T.i.n.a. 2.01: The witch is dead - Merkel lebt! - Absoluter Mehrwert und autoritäre Herrschaft: Zur Entstehung eines reaktionären Akkumulationsmodells

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T.i.n.a. 2.01: The witch is dead – Merkel
lebt!
          Absoluter Mehrwert und autoritäre Herrschaft:
    Zur Entstehung eines reaktionären Akkumulationsmodells
                           in der EU

Jochen Grob                                                                              Juni 2014

Für die Etablierung des neuen Akkumulationsmodells in der EU sind drei Ent-
wicklungen maßgeblich:

1.) Die Kapitalakkumulation: es findet eine Verschiebung von der relativen zur abso-
luten Mehrwertproduktion2 statt und es wird eine umfassende Lohnsenkung der
lohnabhängigen Klassen durchgesetzt, d.h. die ökonomischen, sozialen und kulturel-
len Lebensbedingungen der lohnabhängigen Klassen werden massiv verschlechtert.

2.) Die teilweise Aufhebung der Parlamentarische Demokratie: Eine Zunahme der
absoluten Mehrwegproduktion und der Absenkung des allgemeinen Lebensstan-
dards erfordert autoritäre Herrschaftsformen zur Unterdrückung der zunehmende
Klassengegensätze.

3.) Das Wertgesetz ist im Weltmaßstab gültig: Die unregulierte Konkurrenz bewirkt
eine Angleichung der Produktivität, der Profitrate und der Löhne auf dem Weltmarkt
(z.B. EU und China).

Diese Entwicklungen sind im Wortsinne reaktionär, das heißt rückwärts gewandt: die
Ungleichheit in der Vermögensverteilung und die demokratischen Mitsprachemög-
lichkeiten sollen in der „marktkonformen Demokratie“ auf einen gesellschaftlichen
Standard zurück geführt werden, der vor dem zweiten Weltkrieg in Europa herrschte.

Mit der Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise seit 2008 war das neoliberale Akkumu-
lationsmodell an sein ökonomisches und politisches Ende gelangt: die Verwertung
des Kapitals erlahmte im globalen Maßstab.

1
  T.i.n.a.: There is no Alternative. Das war das Glaubensbekenntnis von Margaret Thatcher, mit dem
sie seit 1979 Großbritannien deindustrialisierte, die Gewerkschaften von Polizei und Geheimdiensten
bekämpfen ließ und die Deregulierung der internationalen Finanzmärkte initiierte.
2
  Absoluter Mehrwert: der Teil des kapitalistischen Mehrwerts, der durch Verlängerung der Arbeitszeit
(auch der Lebensarbeitszeit) über die Reproduktionskosten der Arbeitskraft hinaus erzeugt wird.
Relativer Mehrwert: Der Teil des kapitalistischen Mehrwerts, der durch Intensivierung der Arbeit und
technologische Fortschritte im Produktionsprozess über die Reproduktionskosten der Arbeitskraft
hinaus erzeugt wird.
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Im neoliberalen Akkumulationsmodell war ein immer größerer Anteil des Mehrwerts
als Profit von den Kapitalisten angeeignet worden, während der Anteil des Mehrwerts
den die Lohnabhängigen erhielten über drei Jahrzehnte auf dem gleichen Niveau
verharrte. Dadurch stiegen die Reallöhne der Lohnabhängigen seit Anfang der 80er
Jahre nicht mehr, während die kapitalistischen Profite explodierten: die
Kapitalistenklasse eignete sich während drei Jahrzehnten den ganzen zusätzlich er-
zeugten Reichtum an. Die angemessene politische Form der Herrschaft im europäi-
schen Neoliberalismus in Zeiten stagnierenden Reichtums für die große Mehrheit der
Bevölkerung war die eines konservativen bürgerlichen Parlamentarismus.

Das neue sich für Europa abzeichnende Akkumulationsmodell gesteht den Lohnab-
hängigen keinen gleichbleibender Lebensstandard mit stagnierenden Löhnen wie
noch im Neoliberalismus zu: der kapitalistische Profit wächst auf Kosten des Lohnan-
teils und des sozialen und kulturellen Lebensstandards der lohnabhängigen Bevölke-
rung.

Die materielle Grundlage für das neue Akkumulationsmodell bildet eine Zunahme der
absoluten Mehrwertproduktion gegenüber der relativen Produktion von Mehrwert. Die
Rate des relativen Mehrwerts hat sich durch die globale und gleichzeitige Verfügbar-
keit technologischer Entwicklungen global weitgehend angeglichen. Ein Extraprofit
verspricht die nationale Erhöhung der Rate des absoluten Mehrwerts, sei es in der
Form einer Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit, sei es eine Erhöhung der Le-
bensarbeitszeit. Wird diese Strategie in einem Land erfolgreich umgesetzt, haben
konkurrierende Ökonomien keine andere Wahl als dieses Modell ebenfalls durchzu-
setzen, wenn sie weiterhin den kapitalistischen Durchschnittsprofit erwirtschaften
wollen.

Diese Formänderung in der Produktion des Mehrwerts bedingt zwangsläufig eine
formale Änderung in der Organisation von Herrschaft der bürgerlichen Gesellschaft
Europas: die politische Herrschaft der Kapitalistenklasse im Rahmen der parlamenta-
rischen Demokratie muss autoritärer strukturiert werden, weil sie politisch und öko-
nomisch der breiten Bevölkerungsmehrheit für die Zukunft nichts zu bieten hat als
immer mehr Arbeit bei immer weiter sinkendem Lebensstandard.

Ein weiteres Mal in der Geschichte des europäischen Kapitalismus geht die bürgerli-
che Herrschaft in eine reaktionäre Phase der Akkumulation und Klassenherrschaft
über. Die durch parlamentarische Wahlbeteiligung der beherrschten Klassen sozial-
demokratisch eingehegte Herrschaft des Kapitals wurde in einem kalten Putsch ab-
gelöst durch ein von parlamentarischen Willensbildungsprozessen weitgehend unab-
hängiges autoritäres Regime aus EU-Kommission, EZB und IWF, das den Lebens-
standard der griechischen Bevölkerung innerhalb von fünf Jahren um 40 Prozent ab-
gesenkt hat:

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Für einen solchen Angriff auf die Lohnabhängigen war das europäische Kapital in
den letzten 150 Jahren immer auf Krieg, Bürgerkrieg oder offen faschistische Herr-
schaftsstrukturen angewiesen; im Jahr 2013 konnte das Kapital seine Bedingungen
als Herrschaftsmodell einer „marktkonformen Demokratie“ durchsetzen ohne auf
Maßnahmen offener Gewaltanwendung des Staatsapparates zurück greifen zu müs-
sen.

Als Blaupause für den Umbau der südeuropäischen Volkswirtschaften zu Absatz-
märkten und Arbeitskräftereservoirs für die Weltmarktambitionen des deutschen
Großkapitals kann der Anschluss und die anschließende Deindustriealisierung der
DDR gelten.

           Klassenkampf – Profitrate - Akkumulationsmodell

Unter der Ägide des fordistischen Akkumulationsmodells von Anfang der 50er bis
Mitte der 70er Jahre wurde der durch die zunehmende Produktivität zusätzlich erwirt-
schaftete Reichtum zwischen der lohnarbeitenden und der kapitalistischen Klasse
aufgeteilt: die Löhne wuchsen entsprechend mit dem Produktivitätsfortschritt des ka-
pitalistischen Betriebs.

Die politische Voraussetzung dieses Akkumulationsmodells war die Existenz der
Sowjetunion als Atommacht nach dem zweiten Weltkrieg und der daraus resultieren-
de Klassenkompromiss in den kapitalistischen Staaten. Anfang der 70er Jahre war
das fordistische Akkumulationsmodell ökonomisch an seine Grenze gelangt und
gleichzeitig wurde der fordistische Klassenkompromiss in ganz Europa zunehmend in
Frage gestellt. Den ganz Europa erfassenden Angriff auf die historische Profitrate
des Kapitals im ökonomischen Bereich und gegen die politische Dominanz des Kapi-
tals während der 70er Jahre wurden von der kapitalistischen Klasse mit einer neuen
Organisation der internationalen Arbeitsteilung Ende der 70er Jahre der Boden ent-
zogen: ganze Industriezweige wurden von den hochentwickelten europäischen Län-
dern in freie Produktionszonen auf dem ganzen Globus verlagert. Diese Strategie
des Kapitals hatte beide Ebenen des Klassenkampfes im Blick: zum einen konnte auf
ökonomischer Ebene das brachliegende akkumulierte Kapital wieder produktiv in den
Aufbau neuer Industrieländer (Südkorea, Taiwan, China, Brasilien, etc.) investiert
werden und damit die Akkumulationskrise der spätfordistischen Akkumulationsphase
abgeschlossen werden. Zum anderen wurde dem Angriff der lohnabhängigen Klas-
sen auf die historische Profitrate des Kapitals in Westeuropa und Nordamerika der
materielle Boden entzogen, indem mit der Verlagerung der Textilindustrie, der Stahl-
produktion, des Bergbaus und des Schiffsbaus die gewerkschaftliche Kampfkraft der
gut organisierten Industriearbeiterschaft entscheidend geschwächt wurde. In den
freien Produktionszonen des Kapitals die seit Ende der 70er Jahre im globalen Maß-
stab organisiert worden waren, herrschte das Kapital ökonomisch und politisch abso-
lut: die freien Produktionszonen wurden in autoritären Militärdiktaturen eingerichtet in
denen jede gewerkschaftliche Tätigkeit verboten war und die kapitalistische Profitrate
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in seit Jahrzehnten unerreichte Höhen steigen konnte, weil der Preis der Arbeitskraft
auf das physische Existenzminimum gedrückt wurde. Die rechtlichen Rahmenbedin-
gungen für die Organisation der neuen internationalen Arbeitsteilung wurden mit der
Durchsetzung des freien internationalen Kapitalverkehrs und des freien Devisenhan-
dels - den zwei ökonomisch-politischen Grundpfeilern der neoliberalen Akkumulati-
onsphase - geschaffen. Der Erfolg der neoliberalen Strategie nach dem Zusammen-
bruch der Sowjetunion kann nur als historischer Sieg der Kapitalistenklasse im Welt-
maßstab bezeichnet werden.

Die Produktivitätszuwächse in der kapitalistischen Wirtschaft musste sich das Kapital
ab Mitte der 80er Jahre auch in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern nicht
mehr mit den Lohnabhängigen teilen, sondern das Kapital konnte sich den zusätzlich
erwirtschafteten Reichtum wie zuletzt vor dem zweiten Weltkrieg vollständig aneig-
nen. Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene erhöhten sich daher in den kapitalistischen
Ländern die Reallöhne seit Anfang der 80er Jahre nicht mehr, während sich der kapi-
talistische Profit vervielfachte.

Nach dem Ende des neoliberalen Akkumulationsmodells 2008 werden gegenwärtig
die Umrisse eines neuen Akkumulationsmodells in Europa erkennbar. Eine Akkumu-
lation des Kapitals auf dem in der neoliberalen Phase erreichten Stand der Profitrate
lässt sich nur erreichen, wenn bei der Erzeugung des kapitalistischen Reichtums der
Anteil der lohnabhängigen Klasse am kapitalistischen Mehrwert nicht länger, wie
noch in der neoliberalen Phase vermittels stagnierender Reallöhne gleich bleibt. Die
Profitrate des Neoliberalismus wird aufrecht erhalten, indem der Anteil der Lohnquote
an der kapitalistischen Produktion massiv und abrupt abgesenkt wird, d.h. große Tei-
le der Bevölkerung in ihrem materiellen, sozialen und kulturellen Lebensniveau
schlechter gestellt werden.
.

 Absoluter Mehrwert, bürgerliche Herrschaft, imperialistische Kon-
                             kurrenz

Die Finanzkrise von 2008 und die auf sie folgende Staatsschuldenkrise waren der
Ausgangspunkt für die Herausbildung eines neuen Akkumulationsmodells in Europa.
Am Ende jedes erfolgreichen Akkumulationsmodells ist das Kapital vor die Aufgabe
gestellt, den Widerspruch zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und den Ei-
gentumsverhältnissen innerhalb der bestehenden kapitalistischen Produktionsver-
hältnisse aufzulösen, bevor er sich zu einem systemsprengenden Widerspruch ent-
wickelt.

In der neoliberalen Phase nahm der Anteil der Löhne am Volkseinkommen ab, die
Arbeitsintensität und der Arbeitsumfang wurden erhöht, aber die staatlich garantierte
Grundsicherung der Lohnabhängigen in Europa und die Reallöhne wurden weitge-
hend unangetastet gelassen. In der von der deutschen Regierung in Europa durch-
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gesetzten Austeritätspolitik bildet die Staatsschuldenkrise die politische Argumentati-
onsgrundlage der herrschenden Klassen für das sich abzeichnende autoritäre Ak-
kumulationsmodell.

Auf ökonomischem Gebiet geht es der europäischen Austeritätspolitik darum den
akkumulierten Reichtum der Kapitalistenklasse staatlich zu garantieren und gleichzei-
tig das Lohnniveau in Europa auf ein Weltmarktdurchschnittsniveau zu senken. Der
Reichtum der Kapitalistenklasse wurde mit der Übernahme sämtlicher fauler Kredite
des Kapitals durch den Staat während der Eurokrise 2010-12 sichergestellt. Die An-
hebung der europäischen Durchschnittsproduktivität soll über eine drastische Absen-
kung des Lebensstandards großer Bevölkerungsteile, bei gleichzeitiger Ausweitung
der Arbeitszeit erreicht werden. Auf diese Weise werden die Voraussetzungen ge-
schaffen den Anteil des absoluten Mehrwerts in der Kapitalakkumulation der EU zu
erhöhen. Da gleichzeitig Bildungshaushalte zusammen gestrichen werden ist die Op-
tion einer europäischen Strategie einer Steigerung der Profitrate über die Erhöhung
des relativen Mehrwerts im Rahmen der Weltmarktkonkurrenz unter deutscher Do-
minanz nicht denkbar.

Um eine Strategie der Erhöhung der absoluten Mehrwegproduktion in Südeuropa
durchzusetzen werden in Portugal, Spanien und Griechenland das materielle und
kulturelle Lebensniveau ganzer Gesellschaften drastisch abgesenkt. In der polit-
ökonomischen Entwicklung Südeuropas im 20. Jahrhundert wurde die ökonomisch-
kulturelle Entwicklung dieser Gesellschaften durch Modernisierung der kapitalisti-
schen Akkumulation mit dem Schwerpunkt auf der Erhöhung des relativen Mehrwerts
jahrzehntelang durch faschistische Diktaturen verhindert. Die ökonomische und kultu-
relle Entwicklung dieser Gesellschaften, die in den 80er Jahren unter der Flagge des
Anti-Kommunismus mit EU-Subventionen eingeleitet wurde, hat mit der nachholen-
den Integration in den europäischen Markt funktionierende bürgerliche Gesellschaf-
ten mit parlamentarischer Herrschaftsorganisation geschaffen, deren politische und
soziale Struktur sich dem zentraleuropäischen Modell anglichen.

Auf ökonomischem Gebiet hat die Integration dieser drei Länder in die EU den gesi-
cherten Absatzmarkt des deutschen Kapitals über 20 Jahre massiv vergrößert. Der
Zeitraum zwischen der Wiedervereinigung und der Finanzkrise 2008 wurde vom
deutschen Kapital und der deutschen Politik dazu genützt, mit einer aggressiven Ex-
portstrategie in die EU das deutsche Großkapital auf ein Akkumulationsniveau zu
heben, das 2014 eine erfolgreiche Akkumulation auf dem Weltmarkt als gesichert
erscheinen lässt. Indem sich heute das deutsche Kapital zunehmend auf dem au-
ßereuropäischen Weltmarkt reproduzieren kann, ist es immer weniger auf die EU als
funktionierenden Absatzmarkt angewiesen und somit von der Seite des deutschen
Großkapitals keine Rücksichtnahme auf die materielle, kulturelle und soziale Ent-
wicklung des europäischen Südens mehr nötig: der Lebensstandard in diesen Län-
dern kann auf das Niveau von Schwellenländern gekürzt werden, die eine vergleich-
bare Produktivität haben.

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Die europäische Austeritätspolitik unter deutscher Führung hat es geschafft den Le-
bensstandard ganzer Gesellschaften innerhalb weniger Jahre drastisch abzusenken
ohne dabei formal die Herrschaftsform des bürgerlich-parlamentarischen Systems
aufzuheben. In ihrem Wesenskern ist die politische Durchsetzung der europäischen
Austeritätspolitik die totalitäre Durchsetzung der Verwertungsinteressen des Kapitals
durch politische Institutionen ohne jede demokratische Legitimation: die Troika aus
IWF, EZB und EU-Kommission hat die Macht ganze Gesellschaften von Weltmarkt
abzuschneiden und mit der Drohung diesen Ausschluss vom internationalen Kapi-
talmarkt durchzusetzen, die politische und ökonomische Souveränität der europäi-
schen Südländer beendet. Die ökonomische Agenda der Troika ist die Zurichtung der
Ökonomien des europäischen Südens auf einen funktionierenden Schuldendienst
gegenüber dem Verwertungsinteresse des Kapitalmarkts, auf politischer Ebene be-
deutet diese Politik eine bewusste Abkehr von dem sozialdemokratischen Integrati-
onsprojekt der Europäischen Union, mit dem in den 80er Jahren den europäischen
Südländern deren sozialistische Entwicklungsperspektive abgekauft wurde.

Das deutsche Austeritätsmodell hat für die europäischen Südländer die gleiche Rolle
als Absatzmarkt und Arbeitskräftereservoir vorgesehen wie sie 20 Jahre früher die
DDR zugewiesen bekommen hatte.3 Die lukrativen Sektoren der europäischen Süd-
länder werden vom internationalen Kapital übernommen, der Rest der Wirtschaft wird
geschrumpft, der Bildungssektor und damit die zukünftige Konkurrenzfähigkeit auf
dem Weltmarkt zusammen gestrichen und die Bevölkerung muss halt schauen wo
sie bleibt, wenn sie sich nicht als gut ausgebildetes Migrationsproletariat in Deutsch-
land verwerten lassen will.4

Durch das Zusammenstreichen des Bildungssektors und damit der Produktivität der
zukünftigen Arbeitskräfte der europäischen Südländer gibt es für diese Ökonomien
keine Perspektive in Zukunft über eine Erhöhung der relativen Mehrwertrate in tech-
nologisch anspruchsvollen Gebieten auf dem Weltmarkt erfolgreich zu konkurrieren.
Die Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt kann somit nur über die Erhöhung der
Rate des absoluten Mehrwerts erfolgen und damit müssen sich die Löhne und der
materielle Lebensstandard auf das Niveau der Schwellenländer mit vergleichbarer

3
  Die politische Charaktermaske des Kapitals bei der Organisation eines neuen Akkumulationsmodells
für die DDR wie bei der Durchsetzung des neuen europäischen Akkumulationsmodells war der am
meisten unterschätzte Politiker Europas, der leutselig schwäbelnde, den Bedürfnissen der arbeitenden
Bevölkerung gegenüber rücksichtslos agierende Wolfgang Schäuble.
4
  Ein Treppenwitz der Geschichte zum Thema Migration ist auch das Faktum, dass die Wiedervereini-
gung Deutschlands eine größere Binnenmigration verursacht hat als dessen Teilung und diese Um-
verteilung der Arbeitskräfte nach der Wiedervereinigung im Interesse des westdeutschen Großkapitals
von der Bundesregierung ohne Zögern umgesetzt wurde. Die Bevölkerungen der europäischen Süd-
länder brauchen sich angesichts dieser Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung gegenüber den eige-
nen deutschen Brüdern und Schwestern keinerlei Illusionen über deren Skrupellosigkeit beim Umgang
mit einer durch das Wertgesetz vermittelten Umsiedlung größerer Bevölkerungsteile in Europa ma-
chen.

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Produktivität absenken um mit diesen erfolgreich auf dem Weltmarkt konkurrieren zu
können.

Die Tatsache, dass eine reaktionäre Politik zur Absenkung des Lebensstandards
großer     Bevölkerungsteile    unter    formaler   Aufrechterhaltung    bürgerlich-
parlamentarischer Herrschaftsformen durchgesetzt werden kann ist der historischen
Tatsache geschuldet, dass es in Europa – anders als noch in den 70er und 80er Jah-
ren – keine politische Organisation der Lohnabhängigen mehr gibt, die in der Lage
wäre den Herrschaftsinstitutionen des Kapitals auf gesellschaftlicher Ebene Wieder-
stand zu leisten. Anders als unter Thatcher in Großbritannien Anfang der 80er Jahre
ist es daher heute in Merkels EU nicht nötig die Geheimdienste und paramilitärische
Polizeiverbände gegen die eigene Bevölkerung in Stellung zu bringen um die Inte-
ressen des Kapitals durchzusetzen: das Funktionsinteresse der Kapitalakkumulation
herrscht in Europa absolut und der Regierung von Großbritannien ist es daher heute
möglich den Lebensstandard der Bevölkerung in einem Ausmaß abzusenken, das
unter Thatcher noch undenkbar gewesen wäre.

Das Beispiel Großbritannien: Die europäische Krise um die Rettung des griechischen
Staatshaushalts hat auch gezeigt, dass Großbritannien als zweitgrößte Ökonomie in
der EU keinerlei politisches Gewicht mehr hat. Die ökonomische Zukunft der EU wird
ausschließlich von Deutschland bestimmt. Das britische Akkumulationsmodell des
Thatcherismus und von New Labour - die Finanzierung des Staatshaushalts aus dem
Verkauf von Nordseeöl und der Etablierung von Großbritannien als Weltgeschäfts-
bank des globalen Neoliberalismus - ist gescheitert. Die Staatseinnahmen aus dem
Verkauf von Nordseeöl versiegen und die britische Finanzindustrie konnte nur durch
die Verstaatlichung der Bankschulden gerettet werden. Der Preis für die Rettung des
britischen Finanzsektors war der drohende Staatsbankrott, der mit einer drastischen
Absenkung des allgemeinen Lebenshaltungsniveaus und beispiellosen Kürzungen
im Bildungs- und Sozialbereich abgewendet wurde.

Um ihre ökonomisch Basis zu retten betreibt die herrschende Klasse Großbritanniens
eine politische Desintegration Großbritanniens und die ökonomische Konzentration
auf den Großraum London, faktisch die Umwandlung Großbritanniens in ein europäi-
sches Singapur mit Atom-U-Boot. Das unproduktive Schottland darf sich mitsamt
seiner subventionierten Bevölkerung 2014 für unabhängig erklären und der Austritt
aus der EU steht für 2017 auf der politischen Agenda. Das angestrebte ökonomische
Modell für den Großraum London wird wohl eine interessante Mischung aus
Rentiersökonomie und Investmentbank: der Großraum London wird zum Zweitwohn-
sitz für das Milliardärsgesindel dieser Welt und Dienstleistungszentrum für deren in-
dividuelle Bedürfnisse, während die Rolle als Finanzzentrum des globalen Kapitalis-
mus noch weiter ausgebaut wird. Da sich die Einkommensverteilung in London zu-
sehends der Situation im 19. Jahrhundert annähert, scheint sich auch der Arbeits-
kräftebedarf dem des 19 Jahrhunderts anzugleichen: wie zu der Zeit als Marx in Lon-
don das Kapital schrieb, ist der Anteil des Dienstpersonals und der Lohnabhängigen

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in der Luxusgüterproduktion größer als der Anteil der Lohnabhängigen in der indust-
riellen Produktion. Gleichzeitig gibt es in den Städten Nordenglands Stadtviertel in
denen die Lebenserwartung der männlichen Einwohner auf unter 55 Jahre gesunken
ist.

Die Griechenlandkrise und der kalte Putsch des europäischen Kapi-
              tals für ein autoritäres Troika-Regime

Die Einführung des Euro eröffnete den deutschen Kapitalisten die Möglichkeit inner-
halb des neu geschaffenen einheitlichen Marktes die unangefochtene ökonomische
Führungsposition in Europa zu übernehmen. Weil der technische Fortschritt allen
europäischen Ländern gleichermaßen zur Verfügung steht, bestand die einzige Mög-
lichkeit die deutsche Produktivität entscheidend über den europäischen Durchschnitt
zu heben in der Senkung der Lohnkosten. Diese Senkung der Lohnkosten wurde im
ergänzenden Wechselspiel zwischen öffentlichkeitswirksamen Produktionsverlage-
rungen des deutschen Großkapitals und der Agenda 2010 der rotgrünen Bundesre-
gierung durchgesetzt.

Dieser kombinierte politische und ökonomische Angriff der herrschenden Klasse auf
die deutschen Lohnabhängigen hatte die erwünschten Folgen: Die BRD war in den
Jahren 2001 bis 2008 das einzige Industrieland in dem die Reallöhne sanken, mit
dem Ergebnis, dass 2013 die Reallöhne in Deutschland niedriger waren als im Jahr
2000. Daraus resultierte eine drastische Senkung der Lohnstückkosten in Deutsch-
land und die unerreichte Konkurrenzfähigkeit deutscher Industrieprodukte.

Die BRD überschwemmte Europa mit Waren und häufte Außenhandelsüberschüsse
in Billionenhöhe an. Nun kann es in der globalen Endabrechnung aber nur deutsche
Exportweltmeister geben wenn auch griechische Schuldenkönige existieren.
Diese außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte können jedoch nur begrenzte Zeit-
räume existieren. Über kurz oder lang wird die Schuldenlast für die betreffenden
Länder so groß, dass die Zinszahlungen die Wirtschaftskraft dieser Länder überfor-
dern. Dieser Zeitpunkt ist 2012 eingetreten.

Ideologischer Nebenkriegsschauplatz: Das gewerkschaftliche Wehklagen über die
Kaufkraftverluste der deutschen Bevölkerung und die daraus resultierenden negati-
ven Folgen für die deutsche Wirtschaft belegen nur, dass die Gewerkschaften und
ihre politische Vertretung auch in der Linkspartei nicht einmal als Sparringspartner für
das deutsche Großkapital taugen: die DAX-Konzerne – das deutsche Großkapital -
planen und organisieren ihre Reproduktion auf dem Weltmarkt und benötigen daher
zwangsläufig immer weniger deutsche und europäische Binnennachfrage.

Infolge der Spekulationen gegen den griechischen Staatshaushalt brach innerhalb
der Eurozone ein Interessengegensatz zwischen Frankreich und Deutschland auf:
das französische Akkumulationsmodell, das sehr stark auf eine breite Konsumnach-
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frage und Kaufkraft der Bevölkerung setzt und das deutsche Akkumulationsmodell,
das ausschließlich auf den Weltmarktexport von Investitionsgütern aufbaut und dafür
von der immer geringeren Kaufkraft der Bevölkerung profitiert, können in einer ge-
meinsamen Währungszone nicht mehr gleichberechtigt nebeneinander existieren.
Zwischen dem französischen und deutschen Kapital musste entschieden werden,
welches Akkumulationsmodell in Europa in Zukunft dominieren wird.

So trieb die Bundesregierung bei der vorläufigen Rettung des griechischen Staats-
haushalts ein doppeltes Spiel: In Brüssel wurden Zusagen für die Rettung des grie-
chischen Staatshaushalts gegeben, die am nächsten Tag von Berlin aus wieder in
Frage gestellt wurden. Diese nur scheinbar richtungslose Politik offenbart keine
mangelnde wirtschaftliche Kompetenz sondern ein brillantes Machtgespür für die
Durchsetzung von Interessen: Indem die deutsche Regierung Griechenland über
Monate im Unklaren ließ über ihre Bereitschaft den griechischen Staatsbankrott ab-
zuwenden, gelang es ihr die griechische Regierung zu zwingen, einer reaktionären
Politik nach deutscher Vorgabe zuzustimmen: die griechische Regierung erklärte sich
schließlich dafür zuständig den Lebensstandard der Lohnabhängigen in Griechen-
land langfristig massiv zu verschlechtern um die Profitinteressen des europäischen
Finanzkapitals zu bedienen.

In dieser Zeit durfte die französische Finanzministerin dann auch ungestraft den
deutschen Imperialismus als Hauptproblem des europäischen Wirtschaftsraumes
benennen: die Senkung der Reallöhne in Deutschland als Voraussetzung für das
deutsche Exportweltmeistertum. Die deutsche Regierung ließ diese Kritik einfach ins
Leere laufen und setzte ihre ökonomischen Vorstellungen in der EU durch. Dafür
durfte der französische Präsident dann auch die vorläufige Rettungsorganisation für
den Euro anführen und die Interessen der französischen, deutschen und schweizer
Banken als Hauptschuldnern Griechenlands mit Staatsgarantien gewährleisten.

Das von Frankreich und Deutschland durchgesetzte Rettungspaket für den Euro ist
eine dauerhafte Subventionierung für einen Finanzsektor, die erst kurz zuvor mit
Staatsgarantien in Billionenhöhe als kapitalistischer Betrieb gerettet wurde. Anstatt
die Kredite direkt von der EZB vergeben zu lassen und damit die privaten Banken
aus diesem Handel auszuschalten und sie zu einem Schuldenverzicht zu zwingen,
dürfen die privaten Geschäftsbanken weiterhin Risikoaufschläge auf ihre Kredite an
hoch verschuldete Staaten erheben, obwohl das Risiko von Staatsbankrotten durch
das Kreditpaket der EU minimiert wurde. Die Banken können also gezielt griechische
Staatsanleihen kaufen, erhalten dafür vom griechischen Staat zweistellige Zinserträ-
ge, hinterlegen diese Staatsanleihen dann bei der EZB, können sich von dieser für
0,25 Prozent Zinsen Geld leihen und mit diesem billigen Geld wieder teure Kredite
vergeben. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der privatkapitalistische Banken-
sektor in mittelbarer Form unter staatlichen Schutz gestellt wird und sich im alltägli-
chen Geschäftsbetrieb der Eurokrise rekapitalisieren kann.

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Die EU-Kommission wird das europäische Politbüro

Die guten „realwirtschaftlichen“ deutschen Kapitalisten haben den segensreichen
Effekt von Hartz IV auf die Profitrate des Kapitals verstanden und die Eurokrise dafür
genützt, die Wirtschaftspolitik der gesamten EU an ihren Klasseninteressen ausrich-
ten zu lassen.5 Kredithilfen der EU erhalten Regierungen daher nur, wenn sie das
rotgrünschwarzgelbe Projekt der Lohnsenkungen, Rentenkürzungen und Verlänge-
rung der Lebensarbeitszeit in ihren Ländern durchsetzen. Um dieses neue Akkumu-
lationsmodell in Europa einführen zu können musste eine supranationale Organisa-
tion wie der IWF ins Boot geholt werden, auf dass der alleinige Machtanspruch der
deutschen Bourgeoisie in der EU politisch kaschiert und damit durchgesetzt werden
konnte.

Die Hegemonie des deutschen Großkapitals über Europa wird auf politischem und
ökonomischem Gebiet durch die Troika aus EZB, IWF und EU-Kommission vermit-
telt. Demokratische Willensbildungsprozesse werden im neuen europäischen Akku-
mulationsmodell vom Kapital nur noch respektiert, wenn diese sich der deutschen
Politik der Lohnsenkungen und der Erhöhung des absoluten Mehrwerts unterwerfen.
Im Falle einer Weigerung sich diesem Akkumulationsmodell zu unterwerfen, liefert
die EU-Kommission die betreffenden Staaten den Finanzmärkten aus, die über dras-
tische Erhöhungen der Kapitalmarktzinsen für Staatsschulden diese widerspenstigen
Staaten zu dem neuen Akkumulationsmodell unter deutscher Hegemonie zwingen.

Die Griechenlandkrise diente der deutschen Regierung dazu, die reaktionäre deut-
sche Wirtschaftspolitik - eine Absenkung des Lebensstandards aller Lohnabhängigen
mit dem Ziel die Profitrate des Kapitals zu erhöhen - in Europa als Modell durchzu-
setzen. Der massive Anstieg der Säuglingssterblichkeit um 42 % in Griechenland
wird von Bundeskanzlerin Merkel ganz selbstverständlich in Kauf genommen, wenn
darüber mittelbar die Verwertungsinteressen der deutschen Kapitalistenklasse abge-
sichert werden können.

Dieses politische Ziel der deutschen Regierung, den Lebensstandard der europäi-
schen Bevölkerung langfristig abzusenken um die Zinsinteressen des internationalen
„Geldkapitals“ und die Profitinteressen der „Realwirtschaft“ weiter zu bedienen lässt
sich nur erreichen, wenn die gängigen parlamentarisch-demokratischen Mechanis-
men außer Kraft gesetzt werden und die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten ohne
demokratische Einflussnahme der Bevölkerung die Rahmendaten für ihren jeweiligen
Staatshaushalt vorschreiben kann.

Auf politischer Ebene zeichnet sich eine autoritäre Formierung der EU unter deut-
scher Hegemonie ab, in der das zentrale Element bürgerlich-parlamentarischer

5
  Die erfolgreiche „soziale Markwirtschaft“ des „realwirtschaftlich“ orientierten „Rheinischen Kapitalis-
mus“ hat Deutschland zu dem Land gemacht, in dem die Vermögen in Europa am ungleichsten verteilt
sind.
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Herrschaft, das Haushaltsrecht des Parlaments, zugunsten des Eingriffsrechts eines
europäischen Politbüros, der EU-Kommission, in einem kalten Putsch faktisch abge-
schafft wurde.6

       Autoritärer Kapitalismus oder demokratischer Sozialismus

Die gesellschaftliche Entwicklung steht heute wieder an einem historischen Scheide-
weg wie zuletzt Mitte der 70er Jahre.

Entweder gelingt der herrschenden kapitalistischen und politischen Klasse in der EU
die Etablierung dieses reaktionären Akkumulationsmodells, von dem nur noch ein
sehr kleiner Teil der Gesellschaft profitiert. Das würde bedeuten, das immer weitere
Teile des gesellschaftlichen Lebens der privaten Kapitalverwertung unterworfen wer-
fen müssten um dem von den Kapitalbesitzern in der neoliberalen Akkumulations-
phase angehäuften Vermögen eine angemessene Reproduktion zu garantieren.
Oder der Verwertung des Kapitals werden Grenzen gesetzt und immer größere Be-
reiche des gesellschaftlichen Lebens werden aus der Kapitalverwertung heraus ge-
nommen und als Gemeingüter der Gesellschaft zur Verfügung gestellt (s.u. Punkt 9),
auf dass 90% der Bevölkerung ein besseres Leben haben werden.

Für eine grundlegende politische Veränderung ist unabdingbar 1. ein politisches
Bewusstsein von der Notwendigkeit der Kontrolle des Staatsapparates durch Verfah-
ren, das allen Teilen der Gesellschaft kontinuierlich - und auch in Einzelfragen - eine
demokratische Teilnahme am politischen Entscheidungsprozess ermöglicht; 2. der
politische Wille, eine Transformation der warenproduzierenden kapitalistischen Öko-
nomie hin zu einer sozialistischen Güterproduktion gegen die Interessen der
Kapitalistenklasse durchzusetzen.

Als erste Maßnahmen für eine demokratische Übergangsgesellschaft, die eine de-
mokratisch-sozialistische Entwicklung ermöglichen könnten wären folgende Maß-
nahmen nötig:

6
  Das neue Akkumulationsmodell in Europa lässt sich besser verstehen wenn man den gleichzeitig
stattfinden Umbau der chinesischen Ökonomie ins Auge fasst.
Hier besteht ebenfalls ein ursächlicher Zusammenhang zwischen absoluter und relativer Mehrwert-
produktion und der Form politischer Herrschaft: zur politischen und ökonomischen Krise kam es in
China, weil das ökonomische Modell der Akkumulation über den absoluten Mehrwert an seine Gren-
zen gestoßen ist und die Umwandlung der chinesischen Ökonomie hin zu einem Akkumulationsmodell
auf Basis des relativen Mehrwerts und eine weitere Ausdifferenzierung des ökonomischen Prozesses
sich auf gesellschaftlicher Ebene nur bedingt mit autoritärer Einparteienherrschaft verträgt. Diese Ent-
wicklung erfordert in China eine Abschwächung der absoluten Parteiherrschaft durch demokratische
Elemente.
Mit der weitgehend ungehinderten Entfaltung des Wertgesetzes auf globaler Ebene findet tendenziell
eine immer weitgehendere Angleichung der Profitraten, der Löhne und der Form politischer Herrschaft
statt.

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Auf politischer Ebene das Erkämpfen von verbindlichen Volksentscheiden und de-
mokratischen Entscheidungsstrukturen zu allen gesellschaftlichen Fragen auf natio-
naler und europäische Ebene. Darüber hinaus müssen alle europäischen Institutio-
nen dem europäischen Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig gemacht wer-
den.

Auf ökonomischem Gebiet wäre die Umsetzung der folgenden zehn Punkte grundle-
gend, um einen gesellschaftlichen Rahmen zu strukturieren, unter dem eine breite
gesellschaftliche Diskussion über die zukünftige ökonomische und politische Ausrich-
tung der Gesellschaft möglich ist:

1. Die Abschaffung des freien Währungshandels: die Wechselkurse werden politisch
in einem bestimmten Rahmen festgelegt und die EZB wird unter politische Kontrolle
gestellt. Dies ist Voraussetzung um einen zukünftigen solidarischen Welthandel zu
ermöglichen, in dem sich der Gütertausch nicht am Primat der Profitmaximierung im
Kapitalinteresse ausrichtet.

2. Die Abschaffung des freien Kapitalverkehrs: Gewinne werden da besteuert wo sie
erzeugt wurden. Der Transfer von Kapital außerhalb Europas wird einer strikten Re-
gulierung unterworfen. Beschlagnahmung von Kapital das in Steueroasen transferiert
werden soll und Beschlagnahmung von Vermögen, auf das keine Steuern gezahlt
wurden.

3. Die Regulierung des Finanzmarkts: Alle Bankgeschäfte müssen mit 30% Eigenka-
pital abgesichert und staatlich genehmigt sein. Unregulierte Hedgefonds werden ver-
boten. Damit könnten die Akteure an den Finanzmärkten unter gesellschaftliche Kon-
trolle gestellt werden, gleichzeitig wäre ein Aufblähen des Umsatzes der Finanzwirt-
schaft auf ein Zigfaches der Realwirtschaft unmöglich gemacht.

4. Die massive Anhebung der Unternehmenssteuern für Kapitalgesellschaften. Die
großen Kapitalgesellschaften müssen deutlich höhere Steuersätze zahlen als Klein-
betriebe und mittelständische Betriebe.

5. Kapitaleinkünfte werden deutlich höher besteuert als Arbeitseinkommen.

6. Die Einführung einer Vermögenssteuer von 5% um die ungleiche Vermögensver-
teilung in der Gesellschaft abzubauen.
7. Die Einführung progressiver Erbschaftssteuern, die einen Großteil vererbter Kapi-
talvermögen dem Staatshaushalt zuführen.

8. Eine gemeinsame europäische Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, die langfris-
tig zu einer Angleichung der Lebensverhältnisse in Europa führt. Die Produktivitäts-
fortschritte müssen dazu dienen die allgemeine Arbeitsbelastung zu reduzieren und
nicht die kapitalistischen Profite zu vermehren.

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9. Wohnen, Ernährung, Gesundheitsversorgung, Altersversorgung, Bildung, Mobilität,
Energieversorgung und Kommunikation müssen dem gesellschaftlichen Allgemein-
wohl dienen. Diese Bereiche werden unter demokratische gesellschaftliche Kontrolle
gestellt, müssen nach betriebswirtschaftlichen Kriterien kostendeckend arbeiten, aber
keinen kapitalistischen Profit erwirtschaften.

10. Alle Einkommensarten (Lohnabhängige, Selbstständige, Kapitalbesitzer) müssen
gleichermaßen in die allgemeine Gesundheitsversorgung und Altersvorsorge einzah-
len. Die Beitragssätze sind progressiv zu gestalten.

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