A Moon Landing? What Moon Landing?

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A Moon Landing? What Moon Landing?
A Moon Landing?
What Moon Landing?
Eine der spannendsten Storys zur Mondlandung
geht so: Hat gar nie stattgefunden, alles nur
grosses Kino. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Der
Mond ist seit jeher ein Sehnsuchtsort und gross-
artiger Imaginationsraum, bei dem Faktisches und
Phantastisches leicht durcheinandergeraten.

Von Roland Fischer

Es ist das Easy Target für Verschwörungs-
theorie-Buster: Die Mondlandung? Hat gar
nie stattgefunden, ein Propagandastunt,
und dabei irgendwie viel unterhaltsamer
und auf jeden Fall weniger düster als all
die 9/11-Geschichten. Die Theorien sind alle                                                              Fledermaus-Mondmenschen (New York Sun, 1835).
schon zur Genüge zerpflückt worden – um
die Für- und Wider-Argumentationen soll
es hier deshalb gar nicht gehen. Sondern
um die Frage, warum Tatsachen und Er-            Inhalt als ebenso inspirierend wie die frivole   einen Flug bis hinauf zu den Grenzen des
fundenes im Fall des Mondes so leicht            Behauptung, dass alles «wahr» sei. Fiktion,      irdischen Himmels und darüber hinaus
durcheinandergeraten, beziehungsweise            die sich als Fakt ausgibt. Der Engländer         zumindest denkbar machen – der Ballon-
wie sich Faktisches und Phantastisches zu-       Francis Godwin zum Beispiel schickt um           flug war zum alltäglichen Spektakel
einander verhält, man könnte auch sagen:         1630 herum einen «fliegenden Wanders-            geworden und das astronomische Wissen
die helle und die dunkle Seite des Mondes.       mann nach dem Mond» (im Original: «The           immer fundierter. Eigenartigerweise
Und da geht die Geschichte viel weiter als       Man in the Moone, or a Discourse of a            verschwimmen genau jetzt endgültig die
bloss 50 Jahre zurück.                           Voyage thither, by Domingo Gonsales, the         Grenzen zwischen Fakt und Fiktion. Der
                                                 Speedy Messenger»), und zwar mithilfe            erste richtige Moon-Hoax stammt aus
Fiktion, die sich zum Fakt fabuliert             von 25 handzahmen Schwänen und einem             dem Jahr 1835, erschienen als Serie von
Destination Mond. Unerreichbarer Sehn-           eigens konstruierten Fluggerüst. Bald            sechs Zeitungsartikeln in der New York Sun:
suchtsort, für Jahrtausende. Da oben kreist      folgt, nicht weniger fantastisch, Cyrano         «Great astronomical discoveries lately made
er, immer präsent, so nah und doch so            de Bergeracs «Reise zu den Mondstaaten           by Sir John Herschel, L. L. D. F. R. S. & c. At
fern. So hat er immer wieder die Phantasie       und Sonnenreichen» und schliesslich Rudolf       the Cape of Good Hope.»
beflügelt, buchstäblich. Die ersten Reise-       Erich Raspes Münchhausen, der auf seiner             Da wird munter eine sehr lebendige
berichte von Fahrten hinauf in den Himmel        Kanonenkugel auch auf dem Mond landet.           Mondrealität zusammengelogen, die sich
und zum Erdtrabanten sind fast so alt wie            Tatsächlich klingen diese Lügenge-           dank neuer Teleskope endlich beobachten
die Kultur. Einer der legendärsten Texte         schichten lange nach, bis ins Zeitalter der      lasse, inklusive seltsamer Fledermaus-
stammt von Lukian, aus dem 2. Jahr-              tatsächlichen Weltraumabenteuer. «Gagarin        menschen. Man sagt, das Blatt hätte
hundert nach Christus – er trägt den für         reiste auf einer Kanonenkugel – wie Baron        bald die höchste Auflage aller Zeitungen
die nächsten zwei Jahrtausende program-          Münchhausen!», schrieb ein deutscher             weltweit erreicht, manch anderer Ver-
matischen Titel «Wahre Geschichten».             Journalist 1965, um den Lesern einen             leger druckte die Serie eilig nach. Bloss
Manche halten es für die erste Science-          Begriff von der Wostok-Kapsel zu geben –         ein paar Monate zuvor hatte sich Edgar
Fiction-Geschichtensammlung der Welt-            mit dem vielleicht tatsächlich vernachlässig-    Allen Poe einen ähnlichen Spass erlaubt,
literatur, andere für eher leichtgewichtige      baren Unterschied, dass Gagarin in und           indem er einen «gewissen Hans Pfaall»
Satire. Jedenfalls segelt der fabulierlustige    nicht auf der Kugel flog.                        in einem «unvergleichlichen Abenteuer»
Ich-Erzähler zunächst aufs Meer hinaus                                                            auf den Mond schickte, und zwar exakt
und dann plötzlich, von einem heftigen           Fiktion wird zum möglichen Fakt                  am 1. April. Da angekommen hatte dieser
Sturm davongetragen, in den Himmel               Erst im 19. Jahrhundert wird aus dem             «kaum Zeit, zu bemerken, daß ringsherum
hinauf. Die Insel, an der das Schiff schliess-   wilden Fabulieren dann eigentliche Science-      das ganze Land, so weit das Auge reichte,
lich anlandet, erweist sich als der Mond.        Fiction, wird die Reise zum Mond zur litera-     mit winzigen Behausungen dicht über-
    Lukians Geschichten fanden in der Folge      risch-sachlichen Möglichkeitsform, weil die      sät war, als [er] auch schon kopfüber
viele Nachahmer, und dabei erwies sich der       technischen Errungenschaften inzwischen          mitten in eine schier phantastisch anmu-

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A Moon Landing? What Moon Landing?
Bilder © Commons Wikimedia
                                                                                                                                             Filmstreifen © iStock
                                                                                                 Per Geschoss auf den Mond
                                                                                                 (Jules Verne, 1865).

                                               Cyrano de Bergerac fliegt mithilfe von
                                               Flaschen voller Tau zu den Mondstaaten
                                               (1708).

Mit 25 Schwänen hinauf zum Mond
(Francis Godwin, 1630).

tende Stadt trudelte und in einer Riesen-      des amerikanischen Raumfahrtprogramms,            Moon. Und die Logik der Mondmythen
menge von häßlichen kleinen Leuten             glänzte nicht nur als Ingenieur, sondern          wird auf den Kopf gestellt: Waren die
landete.»                                      auch als Science-Fiction-Erzähler (nun ja, in     besten Geschichten bis dahin die, die sich
   Nun gibt es kein Halten mehr, Theorie,      ersterer Funktion vielleicht ein wenig mehr       diese Reise entgegen aller Wahrscheinlich-
Praxis und Imagination werden zusehends        als in letzterer): «Es gab nichts, was sich die   keit ausmalten, so funktioniert die span-
eins. Jules Verne schickt drei Abenteurer in   beiden Männer jetzt noch zu sagen hätten.         nendste Mär nun so: Es ist alles nur vor-
einer raketenähnlichen Kanonenkugel zum        Johns Gedanken waren bei seiner Frau und          gespielt, ein grosses Komplott. Die Realität,
Mond hinauf und missbraucht dabei die          seinen beiden Kindern, die er an diesem           sie ist in Tat und Wahrheit ganz anders.
Romanform ein wenig, weil er eigentlich        Morgen auf dem fünfzehn Kilometer                 Die Mondlandung eine tolle Inszenierung;
ein populärwissenschaftliches Sachbuch         entfernten Stützpunkt verlassen hatte.            waren die Amerikaner nicht die Herren der
schreibt, in das er alles damals vorhandene    Seine und Larrys Frau wussten, wohin die          Traumfabrik?
Wissen packt – er feiert mit dem Rezept        Reise gehen sollte. [...] Die beiden Männer
(nicht nur beim Mond) riesige Erfolge.         hatten sich über ein Jahr lang auf dieses         Fakt wird Fiktion
   Ein nächstes Update liefert dann H.G.       grösste Abenteuer ihres Lebens, die erste         «A Moon Landing? What Moon Landing?»,
Wells mit «The First Men in the Moon»,         Reise nach dem Mond, vorbereitet.» (First         titelte die New York Times tatsächlich schon
1901. Inzwischen aber hatte sich der Film      Men to the Moon, 1960)                            im Dezember 1969. Der am Rand an den
zum gültigen Medium für Imaginationen                                                            Raketenprogrammen beteiligte Bill Kaysing
gemausert, Melies hatte sich bei Verne         Fiktion wird Fakt                                 lieferte 1976 schliesslich die Blaupause
bedient und ebenfalls eine Kugel auf den       Und dann also: Fiktion wird Realität. So          für alle weiteren Theorien, dass die Mond-
Mond geschossen, diesmal diesem mitten         stellt man sich Science-Fiction ja gemein-        landung gestaged war: «We Never Went to
ins Gesicht. Richtig chaotisch wird es dann    hin vor: Als Futurologie mit literarischen        the Moon» betitelte er sein fotokopiertes
mit der Frau im Mond von Fritz Lang, der       Mitteln, als Spekulation einer gewiss früher      Pamphlet. Amüsanterweise hat das wie
einen kleinen Vorgeschmack liefert auf den     oder später eintreffenden Realität. Präsident     immer sehr hellsichtige Hollywood sogar
unterhaltungsindustriell-technologischen       Kennedy selber hatte die Marschrichtung           diese Verschwörungstheorien vorweg-
Komplex, der viele Verschwörungstheorien       vorgegeben: «Nun ist es an der Zeit,              genommen. Wer erinnert sich noch an
auszeichnen wird: die Verbindung nämlich       grössere Schritte zu machen. Zeit für             James Bonds Diamantenfieberabenteuer
von Raumfahrttechnologie und Film. Lang        ein neues, grosses amerikanisches Unter-          aus dem Jahr 1971? In einer Verfolgungs-
holte sich Hermann Oberth als wissen-          nehmen. Zeit dafür, dass diese Nation eine        jagdszene stolpert Bond da plötzlich in
schaftlichen Berater mit ins (Raum-)Boot,      klar führende Rolle im All einnimmt, die in       ein billiges Filmset hinein, in dem ein paar
und dieser nutzte das grosszügige Filmpro-     vielerlei Hinsicht der Schlüssel für unsere       Astronauten gerade Mondlandung spielen.
duktionsbudget gern, um Tricktechnik und       Zukunft auf der Erde sein könnte.» 1969           Und rasch mit dem Mondmobil wieder
echte Raketenforschung zu kombinieren.         wird von Brauns langjähriger Traum wahr,          aus ihm heraus, kleiner Scherz am Rande,
Auch Wernher von Braun, das «Gehirn»           die Amerikaner gewinnen das Race to the           weiter geht die Action.

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A Moon Landing? What Moon Landing?
Bereits 1929 spazierten Menschen über den Mond – im Film «Frau im Mond» von Fritz Lang. ( © alamy)

Sehr viel verbissener wird an Ideen fest-        geschildert, die sie selbst erlebt haben            dings sind selbst die meisten Astrophysiker
gehalten, Stanley Kubrick hätte sich von         wollen, ein typisches Merkmal dessen,               und Astrophysikerinnen überzeugt davon,
der NASA überreden lassen, seine bei             was man auf Erden Seemannsgarn nennt.»              dass wir nicht allein im Universum sind.
«2001: A Space Odyssey» gesammelte                   Vor allem aber macht Wisnewski deut-            Gleichzeitig wissen wir mit grosser Sicher-
Weltall-Filmerfahrung für ein narrensicheres     lich, dass es sich bei der Mondlandung um           heit, dass Reisen hin zu diesen anderen
Backup des nie und nimmer realisierbaren         eine Geschichte von grosser erzählerischer          Zivilisationen (zumindest für uns) un-
Kennedy-Ziels einer Mondlandung bis Ende         Kraft handelt, also (trotz aller Fakten) um         möglich sind. Dass wir sie also nur – und
der 1960er Jahre zu nutzen. Es gibt einen        einen Mythos – der dann ja auch ent-                umso besser – in der Phantasie unter-
amüsanten Mockumentary-Film dazu, eine           sprechend politisch ausgeschlachtet wurde.          nehmen können.
wilde Collage von frech Erfundenem und           Aber dasselbe gilt natürlich auch für die           So muss die ketzerische Frage erlaubt
schamlos aus dem Zusammenhang Ge-                Verschwörungstheorien. Wir haben es also            sein, zum Schluss: Wie wichtig sind denn
rissenem. Sein Titel? «The Dark Side of          mit einem Kampf der narrativen Titanen zu           die naturwissenschaftlichen Fakten, die
the Moon».                                       tun: Auf der einen Seite das waffenlose             382 Kilo Gestein, die wir vom Mond mit-
    Auch wenn sie immer wieder verspottet        Duell zweier Grossmächte und der Triumph            gebracht haben, verglichen mit all den
worden sind – die Zweifler verstummten           der menschlich-technischen Vorstellungs-            Imaginationsräumen, die das All auftut, der
nie, bis heute nicht. Ein lesenswertes           und Gestaltungskraft. Auf der anderen               grosse Welt-Raum dahinter? Ein grauer
Beispiel ist «Lügen im Weltraum» von             Seite die hartnäckige Skepsis am (Staats-)          Steinhaufen, ohne jedes Leben – da stellt
Gerhard Wisnewski, erschienen 2005. Es           Apparat, die faszinierende Möglichkeit,             man sich doch lieber unerreichbare und
gibt da, neben allerlei Faktenhuberei, auch      dass alles ganz anders sein könnte, das             eigentümliche Planeten vor:
eine Menge spannender Passagen: «Und             ultimative «Die haben uns reingelegt!».
schließlich gibt es noch einen weiteren                                                              Space, the final frontier
Grund für Skepsis, nämlich den, dass es          Die Gedanken sind frei                              These are the voyages of the Starship
sich beim Weltraum um einen Schauplatz           Und alles dreht sich um den Mond – nicht            Enterprise
handelt, wie es ihn in der Geschichte der        als astronomisches Objekt, sondern als              To explore strange new worlds
Menschheit noch nie gegeben hat. Außer           Möglichkeitsraum. Lange hat man                     To seek out new life
den Weltraummächten kann niemand                 sich diesen Raum ganz selbstverständlich            And new civilizations
dort hin, um mal nach dem Rechten zu             als bewohnt vorgestellt. Das restliche              To boldly go where no man has gone
sehen beziehungsweise danach, ob die             All hingegen – dazu gab es kaum klare               before
ganzen Geschichten über die helden-              Vorstellungen. Auf dem Mars mochte es
haften Raummissionen auch stimmen.               auch noch Leben geben, aber darüber                 Die Gedanken, sie sind immer noch frei.
Der Weltraum ist deshalb für eine Lüge           hinaus? Nun, da wir wissen, dass wir in
wie geschaffen. Die dort bestandenen             näherer kosmischer Nachbarschaft ziemlich           Autor: Roland Fischer
Abenteuer werden bis auf den heutigen            verloren sind, geht der Blick wieder in die         ist Wissenschaftsjournalist in Bern,
Tag praktisch ausschließlich von jenen           Weite, und mit ihm die Imagination. Neuer-          roland.fischer@buero.io

16   UniPress   177/2019                                           Bern im All
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