9Ausgabe - Einstellungen zum Thema Klimawandel und Energie in Europa: Ergebnisse der 8. Runde des European Social Survey

Die Seite wird erstellt Niclas Pfeiffer
 
WEITER LESEN
Einstellungen zum Thema
Klimawandel und Energie
               in Europa:
     Ergebnisse der 8. Runde des
         European Social Survey

                 9
                    Ausgabe
   ESS Topline
 Results Series
2 Einstellungen zum Thema Klimawandel und Energie in Europa

    In dieser Auflage unserer Topline                aktuellen Daten zur öffentlichen Meinung
    Results Series werden zum ersten                 bezüglich Klimawandel und dem eng
    Mal Einstellungen zu Klimawandel                 verwandten Thema Energiequellen die
    und Energie untersucht. Das Modul                politische Debatte in diesem Bereich
    wurde aufgrund seiner zunehmenden                beeinflussen werden.
    Relevanz aufgenommen, welche durch
                                                     Jede Erhebungsrunde erfasst zwei
    das von 195 Mitgliedstaaten der
                                                     verschiedene Themenbereiche, um
    Klimarahmenkonvention der Vereinten
                                                     die Relevanz unserer Daten auf neue
    Nationen (UNFCCC) geschlossene
                                                     Bereiche auszuweiten; dieses neue
    Abkommen von Paris belegt wird. Im
                                                     Modul ist das ideale Beispiel dafür.
    Kontext der steigenden Temperaturen
    und dem häufigeren Auftreten extremer            Wir vom ESS möchten dem QDT für
    Witterungen in weiten Teilen Europas ist         die hervorragende Zusammenarbeit
    das Thema wohl aktueller denn je.                bei der Gestaltung des Moduls und für
                                                     das Verfassen dieser ausgezeichneten
    Der Klimawandel ist nach wie vor
                                                     Publikation danken.
    eine der grossen gesellschaftlichen
    Herausforderungen, denen nicht                   Rory Fitzgerald
    nur Europa, sondern die ganze Welt               ESS ERIC Director
    gegenübersteht. Wir hoffen, dass die             City, University of London

Über die Autoren und Autorinnen dieser Ausgabe:
•      Wouter Poortinga, Professor für Umweltpsychologie, Universität Cardiff, Vereinigtes
       Königreich
•      Stephen Fisher, Associate Professor für Politische Soziologie, Trinity College, Universität
       Oxford, Vereinigtes Königreich
•      Gisela Böhm, Professorin für Psychosoziale Wissenschaften, Universität Bergen, Norwegen
•      Linda Steg, Professorin für Umweltpsychologie, Universität Groningen, Niederlande
•      Lorraine Whitmarsh, Professorin für Umweltpsychologie, Universität Cardiff, Vereinigtes
       Königreich
•      Charles Ogunbode, Forscher, Universität Bergen, Norwegen
Ausserdem haben die folgenden Mitglieder des ESS Core Scientific Teams zum Design des
Moduls „Einstellungen zum Thema Klimawandel und Energie“ beigetragen:
•      Brita Dorer (GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften)
•      Salima Douhou, Rory Fitzgerald, Ana Villar und Lizzy Winstone (City, University of London).
•      Diana Zavala Rojas (Universitat Pompeu Fabra, Barcelona)

September 2018
Ergebnisse der 8. Runde des European Social Survey 3

Einstellungen zum Thema Klimawandel und Energie in Europa:
Ergebnisse der 8. Welle des European Social Survey
Wouter Poortinga, Stephen Fisher, Gisela Böhm, Linda Steg, Lorraine Whitmarsh, Charles Ogunbode

Einleitung                                       Herausforderungen ergreifen können,
                                                 abhängig von der öffentlichen Meinung.
Der Klimawandel birgt ernsthafte Gefahren
für natürliche, soziale und wirtschaftliche      Mit der achten Welle des European Social
Systeme und gehört derzeit zu den                Survey (ESS) ging ein neu entwickeltes
drängendsten globalen Herausforderungen.         Modul zum Thema Klimawandel und
Um eine weitere Beeinträchtigung des             Energie ins Feld. Das Modul zielt darauf
Klimas durch den Menschen zu verhindern,         ab, einen umfassenden, theoretisch
müssen die Treibhausgasemissionen in             fundierten Datensatz über Einstellungen
den kommenden Jahrzehnten deutlich               der Öffentlichkeit zu Klimawandel,
reduziert werden (IPCC, 2014).                   Energiesicherheit und Energiepräferenzen
Hierzu bedarf es einer Umstellung der            zu erstellen. Diesbezüglich wurde ein
Energieerzeugung und -nutzung und                theoretisches Rahmenkonzept verwendet,
einer Reduzierung des Energiebedarfs.            das sich weitgehend am Value-Belief-
Für eine erfolgreiche Umstellung auf eine
                                                 Norm-Modell orientiert (Stern, 2000).
kohlenstoffarme Energieversorgung in
                                                 Im vorliegenden Topline-Bericht werden
Europa sind Verhaltensänderungen, neue
                                                 die folgenden Bereiche abgedeckt:
kohlenstoffarme Energietechnologien und
                                                 (1) Ansichten zum Klimawandel, (2)
-anlagen sowie politische Massnahmen und
                                                 Bedenken zum Klimawandel und zur
Vorschriften notwendig, die nur mit breiter
                                                 Energiesicherheit, (3) persönliche Normen
öffentlicher Akzeptanz umsetzbar sind.
                                                 und Wirksamkeitsüberzeugungen,
Bei Entscheiden über die Umstellung der          (4) Energiepräferenzen und (5)
Energieversorgung zur Eindämmung des             umweltpolitische Präferenzen.
Klimawandels müssen jedoch auch andere
energiepolitische Herausforderungen              Die Feldarbeit der achten Runde des ESS
berücksichtigt werden. Angesichts der            wurde von August 2016 bis Dezember
Internationalisierung der Energiemärkte,         2017 durchgeführt. Der vollständige
steigender Energiepreise und der                 Datensatz umfasst 44’387 Befragte
anhaltenden Abhängigkeit von fossilen            aus 23 Ländern.1 Weitere Details zur
Brennstoffen gewinnt die Sicherstellung          Datenerhebung finden Sie in Ausgabe 2.0
einer verlässlichen und sicheren                 des ESS 8-Datendokumentationsberichts.2
Energieversorgung zunehmend an                   Zuverlässige länderübergreifende
Bedeutung (World Energy Council,                 Vergleiche werden durch den bewährten
2013). In ähnlichem Mass sind etwaige            Fragebogenentwicklungsprozess sowie
Massnahmen, welche die Regierungen in            qualitativ hochwertige Übersetzungen und
verschiedenen Ländern bezüglich dieser           rigide Erhebungsrichtlinien,3 gewährleistet.
4 Einstellungen zum Thema Klimawandel und Energie in Europa

Ansichten zum Klimawandel                          2011). Zunächst wurden die Teilnehmenden
                                                   gefragt, ob sich das Weltklima ihrer Ansicht
Die Fragen hatten zum Ziel, die                    nach verändert.
Vorstellungen von Menschen zum
Klimawandel, insbesondere Ansichten                Tabelle 1 zeigt den prozentualen Anteil der
zu dessen Existenz, Ursachen und                   Befragten in den einzelnen Ländern, die
Auswirkungen, abzubilden (Poortinga,               der Meinung sind, dass sich das Weltklima
Spence, Whitmarsh, Capstick, & Pidgeon,            wahrscheinlich oder eindeutig verändert.

Tabelle 1: Ansichten zu Realität, Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels
                                   DAS KLIMA             DER                   DIE
                                   ÄNDERT                KLIMAWANDEL           AUSWIRKUNGEN
                    LÄNDER-        SICH WAHR-            IST ZUMINDEST         DES
 LAND
                    KÜRZEL         SCHEINLICH            TEILWEISE VOM         KLIMAWANDELS
                                   ODER                  MENSCHEN              WERDEN
                                   EINDEUTIG (%)         VERURSACHT (%)        NEGATIV SEIN (%)
 Österreich         AT             92.5                  91.8                  74.0
 Belgien            BE             96.4                  94.0                  66.3
 Tschechische
                    CZ             88.9                  89.5                  68.0
 Republik
 Estland            EE             91.3                  88.8                  59.7
 Finnland           FI             94.0                  93.9                  67.2
 Frankreich         FR             96.3                  93.8                  73.7
 Deutschland        DE             95.4                  94.8                  77.4
 Ungarn             HU             91.4                  92.7                  77.0
 Island             IS             97.7                  94.6                  81.6
 Irland             IE             96.1                  91.1                  63.2
 Israel             IL             86.3                  85.4                  58.1
 Italien            IT             94.8                  93.6                  69.0
 Litauen            LT             88.7                  82.7                  73.7
 Niederlande        NL             96.2                  91.8                  61.6
 Norwegen           NO             92.9                  87.8                  71.9
 Polen              PL             92.6                  89.6                  70.4
 Portugal           PT             97.0                  93.6                  81.1
 Russland           RU             82.2                  83.8                  61.8
 Slowenien          SI             96.5                  93.0                  71.4
 Spanien            ES             95.8                  95.7                  87.9
 Schweden           SE             96.8                  92.4                  81.2
 Schweiz            CH             96.4                  94.4                  74.0
 Vereinigtes
                    GB             93.6                  91.0                  66.0
 Königreich
Quelle: European Social Survey Runde 8, 2016–2017. Für die Auswertung auf Länderebene wurde eine
Gewichtung nach soziodemografischen Merkmalen vorgenommen (post-stratification weights).
Ergebnisse der 8. Runde des European Social Survey 5

Während in den meisten Ländern mehr als         Bedenken zum Thema Klimawandel und
90 Prozent der Meinung sind, dass sich          Energiesicherheit
das Weltklima zumindest wahrscheinlich
verändert, sind es in Israel und zahlreichen    Entscheidungen über eine kohlenstoffarme
osteuropäischen Ländern weniger als             Gestaltung der Energieversorgung zur
90 Prozent – jedoch immer noch eine             Eindämmung des Klimawandels können
                                                nicht von anderen politischen Erwägungen
überwiegende Mehrheit.
                                                getrennt werden, die eine zuverlässige und
Im Folgenden wurden die Teilnehmenden           sichere Energieversorgung garantieren, die für
gefragt, ob der Klimawandel ihrer Ansicht       alle Haushalte bezahlbar ist. Die gleichzeitige
nach durch natürliche Prozesse, den             Besorgnis über Zuverlässigkeit, Sicherheit
Menschen oder beides verursacht wird.           und Bezahlbarkeit wird als Energie-Trilemma
Tabelle 1 zeigt den prozentualen Anteil         bezeichnet (World Energy Council, 2013).
der Befragten, die der Meinung sind, dass       An dieser Stelle zeigen wir die affektive
der Klimawandel zumindest teilweise auf         (emotionale) Einschätzung der Befragten zum
menschliche Aktivitäten zurückzuführen          Thema Klimawandel und Energiesicherheit,
ist. Aus fundierter wissenschaftlicher          insbesondere die Besorgnis über das
Sicht ist es äusserst wahrscheinlich, dass      Energie-Trilemma, die persönlichen Sorgen
menschliche Aktivitäten beobachtete             zum Klimawandel, die Sicherheit der
Klimaveränderungen vorantreiben                 Energieversorgung und die Bezahlbarkeit von
(IPCC, 2014) und die grosse Mehrheit            Energie auf einer Skala von «überhaupt nicht
der Befragten stimmt der Aussage zu,            besorgt» bis «äusserst besorgt».
dass menschliche Aktivitäten zumindest
teilweise eine Rolle spielen. Es gibt           Obwohl die überwiegende Mehrheit der
länderübergreifende Unterschiede, wobei         Europäer/innen der Meinung ist, dass sich
die Bevölkerungen von Israel, Norwegen          das Weltklima verändert und dies zumindest
und mehreren osteuropäischen Ländern zu         teilweise auf menschliche Aktivitäten
einem etwas geringeren Anteil der Ansicht       zurückzuführen ist, macht der Klimawandel
sind, dass der Klimawandel zumindest            den meisten Befragten verhältnismässig
teilweise durch menschliche Aktivitäten         wenig Sorgen. In den 23 teilnehmenden
                                                Ländern ist etwas mehr als ein Viertel der
verursacht wird.
                                                Befragten angesichts der Auswirkungen des
Tabelle 1 zeigt ferner den Anteil der           Klimawandels sehr oder äusserst besorgt.
Befragten in den verschiedenen Ländern,         Der geringe Grad an Sorge überrascht, da
die die Folgen des Klimawandels als             knapp zwei Drittel der Befragten der Meinung
schlecht für die Menschen weltweit              sind, dass der Klimawandel für die gesamte
einschätzen. Die Befragten konnten ihre         Menschheit schwerwiegende Auswirkungen
                                                haben wird (vgl. Tabelle 1).
Antworten mittels einer Skala von 0 bis
10 abstufen, wobei der Wert 0 «äusserst         Abbildung 1 zeigt die prozentuale Verteilung
schlecht» und der Wert 10 «äusserst gut»        der Befragten in den 23 Ländern, die
bedeutet. In den meisten Ländern gab die        sich wegen des Klimawandels, der
Mehrheit der Befragten eine Bewertung auf       Versorgungssicherheit und der Bezahlbarkeit
der linken Seite der Skala (d. h. 0–4) ab,      von Energie sehr oder äusserst besorgt
obwohl es auch hier einige Abweichungen         zeigten. Aus einem Vergleich der Antworten
zwischen den verschiedenen Ländern gibt.        aus den 23 Ländern geht hervor, dass die
6 Einstellungen zum Thema Klimawandel und Energie in Europa

Abbildung 1: Besorgnis über Klimawandel, Energiesicherheit und Bezahlbarkeit von Energie
(% sehr/äusserst besorgt)

 PT

 ES

 DE

 FR

  IS

  SI

 BE

CH

  IT

 AT

 HU

GB

  FI

NO

 NL

 CZ

 SE

  IE

  IL

 LT

 EE

 PL

 RU

       0%      10%         20%        30%        40%        50%         60%           70%     80%
                     Klimawandel     Energiesicherheit    Bezahlbarkeit von Energie

Quelle: European Social Survey Runde 8, 2016–2017. Für die Auswertung auf Länderebene wurde eine
Gewichtung nach soziodemografischen Merkmalen vorgenommen (post-stratification weights).
Ergebnisse der 8. Runde des European Social Survey 7

Bedenken vor allem die Bezahlbarkeit von          jene zur Energiesicherheit und in den meisten
Energie betreffen, 40 Prozent aller Befragten     Ländern auch grösser als jene in Bezug auf
sind sehr oder äusserst besorgt darüber.          den Klimawandel. Wie Abbildung 1 zeigt,
Die geringsten Sorgen bestehen bezüglich          ist die Besorgnis über die Bezahlbarkeit
der Energiesicherheit, diesbezüglich sind 15      von Energie besonders in Spanien (70%)
Prozent der Befragten sehr oder äusserst          und Portugal (68%) verbreitet, den beiden
besorgt. Die Bedenken um den Klimawandel          Ländern, in denen allgemein auch die grössten
liegen mit 28 Prozent der Befragten, die          Bedenken in Bezug auf den Klimawandel
grosse Besorgnis zum Ausdruck bringen, im         bestehen. Dahinter folgen Belgien (51%),
mittleren Bereich.4                               Israel (49%), Russland (47%) und Litauen
                                                  (45%), wobei die drei letztgenannten Länder
Wie zu erwarten war, fällt die Besorgnis          zu jenen mit der geringsten Besorgnis über
hinsichtlich der verschiedenen Aspekte            den Klimawandel zählen.
des Energie-Trilemmas länderübergreifend
sehr unterschiedlich aus. Die Länder              Schweden, Island, die Schweiz und Norwegen
sind nicht in gleichem Masse von den              sind die Länder, in denen die geringsten
Auswirkungen des Klimawandels betroffen           Bedenken zur Bezahlbarkeit von Energie
und stehen aufgrund ihrer unterschiedlichen       bestehen. Hier geben jeweils weniger als 15
Energieversorgungssysteme auch vor                Prozent der Befragten an, dass sie sehr oder
unterschiedlichen energiewirtschaftlichen         äusserst besorgt sind, «dass Energie für viele
Herausforderungen.                                zu teuer sein könnte» in ihrem Land. Dies sind
                                                  vier von nur acht Ländern, in denen die Sorgen
Die Besorgnis über den Klimawandel ist in
                                                  um den Klimawandel grösser sind als die
Portugal, Spanien und Deutschland besonders
                                                  Besorgnis betreffend der Bezahlbarkeit der
gross, wobei nur in Portugal über 50 Prozent
                                                  Energie. In 15 von 23 untersuchten Ländern
der Bevölkerung sehr oder äusserst besorgt
                                                  und damit einer Mehrheit Europas scheint
sind. Im Gegensatz dazu ist die Sorge um
den Klimawandel in Irland und Israel, den         die Öffentlichkeit der Bezahlbarkeit Vorrang
osteuropäischen Ländern Litauen, Estland und      vor der Eindämmung des Klimawandels
Polen sowie in der Russischen Föderation          und dieser wiederum Vorrang vor der
relativ gering; dort gaben jeweils weniger als    Energiesicherheit einzuräumen.
20 Prozent der Bevölkerung an, wegen des          Dies könnte aus der Perspektive der
Klimawandels besorgt zu sein.                     Öffentlichkeit eine Lösung des Energie-
Wie in Abbildung 1 ersichtlich ist, sind          Trilemmas darstellen, da die Ergebnisse
die meisten Befragten weniger über die            suggerieren, dass bei der Energiesicherheit
Energiesicherheit als über den Klimawandel        Risiken eingegangen werden können, um die
besorgt, wobei der Anteil der Befragten,          Klimaschutzkosten niedrig zu halten. Es gab
der diesbezüglich sehr oder äusserst              jedoch vor der Befragung keine grösseren
besorgt ist, von weniger als 1 Prozent in         Unterbrechungen der Energieversorgung, und
Island bis hin zu 30 Prozent in Russland          sowohl die Strom- als auch die Gaspreise
reicht. Neben Russland ist die Sorge um die       waren in den meisten europäischen Ländern
Energiesicherheit auch in Spanien (21%),          im Vorjahr der ESS-Feldphase gesunken.
Portugal (22%) und Israel (23%) relativ hoch.     Die Besorgnis über Bezahlbarkeit und
                                                  Versorgungssicherheit könnte sich drastisch
Die Bedenken hinsichtlich der Bezahlbarkeit       ändern, wenn die Verbraucher/innen starke
von Energie sind in allen Ländern grösser als     Preiserhöhungen und Knappheit erleben.
8 Einstellungen zum Thema Klimawandel und Energie in Europa

Persönliche Normen und                            umweltbewusstes Verhalten ist in der Literatur
Wirksamkeitsüberzeugungen                         allgemein anerkannt (Hanss & Böhm, 2010;
                                                  Meinhold & Malkus, 2005). Gemäss der
Bei der Analyse der Beziehungen                   Sozialkognitiven Lerntheorie (Bandura, 1982)
zwischen Bedenken zum Klimawandel                 müssen Personen, um ein gewünschtes
und zur Energiesicherheit einerseits und          Ergebnis zu erreichen, daran glauben, dass
Energiepräferenzen andererseits gilt es, die      sie ein Verhalten erfolgreich ausführen können
jeweiligen Zusammenhänge zwischen diesen          (Selbstwirksamkeit) und sich das gewünschte
Faktoren nachzuvollziehen (Steg & de Groot,       Ergebnis durch dieses Verhalten erreichen
2010). Nach dem Value-Belief-Norm-Modell          lässt (Ergebniserwartung).
(Stern, 2000) stehen umweltorientierte
persönliche Normen im Mittelpunkt, was            Auf der Grundlage eines kollektiven
die Verknüpfung der Bedenken über den             Handlungsmodells arbeiteten wir Fragen
Klimawandel und Energiepräferenzen betrifft.      nach den Überzeugungen hinsichtlich
Umweltorientierte Normen spiegeln wider,          individueller und kollektiver Selbstwirksamkeit
inwieweit eine Person es als persönliche          sowie zur institutionellen Wirksamkeit aus
Verpflichtung empfindet, zur Lösung eines         (Koletsou & Mancy, 2011; Lubell, 2002).
Umweltproblems beizutragen. Im Rahmen             Vorliegend werden ausschliesslich die
des Moduls wurden diese Normen anhand             Ergebnisse hinsichtlich Selbstwirksamkeit und
der Frage untersucht, ob sich die Befragten       Ergebniserwartung vorgestellt. Diese wurden
persönlich in der Verantwortung fühlen, einen     danach ermittelt, inwieweit die Befragten
Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.               sich einen geringeren Energieverbrauch
                                                  zutrauen (Selbstwirksamkeit) und inwieweit
Die Befragten konnten ihre Antwort auf            sie überzeugt davon sind, dass sie damit zur
einer 11-Punkte-Skala abstufen, wobei             Reduzierung des Klimawandels beitragen
0 für «überhaupt nicht» und 10 für «sehr          können (Ergebniserwartung).
stark» stand. Der Gesamtmittelwert der
23 teilnehmenden Länder lag bei 5,6               Beide Fragen wurden auf 11-Punkte-
(Standardabweichung=2,7) und damit nur            Skalen von 0 bis 10 beantwortet, wobei
geringfügig über dem Durchschnittswert von        bei der ersten Frage (Selbstwirksamkeit)
5.5 Dies legt nahe, dass sich die Befragten nur   0 «überhaupt nicht zuversichtlich» und 10
mässig persönlich verantwortlich fühlen, einen    «vollkommen zuversichtlich» bedeutet, und
Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.               bei der zweiten Frage (Ergebniserwartung) 0
                                                  für «überhaupt nicht wahrscheinlich» und 10
Wie aus Abbildung 2 ersichtlich, war              für «sehr wahrscheinlich» steht. Wie bei der
das Gefühl der Eigenverantwortlichkeit            Eigenverantwortung lag der Durchschnittswert
(persönliche Normen) in westeuropäischen          auch bei der Selbstwirksamkeit leicht, aber
Ländern wie Frankreich und der Schweiz (mit       nicht deutlich über dem Skalenmittelwert.
Mittelwerten nahe 7) am höchsten und in der       In den 23 teilnehmenden Ländern lag
Tschechischen Republik und der Russischen         der Gesamtmittelwert bei der Frage
Föderation am geringsten (mit einem               nach der Selbstwirksamkeit bei 5,9
Mittelwert jeweils unter 4).                      (Standardabweichung=2,6).6
Klimaschutzmassnahmen erfordern nicht             Trotz des im internationalen Vergleich
nur ein gewisses Mass an persönlicher             sehr hohen Energieverbrauchs in Europa
Verantwortung, sondern auch das Gefühl,           besteht allgemein wenig Zuversicht,
etwas bewirken zu können. Die Bedeutung           dass der persönliche Energieverbrauch
der Selbstwirksamkeitserwartung für ein
Ergebnisse der 8. Runde des European Social Survey 9

Abbildung 2: Persönliche Normen, Selbstwirksamkeit und Ergebniserwartung (Mittelwerte)

 FR

CH

 DE

  FI

 SE

  IS

NO

 AT

GB

 ES

 BE

 NL

  IE

 PT

 PL

  SI

  IT

  IL

 LT

 EE

 HU

 RU

 CZ

       0      1        2         3        4          5        6       7        8        9          10
                   Persönliche Normen         Selbstwirksamkeit   Ergebniserwartung

Quelle: European Social Survey Runde 8, 2016–2017. Für die Auswertung auf Länderebene wurde eine
Gewichtung nach soziodemografischen Merkmalen vorgenommen (post-stratification weights).
10 Einstellungen zum Thema Klimawandel und Energie in Europa

künftig reduziert werden kann. Abbildung        Abschwächung des Klimawandels beiträgt.
2 zeigt einen besonders geringen                Diese Korrelationen in Verbindung mit
Selbstwirksamkeitswert in mehreren              den mittelmässigen Werten bei den drei
osteuropäischen Ländern, wie in Ungarn,         Fragen bedeuten, dass hohe Werte in
der Tschechischen Republik und Russland.        allen drei Kategorien (persönliche Normen,
In den meisten westeuropäischen                 Selbstwirksamkeit, Ergebniserwartung) relativ
Ländern fällt der Wert höher aus und ist in     selten sind. So gaben nur 22 Prozent (23%
Frankreich, Norwegen, Schweden und Island       im EU/EFTA-Raum) der Befragten bei allen
verhältnismässig ausgeprägt.                    drei Fragen Werte zwischen 6 und 10 an.
                                                Es gibt folglich relativ wenige Menschen
Wie es scheint, wird allgemein davon            in Europa, die sowohl ein ausgeprägtes
ausgegangen, dass eine Senkung                  Gefühl der Eigenverantwortlichkeit haben
des eigenen Energieverbrauchs sehr              und gleichzeitig zuversichtlich sind, dass sie
wahrscheinlich nicht zur Abschwächung           nicht nur ihren Energieverbrauch senken
des Klimawandels beitragen würde.               können, sondern dass dies auch tatsächlich
Der Mittelwert für diese Frage nach der         zur Abschwächung des Klimawandels
Ergebniserwartung lag mit einem Wert            beiträgt. Für eine tiefgreifende und dauerhafte
von 4,3 (Standardabweichung=2,6),7 auf          Verhaltensänderung ist vermutlich eine
der linken Seite der Skala. Tatsächlich lag     allgemeinere Verbreitung diese Kombination
der Mittelwert in allen 23 teilnehmenden        aus Normen und Überzeugungen erforderlich.
Ländern unter dem Skalenmittelwert von
5 – ein Hinweis darauf, dass die Meinung        Energiepräferenzen
vorherrscht, dass eine Begrenzung des
eigenen Energieverbrauchs nur bis zu einem      Dieser Teil des Moduls umfasste Fragen
gewissen Grad zur Abschwächung des              sowohl zur Angebots- als auch zur
Klimawandels beitragen kann. Aus Abbildung      Nachfrageseite des Energiemarktes.
2 geht hervor, dass die Ergebniserwartung       Nachstehend werden die wichtigsten
in Ländern besonders gering ist, in denen       Ergebnisse zu den Präferenzen der
relativ wenige Personen denken, dass            Öffentlichkeit für verschiedene Stromquellen
der Klimawandel hauptsächlich durch             und zu energiesparenden Verhaltensweisen
menschliche Aktivitäten verursacht wird. Dazu   vorgestellt.
gehören unter anderem Estland, Slowenien,
die Tschechische Republik und Russland.         Stromversorgung
In Österreich, der Schweiz, Belgien und         Die Teilnehmer/innen wurden gefragt, wie
Litauen ist die Ergebniserwartung – wenn        viel Strom aus Kohle, Erdgas, Wasserkraft,
auch immer noch unter dem Skalenmittelwert      Kernenergie, Solarenergie und Windkraft
–vergleichsweise hoch.                          sowie Biomasse erzeugt werden soll.
Die weitere Analyse ergibt, dass                Abbildung 3 zeigt die entsprechenden
persönliche Normen, Selbstwirksamkeit und       Präferenzen in den 21 Ländern des EU/
Ergebniserwartung auf individueller Ebene       EFTA-Raums. Erneuerbare Energieträger
korrelieren,8 dies zeigt, dass Personen,        sind dabei die mit Abstand beliebteste
die eine persönliche Verantwortlichkeit         Stromquelle. Insgesamt sind rund zwei
für die Abschwächung des Klimawandels           Drittel der Befragten der Meinung, dass eine
empfinden, sich auch eine Senkung               grosse oder sehr grosse Menge des Stroms
ihres Energieverbrauchs zutrauen und            aus Wasserkraft oder Windkraft erzeugt
davon ausgehen, dass diese wirksam zur          werden sollte, und drei Viertel der Befragten
Ergebnisse der 8. Runde des European Social Survey 11

finden, dass dies für Solarenergie der Fall              stärksten ausgeprägt. Kernenergie ist in
sein sollte. Im Gegensatz dazu sind Kohle                Russland, Litauen und Ungarn relativ beliebt.
und Kernenergie ausnehmend unpopuläre                    Erneuerbare Energiequellen wie Solarenergie,
Energiequellen und nur sehr wenige Befragte              Windkraft und Biomasse werden in Russland
wünschen sich, dass daraus eine grosse oder              deutlich seltener bevorzugt, während die
sehr grosse Menge an Strom erzeugt wird.                 Wasserkraft in Finnland und Estland weniger
Die Präferenz für Erdgas liegt im Mittelfeld             Unterstützung findet. Diese Unterschiede
zwischen den Präferenzen für erneuerbare                 lassen sich unter Umständen teilweise auf die
Energien und Kohle/Kernenergie.                          bestehenden Energieversorgungssysteme
Weitere hier nicht aufgeführte Auswertungen              in den Teilnehmerländern zurückführen.
zeigen, dass sich die Präferenzen deutlich               Beispielsweise sind Kohle- und
von Land zu Land unterscheiden. So ist                   Atomkraftwerke in den osteuropäischen
beispielsweise die Präferenz sowohl für                  Ländern sehr verbreitet (IEA, 2017); für
Kohle als auch für Erdgas in Israel und                  ein tieferes Verständnis dieser und anderer
zahlreichen mittel- und osteuropäischen                  länderabhängiger Unterschiede sind jedoch
Ländern wie Russland und Polen am                        weitere Untersuchungen erforderlich.

Abbildung 3: Präferenzen für Stromversorgungsquellen in den EU/EFTA-Ländern

100%

 90%

 80%

 70%

 60%

 50%

 40%

 30%

 20%

 10%

  0%
        Solarenergie   Windkraft     Wasserkraft     Biomasse       Erdgas      Kernenergie   Kohle

              Weiss nicht/unbekannt/Antwort verweigert          Überhaupt nichts
              Kleine Menge                                      Mittelgrosse Menge
              Grosse Menge                                      Sehr grosse Menge

Quelle: European Social Survey Runde 8, 2016–2017. Für die vergleichende Analyse zwischen den
Ländern wurde eine Gewichtung nach soziodemografischen Merkmalen (post-stratification weights) und
Bevölkerungszahlen (population weights) vorgenommen.
12 Einstellungen zum Thema Klimawandel und Energie in Europa

Energiesparendes Verhalten                           Geräte nach Gebrauch abschalten, kurze
                                                     Strecken zu Fuss gehen oder Heizung und
Mit Blick auf die Nachfrageseite beinhaltete         Klimaanlage nur wenn nötig einschalten.
das Modul Indikatoren für die Bereitschaft           Auch bei den Effizienzmassnahmen
der Befragten, effizienzsteigernde                   geben viele Personen an, dass sie
(Investitionen in Technologie)                       eines der energieeffizientesten Geräte
und verbrauchseinschränkende                         kaufen würden; auf einer Skala von 0
(Verhaltensänderungen) Massnahmen                    «überhaupt nicht wahrscheinlich» bis 10
umzusetzen. Mit Blick auf                            «äusserst wahrscheinlich» beläuft sich der
Verbrauchseinschränkungen gibt                       Mittelwert in den 21 EU/EFTA-Ländern
eine grosse Mehrheit (74%) der                       hier auf 7,9 (Standardabweichung=2,2).
Gesamtbevölkerung des EU/EFTA-                       Während die Antworten je nach Land
Raums an, dass sie oft, sehr oft oder                unterschiedlich ausfallen, unterscheiden
immer Massnahmen zur Reduzierung                     sich die angegebenen energiesparenden
des Energieverbrauchs ergreift, z.B.                 Verhaltensweisen nur geringfügig.

Abbildung 4: Präferenzen für eine Erhöhung der Abgaben auf fossile Brennstoffe in den
EU/EFTA-Ländern

                                                               4.0%      7.1%

                                             17.7%

                                                                                           23.2%
   Sehr dafür
   Eher dafür
   Weder dafür noch dagegen
   Eher dagegen
   Sehr dagegen
   Weiss nicht/Antwort verweigert

                                          26.3%

                                                                                 21.8%

Quelle: European Social Survey Runde 8, 2016–2017. Für die vergleichende Analyse zwischen den
Ländern wurde eine Gewichtung nach soziodemografischen Merkmalen (post-stratification weights) und
Bevölkerungszahlen (population weights) vorgenommen.
Ergebnisse der 8. Runde des European Social Survey 13

Umweltpolitik                                        Energieeffizienz) aussprechen. Diese spiegeln
                                                     sogenannte «Push- und Pull-Massnahmen»
Um die Präferenzen der Befragten                     für eine CO2-ärmere Energieversorgung
für unterschiedliche politische                      sowie eine ordnungspolitisch bewirkte
Klimaschutzmassnahmen zu ermitteln,
                                                     Reduzierung des Energiebedarfs wider.
wurden drei Fragen gestellt, nämlich
inwieweit sich die Befragten für oder gegen          Abbildungen 4–6 zeigen, dass insbesondere
eine Erhöhung der Steuern auf fossile
                                                     die Verwendung öffentlicher Mittel zur
Energieträger (Erhöhung der Steuern auf
                                                     Förderung erneuerbarer Energien im
fossile Energieträger), eine Verwendung
öffentlicher Mittel zur Förderung erneuerbarer       gesamten EU/EFTA-Raum stark befürwortet
Energien (Subventionierung erneuerbarer              wird – rund drei Viertel der europäischen
Energien) und ein Gesetz zum Verbot                  Bevölkerung sprechen sich eher oder sehr
des Verkaufs der Haushaltsgeräte mit                 dafür und nur 10 Prozent eher oder sehr
der geringsten Energieeffizienz (Verbot              dagegen aus. Auch ordnungspolitische
der Haushaltsgeräte mit der geringsten               Massnahmen stossen auf breite Zustimmung.

Abbildung 5: Präferenzen für Verwendung öffentlicher Gelder zur Förderung erneuerbarer
Energiequellen in den EU/EFTA-Ländern

                                                                  2.9%
                                                          3.5%

                                                 6.8%

                                                                                          33.2%
                                        11.1%
   Sehr dafür
   Eher dafür
   Weder dafür noch dagegen
   Eher dagegen
   Sehr dagegen
   Weiss nicht/Antwort verweigert

                                                          42.4%

Quelle: European Social Survey Runde 8, 2016–2017. Für die vergleichende Analyse zwischen den
Ländern wurde eine Gewichtung nach soziodemografischen Merkmalen (post-stratification weights) und
Bevölkerungszahlen (population weights) vorgenommen.
14 Einstellungen zum Thema Klimawandel und Energie in Europa

Über die Hälfte der europäischen                     ist der Vorschlag in Polen und Russland.
Bevölkerung befürwortet ein gesetzliches             Auch in anderen Ländern Osteuropas sowie
Verkaufsverbot für Haushaltsgeräte mit               in einigen südeuropäischen Ländern wie
der geringsten Energieeffizienz und nur              Spanien und Portugal ist er verhältnismässig
jeder Fünfte spricht sich eher oder sehr             unbeliebt. Bei der Befürwortung
dagegen aus. Höhere Steuern auf fossile              der Subventionierung erneuerbarer
Brennstoffe wie Öl, Gas und Kohle sind               Energieträger sind keine regionalen Muster
die unbeliebteste Massnahme, wobei sich              erkennbar. Die breiteste Unterstützung findet
mehr Personen dagegen (44 %) als dafür               der Vorschlag in Ungarn und Slowenien,
aussprechen (30 %).                                  während er in der Tschechischen Republik,
                                                     in Russland, Island und Irland am wenigsten
Eine Steuer auf fossile Energieträger scheint        unterstützt wird. Bei der Befürwortung eines
in einigen westeuropäischen, insbesondere            Verbots von energieineffizienten Geräten
in den nordischen Ländern, beliebter zu              sind die Abweichungen zwischen den
sein, findet aber nur in Schweden und                Ländern relativ gering.
Finnland eine Mehrheit. Am unpopulärsten

Abbildung 6: Präferenzen für ein Verbot der am wenigsten energieeffizienten Geräte in den
EU/EFTA-Ländern

                                                               3.5%
                                                       5.2%

                                                                                       24.3%
                                           12.0%

   Sehr dafür
   Eher dafür
   Weder dafür noch dagegen
   Eher dagegen
   Sehr dagegen
   Weiss nicht/Antwort verweigert       18.9%

                                                                               36.1%

Quelle: European Social Survey Runde 8, 2016–2017. Für die vergleichende Analyse zwischen den
Ländern wurde eine Gewichtung nach soziodemografischen Merkmalen (post-stratification weights) und
Bevölkerungszahlen (population weights) vorgenommen.
Ergebnisse der 8. Runde des European Social Survey 15

Fazit                                         finden die Subventionierung erneuerbarer
                                              Energien und gesetzliche Vorschriften
Das Modul der achten Welle des ESS über       zur Energieeffizienz von Geräten breite
Einstellungen zum Thema Klimawandel           Unterstützung.
und Energie gewährt einen umfassenden
Einblick in das Verhältnis der Menschen in    Auch wenn diese Einstellungen zum
Europa, Russland und Israel zu den Themen     Klimaschutz zuversichtlich stimmen mögen,
Klimawandel und Energiesicherheit sowie       ist Vorsicht geboten, da kostenintensiv
zu ihrer Haltung bezüglich einer Senkung      erscheinende politische Massnahmen unter
des persönlichen und des allgemeinen          Umständen wenig Unterstützung finden. Die
Energieverbrauchs.                            Menschen in Europa machen sich im Schnitt
                                              grössere Sorgen über die Energiepreise
Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen       als über den Klimawandel und eine der
ist, dass selbst in den skeptischsten         wirksamsten Massnahmen zur Verringerung
Ländern die überwältigende Mehrheit der       der CO2-Emissionen, nämlich höhere
europäischen Bevölkerung den durch            Steuern auf fossile Energieträger, wird
den Menschen verursachten Klimawandel         weitaus weniger befürwortet als die anderen
anerkennt. Obwohl die meisten zustimmen,      im Modul abgefragten Massnahmen.
dass der Klimawandel ein vom Menschen
verursachtes Problem ist, zeigen sie sich     Es konnte festgestellt werden, dass die
diesbezüglich nicht sehr beunruhigt.          Einstellungen zum Klimawandel und zur
Menschen in Europa sind nicht sehr besorgt    Energieversorgung in ganz Europa einigen
über den Klimawandel und empfinden nur        klaren Mustern folgen. In Mittel- und
eine geringe Verantwortung, selbst aktiv      Osteuropa scheint das Engagement gegen
dagegen vorzugehen. Tendenziell gehen sie     den Klimawandel und die Unterstützung
davon aus, dass vom Einzelnen ergriffene      kohlenstoffarmer Energieträger allgemein
Energiesparmassnahmen keine grosse            schwächer ausgeprägt zu sein. Es gibt
Wirkung zeigen. Obwohl der Klimawandel        zwar Ausnahmen, doch das Muster bildet
als Problem anerkannt wird, herrscht          Überzeugungen zum Klimawandel, die
anscheinend keine ausreichende Motivation     Besorgnis über den Klimawandel sowie
für tiefgreifende Verhaltensänderungen        die Einstellungen zu kohlenstoffarmen
(Barasi, 2017).                               Energieträgern wie Wind- und Solarenergie
                                              ab. In zahlreichen ehemals kommunistischen
Dennoch besteht in ganz Europa hohe           Ländern ist eine relativ positive Einstellung
Bereitschaft zum Energiesparen und            zu fossilen Energieträgern wie Kohle und
breite Unterstützung für erneuerbare          Erdgas festzustellen. Diese Ergebnisse
Energiequellen sowie eine politische          sind möglicherweise auf die frühere
Förderung der Energieeffizienz. In allen      Abhängigkeit von fossilen Energieträgern
Ländern ist die Mehrheit der Ansicht, dass    zurückzuführen, aber auch auf den Stand
ein grosser bzw. sehr grosser Stromanteil     der wirtschaftlichen Entwicklung und das
aus Solarenergie und Windkraft erzeugt        Tempo des gesellschaftlichen Wandels
werden sollte; hier ist eine deutlich         in der Region (Balžekiene & Telešiene,
breitere Zustimmung als bei allen übrigen     2017). Die Daten der achten Runde
Energieträgern festzustellen, insbesondere    des ESS werden zur weitergehenden
im Vergleich zu fossilen Brennstoffen         Untersuchung der Frage beitragen, wie
und Kernkraft. Gleichermassen sind            soziale und wirtschaftliche Faktoren die
die Befragten europaweit bereit, durch        Einstellungen der Öffentlichkeit zu Energie
Effizienz- und Einsparmassnahmen den          und Klimawandel auf einzelstaatlicher Ebene
Energieverbrauch zu senken. Des Weiteren      prägen können.
16 Einstellungen zum Thema Klimawandel und Energie in Europa

  Fussnoten

  1Dies umfasst 21 europäische Länder aus dem EU/EFTA-Raum (Belgien, Estland,
  Deutschland, Finnland, Frankreich, Island, Irland, Italien, Litauen, Niederlande,
  Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien, Schweden, Schweiz, Spanien,
  Tschechische Republik, Vereinigtes Königreich, Ungarn), die Russische Föderation
  und Israel.
  2http://www.europeansocialsurvey.org/docs/round8/survey/ESS8_data_
  documentation_report_e02_0.pdf
  3https://www.europeansocialsurvey.org/docs/round8/methods/ESS8_project_
  specification.pdf
  4Die Zahlen für den EU/EFTA-Raum weichen hiervon leicht ab, weisen aber
  ein ähnliches Muster auf: 37 Prozent sind sehr oder äusserst besorgt über die
  Bezahlbarkeit von Energie, 32 Prozent wegen des Klimawandels und 10 Prozent
  über die Energiesicherheit.
  5   6,0 (Standardabweichung=2,5) in den EU/EFTA-Ländern.
  6   6,3 (Standardabweichung=2,5) in den EU/EFTA-Ländern.
  7   4,5 (Standardabweichung=2,6) in den EU/EFTA-Ländern.
  8persönliche Normen – Selbstwirksamkeit: r=0,34, p=0,000; persönliche Normen
  – Ergebniserwartung: r=0,42, p=0,000; Selbstwirksamkeit – Ergebniserwartung:
  r=0,28, p=0,000.
Ergebnisse der 8. Runde des European Social Survey 17

Quellen

Balžekiene, A., & Telešiene, A. (2017). Vulnerable and insecure? Environmental and technological
risk perception in Europe. In A. Telešiene & M. Gross (Eds.), Green European. Environmental
Behaviour and Attitudes in Europe in a Historical and Cross-Cultural Comparative Perspective
(pp. 31–55). Abingdon: Routledge.

Bandura, A. (1982). Self-efficacy mechanism in human agency. American Psychologist, 37(2),
122.

Barasi, L. (2017). The climate majority. London: The New Internationalist.

Hanss, D., & Böhm, G. (2010). Can I make a difference? The role of general and domain-specific
self-efficacy in sustainable consumption decisions. Unweltpsychologie, 14, 46–74.

IEA. (2017). IEA Atlas of Energy. Paris: International Energy Agency. Retrieved from http://
energyatlas.iea.org/

IPCC. (2014). Climate Change 2014: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II
and III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC.
(2014). Climate Change 2014: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III
to the Fifth Assessment Report o. Geneva, Switzerland: Intergovernmental Panel on Climate
Change.

Koletsou, A., & Mancy, R. (2011). Which efficacy constructs for large-scale social dilemma
problems? Individual and collective forms of efficacy and outcome expectancies in the context of
climate change mitigation. Risk Management, 13(4), 184–208. http://doi.org/10.1057/rm.2011.12

Lubell, M. (2002). Environmental Activism as Collective Action. Environment and Behavior, 34(4),
431–454. http://doi.org/10.1177/00116502034004002

Meinhold, J. L., & Malkus, A. J. (2005). Adolescent Environmental Behaviors: Can Knowledge,
Attitudes, and Self-Efficacy Make a Difference? Environment and Behavior, 37(4), 511–532.
http://doi.org/10.1177/0013916504269665

Poortinga, W., Spence, A., Whitmarsh, L., Capstick, S., & Pidgeon, N. F. (2011). Uncertain
climate: An investigation into public scepticism about anthropogenic climate change. Global
Environmental Change, 21(3, SI), 1015–1024. http://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2011.03.001

Steg, L., & de Groot, J. I. M. (2010). Explaining prosocial intentions: Testing causal relationships
in the norm activation model. British Journal of Social Psychology, 49(4), 725–743. http://doi.
org/10.1348/014466609X477745

Stern, P. C. (2000). Toward a coherent theory of environmentally significant behavior. Journal of
Social Issues, 56(3), 407–424. http://doi.org/10.1111/0022-4537.00175

World Energy Council. (2013). World energy trilemma: time to get real - the case for sustainable
energy investment. London: World Energy Council. Retrieved from http://www.worldenergy.org/
wp-content/uploads/2013/09/2013-Time-to-get-real-the-case-for-sustainable-energy-investment.
pdf
18 Einstellungen zum Thema Klimawandel und Energie in Europa

ESS-Daten und Dokumentation
Im Rahmen des European Social Survey (ESS)          Topline Results Series
wurden seit der ersten Runde im Jahr 2002/03
                                                    Dies ist die neunte Ausgabe unserer
insgesamt 381’351 persönliche Befragungen
                                                    Publikationsreihe „Topline Results “. Alle neun
durchgeführt. Sämtliche Dokumente und
                                                    Ausgaben können auf der ESS-Website
Daten, die in den nachfolgenden Wellen
                                                    eingesehen und heruntergeladen werden. Die
bis und einschliesslich der achten Runde
                                                    anderen Ausgaben der Reihe befassen sich mit
(2016/17) gesammelt wurden, können
                                                    folgenden Themen:
heruntergeladen oder online eingesehen werden
(europeansocialsurvey.org).                         1.   Trust in Justice (auch verfügbar auf
                                                         Kroatisch)
Der ESS erhielt 2013 den Status als European
Research Infrastructure Consortium (ESS ERIC),      2.   Welfare Attitudes in Europe (auch verfügbar
was bedeutet, dass sich alle teilnehmenden               auf Kroatisch, zypriotisches Griechisch und
Parteien am Budget des Projekts beteiligen. In           Ukrainisch)
der achten Runde nahmen 23 Länder teil, 17
                                                    3.   Economic Crisis, Quality of Work and Social
davon ERIC-Mitglieder.
                                                         Integration
Durch die Nutzung der nachfolgend                   4.   Europeans’ Understandings and Evaluations
beschriebenen Instrumente EduNet und                     of Democracy (auch verfügbar auf
NESSTAR können Sie sich jenen 125’000                    Albanisch, Bulgarisch, Italienisch, Litauisch
Personen anschliessen, die sich bereits für einen        und Slowakisch)
Zugriff auf die ESS-Daten angemeldet haben.
                                                    5.   Europeans’ Personal and Social Wellbeing
ESS-Daten sind bislang in die Analysen von               (auch verfügbar auf Albanisch, Litauisch,
3554 wissenschaftlichen Publikationen in                 Russisch, Slowakisch und Slowenisch)
Zeitschriften, Büchern und Buchkapiteln,
Arbeitspapieren und Konferenzpräsentationen         6.   Gesundheit in Europa - Soziale
eingeflossen, die zwischen 2003 und 2016                 Unterschiede und deren
veröffentlicht wurden.                                   Bestimmungsfaktoren (auch verfügbar auf
                                                         Dänisch, Englisch, Französisch, irisches
EduNet                                                   Gälisch, Rumänisch, Slowenisch und
Das e-learning tool von ESS EduNet stellt                Spanisch)
praktische Beispiele und Aufgaben zur Verfügung,    7.   Einstellungen gegenüber Immigration und
um Benutzerinnen und Benutzer ausgehend vom              ihre Ursprünge (auch verfügbar auf Englisch,
theoretischen Problem bis hin zur Interpretation         Georgisch, Hebräisch, Norwegisch,
der statistischen Ergebnisse durch den                   Slowenisch und Spanisch)
Forschungsprozess zu leiten.
                                                    8.   Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
NESSTAR                                                  europäischer Einstellungen zum
                                                         Wohlfahrtsstaat
Das ESS Online Analyseangebot verwendet
NESSTAR - ein Online-Werkzeug zur
Datenanalyse. Informationen zur Verwendung von
NESSTAR sind auf der Webseite des Norwegian
Social Science Data Services (www.nesstar.com)
verfügbar.
Über den ESS
Der ESS ist eine sozialwissenschaftliche Studie, die                               23 Länder nahmen an Runde 8
                                                                                        des ESS teil, die 2016/17
seit 2002 europaweit erhoben wird. Die Studie misst
                                                                                             durchgeführt wurde.
Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensmuster
der unterschiedlichen Bevölkerungen aus mehr als 30                                                           Mitglieder:
                                                                           Österreich, Belgien, Tschechische Republik,
Nationen. Die ESS-Datensätze enthalten Informationen                        Estland, Frankreich, Deutschland, Ungarn,
von 381’351 vollständigen Interviews, die alle zwei Jahre                           Irland, Italien, Litauen, Niederlande,
mit neu ausgewählten Querschnittsstichproben erhoben                           Norwegen, Polen, Portugal, Slowenien,
                                                                                    Schweden, Vereinigtes Königreich.
werden.
                                                                                                           Beobachter:
Der European Social Survey ist seit 2013 ein European                                                         Schweiz.
Research Infrastructure Consortium (ESS ERIC). Der                                         Weitere Teilnehmerländer:
ESS stellt länderübergreifende Daten zu Einstellungen                        Finnland, Island, Israel, Russland, Spanien.
und Verhaltensweisen der europäischen Bevölkerungen                        Die internationalen Beiräte des ESS ERIC
frei zur Verfügung.                                                              bestehen aus dem Methods Advisory
                                                                               Board (MAB), dem Scientific Advisory
ESS Themen:                                                                Board (SAB) und dem Finance Committee
                                  • Haushaltsbezogene                                                     (FINCOM).
• Vertrauen in Institutionen        Umstände
• Politisches Engagement          • Einstellungen zum                          Der Hauptsitz des ESS ERIC befindet
                                    Wohlfahrtsstaat                                      sich in London an der City,
• Soziopolitische Werte
                                  • Vertrauen in Strafjustiz                                   University of London.
• Moralische und soziale Werte
                                    und Polizei
• Soziales Kapital                                                              Das ESS ERIC Core Scientific Team
                                  • Formen und Erfahrungen von               besteht aus: GESIS - Leibniz-Institut für
• Soziale Exklusion
                                    Altersdiskriminierung                       Sozialwissenschaften (Deutschland);
• Nationale, ethnische und        • Staatsbürgerschaft,
  religiöse Identität                                                                  Katholieke Universiteit Leuven
                                    Partizipation und Demokratie              (Belgien); NSD - Norwegian Centre for
• Gesundheit und                  • Immigration                              Research Data (Norwegen); SCP - The
  Wohlbefinden                    • Familie, Arbeit und                     Netherlands Institute for Social Research
• Demographische                    Wohlbefinden                            (Niederlande); Universitat Pompeu Fabra
  Zusammensetzung                 • Wirtschaftsmoral                        (Spanien); Universität Essex (Vereinigtes
• Bildung und Beruf               • Lebensplanung und -führung                      Königreich); Universität Ljubljana
• Finanzielle Umstände            • Klimawandel und Energie                                              (Slowenien).

                                                                             Das National Coordinators’ (NC) Forum
www.europeansocialsurvey.org                                                       setzt sich aus den ESS NCs aller
                                                                                  teilnehmenden Länder zusammen.
www.esswellbeingmatters.org
Folgen Sie dem ESS auf Twitter: @ESS_Survey
Folgen Sie dem ESS auf Facebook: @EuropeanSocialSurvey
Folgen Sie dem ESS auf LinkedIn: @european-social-survey

Deutsche Übersetzung: xplanation und Schweizer Kompetenzzentrum für Sozialwissenschaften FORS

                Diese Veröffentlichung wurde durch das
                Rahmenprogramm für Forschung und Innovation
                Horizont 2020 der Europäischen Union unter der
                Finanzhilfevereinbarung Nr. 676166 finanziell gefördert.

Veröffentlicht durch das European Social Survey ERIC
City University of London (UK)
Northampton Square, London
EC1V 0HB, United Kingdom

September 2018
Sie können auch lesen