Dress the Stage on Fire - #9

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Dress the Stage on Fire - #9
Inszenierungen im Raum

                                       #9
                             Dress the Stage on Fire

                                         SCENOGRAPHIC FASHION SHOWS
16,50 EUR (D)                       Pamela C. Scorzin über den Laufsteg als Bühne
15,42 EUR net
März 2013
w w w. PLOTmag.com
                                                     ANZIEHEND!
                                 Inszenierte Modewelten von Monica Menez, Studio Job,
ISBN 978 -3- 89986 -130 -3                Household Design, Bureau Betak, etc.

                                            AUSSTELLUNGSGESTALTUNG
                                  Fashion talks! Sprechende Moderäume in Frankfurt,
                                                   London und Berlin
Dress the Stage on Fire - #9
Au
Birgit Utz

                               den L
Birgit Utz war nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre mehrere Jahre                    Interview:
als Projektmanagerin im Bereich Sportmarketing und Kulturevents tätig. Sie                      Frank C. Ulrich
arbeitete als Galeriemanagerin, Kundenberaterin für Marketingkommunikation
sowie als PR-Managerin für Architekten und Designer. Nach einer Zusatzqualifi-
kation im Bereich Design ist sie seit 1997 als freiberufliche Kostümbildnerin für
Spielfilme, Image- und Werbefilme, Theaterstücke, Live-Events oder Ausstel-
lungen tätig. Als Stylistin und Art-Direktorin zeichnet sie zudem verantwortlich
für Produktionen im Bereich der Fotografie wie zum Beispiel Werbekampagnen,
Buch- oder Corporate-Publishing-Projekte. Nach langjährigen Aufenthalten in
Spanien und Italien kehrte sie wieder zurück nach München und arbeitet seit
2006 in Stuttgart.
w w w. b i r g it u t z . c o m

                             geschn
  1                                                                                               2
Gegensätze ziehen sich an – auf diesen Effekt setzt der Teppichhersteller Domaniecki Carpetence. Für die Produktbroschüre Naturitas Fine 100
aus dem Jahr 2012 wurde dieser Gedanke aufgegriffen und weitergeführt: Erlesene Einzelstücke sollten sich als Kontrast gegenüberstehen. Das
Briefing für Birgit Utz lautete: „Auf den hochwertigen, in Tibet gewobenen Teppichen sollen sich Tänzer in ethnischen Kostümen bewegen. Pas-
sende Requisiten sollen die Szenerie ergänzen.“
www.domaniecki.de, www.inmediasrees.de, www.thomaskettner.com

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Dress the Stage on Fire - #9
uf
Leib
neidert
 3

 Nicht nur auf dem Laufsteg wird extravaganter Kleidung
 eine Bühne geboten, auch im Theater, Film und in der
 (Werbe-)Fotografie nimmt die Mode eine wesentliche
 Rolle ein. Frank C. Ulrich (FCU) hat hinter die Kulissen
 geschaut und stellt mit Birgit Utz (BU) eine universal
 begabte Kostümbildnerin, Stylistin und Art-Direktorin vor,
 die Inszenierung und Mode nicht nur als Gesamtkunst-
 werk, sondern auch in einer Person vereint.

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Dress the Stage on Fire - #9
FCU                     Kostümbildnerin – das klingt wie ein verlorener Beruf aus dem vorletzten Jahrhundert. Was
                        macht dieses Arbeitsgebiet eigentlich aus?

                        BU                      Es mag sein, dass die Berufsbezeichnung eher an Mantel- und Degen-
                                                filme und somit an vergangene Zeiten erinnern lässt, schaut man jedoch
                                                genauer hin – und zieht zudem Wandlungen wie die des Automechanikers
                                                zum Mechatroniker in Betracht –, begegnen einem die kreativen Erzeug-
                                                nisse dieses Berufs tagtäglich: Kostümbildner entwerfen und gestalten die
                                                Kostüme der Darsteller von Theater-, Musical- und Opernaufführungen,
                                                von Fernsehinszenierungen und Filmen. Sie besprechen ihre Entwürfe in
                                                erster Linie mit den Regisseuren und Szenenbildnern, kalkulieren die Kos-
                                                ten des Materialeinkaufs und der Herstellung, besorgen die erforderlichen
                                                Stoffe und überwachen die Fertigung der Kostüme in der Schneiderei. Sie
                                                berücksichtigen bei ihren Entwürfen immer das Bühnenbild, die Lichtver-
                                                hältnisse und die Art der Inszenierung, indem sie die Wirkung der Kos-
                                                tüme, beispielsweise an Kostümpuppen oder Figurinen, unter bestimmten
                                                Bedingungen immer wieder erproben. Es ist ein sehr vielseitiges Feld, bei
                                                dem das Interesse an Menschen und Kleidung natürlich Voraussetzung ist,
                                                wobei sich die klassische Tätigkeit vom „Handwerker“, der ausschließlich
                                                Kostümierungen für die Theaterbühne schneidert, inzwischen zum Insze-
                                                nator von Produkten, Individuen und Ideen gewandelt hat – zumindest ver-
                                                stehe ich so meinen Beruf.

               „Mir fällt es leicht, mich in eine Rolle
          einzufühlen und die Emotionen zu erspüren, die
              zum Ausdruck gebracht werden sollen.“

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                                                                         8, 9                    Niama-Film GmbH, Stuttgart (D)
                                                                         12                      Bernd Kammerer, Stuttgart (D)

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Für das Buchprojekt Auge um Auge – Anni Friesinger vs. Marianne Timmer zeichnete Birgit Utz für das Styling und Kostümbild der beiden Sport-
lerinnen verantwortlich. Dabei traten die Weltmeisterinnen im Eisschnelllauf, Konkurrentinnen und langjährigen Freundinnen fotografisch gegen-
einander an – bewaffnet mit nicht viel mehr als den eigenen weiblichen Reizen. Die Fotografien stammen von Thomas Kettner, der Anni Friesinger
2009 in Kühtai, Tirol, auf über 2.200 Metern, bei eisiger Kälte, im 6 °C kalten Wasser eines Bergsees, mit einem Husky-Gespann oder an einem
Kran, 15 Meter über einem Stausee hängend, aufnahm. Marianne Timmer wurde in Duisburg und Dortmund in den historisch beeindruckenden
Überresten der stählernen Industrie fotografiert.
www.augeumauge-annifriesinger.com, www.thomaskettner.com

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Dress the Stage on Fire - #9
FCU               Du hast einen sehr vielseitigen Werdegang, hast zunächst Betriebswirtschaftslehre studiert
                  und warst anschließend mehrere Jahre im Sport- und Kulturmarketing sowie als PR-Manager
                  für Architekten und Designer tätig. Wie bist Du schließlich zur Kostümbildnerei gekommen?

                  BU                Schon als Neunjährige wollte ich unbedingt Handarbeitslehrerin werden. Ich
                                    hatte schon immer sehr viel Spaß am Verkleiden, Malen, Zeichnen, Nähen
                                    und Stricken und habe früh angefangen, Modemagazine zu studieren und
                                    historische Filme anzuschauen. Zuerst verkleidete ich meine Puppe und
                                    dann habe ich mit 13 begonnen, Kleidung für mich selbst zu entwerfen,
                                    sie zu nähen und zu stricken. Ein ganz dringender Wunsch war schließlich,
                                    mich am Film und Theater auszutoben. Also habe ich an der Schulbühne
                                    Theater gespielt und getanzt. Und selbst als ich Marketing und Werbewirt-
                                    schaft studierte, war mir klar, dass meine Passion das Kostüm- und Mode-
                                    design ist. Also habe ich mich in den Bereichen Kostümgeschichte, Mode,
                                    Materialkunde, Textilverarbeitung und Handarbeitstechniken fortgebildet.
                                    Jede Chance, die sich mir bot, habe ich wahrgenommen, um meine künst-
                                    lerischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Durch meinen unkonventionellen
                                    Werdegang musste ich jene allerdings viel mehr unter Beweis stellen als
                                    andere, denn der klassische Weg geht meistens über eine Ausbildung zur
                                    Schneiderin und dann Gewandmeisterin am Theater. Ich hatte immer großes
                                    Glück und bin den richtigen Personen begegnet, die mein Talent förderten.

FCU               Was zeichnet denn – neben Talent – eine gute Kostümbildnerin aus?

                  BU                Auf jeden Fall Leidenschaft, Passion, Fantasie, Intuition und Ideenreichtum,
                                    künstlerische Fähigkeiten und Modebewusstsein. Zudem eine fundierte
                                    Ausbildung, kontinuierliches Lernen, Durchhalte- und Durchsetzungsvermö-
                                    gen sowie Überzeugungskraft. Dazu gehört auch großes organisatorisches
                                    Geschick und ein Sinn für Kalkulation und Budgetmanagement. Es ist ein
                                    Knochenjob, der viele Überstunden abverlangt.

FCU               Wie gehst Du vor, wenn Du Kostüme für verschiedene Charaktere auswählst bzw. gestaltest?

                  BU                Das Kostüm ist ein Teil eines Gesamtkonzepts und bildet zusammen mit
                                    dem Darsteller eine Einheit. Es trägt dazu bei, seine Rolle näher zu defi-
                                    nieren und die Wesenszüge der Figur zu festigen. Mein Vorgehen bei der
                                    Gestaltung ist dabei meist ähnlich: Meine Arbeit beginnt eigentlich sofort
                                    beim Öffnen eines Skripts oder während des Briefings. Zuerst muss ich die
                                    Geschichte oder das Drehbuch kennen. Ich lese Szene für Szene, notiere
                                    mir alle beschriebenen Details und erstelle ein Charakterprofil. Es fällt mir
                                    leicht, mich in eine Rolle einzufühlen und die Emotionen zu erspüren, die
                                    zum Ausdruck gebracht werden sollen. Dann überlege ich mir eine Stilrich-
                                    tung, ein Farb- und Stoffkonzept, fasse alles zusammen und lasse so jedes
                                    Kostüm einzeln entstehen.

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Auf den Leib geschneidert                                                                                     37
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FCU                     Und woher nimmst Du Deine Inspirationen?

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                                                 Architektur, Museen, Gemälden, Stoffläden, Basaren, Menschen, Natur –
                                                 eben aus allem, was ich in meinem Kopf abgespeichert habe. Aus dieser
                                                 Vielfalt können eine Menge Ideen wachsen.

FCU                     Gibt es Kollegen, deren Arbeit Du besonders beeindruckend findest? Bzw. gibt es große Kostüm­
                        leistungen im Film oder Theater, die Du besonders bewunderst?

                        BU                       Von mir favorisierte Kostümbilder sind „Tod auf dem Nil“, „The Good, The
                                                 Bad, The Weird“, „House of Flying Daggers“ und das mächtige Bildpoem
                                                „Dolls“. Ich kann aber auch dem Regisseur Quentin Tarantino und seinen
                                                 Kostümbildern sehr viel abgewinnen. Für ihn würde ich gerne einmal arbei-
                                                 ten. Es gibt wirklich eine Menge guter Kostümdesigner, deren Arbeit ich
                                                 wertschätze. Ich mag die Entwürfe von Milena Canonero, Sonia Grande
                                                 oder Catherine Martin. Außerdem liebe ich die historischen Kostümbilder
                                                 der 20er-, 30er- und 40er-Jahre sowie die dazu passenden Filme wie „The
                                                 Painted Veil“, „Jenseits von Afrika“, „Der große Gatsby“, „Wiedersehen mit
                                                 Brideshead“, „Der englische Patient“ oder „Die Geisha“. Mein Traum war
                                                 immer, das Kostümbild für einen Film dieser Epochen zu kreieren. Und jetzt
                                                 ist er sogar wahr geworden: Momentan ist ein Kinofilm der internationalen
                                                 Produktion NIAMA mit historischem Hintergrund in Planung: „Die Schwar-
                                                 zen Lords“. Das wird eine große Herausforderung für mich und ich freue
                                                 mich schon sehr auf die Zusammenarbeit mit den beiden Regisseuren Ana
                                                 Fernandes und Torsten Truscheit. Das Drehbuch habe ich bereits bearbeitet
                                                 und jede Menge Recherchematerial gesichtet – es wächst . . .

FCU                     Du legst sehr viel Wert auf gute Recherche. Wie groß ist der Anteil Deiner Arbeit, den dieser
                        Part einnimmt?

                        BU                       Recherche bildet eine wesentliche Grundlage! Dabei machen Intuition
                                                 und Erfahrung diese Arbeit effektiv und angenehm. Man darf sie nicht als
                                                 notwendiges Übel, sondern muss sie vielmehr als inspirierenden Teil des
                                                 Gesamtprozesses sehen. Wenn es sich beispielsweise um historische Pro-
                                                 jekte handelt, wandelt man auf den Spuren der Vergangenheit. Dies ver-
                                                 langt besonders fundierte Recherchen. Nur wenn ich genau weiß, wie die
                                                 Kostüme einer bestimmten Epoche ausgesehen haben, kann ich diese neu
                                                 umsetzen, ohne die bestehenden Gesetze der jeweiligen Zeit zu verletzen.
                                                 Natürlich recherchiere ich auch bei kontemporären Projekten, wenn ich
                                                 beispielsweise auf der Suche nach einem Kostüm bin, das meiner Idee
                                                 entspricht. Wenn ich jenes nicht finde, muss ich es selbst anfertigen oder
                                                 anfertigen lassen. Auch da ist natürlich die Recherche nach entsprechen-
                                                 den Materialien gefragt.

„Ich würde gerne einmal für Quentin Tarantino arbeiten.“

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Anlässlich des 40-jährigen Jubiläums des Bunds Freischaffender Foto-Designer e.V. (BFF) wurde 2009 die Ausstellung „ha’noi“ im Stuttgarter Haus
der Wirtschaft initiiert. Hierfür sollten die skurrilsten Ortsnamen Baden-Württembergs fotografisch umgesetzt und inszeniert werden. Thomas
Kettner und Birgit Utz wählten Frauenzimmern – ein Dorf im Landkreis Heilbronn mit etwa 1.000 Einwohnern. So fand sich in ihrem Entwurf das
historische Gemeindewappen – eine silberne Zimmermannsaxt auf blauem Grund – in der Tapete des Sets wieder und „die Fürstin, die Hure und
das Gefolge“ bildeten die Hauptdarsteller – angelehnt an eine historische Begebenheit, jedoch überspitzt modernisiert.
www.bff.de, www.thomaskettner.com

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FCU                     Wie Du schon erwähnt hast, fertigst Du die Kostüme teilweise selbst oder lässt sie fertigen.
                        Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Kostümbildner und einem Modedesigner?

                        BU                      Der Unterschied zwischen einem Kostümbildner und einem Modedesi-
                                                gner ist leicht erklärt: Das Kostüm entspricht dem Selbstbild der genau
                                                definierten Charakterrolle. Das Selbstbild des Darstellers ist somit fremd-
                                                bestimmt und das gilt natürlich auch für das Kostüm, das durch den Kos-
                                                tümbildner generiert wird. Die Mode dagegen steht nicht in diesem Fokus.
                                                Jeder Endverbraucher kann selbst bestimmen, welche Kleidung er trägt
                                                und der Modedesigner muss nicht zwingend eine Vorstellung von seinen
                                                Konsumenten haben.

FCU                     Ist es schon mal vorgekommen, dass sich ein Darsteller einem Kostüm verweigerte?

                        BU                      Mir ist von Bedeutung, dass sich die Darsteller in ihren Kostümen, die ihrer
                                                Rolle entsprechen, wohlfühlen. Natürlich gibt es Eitelkeiten mit dem eigenen
                                                Körper und diese sollten auch berücksichtigt werden. Es ist wichtig, sich in
                                                den Darsteller und seine Rolle einzufühlen. Um ein optimales Ergebnis zu
                                                erzielen, muss man auf die Bedürfnisse und Wünsche reagieren und sich
                                                nicht einfach über Kritiken hinwegsetzen. Man muss einen Weg finden und
                                                manchmal auch Kompromisse eingehen.

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Der prämierte Kurzfilm Das Rauschen des Meeres der beiden Regisseure Ana Fernandes und Torsten Truscheit erzählt von einem afrikanischen
Flüchtling ohne Papiere und bekannte Identität, der in einem Abschiebegefängnis seinem scheinbar ausweglosen Schicksal entgegensieht. Erst
allmählich entsteht eine freundschaftliche Annäherung mit dem Gefängniswärter. Beide verbindet trotz ihrer verschiedenen Welten ein ähnlicher
Schicksalsschlag: der Verlust eines geliebten Menschen. Die jeweiligen Charaktere der Darsteller wurden dabei durch das homogene Kostümbild
von Birgit Utz unterstrichen.
www.niama-film.com

Auf den Leib geschneidert                                                                                                                39
„Das Kostümbild ist ein Teil einer gesamten
          Geschichte, die in Szene gesetzt wird und kann
                 nicht isoliert betrachtet werden.“
FCU                    Bestimmt musst Du auch Kompromisse mit den anderen am Projekt beteiligten Disziplinen
                       eingehen. Welche Rolle spielt das Kostümbild in der Gesamtinszenierung?

                       BU                      Das Kostümbild ist ein Teil einer gesamten Geschichte, die in Szene gesetzt
                                               wird und kann nicht isoliert betrachtet werden. Man muss auf die Vorstellun-
                                               gen des Regisseurs eingehen, mit dem Szenenbildner die Farben der Räume
                                               in Bezug auf die Kostüme abstimmen und den Look – damit meine ich die
                                               Lichtkonzepte – berücksichtigen, um eine Einheit zu bilden. Die Darsteller
                                               müssen integriert und deren Vorstellungen von der Rolle einbezogen wer-
                                               den. Man sollte das Gesamtkunstwerk dabei nie aus den Augen verlieren!

FCU                    Viele sagen, ein Kostümbild sei am besten, wenn es „unsichtbar“ ist. Stimmt das? Wann ist ein
                       Kostümbild Deiner Meinung nach besonders gelungen?

                       BU                      Kostüme sind, wenn hervorragend konzipiert und gemacht, genauso wie
                                               die Kulisse oder das Bühnenbild ein Teil dessen, was ein Stück erst voll-
                                               kommen macht. Das visuelle Volumen sollte genau der Gesamtgestaltung
                                               entsprechen, um es zu verstärken und nicht zu überdecken. Dabei muss ein
                                               Kostüm zur Szene und zu seinem Umfeld passen sowie den Ausdruck der
                                               Charakterrolle unterstützen. Es sollte eine Symbiose eingehen, perfektionie-
                                               ren und gleichzeitig stimmig sein. Ein gutes Kostümbild ist besonders gelun-
                                               gen, wenn der Zuschauer nicht gezwungen ist, ständig darauf zu achten. Er
                                               sieht es vielmehr in der Gestaltung eines ganzen Films oder Theaterstücks.

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Inspiriert durch Darren Aronofskys Psychothriller „Black Swan“, gestaltete Birgit Utz zusammen mit dem Fotografen Thomas Kettner 2011 das
Lookbook der Modedesignerin Sabine Mescher. Entstanden ist das Projekt WhiteVintage BlackFashion – eine Symbiose aus Stücken der aktu-
ellen Kollektion (überwiegend in Schwarz) und Vintage-Elementen (überwiegend in Weiß), die von Birgit Utz ausgesucht und kombiniert wurden.
www.sabine-mescher.de, www.thomaskettner.com

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FCU                      Du bist Kostümbildnerin, Stylistin und Art-Direktorin. Du arbeitest mit Kunden aus der Film­
                         industrie genauso zusammen wie aus der Werbung und der Modewelt. Welche Gemeinsamkei-
                         ten lassen sich in den verschiedenen Branchen feststellen und welche Unterschiede?

                         BU                       Bei den verschiedenen Kundengruppen aus Filmindustrie, Mode- und Wer-
                                                  bewelt sowie der Fotografie geht es immer nur um eins: Das Gesamtkunst-
                                                  werk steht im Mittelpunkt und alles muss darauf abgestimmt sein. Der große
                                                  Unterschied liegt eher in der Freiheit, die einem der jeweilige Kunde lässt.
                                                  Je nach Auftrag ist der Spielraum somit mehr oder weniger begrenzt. Als
                                                  Kostümdesignerin entwickle ich ein Kostümbild für eine Inszenierung in
                                                  Abstimmung mit dem Regisseur, Szenenbildner und Dramaturgen, basierend
                                                  auf einem Skript oder einer Idee. Als Stylist komme ich aus der Werbung
                                                  sowie Mode und entwickle die Ideen in Zusammenarbeit mit Fotografen und
                                                  Agenturen. Für eine Werbekampagne kommt hinzu, in welcher Beziehung
                                                  die Kleidung zum Produkt steht. Dabei ist es wichtig, ob die Betrachter in
                                                  eine ganz bestimmte Richtung gelenkt werden und welche Assoziationen
                                                  entstehen sollen.

FCU                      Vielen Dank für das Gespräch!

                                    Short View
Mode- oder Werbezirkus? Beides Instrumente der Selbstinszenierung mit dem
Mensch als Hauptakteur.     Vor oder hinter den Kulissen? Vorne funktioniert, was
hinten gut einstudiert ist.  Film, Fotografie oder Theater? Joe Wrights Inszenie-
rung von Tolstois „Anna Karenina“ hat alles zu bieten.   Prêt-à-porter oder Haute
Couture? Ein kommerzielles Massentreiben und eine vom Aussterben bedrohte
Kunstform.     En vogue oder Vintage? Schwarz oder Weiß.

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Der von Birgit Utz kreierte Arbeitstitel für die Bildstrecke im Auto.Kultur.Magazin „ramp“ lautete: „The Good, The Bad and The Girl“. Die Redaktion
gab der Arbeit, die 2012 zusammen mit Bernd Kammerer entstand, den Namen Tougher than the rest!. Was allerdings nichts am James-Bond-Flair
einbüßte, das sowohl im Szenen- als auch im Kostümbild zu spüren sein sollte. Die Hauptdarsteller waren jedoch nicht die Schauspieler, sondern
vielmehr die Automobile von McLaren und die Mode von BOSS.
www.ramp-magazin.de, www.berndkammerer.com

Auf den Leib geschneidert                                                                                                                       41
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