Planung der Unterrichtseinheit - Bildungsserver Sachsen-Anhalt
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3. Planung der Unterrichtseinheit Das Anliegen der geplanten Unterrichtseinheit ist, die prozessbezogenen Kompetenzen des Problemlösens, Argumentierens und Kommunizierens im Mathematikunterricht einer vierten Klasse unter der Verwendung von adäquaten Aufgaben innerhalb der Lernumgebung „Tangram“ zur Aufstellung von Argumentationen zu fördern. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt jedoch auf der Förderung der Argumentationskompetenzen. Um die Planung der Unterrichtseinheit auf die Voraussetzungen der Schüler abzustimmen, wurde im Vorfeld eine Erhebung der Lernausgangslage zum Thema „Tangram – Geometrie der Flächen“ durchgeführt. Eine inhaltliche Auswertung ist dem Anhang zu entnehmen. Als Konsequenz lassen sich folgende Aspekte hinsichtlich der Gestaltung der Einheit ableiten: Forscheraufgaben mit Argumentationspotential Material- und Handlungsorientierung Differenzierung Beschränkung auf die Schülerfragen „Was haben die Tangram-Teile miteinander zu tun?“ (Flächeninhalt, Seitenvergleich, Ähnlichkeit), „Was kann aus ihnen noch werden?“ (Flächeninhalt und -umfang) Eine konkretere Beschreibung erfolgt in der didaktischen Analyse und methodischen Über- legungen der Einheit. Für die Durchführung der Unterrichtseinheit mit dem Thema „Tangram- Knobeleien – die Förderung der Argumentationskompetenzen mit Hilfe geometrischer Forscheraufgaben“ wurden sechs Unterrichtsstunden geplant (Unterrichtseinheit siehe Anhang). 3.1 Ziele der Unterrichtseinheit Zur Bearbeitung der Forscheraufgaben sollen die Kinder eine bestimmte Herangehensweise für das schlüssige Argumentieren kennen und diese auf neue problemorientierte Aufgaben übertragen. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich für die Unterrichtseinheit folgendes Grobziel. Die Schüler und Schülerinnen können zu mathematischen Zusammenhängen anhand von Forscheraufgaben innerhalb der Lernumgebung ‚Tangram-Knobeleien‘ zunehmend selbst- ständig argumentieren. Beim Argumentieren handelt es sich um eine prozessorientierte Kompetenz die es gilt, in der Unterrichtseinheit zu fördern bzw. weiterzuentwickeln. Die inhaltlichen Themenbereiche wie u.a. Flächeninhalt und Ähnlichkeitsabbildungen (Vergrößern) in Form von Forscheraufgaben dienen als Mittel zum Zweck, das Argumentieren der Schüler zu fördern. Somit bezieht sich das Grobziel jeder Stunde auf die Erschließung eines mathematischen Zusammenhangs
bzw. Sachverhaltes. Für die sechs Unterrichtsstunden der Unterrichtseinheit werden folgende Ziele formuliert. 1. Stunde Die Schüler können die Größenverhältnisse der geometrischen Figuren des C- Tangrams durch Flächeninhaltsvergleiche verständlich erläutern. 2. Stunde Die Schüler können die Beziehung zwischen geometrischen Figuren und Flächen selbst entworfener Tangram-Figuren durch das passende Auslegen unter Zuhilfenahme eines Einheitsquadrates verständlich erläutern. 3. Stunde Die Schüler begründen das geometrische Prinzip des Halbierens von Seiten und Diagonalen durch das Vergleichen der Seitenlänge unter Berücksichtigung des Flächeninhaltes aller geometrischen Figuren des Tangrams. 4. Stunde Die Schüler begründen die Invarianz des Inhaltes einer polygonalen Fläche anhand des Legens einer Tangram-Figur mit dem größten Flächeninhalt und größten Flächenumfang. 5. Stunde Die Schüler können die Beziehung der Ähnlichkeitsabbildungen mit Hilfe der Vergrößerungen des Tangram-Quadrates kausal begründen. 6. Stunde Die Schüler können die Ähnlichkeit der Tan-Dreiecke und weiteren daraus resultierenden Vergrößerungen verständlich beschreiben und schlüssig begründen. Daraus ergeben sich die Hauptanliegen, dass die Schüler zunehmend in der Lage sind, Begründungen zu finden, diese sprachlich und schriftlich verständlich darzustellen, Diskus- sionen über mathematische Sachverhalte mit anderen zu führen und entwickelte Argumente nachzuvollziehen und diese auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen. 3.2 Lernvoraussetzungen Die Schüler und Schülerinnen der Klasse 4X der XXX Grundschule sind mir seit Beginn des dritten Schuljahres bekannt. Ab dem Schuljahr 2011/12 gebe ich in dieser Lerngruppe wöchentlich zwei Stunden eigenverantwortlichen und eine Stunde betreuten Unterricht. In der bisherigen gemeinsamen Zeit wurde ein gutes und respektvolles Lehrer-Schüler- Verhältnis aufgebaut, was zu einer angenehmen Lernatmosphäre beiträgt. Zwischen den Schülern und Schülerinnen besteht ein weitgehend positives Verhältnis, welches durch ein freundliches und hilfsbereites Miteinander geprägt ist. Neuen Lerninhalten stehen die Schüler aufgeschlossen und interessiert gegenüber. In der Klasse lernen zehn Jungen und zehn Mädchen im Alter von neun bis zehn Jahren zusammen, welche sich hinsichtlich der kognitiven Entwicklung nach Piaget in der Phase der konkreten Operationen befinden. Sie sind in der Lage, Wahrnehmungseindrücke durch logisches Denken auf konkrete Objekte und Ergebnisse anzuwenden. Eine von ihnen erfolgte Ereignisabfolge können sie gedanklich zurückdenken und sind somit in der Lage, Irrtümer zu erkennen und diese zu korrigieren (vgl. Mietzel 2006, 96).
Das Argumentieren ist den Schülern im Zusammenhang des Problemlösens, in Form von Forscheraufgaben vor allem im arithmetischen Bereich und der Stochastik, bekannt. Entsprechende Anforderungssituationen zum Argumentieren finden im Unterricht kontinuierlich statt. Die in der Unterrichtseinheit durchzuführenden Sozial- und Organisationsformen (Einzel- und Gruppenarbeit, Sitzkreis) sowie Unterrichtsmethoden (lehrergeleitete Unterrichtsgespräche, Schülervorträge bzw. das Präsentieren von Lösungswegen) sind den Schülern bekannt. In offenen Arbeitsphasen sind die Kinder zunehmend bestrebt, sich zunächst untereinander zu helfen, bevor sie sich die Hilfe des Lehrenden einholen. Den Schülern bereitet es große Freude in Partner- und Gruppenarbeiten mathematische Zusammenhänge zu entdecken sowie Lösungsideen, -wege und Begründungen zu entwickeln. Zu den Ritualen des Mathematikunterrichts gehören u.a. gefundene Lösungswege dem gesamten Plenum zu präsentieren, diese auf ihre Plausibilität zu überprüfen und über diese ggf. zu diskutieren. Die Unterrichtsgespräche und vor allem Diskussionen hinsichtlich mathematischer Problemstellungen laufen vorwiegend rituell ab, sodass sich zunehmend eine Gesprächskultur entwickelt. Die Gesprächskompetenz der Schüler zeigt sich zum einen durch das aktiv Zuhören, andere ausreden lassen, alle Meinungen anhören und zum anderen darin, dass sie mathematische Sachverhalte begründen sowie ihre Mitschüler durch geprüfte Argumente überzeugen. Innerhalb der Unterrichtseinheit wird die Förderung der Argumentationskompetenzen vorrangig anhand der Beobachtung eine Gruppe von vier ausgewählten Kindern vordergründig betrachtet, sodass im Folgenden auf deren Lernvoraussetzungen hinsichtlich des Beobachtungsgegenstandes eingegangen wird. Die Auswertungen des Vortests hinsichtlich der inhaltlichen Kenntnisse zur Geometrie in der Ebene anhand des Tangrams, befinden sich im Anhang. NXX gehört zu den unauffälligen Schülerinnen der Klasse, die sich bei der Bearbeitung eines mathematischen Sachverhaltes in der Gruppenarbeit eher zurückhält und die Rolle der aktiven Zuhörerin bei Diskussionen einnimmt. Wird sie aufgefordert ihren Standpunkt mitzuteilen, ist sie in der Lage, einfache mathematische Zusammenhänge zu erkennen und diese unter Nutzung der Umschreibung mathematischer Begriffe zu beschreiben. Die Begründung einer Vermutung findet sie mit Hilfe des Lehrenden oder eines Mitschülers. UXX ist ein sehr ausgeglichener Schüler, der sehr gerne mit seinem Banknachbarn oder in einer Kleingruppe arbeitet. Er kann einfache mathematische Überlegungen alltagssprachlich darstellen und punktuell mathematische Fachbegriffe einbeziehen. Der Schüler geht beim Lösen problemorientierter Aufgaben unsystematisch vor, indem er mathematische Zusammenhänge mit Hilfe seines Nachbarn oder der Kleingruppe erkundet. Begründungen anderer kann er nachvollziehen und im Rückkehrschluss eigene Fehlerquellen erkennen. MXX ist eine sehr aufgeweckte Schülerin, die die Rolle des Kreis- und Gruppensprechers sehr souverän meistert. Sie äußert selbstständig Vermutungen zu mathematischen Zusammenhängen. Die Schülerin steht Vermutungen und Begründungen anderer Kinder sehr kritisch gegenüber und gibt oft Anlass zu Diskussionen. Lösungswege kann sie gut
nachvollziehbar darstellen und geht beim Begründen eines mathematischen Sachverhaltes unter Einbezug von Fachbegriffen strukturiert vor. AXX gehört zu den leistungsstarken Kindern der Klasse, die im Mathematikunterricht nichts lieber machen, als Forscheraufgaben zu lösen. Er prüft mathematische Aussagen anhand mehrerer Beispiele und kann bei der Untersuchung von Zusammenhängen eigene Vermutungen aufstellen. Bei der Darstellung von Begründungen verbindet er die alltägliche Sprache mit mathematischen Fachbegriffen. Albert bezieht zur Begründung arithmetischer Sachverhalte ggf. Gegenbeispiele ein. Die schriftliche Darstellung komplexer Beschreibungen und Begründungen sind jedoch unstrukturiert und tlw. für ihn selbst schwer nachzuvollziehen. Nach dem Modell des Geometrieverstehens von van HIELE-GELDOF befinden sich alle Kinder der Klasse 4a in der Niveaustufe 2, dass dem ersten Ableiten und Erschließen entspricht. Es werden Beziehungen von Figuren erkannt, Klassenzuordnungskriterien verstanden und Einsichten aus experimentellen Erfahrungen gewonnen (vgl. Oldendorf/Manschke 2002, 4). PIAGET und INHELDER stellten nach Untersuchungen die Erkenntnistheorie auf, dass im dritten und vierten Schuljahr ein projektives und euklidisches Raumverständnis ausgeprägt sein sollte. Das bedeutet, dass die Schüler in der Lage sind, Kongruenzabbildung (Spiegelung, Drehung, Verschiebung...) darzustellen und Längen, Flächen und Volumina in Einheitsmaßen messen können. Zum Ende der Grundschulzeit besitzen sie die Fähigkeit des maßstäblichen Verkleinerns und Vergrößerns (vgl. ebd., 5). Um ein geometrisches Verständnis aufzubauen und vor allem mathematische Zusammenhänge von Figuren in der Ebene herzustellen, bedürfen die Kinder der Klasse einen Geometrieunterricht zum anfassen. Somit wurden bisher geometrische Sachverhalte durch Arbeiten wie Falten und Schneiden von bzw. mit Papier (Symmetrie), Auslegen und Zerlegen (Flächeninhalt) im zweidimensionalen Raum durchgeführt. 3.3 Sachanalyse Grundlage der folgenden Ausführungen werden die Elemente der euklidischen Geometrie der Ebene sein. Die mathematischen Sachverhalte werden anhand der Lernumgebung „Tangram“ erläutert. Das Tangram ist ein altes chinesisches Puzzlespiel, in dem es darum geht, die Teilstücke (geometrische Figuren) zu einem ganzen Bild zusammenzufügen (vgl. Elffers, 1978, 12). Die sieben Teile, auch Tans genannt, setzen sich aus einem Quadrat, einem Parallelogramm, zwei großen, zwei kleinen und einem mittleren Dreieck zusammen. Alle Dreiecke sind alle dem Typ des rechtwinkligen gleichschenkligen Dreieckes zuzuordnen. Die zwei kleinen und zwei großen Dreiecke sind jeweils kongruent. Das Parallelogramm ist als einzige Figur nicht spiegelsymmetrisch, sondern drehsymmetrisch. Das Finden mathematischer Sachverhalte gelingt durch immer wieder neues in Beziehung setzen von Längen, Flächen und Winkeln. In diesem Zusammenhang sind der Flächeninhalt eines jeden Spielsteins und die Beziehungen des Flächeninhaltes und der Seitenlängen der in dem Tangram enthaltenen geometrischen Figuren zu ermitteln.
Der Flächeninhalt einer ebenen Figur ist eine Maßzahl, die durch die Anzahl der in ihr enthaltenen Einheitsquadrate bestimmt wird. Der Flächeninhalt einer Fläche F wird bestimmt, indem ihr eine reele Zahl A(F) zugeordnet wird, die folgende Eigenschaften aufweist: (1) A(F) ist nicht negativ, (2) ist F1 kongruent zu F2, so gilt A(F1) = A(F2), (3) ist F aus F1 und F2 zusammengesetzt, so gilt A(F) = A(F1) + A(F2) und (4) ist F ein Quadrat mit der Seitenlänge 1, so gilt A(F) = 1. Figuren mit gleichem Flächeninhalt heißen flächengleich. Dabei sind kongruente Figuren (zwei kleine Dreiecke; zwei große Dreiecke des Tangrams) flächengleich, aber flächengleiche Figuren brauchen nicht kongruent zu sein. Dies trifft auf die geometrischen Figuren Quadrat, mittleres Dreieck und Parallelogramm des Tangrams zu. Abb. 6 : Demonstration der Zerlegungsmethode (nach Römhild) Ein Quadrat mit der Seitenlänge a hat den Flächeninhalt A = a2. Ein Parallelogramm mit den Seitenlängen a, b, c, d, wobei aIIc; bIId hat den Flächeninhalt von a · ha = b · hb. Allgemein gilt A= g · h. Dabei ist g die Länge der Seite und h die Länge der zugehörigen Höhe. Ein Dreieck kann durch eine Punktspiegelung am Mittelpunkt einer Seite zu einem Parallelogramm ergänzt werden. Aufgrund des Flächeninhaltes des Parallelogramms ergibt sich der Flächeninhalt des Dreiecks A= ½ g · h; dabei ist g die Länge einer Seite (Grundseite) und h die Länge der zugehörigen Höhe des Dreiecks (vgl. Meyers Lexikonredaktion 1990, 112f.). Im Allgemeinen verkörpert das Legespiel Tangram „die Invarianz des Inhaltes [Figuren können bei unterschiedlichem Umfang den gleichen Flächeninhalt haben] gegenüber Kongruenz-abbildungen und die Additivität des Inhaltes“ (Wittmann 1987, 306f.) bei dessen Zerlegung. Somit besitzen alle legbaren Figuren mit allen Spielsteinen den gleichen Flächeninhalt. Der Flächenumfang versteht sich als die gesamte Länge der Figur, die den Inhalt umgibt. Ein Parallelogramm mit den Seitenlängen a, b, c, d, wobei aIIc und bIId hat den Umfang u= 2(a+b). Ein Quadrat mit der Seitenlänge a hat den Umfang u= 4a und ein rechtwinklig gleichschenkliges Dreieck hat den Umfang u= 2a + c. Eine weitere Operation, die sich auf das geometrische Gebilde des Tangrams anwenden lässt, stellt das Vergrößern einer Figur dar. In diesem Zusammenhang werden die Ähnlichkeit zweier Figuren und die damit verbundene zentrische Streckung näher erläutert.
Die im Tangram enthaltenen Dreiecke sind zueinander ähnlich. Als ähnlich werden zwei Figuren bezeichnet, wenn eine Ähnlichkeitsabbildung existiert, bei welcher eine Figur auf die andere Figur abgebildet wird. Ähnliche Figuren haben somit die gleiche Form, sie unterscheiden sich im Allgemeinen nur in der Größe, die entsprechenden Winkel und Seitenverhältnisse sind gleich. Gegeben seien Dreiecke ABC und A´B´C´ mit den Seitenlängen a, b, c und a´,b´,c´ sowie den Winkeln α,β,γ und α´,β´,γ´. ABC und A´B´C´ sind genau dann ähnlich, wenn gilt: (1) (2) α=α´, β=β´, γ=γ´ (vgl. Meyers Lexikonredaktion 1990, 19; Hochmuth 2007). Nach geeignetem maßstabsgerechtem Vergrößern eines kleinen Dreiecks ist es kongruent (deckungsgleich) zum größeren Dreieck. Dies impliziert eine Handlungsvorstellung, die anhand der Verkettung einer Verschiebung, Drehung, Spiegelung und einer Streckung durchgeführt wird. In diesem Zusammenhang ergibt sich folgende Definition: „Zwei Figuren heißen dann ähnlich, wenn sich die eine durch eine Bewegung verbunden mit einer Streckung oder Stauchung auf die andere transformieren lässt.“ (Hochmuth 2007) Zentrische Streckung Gegeben seien Z ein fester Punkt der Ebene und eine reelle Zahl k = 0. Die zentrische Streckung an Z mit dem Faktor k ist die definierte Abbildung: Z ist ein Fixpunkt. Für P=Z ist der Bildpunkt P´ derjenige Punkt auf der Geraden PZ, der durch ZP´ = k · ZP definiert wird (vgl. Meyers Lexikonredaktion 1990, S. 514f.; Wittmann 1987, S. 104). Im Tangram wird die Hypotenuse eines kleinen Dreiecks zur Kathete des nächst größeren Dreiecks. Wird von der Einheitskathetenlänge 1 ausgegangen, kann mit dem Satz des Pythagoras errechnet werden, dass die Hypotenuse eines gleichschenkligen, rechtwinkligen Dreiecks √2 beträgt. Das neue Dreieck hat konsequenterweise nun zwei Katheten der Länge √2 und eine Hypotenuse der Länge 2. Dies resultiert aus der Herstellung eines Tangrams durch Falten aus einem Blatt DIN A4-Papier (vgl. Wittmann u. a. 1992, 97). 3.4 Didaktische Überlegungen Die Argumentationskompetenz steht mehr denn je in der Diskussion hinsichtlich des modernen Mathematikunterrichts. Laut der Bildungsstandards ist es Aufgabe des Lehrenden, die Schüler argumentationskompetent zu unterrichten bzw. zu erziehen. Dies bedeutet ein Beweisbedürfnis zu wecken, die Fähigkeit zu fördern und überzeugende Argumente zu finden (vgl. Fluck 2010, 26). Exemplarisch steht das Begründen für das Ziel, sich einer Sache zu vergewissern, seine Vermutungen und Annahmen abzusichern. Die Gewichtung des Begründungsbedürfnisses steht immer im Kontext mit der Eindeutigkeit einer Aussage und der skeptischen Grundhaltung des Lernenden. Somit gilt es, eine angemessene Begründungshaltung im Unterricht aufzubauen und zu fördern. Ein weiterer wichtiger Grund für das Argumentieren
ist, einen Zusammenhang zu verstehen. Das Begründen beruht zudem auf sozialen Aushandlungs-prozessen in denen es gilt, untereinander zu kommunizieren und andere zu überzeugen. Somit beinhalten Begründungen schließlich einen kommunikativen Zweck, der sich vor allem im Unterricht entfalten lässt (vgl. Büchter/Leuders 2005, 55ff.). Ein weiteres Plädoyer für die fundamentale Aktivität des Argumentierens stützt sich nicht nur auf die noch nicht gefestigten Lernbiografien der Kinder, sondern darauf, ihnen verfügbare Mittel konkreter und anschaulicher Art als formale Werkzeuge zu bieten, die sich für das Mathematiklernen als ergiebig herausstellen. Des Weiteren trägt das Argumentieren zur Förderung der mündlichen und schriftlichen Ausdrucksfähigkeit bei. Neben dem kommunikativen Zweck erfordert das Argumentieren ein flexibles Vorgehen in unterschiedlichen Darstellungen. Das Darstellen meint den sachgerechten Einsatz konkreter Materialien oder zeichnerischen Darstellungen wie konkrete Zeichnungen oder Skizzen (vgl. Krauthausen 2001, 101ff.). STEIN zeigt auf, „dass auch jüngere Kinder zu Argumentationen fähig sind, die auch nach sehr strengen Kriterien Beweis-Charakter haben.“ (Stein 1999, 3 zit. n. Krauthausen 2001, 102) An dieser Stelle wird deutlich, dass ein Argumentationspotenzial bereits in der Grundschule vorliegt. Um Argumentationskompetenzen zu entwickeln ist es notwendig konsequent und kontinuierlich Begründungssituationen beispielsweise anhand von Forscheraufgaben zu initiieren. Wie bereits im Theorieteil beschrieben, wird das Argumentieren in mathematikdidaktischen Arbeiten meist in engem Zusammenhang mit Begründen und Beweisen gesehen. Da das Beweisen und Begründen zentral für die Mathematik sind, ist es unbestreitbar, dass Schüler an Beweise und die Kunst des Beweisens im Mathematikunterricht herangeführt werden müssen. Hierbei fällt dem Argumentieren klar die didaktische Funktion der Vorstufe für einen abstrakteren, formaleren Beweis zu (Schmidt-Thieme 2006). In den Bildungsstandards sowie dem Lehrplan Mathematik für die Grundschule des Landes Sachsen Anhalt wurde durch die Verankerung der prozessbezogenen Kompetenzen wie dem Problemlösen, Modellieren, Kommunizieren und Argumentieren Rechnung getragen. Im Punkt 2.2 wurden die Kompetenz der Argumentation der Bildungsstandards bereits beschrieben. Die im Lehrplan aufgestellten Kompetenzen zum Argumentieren ergeben sich aus den Bildungsstandards. Der Lehrplan beschreibt die Kompetenz des Argumentierens im Zusammenhang der Kommunikation folgendermaßen. Die Lernenden sind in der Lage sich zu mathematischen Sachverhalten alltagssprachlich unter Einbeziehung mathematischer Begriffe und Formulierungen auszutauschen. So sollen sie Äußerungen zu mathematischen Sachverhalten ihrer Mitschüler folgen, diese nachvollziehen, einschätzen und hinterfragen können. Hinsichtlich des Argumentierens sollen die Schüler in der Lage sein, über Lösungsideen zu diskutieren und in diesem Zusammenhang Vermutungen aufstellen, Begründungen zu finden sowie Argumente nachzuvollziehen und zu überprüfen. Dabei gilt es einfache Beschreibungen und Begründungen verständlich in mündlicher oder schriftlicher Weise darzustellen (vgl. KM 2007, 7). Die Vermittlung der prozessbezogenen Kompetenzen erfolgt im Unterricht immer im Kontext der inhaltsbezogenen Kompetenzen (ebd., 5).
Nach WOLLRING und RINKENS eignet sich für die Herausbildung der Argumentations- kompetenzen der inhaltsbezogene, mathematische Bereich „Raum und Form“ (2007, 119). Dieser Bereich ist in der Unterrichtseinheit in die Lernumgebung „Tangram“ eingebettet, welche ausgewählte Teilkompetenzen beinhaltet. Der Lehrplan beschreibt für diese folgend aufgeführt Zielstellungen. Die Schüler können bis zum Ende des vierten Schuljahres … • ebene Figuren unterscheiden, benennen und in ihrer Umwelt wieder erkennen. • wesentliche Merkmale ebener Figuren erkennen und zum Beschreiben nutzen. • ebene Figuren legen und verändern. • Abbildungen, in diesem Fall Tans vergrößern, indem sie Ähnlichkeitsabbildungen eines Dreiecks und Quadrats herstellen. • Flächeninhalte von Polygonen durch Zerlegen vergleichen sowie durch das Auslegen von Einheitsquadraten messen. • den Umfang von Polygonen ermitteln. • Gesetzmäßigkeiten erkennen und beschreiben (KM 2007, 13f.). GAWLISTA sieht im Tangram als Lerngegenstand Potenziale, da die erstaunliche Formen- vielfalt die Fantasie der Lernenden anregt und das Spiel mit der Gelegenheit neue Lernerfahrungen zu machen verbindet (vgl. 2003, 16). Bei der Erschließung des mathematischen Inhaltes steht nicht das Rechnen nach Formeln, beispielsweise des Flächeninhaltes im Vordergrund, sondern eher das inhaltliche Durchdringen der mathematischen Phänomene. Dabei steht nicht die richtige Lösung im Vordergrund, sondern das Verstehen und reflektierte Bewerten des Lösungsweges und der Lösungsidee (vgl. Müller u.a 2004, S. 81), wodurch insbesondere die Kreativität und Argumentationsfähigkeit gefördert wird. Mit Hilfe des Tangrams können diverse Lernziele und Kompetenzen aus dem Lehrplan und den Bildungsstandards erreicht werden. So bietet das Tangram im Bereich „Raum und Form“ die Chance, Beziehungen in der Ebene zu erfassen, zu beschreiben, zu hinterfragen, zu begründen und darzustellen. Das Spiel trägt zum unbewussten Erwerb von grundlegenden mathematischen Kenntnissen bei und dient zur Anwendung mathematischer Gesetzmäßigkeiten. „Kein anderes Legespiel vermittelt so viele wichtige Grunderfahrungen zur Geometrie wie das Tangram-Spiel.“ (Gawlista 2003, 16) Am Ende der Unterrichtseinheit können die Schüler die Begriffe und die damit verbundenen mathematischen Inhalte (Flächeninhalt und -umfang, Seitenverhältnisse der Tans sowie die Ähnlichkeit anhand des Vergrößerns einer geometrischen Figur) beschreiben und diese mithilfe eines Beispiels schlüssig begründen. Bei der Darstellung der Begründung erkennen sie, dass eine Skizze als Grundlage der Begründung die Anschaulichkeit erhöht und das Einsetzen mathematischer Fachbegriffe die Begründung intensivieren kann. Im Hinblick auf das weitere mathematische Lernen ist die Argumentationskompetenz der Schüler bedeutsam, sodass sie auch in anderen inhaltsbezogenen Bereichen wie in der Arithmetik in der Lage sind, mathematische Zusammenhänge zu erkennen und Vermutungen zu entwickeln, Auffälligkeiten zu beschreiben, Begründungen zu mathematischen Zusammenhängen zu suchen und die von anderen nachzuvollziehen.
3.5 Methodische Entscheidungen Im Zusammenhang der Lernvoraussetzungen der Kinder und den didaktischen Überlegungen wurde für die Unterrichtseinheit das chinesische Puzzlespiel „Tangram“ in Verbindung mit Forscheraufgaben zu den geometrischen Sachverhalten Flächeninhalt, Flächenumfang und Ähnlichkeit als Handlungsrahmen gewählt. Bei der Auswahl der Aufgaben ist die Denkentwicklung der Schüler zu berücksichtigen, denn wie bereits im Punkt 3.3 erläutert, befinden sich nach Piaget Schüler einer vierten Klasse in der Phase des konkret-operationalen Denkens. In dieser kognitiven Entwicklungsphase ist es von Bedeutung, das Aufgabenmaterial für die Lernenden so aufzubereiten, dass sie sich mit konkretem Material mit dem jeweiligen mathematischen Inhalt auseinandersetzen können (vgl. Maras 2008, S. 201). Ausgangspunkt bildet, die von den Lernenden aus Papier hergestellte Tangrams. Das Tangram wird als Manipulative in der Unterrichtseinheit eingesetzt, da es sich verändern bzw. umstrukturieren lässt. Durch das Material haben die Schüler die Möglichkeit, mathematische Themen handelnd zu lösen. Ihre Handlungen werden mit dem logischen Denken verknüpft, wobei durch das handlungsorientierte Arbeiten beispielsweise beim Zusammensetzen der Figuren logisch-pragmatische Fähigkeiten entwickelt und gefördert werden. Das Tangram bietet den Schülern vielfältige Chancen, Lösungsideen auszudrücken und handelnd zu argumentieren. Begriffe wie Flächeninhalt und -umfang können konstruktivistisch hinsichtlich der Ausbildung der Flächenvorstellung aufgebaut werden (vgl. Holzkämper 2003, S. 50). Somit haben die Schüler die Möglichkeit, auf allen Darstellungsebenen (enaktiv - handelnd, ikonisch – zeichnerisch: Abzeichnen durch Umrandung der jeweiligen Tans und symbolisch – mündliche oder schriftliche Darstellung der zu entdeckenden Beziehung der Tans) zu agieren und können ihre Darstellungen jederzeit von der einen in die andere Ebene überführen. Das Tangram besticht durch einen hohen Aufforderungscharakter und fördert eine positive Einstellung zum Mathematikunterricht. Die Förderung als Prinzip des Klassenunterrichts setzt die Bereitschaft der Öffnung des Unterrichts voraus (vgl. Radatz 1997, S. 114). Somit orientiert sich jede Stunde der Unterrichtseinheit an dem Vier-Phasenmodell nach Bezold (siehe Punkt 2.3) Die Argumentationskompetenzen sollen anhand von Forscheraufgaben als offene Aufgaben weiterentwickelt werden. NÜHRENBÖRGER und VERBOOM definieren Forscheraufgaben als „Aufgabenstellungen, die zum Untersuchen von mathematischen Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten auffordern. In der Auseinandersetzung mit derartigen Aufträgen sollen die Kinder Muster und Gesetzmäßigkeiten finden, beschreiben und begründen.“ (Bezold 2009, S. 108 zit. nach Nührenbörger und Verboom 2005, 39) Dies beinhaltet die einzelnen Bausteine des Argumentierens (Entdecken – Beschreiben – Begründen). Der Lernende schlüpft durch die handelnde Auseinandersetzung mit der Mathematik in die Rolle des Forschers, sodass der natürliche Entdeckungsdrang miteinbezogen wird.
Die Präsentation von Forscheraufgaben in Verbindung des Tangrams werden als Einstieg in die Stunden und zur Hinführung zum Thema genutzt (Initiierungsphase). In dieser Phase werden neue Fachbegriffe eingeführt oder bereits bekannte mit Hilfe des Tangrams wiederholt und vor allem das Verständnis der Forscheraufgabe geprüft bzw. sichergestellt. Diese Vorgehensweise soll den Schülern das Argumentieren beim Entdecken der geometrischen Besonderheiten erleichtern. In der „Ich-Phase“ werden die Kinder angehalten, sich selbstständig und ohne Hilfe mit der Forscherfrage auseinanderzusetzten. Die Entdeckungen werden auf einem leeren DIN A4-Papier verständlich festgehalten, um diese in der „Du-Phase“ (gemeinsames Forschen in der Gruppe) erklären zu können. In diese Phase werden ggf. Forschertipps von Seiten des Lehrenden einbezogen. Die Forschertipps beziehen sich auf schriftlich konzipierte Anweisungen, die die Kinder dazu auffordern ihre Ergebnisse zu vergleichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen und diese zu ordnen. Zudem werden Fragen hinsichtlich der Entdeckung der Beziehung zwischen den Tans in Kopplung mit der Aufforderung zur Begründung gestellt. Jede Gruppe erhält je nach Bedarf mündliche Forschertipps. An dieser Stelle soll ausdrücklich erwähnt sein, dass die Anweisungen als Orientierung dienen und vor allem die Forscherfrage aus der Phase der Hinführung im Vordergrund steht. In der „Wir – Phase“ werden die Forscherergebnisse jeder einzelnen Gruppe präsentiert und ausgewertet. Dabei stellen sie ihre Ergebnisse anhand der in der Gruppenarbeit entworfenen Plakate vor. Der Lehrende übernimmt die Rolle des Moderators und stellt ggf. begleitende Fragen (ebd. 186ff.). Der Einsatz der Sozialform der Gruppenarbeit aus vier Kindern in der „Du-Phase“ bietet einen „Raum“ für den Austausch von Ideen, Diskussion zu mathematischen Problemstellungen bzw. Zusammenhängen und das Aufstellen von Begründungen zwischen leistungsschwachen und leistungsstarken Schülern. Aufgrund der unterschiedlichen Lernvoraussetzungen in den Kleingruppen wird allen Beteiligten die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Prozess des Lösens der Forscheraufgaben gegeben, indem sie voneinander lernen können. Sprachlich unsichere Kinder wie XXX haben möglicherweise gute Lösungsideen und Argumente, die sie in den Gruppenprozess einbringen können. So können Kinder wie XXX, die einen größeren Wortschatz, eine im vollen Maße ausgeprägte fachliche Kompetenz und ein sicheres Sprachgefühl besitzen, sprachlich unsicheren Kindern bei der Umsetzung ihrer Ideen helfen und das Forscherergebnis gewinnbringend beeinflussen. Im Allgemeinen ist die innere Differenzierung die Konsequenz auf die Heterogenität der Lerngruppen in Bezug auf das Lernverhalten, Leistungsvermögen und Methodenkenntnis (siehe Anhang). Die soziale Differenzierung ermöglicht das Modell-Lernen. Durch die Zusammenarbeit mit leistungsstarken Mitschülern kann es ebenso gelingen, die Motivation leistungsschwächerer Schüler zu erhöhen, indem sie durch erfolgreiche Aufgabenbewältigung ihr Selbstwertgefühl steigern. Die geistige Anregung durch Fachgespräche innerhalb der Gruppen ist für alle Schüler gewinnbringend, denn Kinder lernen besser von anderen Kindern und der Erklärende verbessert seine sozial- kommunikative Kompetenzen (vgl. Köck 2000, 267).
Das Begründen ist nicht nur ein kommunikativer Akt. Auch wenn ein Argumentationsgang von einem Kind alleine entworfen wurde, so richtet er sich hinsichtlich der Überzeugung und Aushandlung auch an Dritte. Zudem benötigt das Begründen mehrere Teilnehmer als Voraussetzung und Diskussionen über die Plausibilität von Argumenten (vgl. Krauthausen 2001, 106).
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