50 Jahre - Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Sonntag 09.01.22

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50 Jahre - Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Sonntag 09.01.22
der Berliner 50
Die 12 Cellisten

Philharmoniker

Sonntag
09.01.22

Jahre
50 Jahre - Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Sonntag 09.01.22
Großer Saal

                                                                                 Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker
                                                                                 Ludwig Quandt
                                                                                 Bruno Delepelaire
                                                                                 Dietmar Schwalke
                                                                                 Nikolaus Römisch
                                                                                 Christoph Igelbrink
                                                                                 Olaf Maninger
                                                                                 Martin Menking
                                                                                 Knut Weber
                                                                                 Rachel Helleur-Simcock
                                                                                 Stephan Koncz
                                                                                 David Riniker
                                                                                 Solène Kermarrec
                                                                                 Martin Löhr
                                                                                 Sonntag, 09.01.22, 20 Uhr

AUSSERGEWÖHNLICHER KLANG –
   EINZIGARTIGES ERLEBNIS                                                        
                                                                                 Kirill Petrenko
Tauchen Sie ein in die C. Bechstein Welt und begeben Sie sich                    Chefdirigent und künstlerischer
  auf eine Klangreise in unser C. Bechstein Centrum Berlin.                      Leiter der Berliner ­Philharmoniker

                                                                                 Andrea Zietzschmann
                                                                                 Intendantin der
                                                                                 Stiftung Berliner P­ hilharmoniker
            C. Bechstein Centrum Berlin · Kantstraße 17 · 10623 Berlin
    Telefon +49 (0)30 2260 559 100 · berlin@bechstein.de · bechstein-berlin.de
50 Jahre - Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Sonntag 09.01.22
Inhalt                                                                                         50 Jahre 12 Cellisten
                                                                                               der B­ erliner Philharmoniker
                                                                                               Jubiläumskonzert

Glückwunsch7                                                                                  Julius Klengel (1859–1933)
Akustische Haute Couture8                                                                     Hymnus op. 57
  50 Jahre 12 Cellisten                                                                        für zwölf Violoncelli (1920)
Zwischen Blacher und Bossa nova20
	Über die Werke des Abends                                                                    Boris Blacher (1903–1975)
Die Mitglieder der 12 Cellisten28                                                             Blues, Espagnola und Rumba philharmonica
Konzerttipps36                                                                                für 12 Violoncelli soli (1972/73)

                                                                                               1. Blues
                                                                                               2. Espagnola
                                                                                               3. Rumba philharmonica

                                                                                               Rentarō Taki (1879–1903)
                                                                                               Kōjō no tsuki (1901)
                                                                                               (Arrangement: Shigeaki Saegusa)

                                                                                               John Williams (geb. 1932)
                                                                                               Catch Me If You Can (2002)
                                                                                               (Arrangement: David Riniker)

Digital Concert Hall                              Fotoaufnahmen, Bild- und Tonaufzeich­
Dieses Konzert wird live in der Digital           nungen sind nicht ­gestattet.
Concert Hall übertragen und wenige Tage           Bitte schalten Sie vor dem Konzert Ihre
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  digitalconcerthall.com
                                                  Die Stiftung Berliner ­Philharmoniker wird
                                                  gefördert durch:

       2                 Saison 2021/22                                                             3              Programm
50 Jahre - Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Sonntag 09.01.22
Nino Rota (1911–1979)                                                      Hubert Giraud (1920–2016)
La Strada (1954)                                                           »Sous le ciel de Paris« (1951)
(Arrangement: Wilhelm Kaiser-Lindemann)                                    (Arrangement: Wilhelm Kaiser-Lindemann)

George Gershwin (1898–1937)                                                Horacio Salgán (1916–2016)
Clap Yo’ Hands (1926)                                                      A Don Agustín Bardi (1947)
(Arrangement: Michael Zigutkin)                                            (Arrangement: David Riniker)

George Shearing (1919–2011)                                                Wilhelm Kaiser-Lindemann (1940–2010)
Lullaby of Birdland (1952)                                                 Die 12 in Bossa nova (2006)
(Arrangement: Wilhelm Kaiser-Lindemann)                                    Variações brasileiras

Juan Tizol (1900–1984)/                                                    Astor Piazzolla (1921–1992)
Duke Ellington (1899–1974)                                                 Fuga y Misterio (1968)
Caravan (1936)
                                                                           (Arrangement: José Carli)
(Arrangement: Wilhelm Kaiser-Lindemann)
                                                                           John Lennon (1940–1980)/
Pause
                                                                           Paul McCartney (geb. 1942)
                                                                           Yesterday (1965)
Brett Dean (geb. 1961)
Twelve Angry Men (1996, revidiert 2001)                                    (Arrangement: Werner Müller)

für zwölf Violoncelli soli
Zum 25-jährigen Bestehen der 12 Cellisten der Berliner P­ hilharmoniker

1. Very agitated. Agressive. Tense
2. Adagio. Slow and spacious –
3. Unhurried, but very free and flexible throughout. Molto rubato –
    Lively, robust and confrontational – Cadenza – Calm – Slow, peaceful

        4          Saison 2021/22                                               5             Programm
50 Jahre - Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Sonntag 09.01.22
Liebes Publikum,

                                                           das Spielen in Kammermusikensembles ist eine große Tradition
                                                           der Berliner Philharmoniker, wie unterschiedlichste Formatio-
                                                           nen aus den Reihen der Orchestermitglieder zeigen. Die 12
                                                           Cellisten haben diese Tradition um eine aufregende Facette
                                                           bereichert: durch eine innovative Besetzung, die völlig neue
                                                           Klangerfahrungen ermöglichte.

                                                           Man kann es sich heute kaum mehr vorstellen, wie mutig eine
                                                           Kombination aus 12 Celli zur Zeit der Gründung erschien. Dass
                                                           diese Idee nicht nur originell war, sondern sich über J­ ahrzehnte
                                                           als künstlerisch tragfähig erwiesen hat, ist das Verdienst aller
                                                           Musikerinnen und Musiker, die seither an den 12 Cellisten
                                                           mitge­­wirkt haben. Neugierig und couragiert haben sie zahllose
Die 12 Cellisten 1972 in ihrer Ursprungsbesetzung:         musikalische Areale für sich erobert, mit einem starken Fokus
hinten (v. l. n. r.): Klaus Häussler, Jörg Baumann,        auf Neuer Musik und ohne Scheu vor Entertainment. Auch das
Alexander Wedow; vorne (v. l. n. r.): Heinrich Majowski,   heutige Geburtstagskonzert macht diese programmatische
Götz Teutsch, Christoph Kapler, Gerhard Woschny,
Rudolf Weinsheimer, Eberhard Finke, Ottomar Borwitzky,     Flexibilität erfahrbar.
Wolfgang Boettcher, Peter Steiner
                                                           Mit ihrem vielfarbigen Repertoire und großen Können wurden
                                                           die 12 Cellisten nicht zuletzt Botschafter der Berliner Philharmo-
                                                           niker – als ein Ensemble, dessen Stimme faszinierend individuell
                                                           ist und doch unverkennbar dem Gesamtklang des Orchesters
                                                           entstammt. Darüber hinaus sind die 12 Cellisten Pioniere der
                                                           Idee, einfallsreich und einladend ein neues Publikum für klas-
                                                           sische Musik zu gewinnen. Dieses Anliegen hat an Aktualität
                                                           nichts verloren. Umso schöner ist es, dass sich die Gruppe auch
                                                           nach fünf Jahrzehnten frisch und unternehmungslustig prä-
                                                           sentiert – begeistert und begeisternd, immer das nächste Ufer
                                                           schon im Blick.

                                                           Zum 50. Geburtstag gratulieren wir den 12 Cellisten sehr herz-
                                                           lich und wünschen ihnen Glück und Erfolg für ihre weiteren
                                                           musikalischen Abenteuer.

                                                           Kirill Petrenko                               Andrea Zietzschmann
                                                           Chefdirigent und künstlerischer               Intendantin der Stiftung
                                                           Leiter der Berliner ­Philharmoniker           Berliner ­Philharmoniker

       6                Saison 2021/22                           7                 Glückwunsch
50 Jahre - Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Sonntag 09.01.22
Akustische Haute Couture   Man kann nur mutmaßen, warum die 12 Cellisten
                           der Berliner Philharmoniker von Südamerika
50 Jahre 12 Cellisten      bis Japan so enthusiastisch gefeiert werden.
                           Vielleicht weil die Musikerinnen und Musiker
                           einerseits die Qualitäten des Cellotons – seine
                           Wärme, seine Schönheit – in Perfektion zum
                           Leuchten bringen und andererseits kontinuierlich
                           überraschen: durch eine aufregende Klangviel-
                           falt, wie man sie von einem so homogen
                           besetzten Ensemble nie erwarten würde. Zum
                           50. Geburtstag der 12 Cellisten blicken wir zurück
                           auf eine beispiellose Erfolgsgeschichte.

                           Rudolf Weinsheimer, von 1956 bis            Lautschrift aufschreiben lassen«,
                           1996 Cellist der Berliner Philhar-          berichtet Rudolf Weinsheimer
                           moniker, hat im Juli 2021 seinen            bei Kaffee und Kuchen in seiner
                           90. Geburtstag gefeiert. Wenn es            Zehlendorfer Dachgeschoss-
                           allerdings um die von ihm initiier-         wohnung. »Die übte ich dann bei
                           ten 12 Cellisten geht, erzählt er           den täglichen Saunabesuchen im
                           mit geradezu jugendlichem Elan.             Hotel – mit tatkräftiger Hilfe der
                           Und er kann sich an jedes Detail            anwesenden Muttersprachler.« Als
                           erinnern. An die Sache mit dem              der Cellist während des Schluss-
                           Kaiser von Japan zum Beispiel.              applauses dann den links oben im
                           Seine Hoheit Akihito spielte selbst         Saal sitzenden Kaiser ansprach,
                           Cello und besuchte darum jeden              erhob sich sofort das gesamte
                           Auftritt der zwölf Berliner in Tokio.       Publikum und verbeugte sich in
                           1992 beschloss Weinsheimer, bei             Richtung Akihitos. »Unser japani-
                           einem Konzert in der Suntory Hall           scher Manager bekam fast einen
                           ein paar Worte direkt an den                Ohnmachtsanfall«, sagt Weins-
                           Tenno zu richten, um die Zugabe             heimer lächelnd, »der Kaiser aber
                           anzukündigen. Statt Yesterday, wie          lobte mich hinterher: Er habe jedes
                           sonst üblich, sollte Kōjō no tsuki er-      meiner Worte verstanden.«
                           klingen, ein populäres japanisches
                           Lied, in dem der Mond über einer            Für gekrönte Häupter oder bedeu-
                           Burgruine besungen wird.                    tende Staatsmänner zu spielen er-
                                                                       füllte den Gründer der 12 Cellisten
                           »Von meinem Schwiegervater,                 stets mit Stolz. Dafür schreckte er
                           der Japanologe war, hatte ich mir           auch nicht vor unkonventionellen
                           einige Sätze formulieren und in             Aktionen zurück. Als seine Tochter

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50 Jahre - Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Sonntag 09.01.22
beim sommerlichen Familienurlaub       komponiert hatte. Die Besetzung:
auf der griechischen Insel Skiathos    12 Celli. Dieses Kuriosum sollte
Hans-Dietrich Genscher entdeckte,      aufgenommen werden – und der
sprintete er sofort los und rief dem   Redakteur dachte sparsam: Weil
überraschten FDP-Politiker ein         die Berliner Philharmoniker zu
lautes »Mein Außenminister!« ent-      Karajans Osterfestspielen ohnehin
gegen. Nach einem kurzen Small-        nach Salzburg kommen würden,
talk hatte Rudolf Weinsheimer          ging die ORF-Anfrage nicht an die
für sein Ensemble eine Einladung       Wiener Philharmoniker, sondern
zur nächsten OSZE-Konferenz in         an deren deutsche Konkurrenten.
der Tasche.
                                       Weinsheimer kann seine Stimm-
Während der 24 Jahre, die Weins-       gruppe für den Nebenjob be-
heimer die 12 Cellisten managte,       geistern. Am 25. März führen sie
wurden sie zu deutschen Kultur-        Klengels Hymnus öffentlich im
botschaftern, spielten auf Schloss     Mozarteum auf – zu ihrem eigenen
Augustusburg, beim NATO-Gipfel         Vergnügen und zur Begeisterung
und bei der Weltbanktagung, be-        des Publikums. Noch auf der Rück-
gleiteten Bundespräsident Richard      fahrt nach Berlin beschließt Rudolf
von Weizsäcker nach Schweden,          Weinsheimer, aus dieser Eintags-
traten im Fernsehen auf, in der Are-   fliege eine ganz große Sache
na di Verona – und immer wieder        zu machen. Die 12 Cellisten der
in Japan, wo man das glorreiche        Berliner Philharmoniker sollen zu
Dutzend aus Berlin ganz beson-         einem festen Ensemble mit eige-         Rudolf Weinsheimer in Tokio mit Kaiser Akihito und Kaiserin Michiko
ders schätzt.                          nem Repertoire werden.                  von Japan, 1992

                                       Ein weiterer Zufall hilft ihm dabei:
    Eine Tramperin                     Tausendmal hat der Gründer die
    ermöglicht das                     Anekdote schon erzählt, doch
                                       seine Augen leuchten auch jetzt
    erste für die                      wieder, als wäre es gerade erst
    12 Cellisten                       passiert, dass er bei strömendem
                                       Regen in Dahlem eine Tramperin in
    geschriebene                       sein Auto einsteigen lässt – die sich
    Werk.                              als Tochter des Komponisten Boris
                                       Blacher entpuppt. Auf die Frage
                                       der 15-jährigen Tatjana, wie sie
Aus einem Zufallsfund war eine         sich erkenntlich zeigen könne, ent-
globale Erfolgsgeschichte gewor-       gegnet der Cellist geistesgegen­
den. Zu Beginn des Jahres 1972         wärtig: »Indem Sie Ihren Vater
hatte Rudolf Weinsheimer einen         überreden, ein Werk für die 12
Anruf von einem befreundeten           Cellisten zu schreiben.« Was der
ORF-Redakteur aus Salzburg er-         auch prompt tut.
halten, der auf ein kurioses Werk
gestoßen war. Auf einen Hymnus         Als der Salzburger Komponist
nämlich, den der Cellovirtuose         Helmut Eder ein weiteres Stück
Julius Klengel 1920 dem Dirigenten     beisteuert, ist Weinsheimer seinem
Arthur Nikisch zum 65. Geburtstag      Ziel eines abendfüllenden Pro-

    10             Saison 2021/22                                                    11                50 Jahre 12 Cellisten
50 Jahre - Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Sonntag 09.01.22
gramms ganz nahe. Er fügt den             ­ erden. Darum lassen sich die
                                                                                                       w
                                                             drei Originalwerken noch Heitor           ­Auftritte oft nur zwischen zwei
                                                             Villa-Lobos’ Bachianas Brasileiras         Orchesterproben quetschen: Am
                                                             Nr. 1 hinzu, die 1930 für immerhin         Tag des Konzerts geht es nachmit-
                                                             acht Celli geschrieben wurden,             tags los für die Zwölf zum Zielort,
                                                             sowie das Arrangement einer Suite          manchmal sogar mit einem Privat-
                                                             des böhmischen Barockkomponis-            flugzeug, am nächsten Morgen
                                                             ten David Funck. Und dann kann,           heißt es, in aller Herrgottsfrühe
                                                             wiederum in Salzburg, 1974 der            aufstehen, denn um zehn Uhr war-
                                                             erste Abend der 12 Cellisten über         ten die Kollegen bereits wieder in
                                                             die Bühne gehen, in Anwesenheit           der Philharmonie.
                                                             eines nachhaltig beeindruckten
                                                             Herbert von Karajan. Die Musiker          Jeder der Zwölf hat haarsträu-
                                                             sitzen dabei im Halbkreis, ganz           bende Anekdoten auf Lager über
                                                             links die Solo-Cellisten Eberhard         haarscharf kalkulierte Zeitpläne
                                                             Finke, Ottomar Borwitzky und              und gerade noch geglückte Auf-
                                                             Wolfgang Boettcher, dann folgen           tritte. Martin Menking, der 1996
                                                             nach der Dauer der Orchesterzu-           nach Rudolf Weinsheimers Pensio-
Zwei Auftritte vor Präsidenten im Jahr 2013:                 gehörigkeit Peter Steiner, Heinrich       nierung die Position des Cello Nr. 7
auf Einladung von B ­ undespräsident Joachim Gauck
und Daniela Schadt im Schloss Bellevue ...                   Majowski, Gerhard Woschny,                übernommen hat, und damit auch
                                                             Rudolf Weinsheimer, Christoph             die Geschäftsführung der 12 Cellis-
                                                             Kapler, Alexander Wedow, Klaus            ten, staunt ungläubig beim Gedan-
                                                             Häussler, Jörg Baumann und                ken daran, dass diese organisatori-
                                                             schließlich Götz Teutsch.                 schen Meisterleistungen auch ohne
                                                                                                       Computer, Handy und WhatsApp-
                                                                                                       Gruppe möglich waren.
                                                                 Schubbern,
                                                                 schaben, kratzen,                     Aber es ging irgendwie – und das
                                                                                                       Publikum war jedes Mal aufs Neue
                                                                 klopfen, rufen                        hingerissen, wenn der Himmel
                                                                 und pfeifen: All                      wieder voller Celli hing. Denn diese
                                                                                                       zwölf Kniegeiger können einfach
                                                                 das können die                        alles: sich in lichte Violin-Regionen
                                                                 12 Cellisten.                         aufschwingen und in Bass-Tiefen
                                                                                                       wildern, wie eine knarrende Tür
                                                                                                       klingen oder wie eine singende
                                                             »Hier ist Cello Nummer sieben«,           Säge. Zusätzlich zu den klassischen
                                                             wird sich Weinsheimer künftig oft         Spieltechniken beherrscht das
                                                             am Telefon melden. Und er tele-           Virtuosendutzend eben auch das
                                                             foniert viel, wirbt bei der Presse        Schubbern, Schaben und rauchige
... und bei einem Empfang für US-Präsident Barack Obama      hartnäckig um Aufmerksamkeit,             Bogenrutschen, das Kratzen, Klop-
und First Lady Michelle Obama im Charlottenburger Schloss.   nimmt Anfragen von Veranstal-             fen, Rufen und Flageolett-Pfeifen.
                                                             tern entgegen, kommuniziert mit           Vor allem aber können die Celli mit
                                                             Komponisten, kümmert sich vor             einer ganz und gar menschlichen
                                                             allem um die komplizierte Logistik.       Stimme singen. Selbst die schlich-
                                                             Denn die 12 Cellisten können ja nur       testen Melodien tragen hier ganz
                                                             dann auftreten, wenn sie nicht bei        große Abendrobe, gewisserma-
                                                             den Philharmonikern gebraucht             ßen akustische Haute Couture.

     12                Saison 2020/21                            13            50 Jahre 12 Cellisten
50 Jahre - Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Sonntag 09.01.22
»Eines unserer besten Stücke«,
                                       schwärmt Weinsheimer.
    Als die 12 Cellisten
    Yesterday an-                      Als die erste Schallplatte der
                                       12 Cellisten 1978 in der ZDF-Sen-
    stimmten, kamen                    dung Verliebt in Musik vorgestellt
    Ronald Reagan                      werden soll, in der auch Caterina
                                       Valente und Roberto Blanco auf-
    Tränen der                         treten, kommen solche gewagten
    Rührung.                           Neutönereien natürlich nicht
                                       in­frage. »Meine Frau und meine
                                       Tochter sagten: ›Nehmt doch
Der Fantasie der Arrangeure sind       was von den Beatles‹«, so Rudolf
also keine Grenzen gesetzt, wenn       Weinsheimer. Er kannte – unglaub-
sie aus einem komplexen Geflecht       lich, aber wahr! – den von ihnen
der Einzelstimmen polyphone            vorgeschlagenen Song Yesterday
Dialoge konzipieren, mit tausend       zwar nicht, beauftragte aber
raffinierten Details, unterschwel-     dennoch den Big-Band-Leader
ligen Gegenbewegungen und              Werner Müller mit einem Arrange-
Kommentaren aus dem Off, mit           ment. »Es wurde ein Dauerbren-
verrückten Klangeffekten, deren        ner«, sagt er lachend, »den wir von
Erzeugungsmethoden rätselhaft          da an immer als Zugabe spielten.«
bleiben. Doch die Konzerte der         Ronald Reagan soll sogar Tränen
Zwölf sind nicht nur eine Freude für   der Rührung vergossen haben,
die Ohren, sondern auch Cinema-        als die 12 Cellisten bei seinem
scope fürs Auge. Wie basisdemo-        Staatsbesuch in Bonn Yesterday
kratisch die Nummern angelegt          anstimmten.
sind, wie gerecht die Soli durch die
Stimmen wandern, das erschließt        Lange waren die Cellisten eine Art
sich tatsächlich nur, wenn man die     Männerchor der Berliner Philhar-
Zwölf nicht nur hört, sondern auch     moniker: Denn während andere
sieht.                                 Stimmgruppen bereits seit den
                                       1980er-Jahren weibliche Verstär-
Zu Beginn spielten sie vor allem       kung bekamen, dauerte es bei
Neue Musik. »Wenn uns eine Stadt       ihnen bis zum Jahr 2006, ehe mit
engagieren wollte, habe ich stets      der Französin Solène Kermarrec
gesagt: ›Wir kommen gerne, aber        die erste Frau dazustieß. Seit 2009
eine Uraufführung müssen wir ma-       steht ihr die Britin Rachel Helleur-
chen‹«, berichtet der Gründerva-       Simcock zur Seite. Inhaltlich hatte      Autogrammstunde in Peking, 2011
ter. Und die Kompositionsaufträge      sich das Ensemble da bereits kom-
müssen natürlich die Einladenden       plett neu ausgerichtet. Während
finanzieren. Für Bonn beispiels-       sich Martin Menking als Weins-
weise komponierte Iannis Xenakis       heimer-Erbe in die Verwaltungs-
mit Windungen einen fulminanten        arbeit hineinfuchste, entwickelte
Klangrausch, bei dem die Cellisten     Solocellist Georg Faust neue Kon-
die unerhörtesten Sounds produ-        zepte für die Repertoireauswahl.
zieren, teilweise sogar wie dröh-      Zur Feuertaufe der neuen 12 Cellis-
nende Motorrad-Motoren klingen.        ten wurde eine Tango-CD, die sie

     14             Saison 2021/22                                            15              50 Jahre 12 Cellisten
50 Jahre - Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker Sonntag 09.01.22
selbstbewusst bei der Südamerika-            die wir bis jetzt gefragt haben,
                                          tournee der Philharmoniker 2000              wollte sich gern der Herausforde-
                                          in Buenos Aires vorstellten.                 rung stellen, für 12 gleiche Instru-
                                                                                       mente zu schreiben.« Aus Rudolf
                                                                                       Weinsheimers verrückter Idee, an
                                               »Wir Cellisten                          die zunächst selbst seine Cellisten­
                                               brauchen traurige                       kollegen nicht recht glauben
                                                                                       mochten, ist eine generationsüber-
                                               Musik, um glück-                        greifende Erfolgsstory geworden.
                                               lich zu sein.«
                                               Ludwig Quandt                                             Frederik Hanssen

                                          Ihre Programmlinie mit stilistischen
                                          Cross-overs haben die 12 Cellisten
                                          seitdem konsequent ausgebaut.
                                          Zum 30-jährigen Jubiläum be-
                                          schenkten sie sich mit einem Jazz-
                                          Album, an dem der Trompeter Till
                                          Brönner beteiligt war, und auch Sir
                                          Simon Rattle – als Rapper! Für das
                                          Album Angel Dances arbeiteten sie
                                          mit der Gospel-Spezialistin Jocelyn
                                          B. Smith und dem Rundfunkchor
                                          Berlin zusammen, dann folgte
                                          französisches Repertoire aus Klas-
                                          sik und Chanson in Fleur de Paris.
Mit Jazz-Trompeter Till Brönner, 2013
                                          2016, für ihre neunte CD, kehrten
                                          sie zum Tango zurück, weil der
                                          besonders gut zu ihren Instrumen-
                                          ten passt: »Wir Cellisten sind nun
                                          mal Melancholiker«, findet Ludwig
                                          Quandt. »Wir brauchen traurige
                                          Musik, um glücklich zu sein.«

                                          Auf diese Weise ist fast nebenbei
                                          ein ganz neuer Repertoire-Schatz
                                          entstanden. Mit überraschenden               
                                          Arrangements und einem be-                   Weitere Einblicke in die ­Geschichte
                                          trächtlichen Fundus an zeitge-               der 12 Cellisten erhalten Sie in
                                          nössischen Werken. »Ein bisschen             einer Ausstellung im Foyer der
                                          haben wir durchaus das Gefühl,               Philharmonie. Sie zeigt Fotos und
                                          Musikgeschichte zu schreiben«,               Dokumente aus dem Archiv der
                                          sagt Martin Menking, »dadurch,               Berliner Philharmoniker und aus
                                          dass so viele Stücke explizit für uns        privaten Beständen. Die Ausstel-
                                          entstanden sind.« Und er fügt nicht          lung ist bis zum Ende der Saison
                                          ohne Stolz hinzu: »Wirklich jeder            2021/22 geöffnet.
                                          Komponist und jede Komponistin,              

      16                 Saison 2021/22        17              50 Jahre 12 Cellisten
Die 12 Cellisten
im Jahr 2020
Zwischen Blacher und
­Bossa nova
 Über die Werke des Abends

»Sowohl musikalisch als auch technisch hervorragend. Er wirkt
mehr durch die Subtilität seiner Akzentuierung als durch starke
Kontraste oder emotionale Höhepunkte. Technisch gesehen
wird er wahrscheinlich von niemandem übertroffen.« So be-
schrieb die 1927 herausgegebene dritte Ausgabe des Grove
Dictionary of Music and Musicians die Fähigkeiten von Julius
Klengel, Cellovirtuose, -pädagoge und -komponist sowie über
vier Jahrzehnte Solocellist beim Leipziger Gewandhausorches-
ter. Vor allem aber war Klengel der Schöpfer jenes Hymnus,
mit dem die Geschichte der 12 Cellisten 1972 begann und der
sich seitdem wie ein Rondothema durch ihr halbes Jahrhundert
musikalischer Zwölfsamkeit zieht. Erstaunlich, dass der beim
eigenen Spiel im Ausdruck offensichtlich eher zurückhaltende
Klengel in seiner wohl bekanntesten Komposition von 1920
(sein Werkverzeichnis zählt immerhin bis Opus 63) eine derart     Der erste Auftritt der 12 Cellisten: Rundfunkaufnahme von Julius Klengels
emotionale Tiefenwirkung zu entfesseln vermag.                    Hymnus am 25. März 1972 im Salzburger Mozarteum

»Guten Morgen, lieber Herr Weinsheimer, hier Blacher!« Mit
diesem Anruf des berühmten Komponisten beim Gründer der
12 Cellisten war das zweite gewichtige Werk im Repertoire des     »Es gibt einen sehr grundlegenden menschlichen, nonverbalen
Ensembles sozusagen klargemacht. Eine erdenklich glückliche       Aspekt in unserem Bedürfnis, Musik zu machen und sie als Teil
Fügung: Damals schon zeigte Boris Blachers Rumba philhar-         unseres menschlichen Ausdrucks zu nutzen«, so der große Film-
monica, der er 1973 noch einen Blues und eine Espagnola vor-      musikkomponist John Williams. »Das hat nichts mit Körperbewe-
anstellte, mit komplexer Rhythmik, ungewohnten Klangeffekten      gungen zu tun, es hat nichts mit der Artikulation einer Sprache
und virtuosen Soli geradezu visionär viele der musikalischen      zu tun, sondern mit etwas Geistigem.« Diese Einschätzung wirft
und spieltechnischen Möglichkeiten, mit denen das Ensemble        ein bezeichnendes Licht auf John Williams’ Schaffen, das auf
dann 50 Jahre cellistische Erfolgsgeschichte schreiben sollte.    absolut souveräner Beherrschung des musikalischen und instru­
                                                                  mentalen Materials beruht und gleichzeitig auf der Fähigkeit,
»Burgeshöh’ in Frühlingsnacht / Trinken wir den Wein!« lauten     sich ganz in die geistige und emotionale Welt der Leinwand
die ersten Zeilen von Kōjō no tsuki (Ruine im Mondschein)         hineinzudenken. Trotzdem ist seine Musik immer von höchstem
des japanischen Dichters Doi Bansui (1871–1952). Die Melodie      Eigenwert. Man kann sie wunderbar ohne Film genießen, aber
dazu schrieb sein Landsmann Rentarō Taki (1879–1903), dem         die Filme ohne seine Musik …? Eines seiner Meisterwerke ist
in Leipzig ein Denkmal gesetzt wurde und der im Land der          der Soundtrack zu Steven Spielbergs Catch Me If You Can. Die
aufgehenden Sonne wegen seines umfassenden Liedschaffens          raffinierte Fassung für die 12 Cellisten schuf David Riniker, der
als »japanischer Schubert« gilt. Die Melodie inspirierte nicht    eifrigste Arrangeur aus den eigenen Reihen.
nur den zeitgenössischen japanischen Komponisten Shigeaki
Saegusa zu dieser Version für 12 Celli, sondern beispielsweise    Wilhelm Kaiser-Lindemann war lange Zeit so etwas wie der
auch Thelonious Monk oder die Scorpions.                          Hofarrangeur der 12 Cellisten. »Bei seinen Arrangements sind

    20            Saison 2021/22                                        21                Die Werke des Abends
virtuosen Soli – das Arrangement von George Gershwins Clap
                                                                       Yo’ Hands aus dem Musical Oh Kay! leitet heute eine Folge von
                                                                       jazzigen Celloarrangements ein, deren rhythmische, harmoni-
                                                                       sche und klangliche Raffinessen so manche original besetzte
                                                                       Fassung verblassen lassen.

                                                                       »Jedes Stück, das ich ihnen geschrieben habe, kriegt sofort ein
                                                                       Eigenleben, und hinterher habe ich den Eindruck, es stammt
                                                                       nur noch die Hälfte von mir.« Die perfekte Synthese zwischen
                                                                       Kaiser-Lindemann und den 12 Cellisten zeigt sich einmal mehr
                                                                       beim Jazz-Standard Lullaby of Birdland, den George Shea-
                                                                       ring als Hommage an den legendären New Yorker Jazzclub
                                                                       komponierte, der seinerseits mit seinem Namen Charlie »Bird«
                                                                       Parker ehrte.

                                                                       »Caravan zum Beispiel ist richtig schwer geworden, ich habe
                                                                       ihnen Arrangements in die Hand geschrieben, also Improvisa-
                                                                       tionen für sie in Noten fixiert, und da wurde es wirklich haarig«,
                                                                       meinte Wilhelm Kaiser-Lindemann über die 12-Cello-Fassung
                                                                       des Jazz-Klassikers von Juan Tizol und Duke Ellington, Ersterer
                                                                       Posaunist in der Band von Letzterem. Für den Arrangeur geriet
                                                                       es zu einer Mischung aus »Jazz, Jam-Session und Dschungel«.

                                                                       »Es ist nicht gut, sein Messer in anderen Leuten stecken zu
                                                                       lassen. Besonders nicht in Verwandten.« So heißt es zutreffend
                                                                       in Sidney Lumets mit vielen Preisen bedachtem Filmklassiker
Die 12 Cellisten 1996, kurz vor ihrem 25-jährigen Jubiläum.            Twelve Angry Men, in deutschen Kinos gelaufen als Die zwölf
In den 1990er-Jahren kamen viele neue Mitglieder ins ­Ensemble,        Geschworenen. In Brett Deans gleichnamigem Werk, das die
von denen die meisten noch heute dabei sind.                           12 Cellisten zu ihrem 25-jährigen Bestehen in Auftrag gaben
Hinten (v. l. n. r.): Jan Diesselhorst, Georg Faust; mittlere Reihe:
Alexander Wedow, Rudolf Weinsheimer, Götz Teutsch, Olaf Maninger,      und im Februar 1997 uraufführten, geht es somit nicht etwa um
Christoph Igelbrink; vordere Reihe: Richard Duven, Ludwig Quandt,      zwölf wütende Musiker. Vielmehr lässt sich Dean, der zu den
­Dietmar Schwalke, David Riniker, Christoph Kapler                     international meistaufgeführten Tonschöpfern seiner Genera-
                                                                       tion gehört, in seinen Werken oft von literarischen, politischen
                                                                       oder visuellen Impulsen anregen. Das erwähnte Justizdrama
                                                                       verwandelt der australische Komponist, Dirigent und Bratschist
viele Eigenschöpfungen integriert. Diese entwickeln eine Kraft         (15 Jahre lang Mitglied der Berliner philharmonischen Brat-
und Dynamik, die ganz von ihm stammen.« So formulierte es              schensektion!) in eine kleine Oper für zwölf Celli, in der deut-
der ehemalige Solocellist der Berliner Philharmoniker Georg            lich hörbar ist, wie – analog zur Filmgeschichte – eine einzelne
Faust. Bei der Titelmelodie zu Fellinis poetisch-bizarrer Tragödie     Stimme eine abweichende Meinung äußert und nach und nach
La Strada, komponiert von Nino Rota, gelang es Kaiser-Linde­           alle anderen überzeugt.
mann in typischer Weise, den cellistischen Gesamtklang so zu
»transzendieren«, dass man seine gestrichene Herkunft nur              »Wir wollten schon lange eine CD mit rein französischer Musik
noch erahnen kann.                                                     aufnehmen«, erzählt Solocellist Ludwig Quandt – 2009/2010
                                                                       taten die 12 Cellisten genau das, und neben Fauré, Ravel,
»In Clap Yo’ Hands geht es um nichts als Partys. Unser Freund          Debussy, Satie und Poulenc durfte natürlich auch das ­Chanson
Michael Zigutkin hat diese amerikanische Philosophie von Ver-          nicht fehlen. Hubert Giraud, der seine Musikerkarriere als
gnügen und angenehmem Leben für uns eingerichtet«, erzählte            Mundharmonikaspieler bei Jazzgitarrist Django Reinhardt
Georg Faust. Und vom groovig gezupften Walking Bass bis zu             begonnen hatte, brachte Sous le ciel de Paris 1951 zu Papier.

     22               Saison 2021/22                                        23             Die Werke des Abends
Als Titelmusik zum gleichnamigen Film (bei uns als Unter dem
Himmel von Paris bekannt) wurde der Walzer weltberühmt, und
die 12 Cellisten reihen sich damit in eine Liste von Interpretinnen
und Interpreten ein, die von Édith Piaf, Michel Legrand oder Zaz
bis zu den Drei Tenören reicht.

»Tango ist der vertikale Ausdruck eines horizontalen Verlan-
gens«, meinte George Bernard Shaw einmal. Als Kunstform ist
er sicher noch viel mehr. A Don Agustín Bardi ist einer der be-
rühmtesten Tangos von Horacio Salgán, dem großen argenti-
nischen Tango-Pianisten, -Komponisten, -Orchesterleiter. Hört
man sich Originalaufnahmen von Salgán mit seinem Orchester
an, dann verblüfft, wie sehr die 12 Cellisten in David Rinikers
Arrangement nicht nur den gesamten Streicherklang (inklusive
Violinen) einfangen, sondern auch den des unverzichtbaren
Tango-Instruments, des Bandoneons. Nur dass bei ihnen dank
brillanter und vom Schabegeräusch bis zum schmelzenden
Legato final ausgereizter Bogentechnik alles noch feuriger,
rhythmisch knackiger, kantabel-wehmütiger klingt. »Aus meiner
Sicht passt der Tango am allerbesten zu unserem Ensemble«,            Tango bei den Osterfestspielen Baden-Baden mit dem Tanzpaar
                                                                      Laura Fernández und Daniel Orellana, 2016
so David Riniker. »Weil man bei dem Genre einerseits Biss
braucht und weil da andererseits diese Melancholie ist, der wir
Cellisten uns sehr nahe fühlen.«

»Die Vorgabe an mich war, dass es in lateinamerikanischem             »Yesterday, all my troubles seemed so far away« – in klima­
Fluidum auf klassisch-symphonischem Boden stehen und dabei            krisen­haften und pandemischen Zeiten bekommen Paul
für alle 12 Spieler hochvirtuos sein sollte.« So schrieb Wilhelm      McCartneys Worte einen durchaus aktuellen Unterton. Der
Kaiser-Lindemann über Die 12 in Bossa nova – diesmal kein             ­Megahit der Beatles ist mit über 3000 Versionen der wohl
­Arrangement, sondern eine originale Auftragskomposition für           meistgecoverte Song der Welt und mit seiner originalen Be-
 die 12 Cellisten, die unter dem Titel Variações brasileiras er-       gleitung von akustischer Gitarre und Streichquartett für ein
 schienen ist. Die Hommage an den brasilianischen Bossa nova           Celloensemble natürlich eine Steilvorlage. Das Arrangement
 besteht aus einem 24-taktigen Thema, dem zwei Variationen             vom Gründer und damaligen Leiter des RIAS-Tanzorchesters
 folgen, und ist von Pizzikato über Kunstflageolett, Cello-Percus-     Werner Müller – die jazzige Harmonik und das Rumba-Fee-
 sion bis zu einem kleinen Vokaleinwurf ein weiteres Beispiel für      ling verraten sofort seine Handschrift – erschien bereits 1978
 die auf diese Besetzung zugeschnittene Instrumentationskunst          auf dem zweiten Album der 12 Cellisten. Und egal, ob Liebes-
 ihres Schöpfers.                                                      kummer oder Weltschmerz, mehr Trost als mit diesen herrlichen
                                                                       Klängen geht nicht.
»Leider haben 99 Prozent aller Tango-Komponisten, Tango-
Musiker und -Interpreten keine solide musikalische Aus­­bildung«,                                                              Jochen Rudelt
klagte der Vater des Tango nuevo Astor ­Piazzolla 1986. Ihm
kann geholfen werden, man braucht nur die 12 Cel­listen der
Berliner Philharmoniker und dazu den Tango- und Tangoarran-
gement-Spezialisten José Carli. Das Ergebnis dieser Konstel-
lation kann man in Fuga y Misterio aus Piazzollas Oper María
de Buenos Aires bewundern – mit einer kraftvoll akzentuierten,
vierstimmigen Fuge und dem kurzen Mysterium aus schönster
Cellokantilene über zartem Flageolett. Der Meister hätte sicher
seine Freude daran.

     24             Saison 2021/22                                         25              Die Werke des Abends
Bei einem Konzert des Education-Programms
der Berliner Philharmoniker, 2007
Die Mitglieder der                                                        Sein erstes Konzert mit den Zwölfen gab
                                                                          Dietmar Schwalke noch vor seinem offiziellen
12 Cellisten                                                              Beginn bei den Berliner Philharmonikern – als
                                                                          Einspringer für einen erkrankten Cellisten.
                                                                          »Für mich war das ein toller Start: Ich konnte
                                                                          sozusagen schon mal testen, wie sich eine
                                                                          ­Mitgliedschaft anfühlt.« Der Schüler von
                                                                           ­Arthur Troester, Wolfgang Boettcher und
Ludwig Quandt ist als langjähriger Erster                                   Pierre Fournier wurde als 12-Jähriger durch
Solocellist der Berliner Philharmoniker der                                 einen Cello spielenden Freund angeregt, das Instrument zu ler-
künstlerische Kopf der 12 Cellisten. In dieser                              nen. Nachdem er in nur vier Monaten den Freund spieltechnisch
Rolle versteht er sich vor allem als Moderator                              eingeholt hatte, war der ­Berufsweg vorgezeichnet. Dieser führte
zwischen den Veranstaltern einerseits und                                   nach dem Studium zunächst zum Radio-Sinfonieorchester Stutt-
den Musikerinnen und Musikern andererseits.                                 gart, ehe Dietmar Schwalke 1994 zu den Berliner Philharmoni-
»Die größte Herausforderung ist allerdings                                  kern und somit auch zu den 12 Cellisten kam. Das Ensemble hätte
die oftmals fehlende Probenzeit und die                                     sich – so der Musiker – enorm weiterentwickelt, die Arrangements
manchmal noch kurzfristig wechselnde                                        seien immer raffinierter und herausfordernder geworden, auch
Besetzung.« Darüber hinaus teilt er sich mit Bruno Delepelaire              sei das Klangbild inzwischen sehr viel breiter gefächert.
die Positionen 1 und 2 im Ensemble sowie die Probenleitung
und führt gelegentlich als Moderator durch die Konzerte. Als               Als gebürtiger Berliner träumte Nikolaus
Ludwig Quandt, der in einer Musikerfamilie aufwuchs und                   ­Römisch schon als Kind davon, bei den
schon als Kind ein Faible für tiefe Töne hatte, 1991 Mitglied der          Berliner Philharmonikern zu spielen. Der
philharmonischen Cellogruppe wurde, spürte er sofort: »Die                 Traum erfüllte sich für ihn im Jahr 2000. Die
12 Cellisten sind so etwas wie eine große Familie: individuell             zwei­gleisige Arbeit als Orchester- und Kam-
und trotzdem mit einem Familiensinn, den unser gemeinsamer                 mermusikgruppe empfand er von Anfang
Stammbaum – das Cello – uns mitgegeben hat.« Und diesen                    an als hilfreich. »So habe ich sehr schnell die
Familiensinn habe sich das Ensemble, so Ludwig Quandt, bis                 gesamte Bandbreite der Spielmöglichkeiten
heute bewahrt.                                                             kennengelernt. Das hat mir den Prozess des
                                                                           Einfügens in das bestehende Kollektiv deutlich erleichtert.«
Bruno Delepelaire ist der jüngste der 12                                   Der Schüler von Reinhild Oelmüller, Dietmar Schwalke, Wolf-
Cellisten, gleichwohl führt er – gemeinsam                                 gang Boettcher und Ivan Monighetti, der als Fünfjähriger das
mit Ludwig Quandt – die Cellogruppe der                                    Cello für sich entdeckte, sammelte erste Orchestererfahrung in
Berliner Philharmoniker seit 2013 als Erster                               verschiedenen Jugendorchestern sowie im Orchester der Deut-
Solocellist an. Die Liebe zu seinem Instru-                                schen Oper Berlin, ehe er ein Berliner Philharmoniker wurde.
ment verdankt er seiner Großmutter, einer                                  Was seiner Meinung nach den großen Erfolg der 12 Cellisten
begeisterten Amateurcellistin. Ihr wollte der                              ausmacht? »Die Mischung aus Ernsthaftigkeit und Unterhaltung
damals Fünfjährige nacheifern; sein großes                                 verbunden mit unserer – nach 50 Jahren immer noch – exoti-
musikalisches Talent wurde bald entdeckt.                                  schen Erscheinung.«
Nach Studien am Pariser Conservatoire bei Philippe Muller und
bei Jens-Peter Maintz an der Universität der Künste Berlin kam            Als Christoph Igelbrink 1989 bei den Ber-
er an die Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker. Als               liner Philharmonikern anfing, war Herbert
deren Stipendiat spielte er auch erstmals bei den 12 Cellisten            von Karajan noch Chefdirigent des Orches-
mit: »Mich beeindruckte die Einheit und die Ausdruckskraft                ters. Dessen Maxime lautete: »Es gibt keine
dieses Ensembles«, erinnert er sich. Er liebt die stilistische Vielfalt   schlechte Musik, nur schlechte Interpreta-
des Repertoires und genießt die gemeinsamen Auftritte, die                tionen.« Dieser Satz könne, so Christoph
die Gruppe, so Bruno Delepelaire, menschlich und musikalisch              Igelbrink, auch für die Arbeit der 12 Cellisten
zusammenbringt.                                                           gelten. Viele ­Werke, die anfangs zu »leicht-
                                                                          gewichtig« schienen, wurden durch intensive

     28              Saison 2021/22                                            29             Musikerinnen und Musiker
Auseinandersetzung zu Highlights des Repertoires. »Davon          »Ich bin durch dieses Ensemble mit elf Kolle-
habe ich auch persönlich sehr profitiert.« Christoph Igelbrink,   ginnen und Kollegen am selben Instrument
der bereits Klavier spielte, begann als Elfjähriger Cello zu      sehr geprägt worden«, meint Knut ­Weber,
lernen, um das Hausmusikquartett seiner Familie zu vervoll-       Cellist und Orchestervorstand der Berliner
ständigen. Die Freude am Spiel in diversen Jugendorches-          Philharmoniker. »Durch die individuelle Art
tern bestärkte seinen Wunsch, Cellist zu werden. Bei den 12       jedes einzelnen Mitglieds konnte ich unglaub-
Cellisten konnte er gelegentlich auch sein pianistisches Ta-      lich viel sehen und lernen – cellistisch und mu-
lent einsetzen: Anlässlich eines Auftritts vor dem japanischen    sikalisch.« Der gebürtige Klagenfurter wollte
Kaiserpaar begleitete er seine Kollegen beim Vortrag von          als Fünfjähriger nur ein Instrument lernen, bei
Saint-Saëns’ Schwan auf dem Klavier – ein für ihn unvergess-      dem man während des Spielens nicht stehen muss. Da schien
liches Erlebnis.                                                  ihm das Cello geradezu ideal. Er studierte bei Miloš Mlejnik,
                                                                  Claus Kanngiesser und Wolfgang Boettcher, war Stipendiat und
Musiker und Manager – Olaf Maninger                               Solocellist des Gustav Mahler Jugendorchesters sowie Grün-
vereint zwei Begabungen. Nachdem er                               dungsmitglied des Mahler Chamber Orchestra, ehe er 1998 ein
1995 zu den Philharmonikern kam, konnte                           Berliner Philharmoniker wurde. Zu seinen schönsten Erlebnissen
er beide an führender Stelle einbringen:                          zählt er das Konzert zur Veröffentlichung der CD South American
als Solocellist sowie als Medienvorstand,                         Getaway in Buenos Aires, zu dem viele ehemalige Kollegen von
Mitglied des Stiftungsvorstands und als                           Astor Piazzolla kamen. »Ich habe selten eine so große Aufregung
Initiator der Digital Concert Hall, deren                         bei vielen meiner sonst stressresistenten Kollegen gesehen.«
Geschäftsführer er seit 2008 ist. In Reckling-
hausen geboren, studierte Olaf Maninger                           Rachel Helleur-Simcock hörte als Kind eine
zunächst bei János Starker und Maria Kliegel in Essen, später     Aufnahme der 12 Cellisten der Berliner Phil-
bei Armin Fromm, Antonio Meneses und Boris Pergamenschi­          harmoniker und entschied: »Das will ich auch
kow sowie beim Amadeus-Quartett. Seine Laufbahn als Or-           machen!« Im Alter von sechs Jahren erhielt sie
chestermusiker begann er 1994 als Solocellist beim Sinfonie-      den ersten Cellounterricht. Nach ihrer Ausbil-
orchester des Hessischen Rundfunks, bis er wenige Monate          dung unter anderem an der Royal Academy
später zu den Berliner Philharmonikern wechselte.                 of Music in London, der Berliner Hochschule
                                                                  für Musik »Hanns Eisler« und der Karajan-
Martin Menking kam 1996 als Nachfolger                            Akademie der Berliner Philharmoniker sowie
von Rudolf Weinsheimer in die philharmo-                          zwei Jahren in der Position der Solocellistin der Deutschen Oper
nische Cellogruppe. Von ihm übernahm                              Berlin war es dann soweit: 2009 wurde sie Mitglied der Berliner
er bei den 12 Cellisten nicht nur Platz 7,                        Philharmoniker und saß in ihrer ersten Probe mit den 12 Cellis-
sondern auch die organisatorischen Auf-                           ten. »Ich war sehr nervös«, erinnert sie sich, »bis ich erleichtert
gaben. Die größte Herausforderung dabei                           feststellte, dass die Atmosphäre bei den Proben tatsächlich sehr
sei – so Martin Menking –, für die Proben                         entspannt ist.« In diesem Ensemble habe sie – so die Musikerin –
und die Konzerte zwölf Cellistinnen und                           ihre solistische Seite entwickeln können. Gänsehautmomente
Cellisten zusammenzubekommen. »Bis-                               bescherten ihr die Auftritte vor dem japanischen Kaiserpaar
lang hat es immer geklappt.« Martin Menking lernte Cello,         und ein Konzert auf dem Markusplatz in Venedig: »Das war der
weil dieses Instrument im familiären Streichquartett noch         schönste Blick von einer Bühne, an den ich mich erinnern kann.«
fehlte. Der Schüler von Heinrich Schiff und David Geringas
begann seine Laufbahn 1994 als stellvertretender Solocellist      Stephan Koncz weiß noch genau, wie ihn
des NDR-Sinfonieorchesters Hamburg, ehe er zwei Jahre             als Jugendlicher die unglaublich virtuos ge-
später zu den Berliner Philharmonikern wechselte. Durch das       spielte Filmmusik der 12 Cellisten begeisterte:
Ensemble sei die Cellogruppe des Orchesters nach Martin           »Was vor 50 Jahren so unerhört begann, hat
Menkings Worten sehr zusammengewachsen. »Diese Homo-              nach und nach auch die junge Cellogenera-
genität zeichnet auch den Klang der Gruppe aus.«                  tion in Erstaunen versetzt und als Inspiration
                                                                  für viele Cello­ensembles gedient.« Der Spross
                                                                  einer österreichisch-ungarischen Musiker­

    30            Saison 2021/22                                       31             Musikerinnen und Musiker
familie begann als Achtjähriger sein Studium in Wien. 2006        Die Begeisterung für das Cellospiel wurde
wurde er Stipendiat der Karajan-Akademie der Berliner Phil-       Martin Löhr schon in die Wiege gelegt –
harmoniker. Nach einem Abstecher zum Wiener Staatsopern-          durch die Mutter, die auch Cellistin war.
orchester kam Stephan Koncz mit Beginn der Spielzeit 2010/11      Zudem liebte er schon immer die tieferen
in die Cellogruppe der Berliner Philharmoniker. Was ihn an        Töne. So lag es für ihn nahe, das Cello zu
den 12 Cellisten so fasziniert? ­»Abhängig vom Repertoire kann    seinem Instrument zu machen. Er studierte
dieses Ensemble alle Facetten der Musik zeigen: sämiges Can-      an der Musikhochschule seiner Heimatstadt
tabile, kratzige Tango-Rhythmen, Big-Band-Groove, chorisches      Hamburg bei Wolfgang Mehlhorn, an der
Spiel in allen Lagen und Bass-Gegrunze.«                          New Yorker Juilliard School bei Zara Nelsova
                                                                  sowie an der Berliner Hochschule der Künste bei Wolfgang
David Riniker ist seit 1995 dabei und enga-                       Boettcher. Seit 1996 ist er Solocellist der Berliner Philharmoniker
giert sich in zweifacher Hinsicht für die 12 Cel-                 und Mitglied der 12 Cellisten. Aber nicht nur das: Als leiden-
listen: als Musiker und als Arrangeur. Von ihm                    schaftlicher Kammermusiker spielt Martin Löhr seit fast drei
stammen viele der raffinierten Bearbeitun-                        Jahrzehnten im Trio Jean Paul, mit dem er erste Preise bei den
gen. Er weiß, wie er die Instrumente sowie                        internationalen Kammermusikwettbewerben in Osaka und
das technische und musikalische Können                            Melbourne errang.
seiner Kolleginnen und Kollegen wirkungsvoll
zur Geltung bringen kann. »Der Tonumfang
des Violoncellos ist sehr groß. Das ergibt viel                   Ehemalige Mitglieder
Spielraum und bietet unzählige Möglichkeiten«, meint er. »Wir
können daher wie ein Kammerorchester spielen.« David Riniker,     Peter Steiner 1948–1994
ein Schüler von Jean-Paul Guéneux und Antonio Meneses, liebt      Eberhard Finke 1950–1985 (Erster Solocellist)
den vollen warmen Klang des Ensembles, der ihn bei seinen         Heinrich Majowski 1950–1989
Arrangements immer wieder inspiriert. »Mehrere Celli zusam-       Gerhard Woschny 1951–1985
men klingen immer wunderbar. Dieses Instrument kommt der          Ottomar Borwitzky 1956–1993 (Erster Solocellist)
menschlichen Stimme nahe. So klingen auch komplexe Chor-          Rudolf Weinsheimer 1956–1996
sätze wie Verdis Ave Maria aus Quattro pezzi sacri oder Figure    Wolfgang Boettcher 1958–1976 (ab 1963 Solocellist)
humaine von Francis Poulenc mit diesem Ensemble wunderbar.«       Christoph Kapler 1961–1998
                                                                  Alexander Wedow 1962–1999
Solène Kermarrec, seit 2006 Mitglied der                          Klaus Häussler 1963–1995
Berliner Philharmoniker, war die erste Frau                       Jörg Baumann 1966–1995 (ab 1976 Solocellist)
der Cellogruppe und somit auch der 12 Cel-                        Götz Teutsch 1970–2006 (ab 1976 Solocellist)
listen. Sehr schnell stellte sie fest: »Jeden Tag                 Jan Diesselhorst 1977–2009
neben s­ olchen Kollegen zu sitzen ist eine                       Georg Faust 1985–2011 (Erster Solocellist)
anspruchsvolle Sache, das hält wach, fit und                      Richard Duven 1986–2021
inspiriert.« Die gebürtige Französin, Schülerin
von Jean-Marie Gamard, Miklós Perényi und                         Die Jahreszahlen und Solopositionen beziehen sich auf die
Wolfgang Boettcher, erzählt, allein durch                         ­Mitgliedschaft bei den Berliner Philharmonikern.
Beobachtung habe sie viel von den Kollegen lernen können.
Immer wieder berührt sie die große Begeisterung, mit der
das Ensemble von seinem Publikum in China, Taiwan, Japan
und Russland gefeiert wird. Ein Highlight für sie sind auch die
­Auftritte in der Philhar­monie Berlin. Als beglückend empfin-
 det ­Solène Kermarrec es immer wieder, »wenn ich plötzlich
 im Konzert wahrnehme, wie gut diese Gruppe funktioniert, trotz
 manchmal schwieriger Proben. Am Abend ziehen wir alle am
 selben Strang!«

    32            Saison 2021/22                                       33             Musikerinnen und Musiker
© Conny Maier, Courtesy of König Galerie

                                                                                                                                                                                                                           © A Gentil Carioca, Maxwell Alexandre
Blick auf die Conditio humana
"Artists of the Year" 2021 der Deutschen Bank
im PalaisPopulaire

Die Auszeichnung „Artist of the Year“ der Deutschen Bank wird zehn
Jahre alt. Junge Künstler*innen, die mit Papier oder Fotografie
arbeiten, werden seit 2010 durch Ankäufe ihrer Werke für die
Sammlung Deutsche Bank, einen Katalog und Einzelausstellungen
einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Anlässlich des
Jubiläums werden erstmals drei Künstler*innen ausgezeichnet,
die jetzt mit neuen Werken im PalaisPopulaire zu sehen sind. Das                                                                                                                        gewalt und schwarze Identität. Virtuos in der Farbgebung, kraftvoll und
Besondere: Alle drei kamen über ungewöhnliche Wege zur Kunst,                                                                                                                           nicht ohne Ironie knüpft die Berlinerin Conny Maier an die Traditionen
reflektieren elementare Themen wie Gemeinschaft, Spiritualität                                                                                                                          der französischen Fauvisten und des deutschen Expressionismus an.
und Umweltzerstörung. Der 30-jährige Maxwell Alexandre stammt                                                                                                                           Im Zentrum ihrer Malerei-Installation steht ein riesiges, im wahrsten
aus Rio de Janeiros größter Favela. Seine Gemälde, Performances                                                                                                                         Sinne überwältigendes Triptychon, dem sie den Titel „Dominanz“
und Installationen kreisen um Rassismus, Musik, Religion, Polizei-                                                                                                                      gegeben hat. Und genau darum geht es auch in ihren Bildern: um
                                                                                                                                                                                        den Konflikt zwischen moderner Zivilisation und Natur, die Frage, wer
                                                                                                                                                                                        wen beherrscht, die Oberhand behält. Der taiwanesische Künstler
                                                                                                                                                                                        Zhang Xu Zhan fertigt für seine Filme und Installationen filigrane
                                                                                                                                                                                        Figuren und Landschaften aus Pappmaschee an. Sein immersiver
                                                                                                                                                                                        Kosmos ist von märchenhaften Wesen, singenden Tieren und Pflanzen
                                                                     © Zhang Xu Zhan, courtesy of the artist and Project Fulfill Art Space

                                                                                                                                                                                        sowie Naturgeistern bevölkert – und transformiert alte Fabeln für das
                                                                                                                                                                                        Internetzeitalter. Drei Statements zur Conditio humana, die radikales
                                                                                                                                                                                        Um- und Neudenken einfordern.

                                                                                                                                                                                        Deutsche Bank „Artists of the Year“ 2021
                                                                                                                                                                                        Maxwell Alexandre – Conny Maier – Zhang Xu Zhan
                                                                                                                                                                                        Bis zum 14. März 2022

                                                                                                                                                                                        PalaisPopulaire
                                                                                                                                                                                        Unter den Linden 5, 10117 Berlin
                                                                                                                                                                                        db-palaispopulaire.de
Konzert-                                                                                   Late Night mit der Artist in
                                                                                          ­Residence ­Patricia Kopatchinskaja
                                                                                          Wenn die Geigerin Patricia Kopatchinskaja zur Late

tipps
                                                                                          Night lädt, ist eines sicher: Es wird eine ungewöhnliche
                                                                                          Nacht. Das Programm mit Werken von Darius Milhaud
                                                                                          bis György Ligeti zeigt, wie vielseitig die Musik unserer
                                                                                          Zeit ist – mal meditativ, mal witzig, mal subversiv. Und
                                                                                          auch ein eigenes Werk unserer Artist in Residence ist zu
                                                                                          erleben.

                                                                                          Sa 22.01.22 22 Uhr
                                                                                          Kammermusiksaal

                                                                                          Patricia Kopatchinskaja Violine
                                                                                          Mitglieder der Berliner Philharmoniker

                                                                                          Karten 20 Euro

                Bundesjugendorchester und                                                 Patricia Kopatchinskaja und das
               ­Bundesjugendballett                                                       Jack Quartet
               Im Bundesjugendorchester spielt der musikalische                           Patricia Kopatchinskaja und das Jack Quartet ver-
               Nachwuchs: Die besten Instrumentalist*innen Deutsch-                       bindet die große Leidenschaft für eine zeitgenössi-
               lands erfahren hier, was es heißt, unter professionellen                   sche Musik, die neugierig macht und überrascht. In
               Bedingungen im Orchester zu spielen. Da viele Mit-                         diesem gemeinsamen Konzert sind Werke zu hören,
               glieder der Berliner Philharmoniker früher selbst dort                     die die unendlichen Möglichkeiten von Streichermusik
               gespielt haben, haben sie 2013 die Patenschaft für                         erforschen: originell, energiegeladen und stimmungs-
               den Klangkörper übernommen. Seither gastiert das                           voll. Patricia Kopatchinskaja ist dabei nicht nur als
               Bundesjugendorchester jährlich in der Philharmonie                         Solo­geigerin zu erleben, sondern in Galina Ustwol-
               Berlin. In dieser Saison ist es mit dem Bundesjugendbal-                   skajas Dies Irae auch als Perkussionistin. Mitglieder der
               lett sowie mit Werken von Richard Strauss und Maurice                      Berliner Philharmoniker erweitern das Instrumentarium
               Ravel zu erleben.                                                          des Abends um zusätzliche Farben.

               Mo 17.01.22      20 Uhr                                                    So 23.01.22 18 Uhr
               Großer Saal                                                                Kammermusiksaal

               Bundesjugendorchester                                                      Patricia Kopatchinskaja Violine und Würfel
               Orchestre Français des Jeunes                                              Jack Quartet
               Alexander Shelley Dirigent                                                 Mitglieder der Berliner Philharmoniker
               Bundesjugendballett
               John Neumeier Choreografie                                                 Karten von 10 bis 26 Euro

               Karten von 8 bis 32 Euro

36   Saison 2021/22                                                       37   Konzerttipps
Klavierabend mit Sir András Schiff
               Sir András Schiff hat uns schon viele spannende Klavier-
               abende beschert, darunter gefeierte Beethoven- und
               Bach-Zyklen oder eine Klavierreihe, in der er die jeweils
               letzten drei Sonaten von Haydn, Mozart, Beethoven
               und Schubert interpretierte. Auch in dieser Saison dür-
               fen wir uns auf einen Soloabend mit dem ungarischen
               Pianisten freuen. Programmatisch ist das Konzert ein

                                                                           Barock-
               Überraschungspaket, dessen Inhalt bislang nur András
               Schiff selbst kennt. Aber egal, was er spielt: Er wird es
               in seiner feinsinnigen, ebenso klugen wie lebendigen
               Vortragsart präsentieren.

               Sa 05.02.22 19 Uhr
               Kammermusiksaal

                                                                           Festival
               Sir András Schiff Klavier

               Karten von 20 bis 45 Euro

               Philharmonischer Salon – Besiegelt
               von der Liebe Kuss
                                                                           25.–27.
               Dieser Philharmonische Salon beleuchtet das Verhält-        Februar
               nis von Richard Wagner und Mathilde Wesendonck.
               Der wegen seiner revolutionären Umtriebe in Dresden
               steckbrieflich gesuchte Komponist lernte die verhei-
                                                                           2022
               ratete Frau im Schweizer Exil kennen, wo ihr Ehemann
               den Flüchtling finanziell unterstützte. Sie wurde seine               Anna Prohaska
               Angebetete und Muse, die ihn nicht nur zu seiner
               Oper Tristan und Isolde inspirierte, sondern auch die
                                                                           04.–06.   Les Arts Florissants
               ­G edichte für den Zyklus seiner Wesendonck-Lieder lie-
                ferte. Gäste des Salons sind die Sprecher*innen Brigitte
                Karner und Heikko Deutschmann sowie die Mezzo­
                                                                           März      William Christie
                                                                                     Berliner Barock Solisten
                sopranistin Nadine Weissmann und das Philharmoni-
                sche Streichquintett.                                      2022      Freiburger Barockorchester
               So 06.02.22 16 Uhr                                                    Il pomo d’oro
               So 13.02.22 16 Uhr
               Kammermusiksaal
                                                                                     Accademia del Piacere
                                                                                     Collegium 1704
               Brigitte Karner Sprecherin
               Heikko Deutschmann Sprecher                                           Jupiter-Ensemble
               Nadine Weissmann Mezzosopran
               Philharmonisches Streichquintett                                      Jean Rondeau
               Cordelia Höfer Klavier
               Götz Teutsch Programmgestaltung
                                                                                     Informationen und Tickets unter
               Karten von 15 bis 35 Euro
                                                                                     berliner-philharmoniker.de/
38   Saison 2021/22                                                                  barock
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    t elefonisch unter +49 30 254 88-999
     Montag – Freitag 9 –16 Uhr
    a n der Konzertkasse der Philharmonie
     Montag – Freitag 15–18 Uhr
     Samstag, Sonntag und an Feiertagen 11–14 Uhr

                                                                                                                      Hier spielen
                                                                                                                      wir nur für

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  redaktion@berliner-philharmoniker.de

Redaktion: Tobias Möller (V. i. S. d. P.)
Mitarbeit: Stephan Kock, Anne Röwekamp,
Hendrikje Scholl · Der Artikel von Frederik
Hanssen erschien zuerst in Phil – das Maga-
zin der Berliner Philharmoniker · Biografien:
Nicole Restle · Abbildungen: S. 6, 22 Archiv
12 Cellisten, S. 8 Uwe Arens, S. 11, 21 Archiv
Rudolf Weinsheimer, S. 12 (o.) Bundesprä-
sidialamt, (u.) Knut Weber, S. 15, 25 Monika
Rittershaus, S. 16 Stephan Röhl, S. 18/19,
26/27, 36 Peter Adamik, S. 28 –33 Sebas-
tian Hänel, S. 37 (o.) Stefan Höderath, (u.)
­Beowulf Sheehan, S. 38 (o.) Joanna Bergin,
 (u.) Martin Kraft · Anzeigen­vermarktung:
 Tip Berlin Media Group GmbH, Michelle
 Thiede, Telefon +49 30 23 32 69 610, an-
zeigen@tip-berlin.de · Artwork: Studio
Oliver Helfrich · Layout: Stan Hema · Satz:                                                                                                   Jetzt in
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PH 33, 2021/22                                                                               der Digital Concert Hall

                                                                                                                                digitalconcerthall.com
      40                 Saison 2021/22
15.9.2021 –14.3.2022

                                               Deutsche Bank
                                               “Artists of the Year”
                                                                     MA XWELL
                                                                     ALEXANDRE
                                                                     CONNY
© Conny Maier. Courtesy of König Galerie

                                                                     MAIER
                                                                     ZHANG XU
                                                                     ZHAN

                                           4     Saison 2021/22
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