalten zu er- in der Auswahl von Mehrfachantworten. Diejenigen forschen. In der Literatur werden unterschiedliche Teilnehmenden, die Gründe für Präsentismus angege- Gründe für Präsentismus genannt. Dazu zählen z. B. ben haben, bei denen aber möglicherweise nicht alle Gründe, die als „gut gemeint“ interpretiert werden Antworten korrekt erfasst werden konnten, wurden können, wie Spaß an der Arbeit, Kollegen nicht belas- hier ausgeschlossen. ten (Johansen, Aronsson & Marklund, 2014) oder das Aus der Teilmenge von 498 Personen werden Mit- Verantwortungsgefühl gegenüber Kunden und Klien- arbeitende ohne Mobile Office von jenen mit Mobile ten wahrnehmen zu wollen (Krane et al., 2014). Auch Office differenziert und im Hinblick auf ihre Gründe Loyalität bzw. die Bindung zum Beruf (Krane et al., für Präsentismus untersucht. 2014) sowie Vorgesetzte nicht enttäuschen zu wollen, Eine weitere Untersuchungsgruppe ergibt sich der erhaltenen Wertschätzung gerecht werden sowie aus den Mitarbeitenden, die Mobile Office nutzen der Wille, die Arbeit zu Ende zu führen (Ulich & Nido, (n = 1.145 retrospektiv, n = 831 Echtzeiterhebung) und 2014) werden genannt. Ein ähnliches Bild zeigte sich deren Anteil an Personen, welche Präsentismus gegen bei den bei Swiss Life durchgeführten Erhebungen ärztlichen Rat angeben, sei es im Büro oder im Mobile 2013 und 2016. Zu den drei am häufigsten genannten Office. Gründen gehörten die Arbeit zu Ende führen zu wol-
8 P. Strasser & N. Varesco Kager Abbildung 1: Auswertungsschema zum Thema Präsentismus und Mobile Office; MO = Mobile Office; H1/2/3 = Hypo- these 1/2/3. In der Echtzeiterhebung sind relativ hohe Fallzahlen bei den MEAN Werten aufgefallen. Diese ergeben sich aus der Kombination der Teilnahme an den drei Wochen pro Person in der Echtzeiterhebung und den definierten Einschlusskriterien, mind. einmal in drei Wochen teilgenommen zu haben. Tabelle 1: Hypothesenformulierung Hypothese 1 H1: Personen, welche im Mobile Office arbeiten, unterscheiden sich bezüglich ihrer Gründe für Präsentismus von jenen, die nicht im Mobile Office arbeiten. H0: Personen, welche im Mobile Office arbeiten, unterscheiden sich nicht bezüglich ihrer Gründe für Präsentismus von jenen, die nicht im Mobile Office arbeiten. Hypothese 2 H1: Personen, welche im Mobile Office arbeiten, tun dies im Mobile Office häufiger gegen ärztlichen Rat, als sie dies im Büro tun. H0: Personen, welche im Mobile Office arbeiten, tun dies im Mobile Office nicht häufiger gegen ärztlichen Rat, als sie dies im Büro tun. Hypothese 3 H1: Personen, welche im Mobile Office arbeiten, unterscheiden sich bezüglich ihrem Präsentismusverhalten von jenen, die nicht im Mobile Office arbeiten. H0: Personen, welche im Mobile Office arbeiten, unterscheiden sich nicht bezüglich ihrem Präsentismusverhalten von jenen, die nicht im Mobile Office arbeiten. Als dritte Einheit werden Mobile Office (MO) Mit zu Arbeitsstunden im Mobile Office). In der retros- arbeitende und Nicht Mobile Office Mitarbeitende pektiven Erhebung wird ein Präsentismusverhalten (n = 1.145 MO bzw. n = 484 kein MO, retrospektiv und von zweimal oder öfter innerhalb von 6 Monaten als n = 831 MO bzw. n = 597 kein MO, Echtzeit) in Bezug auf Präsentismus gezählt (vgl. Aronsson et al., 2000; Berg- ihr Präsentismusverhalten miteinander verglichen. ström et al., 2009). In der Echtzeiterhebung wird ein Als im Mobile Office arbeitend gelten in diesem Präsentismusverhalten von mindestens einmal in Beitrag jene Mitarbeitende, welche im Durchschnitt 3 Wochen gezählt (bei den berechneten MEAN Variab- mind. eine Stunde Mobile Office pro Woche angege- len liegt der Cut-Off bei > 1). ben haben (retrospektiv) bzw. mind. eine Stunde Mo- Für die erste Hypothese wurden die jeweiligen bile Office in drei Wochen angegeben haben (Echtzeit) Verteilungen der Gründe pro Gruppe (Mobile Office (vgl. die von Gisin, Schulze, Knöpfli & Degenhardt, vs. kein Mobile Office) deskriptiv verglichen. Für diese 2013 vorgenommene Kategorisierung der Angaben Hypothese wurden in Bezug auf Mobile Office nur die
Präsentismus – Mobile Office im Fokus 9 Angaben aus der Echtzeiterhebung berücksichtigt, da b) Präsentismus gegen ärztlichen Rat, Beispielitem die Gründe für Präsentismus nur in der Echtzeiterhe- „Ist es diese Woche vorgekommen, dass Sie gegen bung erfasst wurden. ärztlichen Rat im Mobile Office (z. B. zuhause, un- Für die zweite Hypothese wurden die Häufigkei- terwegs) gearbeitet haben?“ und ten und Prozentangaben der Mitarbeitenden, welche c) Aufschieben der Erholung bis zum Wochenende, zumindest teilweise im Mobile Office arbeiten, in Be- Beispielitem „Ist es in den vergangenen 6 Mona- zug auf das Arbeiten gegen ärztlichen Rat im Mobile ten vorgekommen, dass Sie trotz eingeschränkter Office und im Büro ermittelt und deskriptiv miteinan- Leistungsfähigkeit bis zum Wochenende gewartet der verglichen. haben, um sich zu erholen?“ Für die dritte Hypothese wurden Mann-Whitney- U Tests für die retrospektive Erhebung durchgeführt, ebenso für die Echtzeiterhebung, da dort trotz inter- 3 Ergebnisse vallskalierter Daten die Voraussetzungen der Vari- anzhomogenität sowie der Normalverteilung für den 3.1 Hypothese 1 T-Test nicht erfüllt waren. Die untersuchten Präsen- tismusitems sind Insgesamt geben 160 Mitarbeitende an, in keiner der a) Präsentismus trotz des Gefühls einer gesundheit- drei Wochen der Echtzeiterhebung im Mobile Office lichen Beeinträchtigung, Beispielitem „Ist es in gearbeitet zu haben (< 1h in 3 Wochen), 338 geben den vergangenen 6 Monaten vorgekommen, dass mindestens eine Stunde Mobile Office in den drei Wo- Sie im Büro gearbeitet haben, obwohl Sie das Ge- chen an. In Tabelle 2 findet sich die Übersicht zu der fühl hatten, dies aus gesundheitlichen Gründen Verteilung pro Gruppe nach der Reihenfolge der er- besser nicht zu tun?“ fragten Gründe. Tabelle 2: Mobile Office: mind. 1 Stunde in 3 Wochen angegeben; n = Anzahl Nennungen; Mehrfachnennungen waren möglich. Was waren die Gründe, dass Sie in den vergangenen 3 Wochen kein Mobile Office Mobile Office trotz eingeschränkter Leistungsfähigkeit gearbeitet haben? n n Ich wollte meine Arbeit zu Ende führen. 61 130 Ich wollte die Arbeitskolleginnen bzw. Arbeitskollegen nicht im 60 40 Stich lassen. Ich wollte meine Verantwortung gegenüber den Kunden bzw. 48 150 Klienten wahrnehmen. Ich wollte meine Vorgesetzten nicht enttäuschen. 16 26 Ich wollte der mir entgegen gebrachten Wertschätzung gerecht werden. 12 25 Ich wollte nicht negativ auffallen. 19 16 Ich wollte mir selbst volle Leistungsfähigkeit beweisen. 2 12 Ich wollte nicht als ‚psychisch krank‘ gelten. 2 6 Ich wollte auf die mit der Arbeit verbundenen Kommunikations- 0 6 möglichkeiten nicht verzichten. Ich wollte anderen Belastungen aus dem Weg gehen. 10 23 Ich wollte mich nicht schon wieder krankmelden. 18 14 Ich war unsicher, ob man sich wegen „so etwas“ krankmelden darf. 27 19 Ich hatte das Gefühl, es wird von mir erwartet. 30 70 Ich war lieber am Arbeitsplatz als anderswo. 10 26 Ich wollte den Arbeitsplatz nicht verlieren. 18 20 Um die Provision nicht zu verlieren. 1 36 Ich muss ja sowieso immer an meine Arbeit denken. 9 60 Andere Gründe 79 150
10 P. Strasser & N. Varesco Kager 3.2 Hypothese 2 4 Diskussion Von den Mobile Office Mitarbeitenden der retrospek Unternehmen ermöglichen ihren Mitarbeitenden im tiven Erhebung (n = 1.145) geben 79 Mitarbeitende Rahmen von erweiterten Arbeitsmodellen zunehmend (6.9 %) an, in den vergangenen 6 Monaten gegen ärzt- mobiles Arbeiten. Im vorliegenden Beitrag wird nicht lichen Rat im Büro und 92 Mitarbeitende (8 %) gegen im Detail zwischen den Mitarbeitenden im Innen- ärztlichen Rat im Mobile Office gearbeitet zu haben. dienst und denjenigen im Außendienst unterschieden. Von den Mobile Office Mitarbeitenden der Echtzei- Es muss aber in Betracht gezogen werden, dass es Un- terhebung (n = 831) geben 31 Mitarbeitende (3.7 %) terschiede geben kann. Während regelmäßiges Mobile an, gegen ärztlichen Rat im Büro gearbeitet zu haben, Office bei Swiss Life für den Innendienst offiziell seit 28 (3.4 %) geben an, gegen ärztlichen Rat im Mobile 2016 möglich ist, ist mobiles Arbeiten für Mitarbei- Office gearbeitet zu haben. tende im Außendienst integrierender Bestandteil ih- rer Tätigkeit. In Anbetracht der möglichen negativen Folgen von Präsentismus (Voermans & Ahlers, 2009) 3.3 Hypothese 3 ist die Frage zu erörtern, inwiefern auch bei Mitarbei- tenden im Mobile Office Präsentismusverhalten eine Retrospektive Erhebung Rolle spielen könnte. In einer praxisnahen Betrach- tungsweise ist beispielsweise nachvollziehbar, dass Mobile Office Mitarbeitende geben signifikant häu- im Home Office möglicherweise auch mit Fieber vom figer an, gegen ärztlichen Rat zu arbeiten, sowohl Bett aus noch E-Mails beantwortet werden, die Arbeit im Büro (Mann-Whitney-U Test: 252.072; p = .002; im Büro mit Anreise zum Arbeitsplatz von der betrof- r = .05) als auch im Mobile Office (Mann-Whitney-U fenen Person aber unterlassen werden würde. Mobile Test: 83.368,5; p = .000; r = .10) und schieben die Erho- Office könnte sogar als Kompromiss oder Alternative lung häufiger auf das Wochenende (Mann-Whitney-U genutzt werden, wenn der betroffenen Person die Ar- Test: 256.913,5; p = .015; r = .05) als Nicht Mobile Office beit am festen Arbeitsplatz aufgrund einer vorliegen- Mitarbeitende. Mobile Office Mitarbeitende arbeiten den Beeinträchtigung nicht (mehr) möglich erscheint, signifikant häufiger trotz des Gefühls gesundheitlicher vgl. unten. Die Ergebnisse der drei Hypothesen legen Beeinträchtigung im Mobile Office (Mann-Whitney-U den Schluss nahe, dass Präsentismus im Mobile Office Test: 61.274,5; p = .000, r = .18). Die Gruppen unter- ein Thema ist und Mobile Office Mitarbeitende sogar scheiden sich nicht signifikant für Präsentismus trotz häufiger Präsentismus zeigen als Nicht Mobile Office des Gefühls gesundheitlicher Beeinträchtigung im Mitarbeitende. Mobile Office Mitarbeitende arbeiten Mobile Office im Büro (Mann-Whitney-U Test: 262.312; sowohl im Büro als auch im Mobile Office etwa gleich p = .388, r = .02). häufig gegen ärztlichen Rat. Die genannten Haupt- gründe für Präsentismus unterscheiden sich nicht zwischen Mobile Office und Nicht Mobile Office Mit- Echtzeiterhebung arbeitenden. Erst bei der weiteren Betrachtung der Gründe können Nuancen ausgemacht werden. Im Fol- Mobile Office Mitarbeitende arbeiten signifikant häu- genden werden Erkenntnisse aufgeführt, die über die figer trotz des Gefühls gesundheitlicher Beeinträchti- Ergebnisse der drei Hypothesen hinausgehen. Bei der gung im Mobile Office (Mann-Whitney-U Test: 187.605; Interpretation ist entsprechende Vorsicht geboten und p = .000; r = .20), gegen ärztlichen Rat im Mobile Office die Aussagen müssen gegebenenfalls durch weitere (Mann-Whitney-U Test: 233.608,5; p = .000; r = .05) und Untersuchungen fundiert werden. Es soll damit aber gegen ärztlichen Rat im Büro (Mann-Whitney-U Test: eine erweiterte Diskussion und kritische Auseinander- 234.663; p = .000; r = .04) als Nicht Mobile Office Mit- setzung angeregt werden. arbeitende. Die Möglichkeit im Mobile Office zu arbeiten Kein signifikanter Unterschied zeigt sich für Prä- wird von der Mehrheit der befragten Mitarbeitenden sentismus im Büro trotz des Gefühls gesundheitlicher genutzt. Insgesamt geben in der retrospektiven Erhe- Beeinträchtigung (Mann-Whitney-U Test: 244.260,5; bung 1.145 (70 %) der 1.629 befragten Mitarbeitenden p = .643; r = .01) und dem Aufschieben der Erholung an, zumindest gelegentlich im Mobile Office zu ar- bis zum Wochenende (Mann Whitney-U Test: 233.084; beiten. Dazu zählen 556 der 614 befragten Mitarbei- p = .057; r = .05). tenden im Außendienst (91 %) sowie 589 der 1.050 Innendienstmitarbeitenden (58 %). In der Echtzeiter- hebung geben insgesamt 831 (51 %) Personen Arbeit im Mobile Office an. Was in der Analyse auffällt, ist, dass 80 Mitarbeitende in der retrospektiven Erhebung im Durchschnitt weniger als eine Stunde Mobile O ffice
Präsentismus – Mobile Office im Fokus 11 pro Woche angeben, in der Echtzeiterhebung aber von Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben fällt mindestens eine Stunde in drei Wochen. Diese Unter- auf, dass die Mobile Office Mitarbeitenden bereits an schiedlichkeit könnte darauf hinweisen, dass die Echt- vierter Stelle darauf hinweisen, dass sie sowieso im- zeiterhebung die reale Situation genauer abbildet als mer an ihre Arbeit denken müssen, wohingegen dies eine retrospektive Erhebung, was auch die Erfassung bei den Nicht Mobile Office Mitarbeitenden nur selten von Präsentismus betrifft (vgl. Strasser, Varesco Kager genannt wird. Die ständigen Gedanken an die Arbeit & Häberli, 2017). spielen bei Außendienstmitarbeitenden eine etwas Der Großteil der Mitarbeitenden, welche zumin- gewichtigere Rolle als bei Innendienstmitarbeiten- dest teilweise im Mobile Office arbeiten, tun dies 1 bis den, wenngleich es auch dort vermehrt genannt wird. 8,5 Stunden pro Woche (n = 634), viele arbeiten zwi- Dettmers, Vahle-Hinz, Bamberg, Friedrich und Keller schen ein und zwei Tagen pro Woche im Mobile Office (2016) weisen darauf hin, dass die Möglichkeit immer (n = 233), 132 zwischen zwei und drei Tagen und 166 und überall zu arbeiten die Erwartungshaltung seitens an mehr als drei Tagen. 30 % der Befragten geben an, der Arbeitgeber verstärkt, dass Mitarbeitende auch au- gar nicht im Mobile Office zu arbeiten. Mögliche Grün- ßerhalb der festen Arbeitszeiten verfügbar seien. Mit de dafür können aus den Kommentaren zur Erhebung dem Begriff „extended work availability“ beschreiben entnommen werden. Dort werden z. B. die Art der sie einen Zustand, in welchem Mitarbeitende zwar of- Tätigkeit und das fehlende Einverständnis von Vorge- fiziell Freizeit haben, jedoch flexibel für Vorgesetzte setzten als Hindernis für die Arbeit im Mobile Office oder Arbeitskollegen zugänglich sind und von ihnen genannt. Da aber keine Frage konkret gestellt wurde, implizit oder explizit erwartet wird, dass sie auf die um mögliche Hindernisse für die Arbeit im Mobile Arbeitsanforderungen reagieren. In ihrer Untersu- Office zu erfassen, ist bei der Interpretation Vorsicht chung zeigt sich ein starker negativer Zusammenhang geboten. Die fehlende Erlaubnis des direkten Vorge- zwischen der erweiterten Verfügbarkeit und Detach- setzten zeigt sich jedoch auch in der Untersuchung ment. Insofern ist es vorstellbar, dass fehlende Regeln von Weichbrodt et al. (2016) für 30 % der Befragten als zur Arbeitszeit im Mobile Office dazu führen könn- Hindernis für die mobile Tätigkeit. ten, dass Mitarbeitende selbst nach der innerhalb der Mitarbeitende, welche in der dreiwöchigen Echt- Kern zeiten geleisteten, vereinbarten Arbeitszeit das zeiterhebung zumindest teilweise im Mobile Office Gefühl haben, erreichbar bleiben zu müssen. Entspre- gearbeitet und Präsentismus gezeigt haben, geben chend wären vonseiten des Unternehmens Regeln zu als häufigsten Grund für Präsentismus das Verant- formulieren und Verantwortlichkeiten zu klären. Ge- wortungsgefühl gegenüber Kunden bzw. Klienten an rade bei flexiblen Arbeitszeiten könnte die Erwartung (Platz 3 bei Nicht Mobile Office Arbeitenden), gefolgt an die Erreichbarkeit nach Bedarf gegeben sein, da von dem Willen, die Arbeit zu Ende zu führen (Platz 1 kein einheitlicher Zeitpunkt des Feierabends definiert bei Nicht Mobile Office Arbeitenden) sowie dem Ge- ist, was eine mögliche Ursache für das Gefühl, ständig fühl, es werde erwartet (Platz 4 bei Nicht Mobile Office an die Arbeit denken zu müssen, sein könnte. Zudem Arbeitenden). An vierter Stelle wird genannt, dass sie zeigt Dettmers et al. (2016) Studie auf, dass die erwei- sowieso immer an die Arbeit denken müssen (Platz terte Verfügbarkeit mit beeinträchtigtem psychischem 13 bei Nicht Mobile Office Arbeitenden) und dass sie und physischem Wohlbefinden und weniger täglichen die Arbeitskolleginnen/-kollegen nicht im Stich lassen Erholungserlebnissen assoziiert ist. Möglicherweise möchten (Platz 2 bei Nicht Mobile Office Arbeitenden). trägt ein solches reduziertes Wohlbefinden wiederum Jene Mitarbeitenden hingegen, welche in den drei Wo- zu Präsentismus bei, im Sinne eines Zusammenhangs chen nie im Mobile Office gearbeitet haben, geben an zwischen Arbeit im Mobile Office, Detachment und fünfter Stelle an, dass sie unsicher waren, ob man sich Präsentismus. wegen „so etwas“ krankmelden darf – dieser Grund Auch spielt die Befürchtung, die Provision zu tritt bei den Mobile Office Mitarbeitenden erst an verlieren bei Mobile Office Arbeitenden als Grund für 12. Stelle auf. Präsentismus eine größere Rolle als bei Nicht Mobile Mitarbeitende mit und ohne Mobile Office schei- Office Arbeitenden. Letzteres bedingt einen variab- nen sich in Bezug auf ihre Gründe für Präsentismus len Lohnanteil, der im vorliegenden Kontext vorwie- zumindest teilweise zu unterscheiden, wobei zwar gend bei den im Außendienst tätigen Mitarbeitenden beide Gruppen die Verantwortung gegenüber Kunden vorkommt. Im Vergleich der Gründe bei Innendienst- bzw. Klienten, den Willen, die Arbeit zu Ende zu füh- und Außendienstmitarbeitenden bestätigt sich dies. ren, die Arbeitskolleginnen/-kollegen nicht im Stich Die Angst vor Arbeitsplatzverlust wird von Nicht Mo- lassen zu wollen sowie das Gefühl, es werde erwar- bile Office Mitarbeitenden an siebter Stelle genannt, tet, unter den ersten fünf Gründen für Präsentismus wohingegen Mobile Office Arbeitende diesen Grund nennen, diese aber in unterschiedlicher Reihenfolge. erst an 11. Stelle nennen. Eine vertiefte Differenzie- Im Kontext der zunehmenden mobilen und flexiblen rung von unterschiedlichen Anstellungsverhältnissen, Arbeitswelt und der damit einhergehenden Auflösung z. B. mit Einbezug von Leiharbeit, crowd working usw.,
12 P. Strasser & N. Varesco Kager in Bezug auf Präsentismus sowie dem Innen- und Au- 59 Mobile Office Mitarbeitende gegen ärztlichen Rat ßendienst eines Unternehmens könnte die Analyse der gearbeitet haben, lässt sich zudem vermuten, dass Gründe vertiefen. die Häufigkeit dieses Verhaltens in der retrospektiven Bei weiterer Analyse der Gründe fällt auf, dass Erhebung über 6 Monate mit „nur“ 171 Mobile Office die Verantwortung gegenüber Kunden und Arbeitskol- Mitarbeitenden unterschätzt wurde und der tatsächli- legen/innen, der Wille die Arbeit zu Ende zu führen che Anteil noch höher liegt. sowie zumeist das Gefühl, dies werde erwartet, gene- Die Untersuchung des Präsentismusverhaltens rell als Hauptgründe für Präsentismus genannt wer- von Mobile Office und Nicht Mobile Office Mitarbei- den, unabhängig vom Mobile Office, Führungsfunkti- tenden zeigt, dass Mobile Office Mitarbeitende signi- on, Alter und Geschlecht. Erst bei den weiteren Grün- fikant häufiger im Mobile Office trotz des Gefühls ge- den zeigen sich mögliche Differenzen, beispielsweise sundheitlicher Beeinträchtigung (Retrospektiv: Mann- scheint für Mitarbeitende ohne Führungsfunktion die Whitney-U Test: 61.274,5; p = .000, r = .18; Echtzeit Angst vor dem Arbeitsplatzverlust relevanter zu sein erhebung: Mann-Whitney-U Test: 187.605; p = .000; als für jene mit Führungsfunktion, wobei letztere eher r = .20) und gegen ärztlichen Rat (Mann-Whitney- der entgegengebrachten Wertschätzung gerecht wer- U Test: 83,368,5; p = .000; r = .10; Echtzeiterhebung: den möchten. Im Altersvergleich wird deutlich, dass Mann-Whitney-U Test: 233.608,5; p = .000; r = .05) ar- Jüngere bis 25 Jahren die Unsicherheit, ob man sich beiten als Nicht Mobile Office Mitarbeitende. Es über- wegen „so etwas“ krankmelden darf, als Grund für rascht, dass es offenbar Mitarbeitende gibt, die zwar Präsentismus nennen, wobei diese Unsicherheit mit angeben allgemein nicht im Mobile Office zu arbeiten, zunehmendem Alter abzunehmen scheint und Frau- dort aber Präsentismus zeigen und also doch zeitwei- en diese Unsicherheit häufiger als Präsentismusgrund se im Mobile Office zu arbeiten scheinen. Dies betrifft nennen als Männer. Mitarbeitende in allen Altersgrup- retrospektiv 16 Fälle für das Arbeiten trotz gesundheit pen ab 25 Jahren weisen darauf hin, dass sie ohnehin licher Gründe, 2 Fälle gegen ärztlichen Rat sowie 10 immer an ihre Arbeit denken müssen und deshalb Prä- Fälle für das Arbeiten trotz gesundheitlicher Gründe sentismus zeigen, was bei den bis 25 Jährigen weniger und 3 Fälle gegen ärztlichen Rat in der Echtzeiterhe- genannt wird. Dies spiegelt sich auch in der Korrela- bung, insgesamt somit 31 Fälle. Dies könnte ein An- tionsanalyse wider, wonach ein positiver Zusammen- zeichen für einen Kompromiss anstelle von krank- hang zwischen dem Alter und erschwertem Abschal- heitsbedingten Absenzen sein bzw. dass diese Mitar- ten von der Arbeit besteht (p =.000; r = .115; n = 1.629). beitenden die Arbeitsform Mobile Office explizit für Insgesamt fällt auf, dass die Kategorie „andere Präsentismusverhalten wählen, sie also nur nutzen, Gründe“ als eine der Häufigsten gewählt wurde. Dies wenn ihnen die Arbeit am festen Arbeitsplatz aufgrund kann darauf hindeuten, dass weitere zentrale Gründe einer vorliegenden Beeinträchtigung nicht möglich noch nicht erfasst wurden, oder aber die Teilnehmen- erscheint. Um diese These zu erhärten wäre eine Un- den diese Frage nicht beantworten wollten und man- tersuchung einer solchen Verlagerungstendenz not- gels einer für sie passenden Antwortoption diese Ka- wendig. tegorie gewählt haben. Eine Erhebung der Gründe im Zusätzlich zu Präsentismus im Mobile Office zei- offenen Antwortformat könnte zu weiteren Einsichten gen Mobile Office Mitarbeitende jedoch auch im Büro führen. Zudem könnte eine getrennte Erhebung der häufiger Präsentismus gegen ärztlichen Rat als Nicht Gründe pro Präsentismusitem Einblicke in die Ent- Mobile Office Mitarbeitende (Retrospektiv: Mann- scheidungsmechanismen für Präsentismus im Mobile Whitney-U Test: 252.072; p = .002; r = .05; Echtzeit- Office ermöglichen. erhebung: Mann-Whitney-U Test: 234.663; p = .000; In der retrospektiven Erhebung zeigt sich bei den r = .04), wenngleich die Effektstärken darauf hinwei- Mitarbeitenden, die Mobile Office nutzen, eine leichte sen, dass dieser signifikante Unterschied gering ist. Tendenz, dass sie im Mobile Office häufiger (6.9 %) In Bezug auf Präsentismus trotz des Gefühls gesund- gegen ärztlichen Rat arbeiten als im Büro (8 %). In der heitlicher Beeinträchtigung und dem Aufschieben der Echtzeiterhebung jedoch wurde sowohl im Büro als Erholung bis zum Wochenende ergeben sich in der auch im Mobile Office ungefähr gleich häufig gegen retrospektiven Erhebung und der Echtzeiterhebung ärztlichen Rat gearbeitet (3.7 % vs. 3.4 % der Mobile uneinheitliche Ergebnisse, in keiner Präsentismus- Office Mitarbeitenden). Hypothese zwei lässt sich so- form aber geben Nicht Mobile Office Mitarbeitende mit mit den vorliegenden Daten nicht eindeutig bestä- signifikant mehr Präsentismus an als Mobile Office tigen. Was jedoch auffällt, ist die Tatsache, dass sowohl Mitarbeitende. Daraus lässt sich schließen, dass Mobi- im Mobile Office als auch im Büro in bemerkenswer- le Office Mitarbeitende im Allgemeinen mehr Präsen- tem Umfang Präsentismus gegen ärztlichen Rat erfolgt tismus zeigen als Nicht Mobile Office Mitarbeitende, (14.9 % retrospektiv, 7.1 % Echtzeit der Mobile Office da sie zusätzlich zum Präsentismus im Büro, den sie Mitarbeitenden). Da die Echtzeiterhebung nur über in etwa gleich häufig zeigen wie Nicht Mobile Office drei Wochen stattfand und in diesem Zeitraum bereits Mitarbeitende, auch noch Präsentismus im Mobile Of-
Präsentismus – Mobile Office im Fokus 13 fice angeben. Dies lässt sich auch in den Zusammen- Literatur hängen erkennen. So besteht ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen den durchschnittlichen Aronsson, G., Gustafsson, K. & Dallner, M. (2000). Sick Mobile Office Stunden (retrospektiv) und Präsen- but yet at work. An empirical study of sickness tismus im Mobile Office (gegen ärztlichen Rat MO: presenteeism. Journal of Epidemiol Community p = .000, r = .264; trotz gesundheitlicher Gründe MO: Health, 54, 502-509. p = .000, r = .386) sowie Präsentismus gegen ärztlichen Baker-McClearn, D., Greasley, K., Dale, J. & Griffith, F. Rat im Büro (p = .000, r = .141). In der Echtzeiterhebung (2010). Absence management and presenteeism: besteht zwischen diesen Faktoren ebenfalls ein signi- the pressures on employees to attend work and fikant positiver Zusammenhang (gegen ärztlichen Rat the impact of attendance on performance. Human MO: p = .000, r = .158; trotz des Gefühls gesundheit Resource Management Journal, 20 (3), 311-328. licher Beeinträchtigung MO: p = .000, r = .355; gegen Baumeister, R. F., Bratslavsky, E., Muraven, M. & Tice, ärztlichen Rat Büro: p = .000, r = .132). Dies könnte D. M. (1998). Ego Depletion: is the active self a li- daran liegen, dass sich für Mobile Office Mitarbeitende mited resource? Journal of Personality and Social an mehreren Arbeitsplätzen die Möglichkeit für Prä- Psychology, 74 (5), 1252-1265. sentismus ergibt. Das bedeutet gleichzeitig, dass sie Bergström, G., Bodin, L., Hagberg, J., Aronsson, G. & die Entscheidung für oder gegen Präsentismus mehr- Josephson, M. (2009). Sickness presenteeism to- fach fällen müssen. Baumeister, Bratslavsky, Muraven day, sickness absenteeism tomorrow? A prospec- und Tice (1998) beschreiben, dass willentlich gesteu- tive study on sickness presenteeism and future erte Aktionen, wie z. B. eine Entscheidung zu treffen sickness absenteeism. Journal of occupational oder sich selbst zu regulieren, auf dieselbe innere and environmental medicine, 51, 629-38. Energieressource zugreifen und dass die Ausführung Bienefeld, N., Grote, G., Stoller, I., Wäfler, T., Wörter, einer willentlichen Aktion diese Energieressourcen M. & Arvanitis, S. (2018). Digitalisierung in der reduziert, wodurch weniger Energie für die Ausfüh- Schweizer Wirtschaft: Ergebnisse der Umfrage rung der nächsten willentlichen Aktion bereitsteht. 2016: Teil 2: Ziele, berufliche Kompetenzen und Im vorliegenden Kontext könnte dies bedeuten, dass Arbeitsorganisation. KOF Studien, No. 99. die Person sich unter Abwägung des persönlichen Für Dettmers, J., Vahle-Hinz, T., Bamberg, E., Friedrich, und Wider zunächst zwar willentlich gegen Präsentis- N. & Keller, M. (2016). Extended work availability mus im Büro entscheidet, infolgedessen aber weniger and its relation with start-of-day mood and corti- Energie für die nächste anstehende Entscheidung, sol. Journal of Occupational Health Psychology, 21 keinen Präsentismus im Mobile Office zu zeigen, zur (1), 105-118. Verfügung hat. Möglicherweise führt dieser reduzier- Gisin, L., Schulze, H., Knöpfli, D. & Degenhardt, B. te Energielevel dazu, dass die Person nicht mehr in (2013). Schweizerische Umfrage “Home Office der Lage ist, sich auch gegen das Arbeiten im Mobile 2012” – Aktuelle Bedingungen sowie Vor- und Office trotz gesundheitlicher oder anderweitiger Be- Nachteile aus Sicht von Routiniers. Fachhoch- einträchtigung zu entscheiden. schule Nordwestschweiz FHNW, Olten. Die Erfassung und Einordnung von Präsentismus Johansen, V., Aronsson, G. & Marklund, S. (2014). Po- im Bereich Mobile Office stellt eine große Herausfor- sitive and negative reasons for sickness presen- derung dar, ist im Kontext von multiplen Faktoren zu teeism in Norway and Sweden: a cross-sectional betrachten und bedarf weiterer Analysen und Dis- survey. BMJ Open, 4, 1-6. kussionen. Für den praktischen Umgang mit Präsen Krane, L., Larsen, E. L., Nielsen, C. V., Stapelfeldt, C. tismus im Mobile Office sind sowohl unternehmens- M., Johnsen, R. & Risor, M.B. (2014). Attitudes spezifische Einflüsse, wie z. B. die Erwartung und Be- towards sickness absence and sickness presen- lohnung lückenloser Anwesenheit, als auch individu- teeism in health and care sectors in Norway and elle Faktoren, wie und wann sich jemand entscheidet, Denmark: a qualitative study. BMC Public Health, trotz einer gesundheitlichen oder anderweitigen Be- 14, 1-13. einträchtigungen zur Arbeit zu gehen, zu berücksich- Lohaus, D. & Habermann, W. (2018). Präsentismus. tigen. Eine klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten Heidelberg: Springer. (Fürsorgepflicht des Unternehmens, Treuepflicht der Rudow, B. (2014). Die gesunde Arbeit: Psychische Belas- Mitarbeitenden), der Fokus auf (gesunde) Anwesen- tungen, Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation heit und eine Sensibilisierung aller Mitarbeitenden (3. aktual. und erweit. Auflage). München: Olden- können dazu beitragen, dass das Bewusstsein für bourg Wissenschaftsverlag GmbH. Präsentismus beim mobilen Arbeiten gesteigert und Strasser, P., Varesco Kager, N. & Häberli, D. (2017). die Vorteile von Mobile Office besser genutzt werden Echtzeiterhebung von Präsentismus mit der App können. now@work ® – ein Praxisbericht. Journal Psycho- logie des Alltagshandelns, 10 (2), 36-50.
14 P. Strasser & N. Varesco Kager Swiss Life. (2018). Alles über Swiss Life in der Schweiz. Weichbrodt, J., Sprenger, M., Steffen, M., Tanner, A., Verfügbar unter https://www.swisslife.ch/de/ue- Meissner, J. O. & Schulze, H. (2013). WorkAny ber-uns.html (23.10.2018). where. Swisscom (Schweiz) AG & SBB AG (Hrsg.). Ulich, E. (2013). Präsentismus. In M. A. Wirtz (Hrsg.), Verfügbar unter http://documents.swisscom. Dorsch – Lexikon der Psychologie (16. Auflage, com/product/1000174Internet/Documents/ S. 1212). Bern: Hans Huber. Worksmart/WorkAnywere_Studie/WorkAnywhe- Ulich, E. & Nido, M. (2014). Präsentismus – auch ein re_Studie-de.pdf. Ergebnis persönlichkeitsförderlicher Arbeitsge- Zimmermann, J. (2016). Arbeitspausen im Home Office. staltung? In P. Sachse & E. Ulich (Hrsg.), Psycho- Lengerich: Pabst Science Publishers. logie menschlichen Handelns: Wissen & Denken – Wollen & Tun (S. 185- 205), Lengerich: Pabst. Ulich, E. & Wülser, M. (2018). Gesundheitsmanage- ment in Unternehmen: Arbeitspsychologische Pers- Korrespondenz-Adresse: pektiven. (7. überarb. und erweit. Auflage). Wies- Dr. Philip Strasser baden: Springer Gabler. Swiss Life AG Voermans, S. & Ahlers, G. (2009). Präsentismus: Krank General-Guisan-Quai 40 zur Arbeit: Was kosten uns „tapfere“ Kollegen? 2. CH-8002 Zürich Bremer Fachaustausch „Gemeinsam neue Wege“. philip.strasser@swisslife.ch Bremen, 30.01.2009. Weichbrodt, J., Berset, M. & Schläppi, M. (2016). Flex- Work Survey 2016. Befragung von Erwerbstätigen und Unternehmen in der Schweiz zur Verbreitung mobiler Arbeit. Olten: Hochschule für Angewand- te Psychologie FHNW.
Insafing – new intellectual technology of group work Yury Dus, Vladimir Razumov, Leonid Ryzhenko & Victor Sizikov Omsk F. M. Dostoevsky State University, Russia ABSTRACT The article explores a new form of intellectual communication called „insafing“, which is a type of communication that utilizes the elements of Activity Organizing Games, built in accordance with an in-advance-prepared sense scheme. The scientific and methodological fundamentals of insafing based on the Theory of Dynamic Information Systems (TDIS) and the methods of cognitive engineering are discussed in the article. The article also provides an example of insafing on the realization of the project „The country of adventures and travels along Siberian Route“. Keywords Insafing – intellectual communication – Theory of Dynamic Information Systems (TDIS) – Activity Organizing Game (AOG) – Categorical Systematic Methodology (CSM) 1 Introduction methods of Activity Organizing Games (AOG) have been in progress in the USSR and nowadays in mod- Modern civilization faces the growth of the level of in- ern Russia since 1980s (Shchedrovitskiy, 2004). Activ- ner variety and complexity of projects. The intellectual ity Organizing Games vary in developing of a script (it saturation of inventions and their exploitation are in- should ideally be original for every particular case), creasing. The transition to intensive development and in presence of expert playing technicians and people to the implementation of innovations requires forma- motivated to work in a team. The „immersion“ of par- tion of new technology of intellectual activity where ticipants into the game is desirable, when it is held the main factor of development is knowledge. beyond the work environment avoiding distractive From the antiquity, where mathematics and ax- office and personal factors. It is important for AOG to iomatics-deductive approach to organizing the argu- schematize the activities needed for solving a problem. ments appeared, the logic is being formed with forms Due to the development of the Internet technology and of organizing the thinking and the patterns for knowl- mobile communications online communities, distance edge management, first of all, terms, views, definitions learning and interacting systems (teleconferences, and conclusions, the significant progress in techniques webinars, etc.) are being formed. Quite positive envi- of working with knowledge has not been achieved. ronment for advancement of teamwork methods is set The mentioned constructions determine resolving up. Whereinto, serious intellectual potential might be power of intellectual culture, where the key limitation engaged. is the adjustment of the listed forms of thought, speech In line with elaboration of new intellectual tech- and writing, introduced, firstly, in a linearized form, nologies that provide formation of innovative ways of secondly, for working individually. reasoning and creation of new forms of knowledge The introduction of forms for specialists team management, and that are implemented in the frame- work on different issues, tasks and projects should be work of Categorical Systematic Methodology (CSM) relevant to the significant changes in intellectual ac- (Razumov, 2004), Theory of Dynamic Information Sys- tivity in XX century. The methods of solving the prob- tems (DIS, TDIS) (Razumov & Sizikov, 2013), we will lems by working in team include the following: „seri- give consideration to the new AOG – insafing (Dus et ous games“ and their form „command post exercises“, al., 2014). Insafing was designed for organization of „Workshop of the future“, „quality control group“, group work to solve the problems in different fields of „foresight“, „brainstorming“. The methodology and knowledge, education, engineering and management. 2018 – innsbruck university press, Innsbruck Journal Psychologie des Alltagshandelns / Psychology of Everyday Activity, Vol. 11 / No. 2, ISSN 1998-9970
16 Y. Dus, V. Razumov, L. Ryzhenko & V. Sizikov 2 TDIS mapping (on V); R+=[0;∞); A(k) – act PIF; S(k), FS(k) – state and total state of DIS at the beginning A(k); rk(v), TDIS began to form in the late 1990s accumulating qk(v), lk(v) – value of the quantities of active and pas- results gained in homeo-statics, which is a branch of sive IF and the level of transformation of type-two IF cybernetics (Gorskiy, 1998), in concept of intellectual into type-one in v∈V; fkd(wd), fkc(wc) – value of relative systems and intellects (Ladenko, 1994), CSM. conductivity of principal wd and dominant wc edges. In making an assessment of the results it develops Structural parameters, value of transformation that the common ground for the mentioned directions levels and relative conductivity – functional para is searching for cognitive tools suitable for describing meters – are orgraph G characteristics. And the se- the processes of all kinds in the research area with the quence {S(k)|k∈Z} – graph PIF DIS D. help of universal language. Special attention is given In a practical aspect, diversity of DIS may be inter- to the work with visual schemes transmitting original preted as a shell, in which a model object under study sense content-rich characteristics of the objects. In of any object region is inserted homomorphically. For the course of searching for universal cognitive tools, this purpose DIS is showed in categorical scheme (CS) working with constructions developed on the basis of in a format of orgraph with vertices relevant to cat- organization knowledge elaboration of inartificial and egories, and edges (principal, dominate), that helps to artificial objects, the limitations were discovered. The present the structure of research object. Mathematical limitations touched upon the universalism on almost properties of DIS are elucidated in TDIS. It is imple- every type of schemes, for example, the schemes based mented: at structural level in orgraph DIS morphology on symbols of Chinese philosophy. Afterwards, the ac- analysis; at functional level, where three acts of infor- cents are shifted to the development of a mathematical mation functioning process and typical regimes for DIS framework for conceptual (qualitative) modeling. The were determined; at imitation level leading to objects task to design an analytic object in terms of the system models construction in DIS formats with performing of axioms was determined and solved. This object is numerical computer experiments using them. Packag- a multiuse cognitive shell for the models of objects of ing knowledge in DIS forms makes it possible to docu- any type. Thus, the class of information objects, called ment sense content-rich characteristic of any object in DIS, was identified. order to transfer the results of mathematical analysis DIS is an analytically identified object that can be of DIS formal construction on it, whereon the knowl- presented in a form of oriented graph with vertices and edge about the object under the study is projected. It two types of edges (principal, dominant) whereon the emerged that working with the help of class DIS mod- process of information functioning is given. els is a convenient instrument for discussion organiza- Definition 1. DIS D is a pair (G, PIFG), where G – tion of scientific, academic and project problems in a orgraph with two types of edges, and PIFG={A(k)| k∈Z} group. In this regard, insafing is being developed. – PIF on it is a sequence of three types of acts of IF Insafing as an intellectual communication of AOG redistribution among the vertices of orgraph: participants uses the following operations of TDIS: de- coding, folding, and mutation. Decoding – detalization G=(V, Rd, Rc), where V⊂ℜ, |V|
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