"Sparkassen"-Namensschutz und Verkauf der Berliner Sparkasse
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Axel Troost (MdB, finanzpolitischer Sprecher DIE LINKE) 23.07.2006 Martin Mathes1 (wissenschaftlicher Mitarbeiter) „Sparkassen“-Namensschutz und Verkauf der Berliner Sparkasse - Aktuelle Privatisierungs-Tendenzen im Sparkassensektor Öffentlich-rechtliche Sparkassen gelten den privaten Großbanken schon länger als Hindernis für weitere Profitsteigerungen. Die jüngsten Entwicklungen im Sparkassen-Bereich bringen die Pri- vatbanken ihrem Ziel näher, Sparkassen aufkaufen zu können und damit im Endeffekt vom Markt verschwinden zu lassen: Im EU-Vertragsverletzungsverfahren um den „Sparkassen“- Namensschutz droht ein Kompromiss zwischen Bundesregierung und EU-Kommission, der eine politische Hürde für Privatisierungen beseitigt. Die EU-Kommission fordert, dass auch privati- sierte Sparkassen sich „Sparkasse“ nennen dürfen, sofern sie zu gemeinwohlorientierte Aufgaben verpflichtet sind. Die Bundesregierung setzt dieser Forderung wenig entgegen und verteidigt den Namensschutz nur halbherzig. Beim bevorstehenden Verkauf der Berliner Sparkasse will das Land Berlin das Kommissions- Modell „Sparkasse = privater Eigentümer + Gemeinwohlverpflichtung“ umsetzen. Die Privati- sierung der Berliner Sparkasse wäre damit nicht nur ein Tabubruch im Sparkassensektor. Das neue Sparkassengesetz des Landes Berlin, in dem die Verpflichtungen für die privatisierte Berli- ner Sparkasse festgeschrieben sind, zeigt auch: Eine formale Gemeinwohlverpflichtung allein wird die Geschäftspolitik privatisierter Sparkassen kaum beeinflussen. 1) EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen „Sparkassen“-Namensschutz Nur öffentlich-rechtliche Kreditinstitute dürfen sich „Sparkasse“ nennen – das ist der simple In- halt des umstrittenen § 40 des Kreditwesengesetzes (KWG). Juristisch betrachtet ist er also nicht mehr als ein Schutz der Bezeichnung „Sparkasse“ und schafft so Markttransparenz, nach dem Motto „Nur wo Sparkasse draufsteht, ist Sparkasse drin“. Politisch betrachtet ist § 40 KWG eine Hürde für Privatisierungen: Eine Sparkasse darf sich nach einem Verkauf an einen Privaten nicht mehr „Sparkasse“ nennen. Daher wäre eine Privatisierung für alle BürgerInnen eindeutig erkennbar – an „ihrer“ Sparkasse stünde dann z.B. Deutsche Bank. Gegen eine solche offene Privatisierung ist eher Widerstand der BürgerInnen und WählerInnen zu erwarten, zumal Spar- kassen im Gegensatz zu privaten Großbanken ein relativ gutes Image haben. Daher werden Poli- tikerInnen vor Sparkassen-Privatisierungen zurückschrecken, selbst wenn die Sparkassen- Gesetze der Länder dies erlauben würden.2 1 axel.troost.ma02@bundestag.de, 030/227-71283, -71286 2 In den Landes-Sparkassengesetzen sind die zulässigen Sparkassen-Eigentumsformen geregelt. Bisher lassen sie in der Regel keine Privatisierungen zu, Diskussionen deuten jedoch auf eine Aufweichung hin. In Hessen bzw. Thü- ringen liegt ein Kabinettsentwurf für ein neues Landes-Sparkassengesetz vor. Darin ist u.a. vorgesehen, den Spar- kassen die Bildung von handelbarem Stammkapital zu ermöglichen, wobei die Handelbarkeit auf öffentliche Un- ternehmen und Institutionen beschränkt werden soll. U.a. die Gewerkschaft Verdi befürchtet, dass diese Be- schränkung – nach entsprechenden Klagen Privater – für unzulässig erklärt und dann eine Privatisierung möglich wird. Für September hat Verdi eine Aktionswoche gegen das Hessische Sparkassengesetz angekündigt.
Nach Auffassung der EU-Kommission verstößt § 40 KWG gegen die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit. Private Investoren könnten das gute Image und damit den Wert des Na- mens „Sparkasse“ nicht nutzen und würden so davon abgehalten, Sparkassen zu erwerben. Ende Juni hat die Kommission ein bislang ruhendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wieder aufgenommen und die Bundesregierung aufgefordert, § 40 KWG zu ändern. Anderenfalls droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Kommission fordert, dass privatisierte Sparkassen weiter „Sparkasse“ heißen dürfen, sofern sie zu gemeinwohlorientierten Aufgaben verpflichtet werden. Was ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut ist, wird anhand der Auflagen für den Geschäftsbetrieb definiert und nicht anhand der Eigentumsform – das ist der Kerngedan- ke der Kommissions-Position. Das Problem dabei: In der Realität werden formale Gemeinwohl- Verpflichtungen allein nicht sicherstellen, dass eine privatisierte Sparkasse tatsächlich eine ge- meinwohlorientierte Geschäftspolitik verfolgt. Das zeigt das Beispiel der Berliner Sparkasse in Abschnitt 2. Trotz formaler Gemeinwohl-Auflagen wird sich diese privatisierte Sparkasse wie ein gewinnmaximierendes Kreditinstitut verhalten. Setzt sich die Kommission also durch, fällt die politische Privatisierungs-Hürde § 40 KWG in der jetzigen Form. Sparkassen können – wenn Landes-Sparkassengesetze das zulassen – relativ unauffällig privatisiert und an Großbanken oder Finanzinvestoren verkauft werden. An der Spar- kassenfiliale steht dann zwar noch das Schild „Sparkasse“, tatsächlich aber gehört die Filiale z.B. der Deutschen Bank und verfolgt eine entsprechende Gewinnmaximierungs-Strategie – trotz formalem Gemeinwohl-Auftrag. Die Bundesregierung muss bis Ende August auf die Forderung der Kommission reagieren. Da- nach entscheidet die Kommission, ob sie den Europäischen Gerichtshof anruft. Um vorab einen Kompromiss zu finden und ein juristisches Verfahren abzuwenden, verhandeln Bundesregierung und EU-Kommission in den nächsten Wochen. Die Position der Bundesregierung ist wider- sprüchlich. Einerseits verteidigt sie in öffentlichen Äußerungen § 40 KWG gegen die EU- Kommission. Sie argumentiert, dass das KWG mit EU-Recht vereinbar sei und es keinen Ände- rungsbedarf gebe (vgl. z.B. Bundestags-Drucksache 16/1238, S. 2). Andererseits hat sie der EU- Kommission zwei Kompromisse angeboten, die beide eine Aufweichung des Namensschutzes bedeuten könnten. Den jüngsten Kompromissvorschlag musste die Bundesregierung auf Druck der Bundesländer modifizieren, so dass er – würde er 1:1 gegenüber Brüssel durchgesetzt – eine Aufweichung des Namensschutzes weniger wahrscheinlich macht. Die aktuelle Position Deutschlands lautet (vgl. Tagesspiegel 22.7.2006 und Handelsblatt-online 21.7.2006): • Nach einer Sparkassen-Privatisierung darf die Bezeichnung „Sparkasse“ weiter genutzt werden, wenn der privaten Sparkasse eine „am Gemeinwohl orientierte Aufgabenstellung“ und eine gemeinnützige Verwendung der Gewinne auferlegt wird. Die Auflage zur gemein- nützigen Überschuss-Verwendung ist eine bedeutende Verschärfung: Wird sie unverwässert umgesetzt, wird eine Sparkasse für einen privaten Besitzer keine Gewinne abwerfen, und private Investoren werden kaum Interesse am Erwerb einer Sparkasse haben – obwohl sie das Recht hätten, eine Sparkasse zu erwerben und unter dem Namen „Sparkasse“ zu betreiben. Faktisch sichert diese Auflage also, dass die politische Privatisierungs-Hürde des Namens- schutzes bestehen bleibt. • Für den bevorstehenden Verkauf der Berliner Sparkasse gilt die Pflicht zur gemeinnützigen Gewinnverwendung nicht. Der Hintergrund: Das Land Berlin muss aufgrund einer anderen EU-Entscheidung die Bankgesellschaft Berlin (BGB) bis Ende 2007 verkaufen, Teil der 2
BGB ist die Berliner Sparkasse. Dieser Verkauf muss „diskriminierungsfrei“ ablaufen, priva- te Käufer dürfen nicht benachteiligt werden. Unter diesen Bedingungen hatte die EU finan- zielle Beihilfen des Landes Berlin an die BGB in den Jahren 2002/03 genehmigt, die einen Zusammenbruch der BGB in Folge des Berliner Bankenskandals abwenden sollten. Das Land Berlin hat in seinem neuen Landes-Sparkassengesetz folgende Form der Umsetzung dieser EU-Auflage beschlossen: Es lässt Private als Sparkassen-Träger zu und ermöglicht damit einen Verkauf der BGB inklusive Sparkasse auch an Private. Zusätzlich erlaubt es, dass sich eine privatisierte Sparkasse weiterhin „Sparkasse“ nennen darf. Auflage hierfür ist nur eine gemeinwohlorientierte Geschäftspolitik, nicht aber die gemeinnützige Gewinnver- wendung. Damit kollidiert die Privatisierungs-Strategie des Berliner Senats sowohl mit § 40 KWG, als auch mit der allgemeinen Regelung des aktuellen Kompromissvorschlages. Die vorgesehene Sonderregelung soll die Berliner Strategie juristisch wasserdicht und vereinbar mit dem Kompromissvorschlag machen. Berlin diese Sonderregelung zuzugestehen ist aber sachlich nicht notwendig3 und für den Sparkassensektor als Ganzes gefährlich: Es wird ein Präzedenzfall geschaffen, dessen Regelungen über eine politische und/oder juristische Ar- gumentation auch in anderen Fällen eingefordert werden wird. Damit droht eine allgemeine Aufweichung der bedeutenden Auflage einer gemeinnützigen Gewinnverwendung. Das weitere Verfahren und mögliche Ergebnisse: Es zeichnet sich ab, dass in den Verhand- lungen zwischen Bundesregierung und EU-Kommission in den nächsten Wochen die Frage der Gewinnverwendung ein zentraler Konfliktpunkt werden wird (vgl. Financial Times 21.7.2006). Damit droht in den Verhandlungen eine Aufweichung des aktuellen deutschen Vorschlages an zentraler Stelle. Ob die Bundesregierung in dieser Frage konsequent verhandelt, ist fraglich – schließlich hatten die Länder die harten Regelungen zur gemeinnützigen Gewinnverwendung gegen den Willen der Bundesregierung im aktuellen Vorschlag festgeschrieben.4 Es droht also ein „Kompromiss“ zwischen EU-Kommission und Bundesregierung, der weitgehend die Positi- on der EU-Kommission übernimmt und der die entscheidende Auflage für die Verwendung des Namens „Sparkasse“ im deutschen Vorschlag verwässert. Ohne klare Regeln zur gemeinnützi- gen Gewinnverwendung aber fällt faktisch die politische Privatisierungshürde „Namensschutz“. Sollte es – z.B. aufgrund von Druck seitens der Länder und der Öffentlichkeit – zu keiner Ver- handlungslösung kommen und die EU-Kommission den Europäischen Gerichtshof anrufen, wäre der Ausgang des Verfahrens ungewiss. Das juristische Argument gegen die Kommission ist: § 3 Erst die im Berliner Sparkassengesetz gewählte Form des Verkaufs führt zu dieser Kollision, weil das Gesetz ei- nem privaten Käufer die Verwendung des Namens „Sparkasse“ erlaubt. Aus der ursprünglichen Beihilfe- Verpflichtung zum diskriminierungsfreien BGB-Verkauf ergibt sich diese Kollision nicht. Ein Privater könnte die BGB inklusive Sparkasse diskriminierungsfrei kaufen und als privates Kreditinstitut betreiben – dieses dürfte er nur nicht „Sparkasse“ nennen. Dies bestätigt auch die Bundesregierung in ihrer Antwort auf schriftliche Fragen von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE. Wenn solche Sachzwänge konstruiert werden, hat dies schlicht ökonomische Gründe: „Berlins Finanzsenator Thi- lo Sarrazin hatte Brüssel in den vergangenen Wochen ausdrücklich aufgefordert, das EU- Vertragsverletzungsverfahren gegen Paragraph 40 KWG voranzutreiben. Sarrazin drängt darauf, dass private Käu- fer den Begriff ‚Berliner Sparkasse’ nutzen dürfen. So erhöht sich die Kaufsumme erheblich“ (Handelsblatt 23.3.2006). 4 Dass eine Bundesregierung sich medienöffentlich als Verteidiger des Sparkassensektors darstellt, aber in Verhand- lungen mit der EU-Kommission eine andere Strategie verfolgt, wäre nichts neues: In der Auseinandersetzung mit der EU-Kommission über Staatsgarantien für öffentliche Kreditinstitute hat die (damals rot-grüne) Bundesregie- rung die Verhandlungen mit der EU vom Finanzstaatssekretär Cajo Koch-Weser führen lassen – der bereits da- mals für seine Nähe zu den Privatbanken bekannt war und dessen Arbeitgeber heute die Deutschen Bank ist (vgl. Financial Times 27.6.2006). 3
40 KWG stellt juristisch lediglich einen Schutz der Bezeichnung „Sparkasse“ dar, ähnlich wie das KWG auch den Begriff „Bank“ schützt – nur Unternehmen, die bestimmte Anforderungen erfüllen, dürfen sich „Bank“ nennen. Damit wird deutlich, dass das KWG darauf abzielt, im sen- siblen Bereich der Finanzdienstleistungen Verbraucher zu schützen und Markttransparenz herzu- stellen. Der Bezeichnungsschutz schränkt in keiner Weise die Handlungsmöglichkeiten privater Wirtschaftsakteure ein. Private Akteure können trotz § 40 KWG ein Kreditinstitut betreiben und sämtliche Finanzdienstleistungen anbieten, die eine Sparkasse anbietet – nur dürfen sie dies nicht unter der Bezeichnung „Sparkasse“ tun. Ob sich der Europäische Gerichtshof dieser Argumentation anschließt, ist nicht klar. Für den Fall, dass er die Rechtsauffassung der EU-Kommission teilt und mit § 40 KWG eine Privatisie- rungs-Hürde fällt, könnten andere Regelungen auf Bundesebene Privatisierungen von Sparkas- sen verhindern. Eine Möglichkeit: Ein Sparkassen-Rahmengesetz, das den Ländern zulässige Sparkassen-Eigentumsformen vorgibt. Die Umsetzungmöglichkeiten hierfür werden derzeit in unserem Auftrag geprüft. • Die Bundesregierung muss sich nachdrücklich für den Namensschutz einsetzen und ihn gegen die EU-Kommission verteidigen. Bisher ist sie dabei halbherzig vorgegangen – erst auf Druck der Bundesländer hat sie eine Verhandlungsposition formuliert, die den Namensschutz faktisch sichern könnte. • Ist der aktuelle Kompromissvorschlag wirklich ernst gemeint, muss er gerade auch für Berlin angewendet werden, statt einen Präzedenzfall für die Aufweichung der gemein- nützigen Gewinnverwendung zu schaffen. • Eine konsequente Haltung der Bundesregierung braucht öffentlichen Druck. Erste Ak- tivitäten kommen von der Gewerkschaft Verdi, die in den kommenden zwei Wochen eine bundesweite Unterschriftenaktion unter SparkassenmitarbeiterInnnen für den Er- halt des Sparkassen-Namensschutzes in der bestehenden Form durchführt. • Ohne öffentlichen Druck droht ein fauler Kompromiss zwischen EU-Kommission und Bundesregierung, nach dem sich ein privates Kreditinstitut unter der Auflage einer gemeinwohlorientierten Aufgabenstellung „Sparkasse“ nennen darf. Die entscheidende Auflage einer gemeinnützigen Gewinnverwendung wird aufgeweicht werden. Faktisch bedeutet dies den Fall der politischen Privatisierungshürde § 40 KWG. „Verdeckte“ Sparkassen-Privatisierungen werden möglich, wo Sparkassen-Landesgesetze dies zulas- sen. 2) Verkauf der Bankgesellschaft Berlin – erste Sparkasse in der Hand von Privatbanken? Im Land Berlin steht vor dem Hintergrund der o.a. EU-Beihilfeentscheidung der Verkauf der Bankgesellschaft Berlin (BGB) und der Berliner Sparkasse bevor. Das Land Berlin hat zur Um- setzung der EU-Beihilfeentscheidung eine Strategie gewählt, die sich im neuen Berliner Landes- sparkassengesetz ausdrückt, das im Juni 2005 vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde. For- muliert hat das Gesetz – im Auftrag des rot-roten Berliner Senats – die Kanzlei „Freshfields Bruckhaus Deringer“, die nach Angaben der Fernsehsendung „Report“ vom 20.3.2006 mit dem 4
Interessenverband der Privatbanken über Berateraufträge eng verbunden ist.5 Das Gesetz lässt auch kommerzielle Private als Sparkassen-Träger zu und ermöglicht damit einen Verkauf der BGB inklusive Sparkasse auch an Private. Zu den Kaufinteressenten zählen private Investoren und der (öffentlich-rechtliche) Deutsche Sparkassen- und Giroverband. Es wäre das erste Mal, dass eine Sparkasse an einen Privaten verkauft würde. Gerade deswegen ist das Interesse von Privatbanken und Finanzinvestoren groß, „die damit nicht nur Zugang zum Berliner Markt be- kämen, sondern auch den öffentlich-rechtlichen Sektor knacken könnten“, so die Financial Ti- mes (07.07.2006). Als Kaufpreis für die BGB inklusive Sparkasse werden Beträge zwischen vier und fünf Mrd. € gehandelt. Beim bevorstehenden Verkauf will das Land das Kommissions-Modell „Sparkasse = privater Eigentümer + Gemeinwohlverpflichtung“ umsetzen. Ein Blick in das Berliner Sparkassengesetz zeigt, wie sich die Gemeinwohlorientierung der Berliner Sparkasse in privater Trägerschaft konkretisiert: Nach § 2 Abs. 1 obliegt der Sparkasse „die Förderung des Sparens und die Befrie- digung des örtlichen Kreditbedarfs, insbesondere des Mittelstandes und der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise“. Zudem formuliert § 4, dass die Gewinnerzielung „nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebes“ ist. Gemäß § 1 Abs. 2 ist der Geschäftsbereich „auf das Land Berlin auszurichten“. Weitere Vorgaben für eine Gemeinwohlorientierung finden sich nicht. Auch die wesentlichen Entscheidungskompetenzen weist das Sparkassengesetz ausschließ- lich dem Sparkassen-Träger zu: • Die Sparkasse wird vom Vorstand der Sparkasse geleitet, der „aus sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes oder der Geschäftsführung des Trägers“ besteht (§ 6 Abs. 2). Im Klartext: Der Vorstand bzw. die Geschäftsführung des privaten kommerziellen Trägers ist gleichzeitig Sparkassen-Vorstand und soll als solcher eine gemeinwohlorientierte Geschäftspolitik betreiben – faktisch ist der Sparkassen-Vorstand also eine Alibi-Institution. Auf die Zusam- mensetzung des Vorstandes des Trägers hat der Senat keine Einflussmöglichkeit, also auch nicht auf die Zusammensetzung des Sparkassenvorstandes. • Der Senat kann dem Träger bei gravierenden Verstößen gegen das Sparkassengesetz die Sparkasse entziehen (§ 8 Abs. 1). Mit dieser Drohung soll sichergestellt werden, dass sich die Sparkasse an die Gemeinwohl-Vorschriften hält. Das Problem: Der Senat muss dem Träger einen solchen Verstoß nachweisen – also belegen, dass z.B. die Gewinnerzielung und nicht die Befriedigung des Kreditbedarfs Hauptzweck des Geschäftsbetriebes war. Im Sparkassen- gesetz findet sich aber keine Regelung, die dem Senat Zugang zu internen Kalkulationen der Sparkasse ermöglicht. Damit ist unklar, wie ein solcher Verstoß praktisch nachgewiesen werden könnte. Die Gemeinwohlorientierung einer privatisierten Berliner Sparkasse drückt sich also in abstrak- ten gesetzlichen Auflagen aus, deren Einhaltung praktisch kaum überprüfbar ist. Eine wirkungs- volle Möglichkeit der öffentlichen Einflussnahme, z.B. über die Besetzung des Vorstandes, gibt es nicht. Ein privater kommerzieller Sparkassen-Träger kann sein Interesse an einer Gewinnma- ximierung nahezu uneingeschränkt umsetzen. Die Geschäftspolitik einer solchen Sparkasse nach dem Modell „Sparkasse = privater kommerzieller Träger + Auflagen zur Gemeinwohlorientie- 5 Nicht zuletzt diese Tatsache lässt Zweifel aufkommen, ob mit dem Sparkassengesetz alle Möglichkeiten genutzt wurden, eine Privatisierung der Berliner Sparkasse zu verhindern. Grundsätzlich wäre z.B. denkbar gewesen, die Sparkasse vor einem BGB-Verkauf aus der BGB auszugliedern oder Regeln im Sparkassengesetz vorzusehen, die den öffentlichen Einfluss auf die Sparkasse vergrößern und damit die Attraktivität der Sparkasse für einen priva- ten Käufer reduzieren. Strittig ist, ob das mit der EU-Beihilfeentscheidung vereinbar gewesen wäre. 5
rung“ wird sich nicht von der einer privaten Geschäftsbank unterscheiden. Das sehen auch po- tenzielle Käufer der BGB und der Berliner Sparkasse so: Welches kommerzielle Unternehmen würde vier bis fünf Mrd. € investieren, wenn es befürchten müsste, bei der Gewinnmaximierung ernsthaft eingeschränkt zu werden? Wegen der besonderen Eigenschaften von Finanzdienstleistungen lassen sich einige gemein- wohlorientierte Aufgaben eines Kreditinstituts kaum in konkreten und nachprüfbaren Auflagen ausdrücken – selbst wenn der politische Wille dazu vorhanden wäre. Es ergibt z.B. wenig Sinn einem Kreditinstitut vorzuschreiben, dass es Kredite im Gesamtvolumen von x Mrd. € pro Jahr zu festgelegten Konditionen an regionale Unternehmen vergeben muss. In der Praxis hängen die Kreditkonditionen von den Eigenschaften eines konkreten Kreditnehmers ab und sind somit von Fall zu Fall verschieden. Auch das gesellschaftlich sinnvolle Kredit-Gesamtvolumen ist situati- onsabhängig und wird u.a. durch die ökonomische Gesamtsituation und durch die Eigenschaften der zu finanzierenden Investitionen bestimmt. Unabhängig von diesen grundsätzlichen Problemen könnte – bei entsprechendem politischen Willen – die Gemeinwohlorientierung der Berliner Sparkasse aber vergrößert werden. Konkret wären z.B. Auflagen über eine Mindest-Geschäftsstellenzahl, über ein „Girokonto für alle“, über besondere Offenlegungspflichten der Bücher gegenüber dem Senat oder über einen Bestandsschutz für die Beschäftigten möglich. Diese Auflagen könnten auf dem Wege einer Ge- setzesänderung oder alternativ im Vertrag mit dem BGB-Käufer festgeschrieben werden. Je aus- geprägter die Gemeinwohlorientierung ist, desto niedriger wird aber der zu erzielende BGB- Kaufpreis sein – Zeitschiene: Verkauf der Bankgesellschaft Berlin (BGB) schließlich werden private Träger bei Für die Vertragsverhandlungen zum BGB-Verkauf ist der folgende Zeit- plan zu erwarten: Im Herbst 2006 veröffentlicht der Senat einen Aufruf zur der Gewinnmaxi- Interessenbekundung. Registrierte Interessenten bekommen dann ein mierung stärker Informations-Memorandum, in dem ausführliche Angaben zur BGB und eingeschränkt. Da- deren wirtschaftlicher Situation enthalten sind. Die Interessenten haben zwei Monate Zeit, dieses Memorandum zu prüfen und ein erstes Gebot her müsste eine abzugeben. Aus den eingehenden Geboten wählt der Senat einige aus, größere Gemein- um mit den Bietern in konkrete Vertragsverhandlungen zu treten. Diese Verhandlungen werden für den Frühsommer 2007 erwartet. Die Verhand- wohlorientierung lungen führt der Senat, der Vertragsabschluss muss aber vom Abgeord- gegen Berlins Fi- netenhaus bestätigt werden. Dabei fordert die EU-Beihilfeauflage nicht, nanzsenator Sarra- dass die BGB automatisch an den Höchstbietenden verkauft werden muss. Vielmehr kann eine Abwägung zwischen Bietpreis und spezifi- zin durchgesetzt schen Vertragsvereinbarungen stattfinden. werden, der offen- bar ausschließlich einen möglichst hohen Verkaufspreis anstrebt. Gleichzeitig wird mit fallendem Kauf-preis wahrscheinlicher, dass nicht eine Privatbank oder ein Finanzinvestor die BGB kauft, sondern dass ein Bieter aus dem öffentlich-rechtlichen Spektrum den Zuschlag bekommen könnte, konkret der Deutsche Sparkassen- und Giroverband. In diesem Fall hätte die Berliner Sparkasse einen öffentlich-rechtlichen Träger, könnte sich gemäß § 40 KWG weiter „Sparkasse“ nennen und ein Aufbrechen des Sparkassen-Sektors durch Privatban- ken oder Finanzinvestoren würde vermieden.6 6 Selbstverständlich können auch öffentlich-rechtliche Käufer ein Gewinnerzielungsinteresse verfolgen. Im konkre- ten Fall wird der Deutsche Sparkassen- und Giroverband kein allzu ausgeprägtes Interesse daran haben, dass „sei- ne“ Berliner Sparkasse eine aktive Strukturpolitik in Berlin betreibt. Daher ist auch in diesem Fall wichtig, kon- krete Regelungen für ein hohes Maß an Gemeinwohlorientierung festzuschreiben. Im Allgemeinen gilt für Spar- kassen, dass der öffentlich-rechtliche Träger in der Regel die Gebietskörperschaft ist und daher die Einflussmög- 6
• Berlin ist einerseits ein Sonderfall, weil hier eine Verpflichtung zum diskriminierungs- freien Verkauf aufgrund einer EU-Beihilfeentscheidung vorliegt. Andererseits hat Ber- lin Modellcharakter und zeigt: Das Modell „Sparkasse = privater kommerzieller Trä- ger + Gemeinwohlverpflichtung“ führt zu einer Sparkassen-Geschäftspolitik, die sich faktisch kaum von der kommerzieller Banken unterscheidet. • Der Namensschutz in § 40 KWG verhindert gegenwärtig ein solches Modell. Die Spar- kasse dürfte sich nicht „Sparkasse“ nennen. Setzt sich die EU im Vertragsverletzungs- verfahren durch, wird in genau diesem Fall der Name „Sparkasse“ zugelassen – schließlich handelt es sich um eine private Sparkasse mit formal „am Gemeinwohl ori- entierter Aufgabenstellung“. Länder, die „verdeckte“ Sparkassen-Privatisierungen er- möglichen wollen, könnten dann ihre Sparkassengesetze nach dem Berliner Modell än- dern. Und damit faktisch Sparkassen abschaffen. • Wegen des Modellcharakters ist es besonders wichtig, über öffentlichen Druck bei der Berliner Sparkasse ein möglichst hohes Maß an Gemeinwohlorientierung durchzuset- zen. Gleichzeitig wird damit wahrscheinlicher, dass nicht ein privater Investor, sondern der Sparkassen- und Giroverband die BGB kauft und damit ein Aufbrechen des öffent- lich-rechtlichen Bankensektors verhindert wird. lichkeiten der Öffentlichkeit auf die Geschäftspolitik der Sparkassen größer ist als bei anderen Kreditinstituten. Die Möglichkeit eines solchen Einflusses ist notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für eine ge- meinwohlorientierte Geschäftspolitik der jeweiligen Sparkasse. 7
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