ABDOS-Mitteilungen - Arbeitsgemeinschaft der Bibliotheken und Dokumentationsstellen der Ost-, Ostmittel- und Südosteuropaforschung e.V 30 ...

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Arbeitsgemeinschaft der Bibliotheken und
Dokumentationsstellen der Ost-, Ostmittel-
und Südosteuropaforschung e.V.

ABDOS -Mitteilungen

30 (2010), Nr. 1
ISSN 1432-4857
Verlag Otto Sagner
                                                      - 978-3-631-74261-7
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                                        via Nicolaus Copernicus University
ABDOS-Mitteilungen 30 (2010), Nr. 1

Herausgeber        Arbeitsgemeinschaft der Bibliotheken und
                   Dokumentationsstellen der Ost-, Ostmittel-
                   und Südosteuropaforschung e.V.

1. Vorsitzender    Dr. Jürgen Warmbrunn
                   c/o Herder-Institut, Bibliothek
                   Gisonenweg 5-7
                   D-35037 Marburg
                   Telefon 06421/184-150 Fax 06421/184-139
                   warmbrun@staff.uni-marburg.de

Redaktion          Dr. Hans-Jakob Tebarth
                   c/o Martin-Opitz-Bibliothek
                   Berliner Platz 5
                   44623 Herne
                   Telefon 02323/16-2106 Fax 02323/16-2609
                   hans-jakob.tebarth@herne.de

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                   Verlag Otto Sagner
                   c/o Kubon & Sagner GmbH
                   Heßstraße 39/41
                   80798 München
                   Telefon 089/54218-106 Fax 089/54218-226
                   verlag@kubon-sagner.de

                   Der Preis pro Jahrgang beträgt EUR 12,00 inkl. Versand
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Für die in den Mitteilungen veröffentlichten Beiträge sind die Autorinnen
und Autoren verantwortlich. Nachdruck unter Angabe der Quelle gegen zwei
Belegexemplare an die Redaktion erlaubt.
Beiträge werden an die Redaktion erbeten.

© bei ABDOS e.V.
Druck und Bindung: Kubon & Sagner GmbH, München
Printed in Germany
ISSN 1432-4857
                                                                                 - 978-3-631-74261-7
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Editorial                                                 Inhalt
Liebe Leserinnen und Leser,                               Beiträge
liebe Kolleginnen und Kollegen,
                                                          Wolfgang Kessler
im Mai dieses Jahres fand die 39. ABDOS-Tagung in         Bibliotheken zur deutschen Geschichte
Regensburg im Wissenschaftszentrum Ost- und Süd-          und Kultur im östlichen Europe in der
osteuropa (WiOS) statt und bot ein reichhaltiges und      Bundesrepublik Deutschland ..................... 1
fundiertes Programm aus dem Spektrum unseres Ar-
beitsgebiets. Einen ausführlichen Tagungsbericht von      Gerhardt Hochstrasser
Marta Nadraga (Lviv, Ukraine) finden Sie auf der Site      Kurzer Überblick über die speziell
http://www.bi-international.de/download/file/2010_
Konf_ABDOS_Nadraga.pdf. Soviel vorab: Die Ta-
                                                          für den Schulgebrauch gedachten
gung war ausgezeichnet vorbereitet und bot viel bis       hebräisch-deutschen Bibeldrucke im
hin zum kulturellen Begleitprogramm. Das Protokoll        Königreich Ungarn ..................................... 22
der in die Tagung eingebetteten Mitgliederversamm-
lung finden Sie in diesem Heft. Die Tagung 2011 wird       Berichte
in Ljubljana (Slowenien) stattfinden. Bitte beachten       Neue Musik in Polen und Russland ..                        28
Sie rechtzeitig die Anmeldeinformationen und den
                                                          Elisabeth Simon
Call for Papers auf der ABDOS-Homepage.
    Zum vorliegenden Heft lässt sich wenig mehr sa-       Protokoll der Mitgliederversamm-
gen, als dass es wieder sehr umfangreich geworden ist     lung anlässlich der 39. ABDOS-
– und dass es leider wieder rund drei Monate später       Tagung in Regensburg
als geplant erscheint. Deshalb appelliert die Redakti-
on nochmals an alle ABDOS-Mitglieder, sich aktiv an       am 11. Mai 2010 ........................................... 31
der Gestaltung unseres Mediums zu beteiligen. Dies        Neue Publikationen ...................................... 33
gilt sowohl für Beiträge als auch für Rezensionen.
Auch auf die Möglichkeit, eigene Veranstaltungen an-
                                                          Miszellen und Ankündigungen ................ 56
zukündigen und entsprechende Tagungs- oder Event-
                                                          __________________________________________
berichte zu publizieren, sei noch einmal ausdrücklich
hingewiesen. Auch wenn das Internet zweifellos die
tagesaktuellste Möglichkeit zur Vor- und Nachberei-
tung von Tagungen bietet, ist das Medium Zeitschrift      Wolfgang Kessler
längst noch nicht überholt – und es wirkt nicht nur für
Bibliothekare dauerhafter ...                             Bibliotheken zur deutschen Geschichte und
    Die Artikel für Heft 2/2010 liegen bereits vor oder
sind fest zugesagt, so dass „nur noch“ die Rezensio-
                                                          Kultur im östlichen Europe in der Bundes-
nen eingeholt werden müssen. Aber dafür gibt es ja        republik Deutschland
bewährte Autoren, auch wenn der Stamm erweitert
werden sollte. Der im ABDOS-Protokoll angekündig-                     Historische Voraussetzungen
te Artikel zur Vorstellung einer Bibliothek in Südost-    Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem östli-
europa ist derzeit noch nicht zugesagt. So gilt auch in   chen Europa in der Folge des Zweiten Weltkriegs be-
dieser Frage der Aufruf zu aktiver Mitarbeit.             deuteten – Sonderentwicklungen und das Wiederent-
    Auf die beiden längeren Beiträge dieser Ausgabe       stehen organisierter deutscher Gruppen seit 1989
sei ausdrücklich hingewiesen. Auch wenn die Biblio-       ausgeblendet – das Ende von deutscher Geschichte,
theken zur deutschen Geschichte und Kultur im öst-        Sprache und Kultur im östlichen Europa.
lichen Europa nur einen kleinen Ausschnitt aus dem           Der seit dem Mittelalter insbesondere im östlichen
Arbeitsgebiet der ABDOS ausmachen, so „bedienen“          Europa weit die Grenzen der deutschsprachigen Staa-
sie doch einen wichtigen Bereich der historischen         ten überschreitende deutsche Sprachraum1 wurde bis
Forschung. Die Zukunft dieser Sammlungen gilt es in       auf wenige Ausnahmen2 wesentlich auf die heutigen
den kommenden Jahren zu planen und sichern.               Grenzen Deutschlands und Österreichs, die deutsch-
    Auch der Artikel von Gerhardt Hochstrasser sei        sprachige Schweiz und die deutsche Sprachgruppe
ausdrücklich zur Lektüre empfohlen. Er wird in Heft       Belgiens reduziert. Das Deutsche wurde in den Regi-
2/2010 eine Fortsetzung erfahren.                         onen von der „Muttersprache“ zur Fremdsprache.
                              Ihr Hans-Jakob Tebarth         Geblieben sind die historische Überlieferung und
                                    (für die Redaktion)   – im Wechsel der Generationen – die Erinnerung,

ABDOS-Mitteilungen 30 (2010), Nr. 1                                                    - 978-3-631-74261-7            1
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                                                                         via Nicolaus Copernicus University
vor allem aber Erinnerungsorte und Anstoßpunkte            eigentlich – nimmt man den Gesetzestext ernst – jetzt
der deutschen Geschichte und Kulturgeschichte so-          und in Zukunft Anspruch auf eine der Bedeutung der
wie nicht mehr deutschsprachige Erinnerungsorte            hier zu berücksichtigenden historischen Kulturräume
wie Kants Königsberg oder Kafkas Prag als Teil des         adäquate Sammlung, Erschließung und Benutzbar-
nationalen kulturellen Gedächtnisses. Die deutsche         keit, auch und weil sich das Interesse im Wechsel der
Geschichte bleibt ohne Kenntnis der historischen           Generationen und mit der technischen und der kultu-
Grenzen und Kulturräume unverständlich, der Staat          rellen Entwicklung verändert. Die Gegnerforschung
Preußen mit einem Territorium, das heute in Russland       ist zum Glück Vergangenheit, der Umgang mit den
und zur guten Hälfte in Polen liegt, als Faktor der        Verbündeten und Partnern in EU und NATO braucht
deutschen Geschichte ebenso wie die Konflikte zwi-          eine Informationskultur, die auch Kontroverses nicht
schen „großdeutsch“ und „kleindeutsch“ im 19. Jahr-        ausblendet – und dafür starke Bibliotheken und Ar-
hundert, der Friede von Versailles oder der Zweite         chive. Diese Maxime erfordert Zukunftssicherung,
Weltkrieg – historische Fakten, die Deutschland und        auch gegen bestehende Strukturen.
seine östlichen Nachbarn verbinden und trennen.
    Je nach Landschaft und Siedlungsgebiet hat                        Bibliothekarische Ausgangslage
die deutsche Geschichte in unterschiedlichen Kon-              Archive und Bibliotheken, gerne gelobt als nati-
stellationen zwischen Dominanz und Marginalität            onale Gedächtnisspeicher und als „Schatzhäuser“4,
zwischen 70 Jahre (in Bosnien) und 700 Jahre (in           haben weltweit – wohl weil sie in ihrer Tätigkeit
Schlesien) gedauert. Eine einheitliche Erinnerung          langfristig angelegt sind und wenig publicityträchti-
existiert ebenso wenig im kulturellen Gedächtnis der       ge Eventmöglichkeiten bieten – keine Lobby. Biblio-
Deutschen und ihrer östlichen Nachbarnationen wie          theken sind das Gedächtnis einer Nation auch für die
im kommunikativen und im individuellen Gedächtnis          Teilräume der Geschichte, die – wie der historische
der Betroffenen und ihrer Nachfahren.3 Kontroverse         deutsche Sprachraum im östlichen Europa – heute
Themen haben lange den Umgang mit der gemeinsa-            Vergangenheit sind und als Nationalgeschichte nicht
men Geschichte bestimmt.                                   fortgeschrieben werden können. Bibliotheken haben
    Texte bewahren und vermitteln in der europäischen      es, wesentlich nur durch Leseleistung zu bewältigen-
Tradition Information, Wissen, Meinung, Erinnerung         de individuelle Nachfrage voraussetzend, weltweit
und Unterhaltung. Archive und Bibliotheken erhalten        schwer, sich gegenüber öffentlichkeitswirksameren
sie über kurzlebige Konjunkturen hinaus langfristig        Einrichtungen wie Museen oder Konzerthallen und
und generationsübergreifend. Sie sind Grundlage für        Massenmedien zu behaupten. Während Museen ihr
alle Formen kultureller Bildung und für im weitesten       Angebot didaktisch verkürzen und exemplarisch auf-
Sinne historische und kulturhistorische Forschung.         bereiten müssen, sind Bibliotheken und Archive auch
    Grundsätzlich ist die Überlieferung der „Ver-          der Ort des individuellen Gedächtnisses. Hier wird
treibungsgebiete“, wie sie 1953 das Gesetz über die        sozusagen jeder pommersche oder schlesische Kirch-
Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge           turm dokumentiert. Um sich zu ergänzen, müssen
(Bundesvertriebenengesetz, BVFG) definiert hat, ge-         beide Bereiche in der Lage sein, aktiv zu sammeln
genüber der innerdeutschen benachteiligt, ist doch         und auf ihre spezifische Weise in die Breite zu wirken.
ihre gewachsene bibliothekarische und archivarische        Die wissenschaftliche Forschung braucht die speziel-
Überlieferung nur im weit entfernten Ausland zugäng-       le Information, und die Erinnerung hält sich über Ge-
lich. Diese Benachteiligung zu mindern, ist – über         nerationen. Beide Interessen sind kein Widerspruch,
die grundlegende wissenschaftliche Funktion hinaus         sondern ergänzen sich. Die hier einschlägigen Spezi-
– kultureller, politischer und sozialer Auftrag der hier   albibliotheken arbeiten komplementär zum übrigen
beschriebenen Einrichtungen, lässt sich doch mit Ver-      wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliothekswe-
gessen und Verdrängen weder ein stabiles nationales        sen und entlasten dieses wesentlich. Flucht und Ver-
noch ein europäisches Geschichtsbild schaffen. Das         treibung, die nur den Endpunkt einer jahrhundertelan-
gilt für die Vertriebenen und ihre Nachfahren, deren       gen Entwicklung markieren, sowie die Integration der
Überlieferungsanteil an der gesamten nationalen Ge-        deutschen Vertriebenen und Aussiedler bilden dabei
schichte und Kulturgeschichte – verglichen mit Lan-        nur einen als historischen Fixpunkt in der jüngsten öf-
desbibliotheken und -archiven in den heutigen Gren-        fentlichen Diskussion überbewerteten Teilaspekt.
zen Deutschlands – nur ausgesprochen bescheiden,               Die Sammlung des Schriftgutes aus und über die
um nicht zu sagen ärmlich präsentiert werden kann.         historischen deutschen Sprachräume in Ost-, Ostmit-
Das gilt aber auch für „das deutsche Volk und das Aus-     tel- und Südosteuropa gehört nicht zu den Kernauf-
land“, die der Gesetzgeber in § 96 BVFG als Adres-         gaben der deutschen Bibliotheken, auch wenn sich in
saten der seiner Meinung erforderlichen kulturellen        den historischen Beständen zahlreiche einschlägige
Maßnahmen nennt. Alle genannten Zielgruppen hätten         Titel finden.5 Die Erhaltung und Vermittlung der spe-

2                                                                    ABDOS-Mitteilungen 30 (2010),            Nr. 1
                                                                                                     - 978-3-631-74261-7
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zifisch regionalen textlichen und ikonographischen          wissenschaftliche Bibliothekswesen erst wieder auf-
Überlieferung ist für die Länder der Bundesrepub-          gebaut werden. Die Überlieferung des politisch nicht
lik Deutschland und ihre historischen Regionen die         verloren sein dürfenden, offiziell so zu nennenden
Aufgabe von Landes- und Regionalbibliotheken. Die          „Ostdeutschland“8 und noch weniger der nach dem
Zeitschriften-Datenbank systematiert die Regionalge-       Stand von 1937 „auslandsdeutschen“ Gruppen spielte
schichte dieser Gebiete in die ZDB-Fachgruppe 370:         in den wieder aktivierten Sammlungen keine Rolle.
Landesgeschichte außerdeutscher Länder.6                       Der Nachfrage der sich mit der Gründung der
    In den Landschaften des östlichen Europa mit deut-     Bundesrepublik Deutschland wieder etablierenden
schen und deutschsprachigen historisch-politischen,        „Ostforschung“ und aus den Reihen der deutschen
gesellschaftlichen und kulturellen Bezügen nehmen          „Ostvertriebenen“ für die „Kulturarbeit“, zur indi-
sich die regional zuständigen Archive und Bibliothe-       viduellen Erinnerung, aber auch zum Nachweis für
ken dieser Aufgabe an, sind sie doch für das gesamte       den „Lastenausgleich“ konnte das im Wiederaufbau
historische und aktuelle Schriftgut mit entsprechen-       befindliche westdeutsche Bibliothekswesen nicht
dem Regionalbezug zuständig.7 Diese Sammlungen             nachkommen. Die Altbestände waren überregional
werden zumeist als Präsenzbibliothek geführt und           praktisch nicht nachgewiesen. Hektographierte und
sind seit der Wende 1989/90 ohne weiteres am Ort           gedruckte Bestandsverzeichnisse waren erste Hilfs-
zugänglich.                                                mittel.9 Wesentliche einschlägige Altbestände besaßen
    Mit dem Verlust bzw. der Nichtzugänglichkeit der       die Bayerische Staatsbibliothek, die Niedersächsische
bedeutenden Bibliotheken in Königsberg (Pr), Breslau       Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen und ei-
und Stettin und der weitgehenden Unzugänglichkeit          nige ältere Universitätsbibliotheken in den Westzo-
der entsprechenden Bestände in der SBZ bzw. DDR            nen. Die Westdeutsche Bibliothek in Marburg besaß
war die den preußischen Osten betreffende Literatur        nur einen Teil der Bestände der bis 1990 geteilten
im Gebiet der „Westzonen“ bzw. seit 1949 der „al-          Preußischen Staatsbibliothek.10
ten“ Bundesrepublik vielfach nicht mehr benutzbar.             Heute sind vor allem folgende Altbestände für das
Nach Auslagerungen und Kriegsverlusten musste das          regionale Sammelgebiet relevant:

                                    Bibliotheken                                              Überregionaler Be-
                                                                                              standsnachweis11
 A.                                 Bedeutende Altbestände
 Staatsbibliothek Preußischer       Altbestände vor allem aus Pflichtexemplaren vor 1945;      GBV
 Kulturbesitz, Berlin (1)           nicht aktiv weiter ausgebaut
 Bayerische Staatsbibliothek        Altbestände aus Sammeltätigkeit vor 1945; nur im All-     BVB
 München (12)                       gemeinen, nicht im Speziellen weiter ausgebaut            ZDB
 Sächsische Landesbibliothek        Landesbibliothek des Freistaates Sachsen                  SWB
 – Staats- und Universitätsbibli-   Sammlung, Pflege und wissenschaftliche Betreuung           ZDB
 othek Dresden (19)                 der wertvollen Bestände der sächsischen, nationalen
                                    und internationalen Literatur und Buchkultur mit sehr
                                    guten Altbeständen vor allem zu Schlesien
                                    Sammlung und Archivierung von Literatur, Bild- und
                                    Tonträgern über Sachsen
 Deutsche Nationalbibliothek,       Vollständigste Sammlung der deutschen Drucke seit         KVK
 Abt. Leipzig (Deutsche Büche-      1913, in Leipzig seit 1945 Sammlung der fremdspra-        ZDB
 rei) (101a)                        chigen „Germanica“, darunter auch Titel zur deutschen
                                    Geschichte und Kultur im östlichen Europa
 Bibliothek des Instituts für       Vollständigste Sammlung an deutschen Publikationen        SWB
 Auslandsbeziehungen (IfA),         im Ausland 1917-1940.                                     ZDB
 Stuttgart (212)12
 Österreichische                    Sehr guter Bestand für die Länder der österreichischen    ÖNB-Katalog    über
 Nationalbibliothek(ÖNB), Wien      Reichshälfte bis zum Erscheinungsjahr 1914/ 1918          KVK zugänglich
                                    Die jeweils zuständigen Regional- und Nationalbibli-
                                    otheken in den Regionen bzw. Staaten berücksichtigen
                                    mit unterschiedlicher Intensität den Bereich nach § 96
                                    BVFG. – In der Regel Präsenzbestände

Die Altbestände ergänzen wesentlich die nach 1945          in Hannover13 und die mit der „Sammlung deutscher
entstandenen Sammlungen, wurden und werden aller-          Drucke“ beauftragten Bibliotheken14, für die Frühe
dings nicht aktiv ausgebaut. Ausnahmen bildeten bzw.       Neuzeit insbesondere auch die Herzog August-Bibli-
bilden nur die in den 1990er Jahren eingestellte „Ost-     othek in Wolfenbüttel15. Für spezielle Fragen sind oft
sammlung“ der Niedersächsischen Landesbibliothek           die Altbestände der Zentralen Fachbibliotheken (z.B.

ABDOS-Mitteilungen 30 (2010), Nr. 1                                                     - 978-3-631-74261-7         3
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Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften in      Wissenschaft, Publizistik und Literatur nach Mög-
Kiel16 oder die Bestände der ehemaligen Deutschen       lichkeit im Original, sonst als Sekundärform oder
Zentralbibliothek der Landbauwissenschaften in          Reproduktion in Deutschland zugänglich zu machen.
Bonn) und, soweit Deutsche außerhalb der Grenzen        Da die Literaturversorgung aus dem Ausland kom-
des Deutschen Reiches von 1937 zwischen 1917 und        pliziert, zeitraubend und teuer ist und digitale Bibli-
1941 betroffen sind, die Bibliothek des Instituts für   otheken wegen des Urheberrechts nur ältere Literatur
Auslandsbeziehungen in Stuttgart ergiebig. Die seit     zugänglich machen können, ist der Auftrag des § 96
dem Ersten Weltkrieg an verschiedenen Standorten        BVFG, „für die Vertriebenen und das Deutsche Volk“
gesammelten Bestände zum „Auslandsdeutschtum“17         nur durch entsprechende Institutionalisierung im In-
wurden nach 1945 nicht weiter ausgebaut.                land gewährleistbar. Ziel im Sinne des Gesetzes ist,
    Dieses Defizit füllten seit 1949 Spezialbibliothe-   für die interessierte Öffentlichkeit auf allen Nachfra-
ken aus. Die erste Neugründung war 1949 die Büche-      geebenen von der Wissenschaft bis zum individuellen
rei des deutschen Ostens als kommunale Einrichtung      Interesse24 auch im speziellen Fall das Schriftgut der
der Stadt Herne mit überregionalem Kulturauftrag        „Vertreibungsgebiete“, d.h. Texte, Bilder, Landkar-
in einer Zeit, als kulturelle Fragen noch außerhalb     ten usw., aus der und über die deutsche Kultur und
der Perspektiven der Landesflüchtlingsverwaltungen       Geschichte im östlichen Europa möglichst barriere-
lagen. Sie sammelte über die Landesgeschichte hin-      frei bereit zu halten. Es gibt Betroffene in den nach-
aus auch Veröffentlichungen eher heimatkundlichen       geborenen Generationen, die unter Aufgreifen des im
Zuschnitts wie Heimatbücher18, dazu Schöne Litera-      verbandspolitischen Raum 2010 frisch aktualisierten
tur mit entsprechendem Regionalbezug und die Pu-        Opferdiskurses den erschwerten Informationszugang
blikationen der deutschen Vertriebenen. 1950 folgte     als Diskriminierung empfinden.
als Forschungsbibliothek die Bibliothek des Johann          Über den Auftrag des § 96 BVFG hinaus han-
Gottfried Herder-Instituts in Marburg (Lahn)19, dann    delt es sich bei der Sammlung und Erschließung von
Bibliotheken von Kulturwerken, der „Häuser des          Schriftgut aus dem historischen deutschen Sprach-
deutschen Ostens“, aber auch – mit engerem Regio-       raum im östlichen Europa und über die Deutschen
nalbezug – Bibliotheken von Instituten und Organi-      und Deutschland in diesem Raum (auch in Fremd-
sationen.20 Hinzu kommen ehrenamtlich betreute Hei-     sprachen) um eine nationalbibliothekarische Aufgabe,
matsammlungen.21                                        die zudem im Speziellen, Regionalen die Sammlung
                                                        deutscher Drucke als kooperativen Ersatz für eine das
         Zielsetzung – gesetzlicher Auftrag             gesamte historische Schrifttum erfassende National-
   § 96 BVFG bestimmte 1953, dass zur Bewahrung         bibliothek ergänzt.
des „Kulturgutes der Vertreibungsgebiete“ Archive
und Bibliotheken zu erhalten, zu sichern und auszu-                 Politische, wissenschaftliche
bauen seien, doch waren in der Bilanz von zehn Jah-                   und kulturelle Relevanz
ren „Eingliederung“ Bibliotheken und Archive keiner         Der nicht mehr „deutsche Osten“ hat als Erinne-
besonderen Erwähnung wert.22 So überrascht es nicht,    rungsort der deutschen Geschichte einen bleibenden
dass noch die jüngste Grundsatzkonzeption der Bun-      Platz. Bei zahlreichen – im weitesten Sinne histori-
desregierung zur Umsetzung des Auftrags des § 96        schen – Fragestellungen aller Fachgebiete spielen die
BVFG aus dem Jahre 2000 zwar Überlegungen zu            preußischen Ostprovinzen in den Grenzen von 1914
Museen, Wissenschaft und „kultureller Breitenarbeit“    oder 1937 eine zentrale Rolle: Sei es Preußen als Kö-
enthält, aber keinen einzigen grundsätzlichen Gedan-    nigreich oder der Zweite Weltkrieg, sei es Kant als
ken zum im Gesetz ausdrücklich enthaltenen Auftrag      Philosoph oder Martin Opitz als „Vater der deutschen
zur Sammlung und Erhaltung von Schriftgut.23            Dichtung“, sei es die Bedeutung der deutschen Ver-
   In der Praxis unterhalten und fördern die Länder     triebenen in der Sozialgeschichte, aber auch der po-
nach dem aktuellen Stand (65 Jahre nach Kriegsende)     litischen Geschichte (Ostverträge) nach dem Zweiten
nur bestehende Einrichtungen, die auf ihrem Gebiet      Weltkrieg. Forschung, Publizistik usw. bedürfen der
ihren Sitz haben. Unter dem Gesamtaspekt fördert        Informationsmöglichkeit und des Zugangs zu Quel-
weitgehend nur der Bund. Zu diesem „Kulturparagra-      len, Materialien usw. Autoren der deutschsprachigen
phen“ gibt es keine Ausführungsverordnung oder ihn      Literatur von Kafka über Celan bis Herta Müller stam-
näher erläuternde Verwaltungsvorschrift. Er hat damit   men aus dem größeren deutschsprachigen Raum.
eher den Charakter einer Absichtserklärung ohne ein-        Hinzu kommt die Rolle der historischen Ost- und
klagbare Wirkungskraft.                                 der Siedlungsgebiete im kulturellen Gedächtnis der
   Nimmt man ihn ernst, muss das Ziel sein, die ge-     Deutschen, aber auch der ost-, ostmittel- und süd-
samte schriftliche und bildliche Überlieferung der      osteuropäischen Nachbarnationen wie auch das über
Vertreibungsgebiete, dazu ihre Weiterentwicklung in     Generationen fortwirkende kommunikative Gedächt-

4                                                                 ABDOS-Mitteilungen 30 (2010),            Nr. 1
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nis der Betroffenen und ihrer Nachfahren. Deren An-        ● Herder-Institut (Marburg/Lahn) mit einer gut
spruch, auch der individuellen Geschichte, der Fa-         ausgestatteten Bibliothek, Kartensammlung, Bild-
milienbiographie mit ähnlichen Möglichkeiten wie           archiv und Dokumentensammlung
dies Archive und Bibliotheken innerhalb der heutigen
Grenzen Deutschlands für ihre Bezugsregionen er-              Mit Ausnahme des BKGE übernehmen diese Ein-
möglichen, nachgehen zu können, ist nicht unbegrün-       richtungen auch – wie im Bibliothekswesen üblich
det. Das Regionale und das Individuelle mit seinem        – Aufgaben als Archive25, soweit nicht der Zuständig-
oft eminenten Quellenwert auch für die Wissenschaft       keitsbereich des Geheimen Staatsarchivs Preußischer
gehören traditionell in den Verantwortungsbereich         Kulturbesitz (Berlin) oder des Bundesarchivs betrof-
von Regionalbibliotheken und -archiven, deren Auf-        fen ist (wesentlich literarische und Privatnachlässe).
gaben für die „Vertreibungsgebiete“ in Deutschland            Die bundesgeförderten Museen für Pommern
nur die Einrichtungen, die auf der Grundlage des § 96     (Greifswald), Schlesien (Görlitz), Siebenbürgen
BVFG gefördert werden, wahrnehmen können.                 (Gundelsheim) und die Donauschwaben (Ulm) verfü-
    Die historische und kulturelle Überlieferung der      gen über für die Öffentlichkeit nicht oder nur einge-
„Vertreibungsgebiete“ ist im Kontext der deutschen        schränkt zugängliche Handbibliotheken, ebenso das
Geschichte und Kulturgeschichte, nicht aber als Lan-      Deutsche Kulturforum östliches Europa.
des- oder Regionalgeschichte in neuen staatlichen und         Ergänzt werden diese Bibliotheken, was die akti-
nationalen Kontexten, abgeschlossen. Ihre Überliefe-      ve Sammlung betrifft, durch Bibliotheken einer Reihe
rung wird aber auf unterschiedlichen Ebenen von der       ländergeförderter Einrichtungen sowie Bibliotheken
individuellen Erinnerung bis zur Wissenschaft weiter-     von Vereinen und Organisationen, die im Bereich des
entwickelt. Die Vertreibungsgebiete werden durch die      § 96 BVFG aktiv sind. Das vom Land Nordrhein-
Folgen des Zweiten Weltkriegs definiert. Sie bilden        Westfalen geförderte Oberschlesische Landesmuseum
keinen einheitlichen Geschichts- und Kulturraum. Da       (Ratingen) hat die Bibliothek als Informationszentrum
ihre Überlieferung wesentlich regional ausgeprägt         umgestaltet, das mangels hauptamtlicher Betreuung
ist, bedarf deren Bewahrung auch im Sinne deutscher       allerdings nur eingeschränkt wirken kann.
föderaler Traditionen eigener Institutionen, die aller-       Hinzu kommen weitere ländergeförderte Einrich-
dings keine Parallelstrukturen zu bestehenden Ein-        tungen, eine kommunale Einrichtung und zumeist von
richtungen ausbilden sollten, sondern in das deutsche     Heimatkreisen im Rahmen von Patenschaften unter-
Bibliotheks- und Archivwesen integriert sein müssen,      haltene ehrenamtlich betreute „Heimatstuben“.26
zugleich aber besondere Kooperationsvoraussetzun-             Nur die Martin-Opitz-Bibliothek bietet den erfor-
gen und -bedarf für die Zusammenarbeit mit Institu-       derlichen Service für alle historischen Ost- und Sied-
tionen in den betroffenen Regionen im östlichen Eu-       lungsgebiete im Rahmen der nationalen und interna-
ropa – heute überwiegend Partnerländern in EU und         tionalen Fernleihe.
NATO – haben.                                                 Die Bibliotheken arbeiten von Anfang an in der
                                                          ABDOS mit, innerhalb derer sie 1983 eine eigene
                     Institutionen                        Arbeitsgemeinschaft gegründet haben, die Arbeits-
   Um die Erfüllung dieses Gesetzesauftrags sicher-       gemeinschaft der Bibliotheken und Sammlungen zur
zustellen, fördert der Bund institutionell                deutschen Kultur und Geschichte im östlichen Eur-
- die Martin-Opitz-Bibliothek in Herne als zentrale       opa.27
  Bibliothek mit dem Auftrag der möglichst vollstän-
  digen Sammlung und der langfristigen Sicherstel-            Übersicht nach regionalen Sammelgebieten
  lung der überregionalen Literaturversorgung                 Auffällig sind die Dopplungen in manchen, vor
- wissenschaftliche Einrichtungen mit Präsenzbiblio-      allem den zentralen Bereichen. Da aber eine Gefähr-
  theken                                                  dung durch äußere Einwirkungen nie vollständig aus-
  ● Bundesinstitut für Geschichte und Kultur der Deut-    geschlossen werden kann, Ausleihe und Benutzung
  schen im östlichen Europa (Oldenburg, BKGE)             zudem stets eine Gefährdung mit sich bringen, ist es
  ● Institut für Kultur und Geschichte der Deutschen      aus Gründen der Bestandssicherung unabdingbar, ko-
  in Nordosteuropa (Lüneburg, IKGN)                       ordiniert und kooperativ parallele Ausleih- und Prä-
  ● Institut für deutsche Kultur und Geschichte Süd-      senzbestände zu unterhalten.
  osteuropas (München, IKGS)                                  Nicht berücksichtigt werden hier Bibliotheken, die
- als zentrale Service-Einrichtung für die historische    im Rahmen primär anderer Aufgabenstellungen auch
  Ostmitteleuropaforschung zusammen mit den Bun-          Schriftgut aus dem Aufgabenbereich des § 96 BVFG
  desländern im Rahmen der Wissenschaftsgemein-           wahrnehmen (zum Beispiel Geisteswissenschaftliches
  schaft Gottfried Wilhelm Leibniz                        Zentrum Ostmitteleuropa, Leipzig).

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B1                        Bibliotheken mit regional übergreifenden bundesweiten         Überregionaler Be-
                              und internationalen Aufgaben                                  standsnachweis

    Martin-Opitz-Bibliothek    -   sammelt und erschließt als einzige Bibliothek mit bun-   HBZ (Erwerbungen
    Herne                          desweiter Aufgabenstellung Literatur und Schriftgut      bis 1990, Gesamtbe-
    (Bibliothekssigel: 364)        aus allen Themenbereichen für den gesamten Bereich       stand im Verbundka-
                                   des § 96 BVFG mit dem Ziel der Vollständigkeit.          talog der öffentlichen
                               -   dient der nationalen und internationalen Literaturver-   Bibliotheken)
                                   sorgung über den nationalen und internationalen Bibli-
                                   otheksleihverkehr und direkte Dokumentenlieferung        VOE
                                   oder Ausleihe.
                               -   Alleinstellung in Bezug auf Sammlung zu Orten und
                                   Mikroregionen, zur deutschsprachigen Schönen Lite-
                                   ratur im östlichen Europa, zur literarischen Tätigkeit
                                   insbesondere von vertriebenen Autorinnen, von Erinne-
                                   rungsliteratur aus und über diesen Raum sowie zu In-
                                   tegrationen und Aktivitäten der deutschen Vertriebenen
                                   einschließlich ihrer Belletristik
                               -   Schwerpunkte Polen (insbesondere Westpolen = his-
                                   torische deutsche Ostgebiete), Königsberger Gebiet,
                                   Russlanddeutsche, Südostdeutsche
                               -   Koordinierung der Tätigkeiten kleinerer Bibliotheken
                               -   Sicherung von Beständen nicht mehr selbstständig be-
                                   treibbarer oder anders gefährdeter Bibliotheken (Über-
                                   nahme der Bibliotheken der Künstlergilde Esslingen
                                   und des Historischen Vereins für Ermland, von Heimat-
                                   sammlungen und Privatnachlässen)
                               -   Unterstützung von Heimatkreisen und –gruppen sowie
                                   interessierter Einzelpersonen außerhalb des wissen-
                                   schaftlichen und landsmannschaftlichen Kontextes
Wegen der „starken Durchsetzung“ der Herner „Be-         wesentlich verbesserter Personal- und Finanzausstat-
völkerung mit Ostdeutschen und des großen Anteils        tung sinnvoll war. Versuche der Abgabe an andere
an Ostvertriebenen“ beschloss der Kulturausschuss        Stellen scheiterten, gleichzeitig wurde klar, dass eine
des Herner Stadtrates am 16. Juli 1948 die Einrich-      Schließung eine Lücke in der Literaturversorgung be-
tung der „für ganz Deutschland gedachten Bücherei        deuten und die Erfüllung des Auftrags des BVFG an
des deutschen Ostens“ als „ostdeutsche Zentralbü-        „Bund und Länder“ im Bibliotheksbereich gefährden
cherei“ in Herne.28 Herne, in der Emscherzone des        würde.
Ruhrgebiets gelegen und im letzten Viertel des 19.           Nachdem eine erste Konzeption vorlag31, führten
Jahrhunderts stark durch Arbeitsmigration vor allem      nicht einfache Verhandlungen zwischen der Stadt
aus dem preußischen Osten expandiert und 1897 zur        Herne, dem Land Nordrhein-Westfalen und dem
Stadt erhoben, galt, im Zweiten Weltkrieg kaum zer-      Bundesministerium des Innern schließlich am 25.
stört, bis zur Währungsreform als „goldene Stadt des     September 1989 zur Errichtung der Stiftung Martin-
Westens“.29                                              Opitz-Bibliothek durch Stadt und Land bei finanzi-
    Mit dem Jahresbeginn 1949 nahm die Bücherei des      eller Verpflichtung des Bundes. Namensgeber war
deutschen Ostens ihre Tätigkeit auf und sicherte vor     Martin Opitz (1597-1637), der „Vater der deutschen
allem durch die – bis Ende der 1970er Jahre kosten-      Dichtung“, auch Historiker, dazu im Dienst schlesi-
lose – deutschlandweite Direktausleihe die Literatur-    scher und preußischer Adliger, des siebenbürgischen
versorgung in der Fläche. Viktor Kauder (1899-1985),     Fürsten und des polnischen Königs.32
der von 1926 bis 1945 die deutsche Bibliothek im             Finanziert wird die Stiftung seit 2000 zu einem
polnischen Kattowitz geleitet hatte, übernahm 1954       Drittel durch die Stadt Herne und zu zwei Dritteln im
bis 1965 die Leitung und verstand es, durch offensive    Wege der institutionellen Förderung durch den Beauf-
Information und vor allem gedruckte Bestandskatalo-      tragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
ge die Bibliothek in der gesamten damaligen Bundes-      (BKM). Für die Sammlung verfügt die Martin-Opitz-
republik bekannt zu machen.30 Mit der Bergbaukrise       Bibliothek seit 2009 – ausgesprochene Rara und teure
geriet die bis dahin durch die Bergbau-Monostruktur      Sammlungen ausgenommen – über derzeit ausrei-
wohlhabende Stadt in eine dauerhafte wirtschaftliche     chende Mittel, um außer für den Bereich der böhmi-
Krisenlage, unterhielt aber weiterhin, wenn auch auf     schen Länder und die baltischen Staaten ihre Bestän-
niedrigem Finanzniveau, die unvermindert stark über-     de in der Spitze auszubauen. Für Beratung und eine
regional nachgefragte Bücherei. In den 1980er Jahren     sichere schnelle Literaturversorgung (d.h. Lieferung
war unübersehbar, dass eine Weiterführung nur mit        von Dokumenten innerhalb von zwei bis drei Tagen)

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                                                                                      via Nicolaus Copernicus University
und – derzeit stark nachgefragt – Serviceleistungen           des Göttinger Arbeitskreises34 als Dauerleihgabe
wie Beratung und Unterstützung bei der Sicherung              übernommen und mit den nicht unbeträchtlichen
von Heimatsammlungen reichen die verfügbaren acht             eigenen Beständen zum „Archiv der Heimatpresse
Planstellen für die Bibliothek nicht aus (2009: 15.000,       der deutschen Vertriebenen“ zusammengefasst.
im Jahresschnitt seit 2000 immer mehr als 10.000          -   Beratung von kleineren Einrichtungen, Unterstüt-
Einheiten Zugang und knapp 20.000 Entleihungen).              zung zum Beispiel durch Übernahme des Dublet-
    Die Martin-Opitz-Bibliothek nimmt im Sinne der            tenmanagements
Grundsatzkonzeption des Bundes aus dem Jahre 2000         -   Führung des Verbundkatalogs Östliches Europa
neben den normalen Bibliotheksaufgaben (Erwer-                (VOE), der die Bestände von mittlerweile 25 Bibli-
bung, Katalogisierung, Benutzung) im Rahmen der               otheken, die überwiegend nicht an die regionalen
– für die Breite der Aufgabenstellung sehr schmalen           Verbundkataloge melden können, im Internet nach-
– finanziellen und personellen Möglichkeiten folgen-           weist
de für die Präsenz des Sammelbereichs in der Öffent-      -   Digitalisierung für andere Bibliotheken, Organisati-
lichkeit notwendige zentralen Bibliotheksaufgaben             on kooperativer Digitalisierungsprojekte, nur durch
wahr:                                                         1-Euro-Kräfte möglich.
- Systematischer retrospektiver und aktueller Bestand-    -   Überregionale Literaturversorgung, insbesondere
  sausbau mit dem Ziel der vollständigen Sammlun-             auch Buch- und Dokumentenlieferung für Gruppen,
  gen der einschlägigen deutschsprachigen sowie der           die keinen oder einen erschwerten Zugang zum
  wesentlichen fremdsprachigen Veröffentlichungen,            Leihverkehr der deutschen Bibliotheken haben
  soweit letztere – wie im Fall der baltischen Staaten    -   bibliothekstechnische und -fachliche Beratung klei-
  und Tschechiens – nicht an anderer Stelle langfris-         nerer Einrichtungen
  tig zuverlässig gesammelt werden.                       -   Weiterbildung für die Mitarbeiter/innen der einschlä-
- Sicherung von Beständen durch Übernahme, zu                 gigen Einrichtungen durch Angebot entsprechender
  nennen sind hier unter anderem Bibliothek und The-          Tagungen (möglich nur durch Projektförderung des
  aterarchiv der Künstlergilde Esslingen (1995-2000),         BKM) im Rahmen der von der Martin-Opitz-Bibli-
  die Bibliothek des Historischen Vereins für Ermland         othek informell organisierten Arbeitsgemeinschaft
  (2008), Bibliothek und Archiv des Historischen Ver-         der Bibliotheken und Sammlungen zur deutschen
  eins Wolhynien (seit 2008), die Bibliothek des Pro-         Kultur und Geschichte im östlichen Europa.35
  jektbereichs Ostdeutsche Landesgeschichte in Bonn       -   Kooperation mit den Bibliotheken in den Sammel-
  (soweit im Universitätsbereich kein Interesse an der        regionen
  Übernahme bestand) und das Archiv der Deutschen
  aus Mittelpolen und Wolhynien (2010) wie auch              Die Übertragung von Aufgaben an andere einschlä-
  die wesentlich aus Schriftgut bestehende Samm-          gige Einrichtungen zum Beispiel in der Form eines
  lung der Heimatstube Greifenberg (Pommern), un-         Netzwerks wäre sinnvoll, ist aber nicht möglich, da
  ter der Voraussetzung der Genehmigung durch die         diese – das Herder-Institut mit einer allerdings nicht
  Gremien des Trägervereins wurde die Übernahme           primär an § 96 BVFG orientierten Aufgabenstellung
  des Galiziendeutschen Heimatarchivs aus Kaisers-        ausgenommen – noch schlechter ausgestattet sind und
  lautern vereinbart33, darüber hinaus wurde in den       über keinerlei Personalreserven verfügen.
  letzten Jahren die Vertriebenenpresse-Sammlung

ABDOS-Mitteilungen 30 (2010), Nr. 1                                                    - 978-3-631-74261-7       7
                                                      Downloaded from PubFactory at 07/02/2019 02:19:01AM
                                                                         via Nicolaus Copernicus University
B1
    Herder-Institut,   Marburg    -   Die Bibliothek sammelt geistes- und sozialwissenschaft-       HEBIS
    (Mb 50)                           liche Literatur aus und über Ostmitteleuropa in ost- und      ZDB
                                      westeuropäischen Sprachen mit dem Schwerpunkt auf der
                                      historischen Ostmitteleuropaforschung
                                  -   Das Sammelgebiet umfasst die politische, Kultur-, Wirt-
                                      schafts- und Sozialgeschichte der heutigen Staaten Polen,
                                      Tschechien, Slowakei, Estland, Lettland und Litauen ein-
                                      schließlich der historischen deutschen Ostgebiete und der
                                      deutschen Siedlungsgebiete in Ostmitteleuropa [einge-
                                      schränkt: Südostdeutsche, nicht: Russlanddeutsche]
                                  -   Kartensammlung und Bildarchiv, Archivaliensammlung
                                      (Schwerpunkt Baltikum)
                                  -   Der § 96 bildet nur einen Teilaspekt der satzungsgemäßen
                                      Aufgaben.
    Bundesinstitut für Kultur     -   Schwerpunkte der Bibliothek entsprechen den Aufgaben-         GBV
    und Geschichte der Deut-          stellungen des Instituts, d.h. im Vordergrund stehen Regi-
    schen im östlichen Europa         onen, Zeiten und Themen, die für die Geschichte der Deut-
    (-)                               schen im östlichen Europa relevant sind
                                  -   die Sammlung orientiert sich an den vier Bereichen des Ins-
                                      tituts (Geschichte, Literatur / Sprache, Volkskunde, Kunst)
                                  -   Sammelgebiete sind die Preußischen Provinzen, alle deut-
                                      schen Siedlungsgebiete vom Baltikum bis in den Donau-
                                      raum
                                  -   Präsenzbestand primär für Institutszwecke
    Institut für deutsche Kul-    -   Baltikum, Ost- und Westpreußen, Pommern (Lüneburg)            VOE
    tur und Geschichte in         -   Russlanddeutsche (Göttingen)
    Nordosteuropa (IKGN),         -   Spezialbibliothek für die Aufgaben des Instituts
    Nordost-Bibliothek            -   Präsenzbestand
    (Lün 5)36                     -   Nicht weiter geführte Spezialsammlungen des Vorgänger-
                                      Instituts (Nordostdeutsches Kulturwerk): Archiv; Postkar-
                                      tensammlung; Kartensammlung, Schulprogrammsamm-
                                      lung
                                  -   In Lüneburg Betreuung der Bestände der Carl-Schirren-Ge-
                                      sellschaft (Deutschbalten) und des Ostpreußischen Landes-
                                      museums
                                  -   Abteilung für Russlanddeutsche in Göttingen
                                  -   Präsenzbestand, eingeschränkte Ausleihe
Seit 1946 hat die Universitäts- und Landesbibliothek        Bestand integriert und wird seit den 1990er Jahren
Münster Bücher und Zeitschriften zu den historischen        offensichtlich nicht mehr schwerpunktmäßig ausge-
deutschen Ostgebieten erworben: „Die Sammlung               baut. Für die preußischen Ostprovinzen verfügt auch
umfasst heute mehr als 40.000 Bände, hinzu kommen           die Bibliothek des Geheimen Staatsarchivs Preußi-
zahlreiche Autographen, neuzeitliche Handschriften          scher Kulturbesitz vorzügliche, zum Teil unikale
(zum Beispiel die sogenannte ‚Reichel‘sche Gene-            Bestände (Nachweis über KVK), die allerdings nur
alogie’ mit den Stammbäumen von etwa 500 Bres-              am Ort oder durch (wegen einer offensichtlich an
lauer Familien und dem Gästebuch der Marienburg             der Archivalienreproduktion orientierten Gebühren-
der Jahre 1914 bis 1945), Karten und Ortsansichten.         ordnung) relativ teure Kopiebestellungen zugäng-
Etwa 40 Prozent des Bestandes beziehen sich auf             lich sind.
Ost- und Westpreußen sowie auf Schlesien. Inhaltlich            Neben den in ihren Sammelaufgaben regional
umfasst die Sammlung alle Gebiete der Landeskun-            bestimmten Bibliotheken sammeln wenige Biblio-
de, Geschichte, Kultur, Literatur, Volkskunde, Kunst        theken nach thematischem Gesichtspunkten:
usw.“37 Diese „Ost-Sammlung“ ist in den allgemeinen
    B2                           Spezialsammlungen (regional übergreifend)
    Johannes-Künzig-Institut       - Volkskunde                                                     SWB
    für ostdeutsche Volkskun-      - Nachgeordnete Behörde des Landes Baden-Württemberg             ZDB
    de, Freiburg (Frei 131)        - Präsenzbestand
    Kunstforum Ostdeutsche         - Kunstgeschichte; Künstlermonographien                          UB Regensburg
    Galerie, Regensburg            - Präsenzbestand
    Sudetendeutsches Musikin-      - Musik – Präsenzbestand
    stitut, Regensburg             - Gefördert durch den Bezirk Schwaben
                                   - Der Bestand geht über die böhmischen Länder hinaus (u.a.
                                      früheres Musikarchiv der Künstlergilde Esslingen)

8                                                                       ABDOS-Mitteilungen 30 (2010),            Nr. 1
                                                                                                        - 978-3-631-74261-7
                                                                       Downloaded from PubFactory at 07/02/2019 02:19:01AM
                                                                                          via Nicolaus Copernicus University
Die Bibliothek des Instituts für deutsche Musik im        – offensichtlich spurlos verschwunden. Die Musikali-
Osten (IDMO, Bergisch Gladbach) war als zentrale          ensammlung des Herder-Instituts, die einen Schwer-
Musikbibliothek für den Förderbereich konzipiert          punkt in russischer Musik hat, ist 1995 eingestellt
(u.a. Abgabe der Musikalienbestände aus Herne). Sie       worden.
ist allerdings nicht an das 1990 eingerichtete Institut   Einen breiten Sammelauftrag haben – eher mit dem
für deutsche Musikkultur im östlichen Europa (IME,        Charakter einer öffentlichen Bibliothek – die mit Ver-
Bonn) als Nachfolgeinstitut übergeben worden und          triebenen und Aussiedlern befassten zentralen Lan-
– obwohl wesentlich mit Bundesmitteln aufgebaut           deseinrichtungen:

 B3                                 Bibliotheken mit regional übergreifenden Sammlun-          Überregionaler Be-
                                    gen für einzelne Bundesländer                              standsnachweis
 Gerhart-Hauptmann-Haus, Düs-       Bibliothek zum Gesamtbereich, wesentlich zur Litera-       HBZ Köln (Erwer-
 seldorf (Dü 59)38                  turversorgung für die engere Region; Nutzerschwer-         bungen bis 1990,
                                    punkt in den letzten Jahren Russlanddeutsche               Gesamtbestand im
                                    Förderung durch Nordrhein-Westfalen                        Verbundkatalog der
                                    Dem Leihverkehr der Bibliotheken angeschlossen             öff. Bibliotheken)
                                                                                               VOE
 Haus der Heimat, Stuttgart         Kleinere Bibliothek mit vor allem neuerer Literatur        VOE
 (Stg 260)                          (praktisch keine Titel aus der Zeit vor 1945) mit einem
                                    gewissen Schwerpunkt im Patenschaftsbereich des Lan-
                                    des Baden-Württemberg
                                    Einrichtung des Landes Baden-Württemberg
 Haus des Deutschen Ostens,         Bibliothek zum Gesamtbereich für den Großraum Mün-         BVB
 München (M 497)                    chen                                                       ZDB
                                    Einrichtung des Freistaats Bayern (Sozialministerium)
   Die überregionale Literaturversorgung ist insge-       entsprechend nachhaltigen Bestandsaufbau voraus.
samt gesichert, setzt für die Zukunft allerdings einen
 C.                              Bibliotheken mit regionalen Sammelschwerpunkten               Überregionaler Be-
                                                                                               standsnachweis
 C1                              Ost- und Westpreußen
                                 - Martin-Opitz-Bibliothek
                                 - Bibliothek des Herder-Instituts
                                 (Geschichte)
                                 - Nordost-Bibliothek (IKGN) Lüneburg
 Ostpreußisches Landesmuse- Sammelgebiet: Ostpreußen in den Grenzen von 1937 (ein-             VOE
 um, Lüneburg                    schließlich Regierungsbezirk Westpreußen) – Betreuung
                                 durch IKGN
                                 Präsenzbestand
 Ostpreußisches Kulturzen-       Sammelgebiet: Ostpreußen
 trum, Ellingen                  Präsenzbestand
 Westpreußisches Landesmu- Sammelt Westpreußen in der gesamten historischen Exten-             VOE
 seum, Münster / Westpreußen- sion, Ostpreußen in den Grenzen des „Regierungsbezirks
 Bibliothek                      Westpreußen“.
 Zentrale Bibliotheken in der Sammelregion
 Biblioteka Gdańska PAN          Alte Danziger Stadtbibliothek mit bedeutender Regional-
 (Danziger Bibliothek der Pol-   sammlung
 nischen Akademie der Wissen- Präsenzbestand
 schaften), Gdańsk (Polen)
 Universitätsbibliothek Thorn /  Nach 1945 entstandene wissenschaftliche Allgemeinbibli-
 Toruń (Polen)                   othek mit starkem Bestand (auch aus „sichergestellten“
                                 Sammlungen) zu Ost- und Westpreußen

ABDOS-Mitteilungen 30 (2010), Nr. 1                                                    - 978-3-631-74261-7          9
                                                      Downloaded from PubFactory at 07/02/2019 02:19:01AM
                                                                         via Nicolaus Copernicus University
C2                              Pommern                                                      Überregionaler Be-
                                                                                              standsnachweis
                                 - Martin-Opitz-Bibliothek
                                 - Bibliothek des Herder-Instituts (Geschichte)39
 Pommersches Landesmuse-         Handbibliothek
 um, Greifswald                  Keine weiteren Informationen
 Universitätsbibliothek          Primär wissenschaftliche Allgemein- und Hoch-                GBV
 Greifswald (9)                  schulbibliothek                                              ZDB
                                 Historische Landesbibliothek für die gesamte Provinz Pom-
                                 mern (bis 1945 Pflichtexemplarrecht) mit bedeutenden Alt-
                                 beständen und – wieder – aktiver Pommernsammlung
 Pommern-Zentrum (Ostsee-        Mit erheblichen Bundesmitteln ausgebaute Bibliothek für      VOE
 Akademie), Travemünde           den südlichen Ostseeraum (ohne Baltikum) mit Schwer-         (Erschließungs-
                                 punkt Pommern; dzt. ehrenamtlich betreut; nur einge-         projekt in Planung)
                                 schränkt aktive Sammlung
                                 Eigentum des Pommerschen Zentralverbandes
                                 ca. 20.000 Bände, zentrale Lage für die Nachfrage im
                                 norddeutschen Raum zwischen Hamburg und Greifswald
 Zentrale Bibliotheken in der Sammelregion
 Książnica Pomorska) (Pom-       Regionalbibliothek für die Wojewodschaft Westpommern.
 mersche Bibliothek), Szczecin   Im Gesamtbestand ist der größere Teil der alten Stettiner
 (Polen)                         Stadtbibliothek erhalten. – Die Regionalsammlung ist Prä-
                                 senzbestand
Für Pommern fehlt in Deutschland eine Spezialbibli-       dergelassen haben, besitzt darüber hinaus einen zum
othek, allerdings steht mit der Universitätsbibliothek    Teil unikalen Bestand an „grauer“ Literatur. Als An-
Greifswald die alte pommersche Landesbibliothek           laufstelle aus dem Bereich der Pommerschen Lands-
zur Verfügung, so dass sich eine entsprechende Spezi-     mannschaft hat sie ihren spezifischen Wert.
albibliothek erübrigt. Die Bibliothek in Travemünde
hat wesentlich regionale Aufgaben in einer Region,
in der sich nach 1945 viele vertriebene Pommern nie-

                           Bibliotheken                                                        überregionaler Be-
                                                                                               standsnachweis
 C3                          Ostbrandenburg
                             - Martin-Opitz-Bibliothek
                             - Bibliothek des Herder-Instituts (Geschichte)
                             - Staatsbibliothek zu Berlin / Preußischer Kulturbesitz
 Stiftung Brandenburg,       Wesentlich aus der Landsmannschaft hervorgegangene Bibliothek     VOE
 Fürstenwalde                (mit Archiv und Museumsgut)
                             Präsenzbestand
 Zentrale Bibliotheken in der Sammelregion
 Biblioteka Wojewódzka
 in Gorzów Wkp

Die Bibliothek in Fürstenwalde ist wie die Stiftung       Zusammenarbeit mit polnischen Institutionen – sehr
überhaupt unterfinanziert, leistet aber – auch in der      viel. Sie ist die einzige Einrichtung im Land Branden-
Zusammenfassung ostbrandenburgischer Heimat-              burg, die sich systematisch mit dem heute polnischen
sammlungen und – durch die grenznahe Lage zwi-            Ostteil der früheren Provinz Brandenburg befasst.
schen Berlin und Frankfurt (Oder) begünstigt – in der

10                                                                   ABDOS-Mitteilungen 30 (2010),            Nr. 1
                                                                                                     - 978-3-631-74261-7
                                                                    Downloaded from PubFactory at 07/02/2019 02:19:01AM
                                                                                       via Nicolaus Copernicus University
Bibliotheken                                                                  überre-
                                                                                                           gionaler
                                                                                                           Bestands-
                                                                                                           nachweis
 C4                          Schlesien40
                             - Martin-Opitz-Bibliothek
                             - Bibliothek des Herder-Instituts (Geschichte)

 Schlesisches Museum,        Hat über die in der Grundsatzkonzeption angedachte „Handbibliothek“           VOE
 Görlitz                     hinaus eine eigene Bibliothek aufgebaut (Nachfrage unmittelbar an der
                             Grenze zum polnischen Schlesien). – Präsenzbestand
 Haus Schlesien, Königs-     Sammeltätigkeit bezieht sich auf alles über Schlesien und Schlesier, auf      VOE
 winter (Kow 2)              alles von Schlesiern sowie auf alle vor 1945 erschienen Veröffentlichun-      ZDB
                             gen schlesischer Verlage – Präsenzbestand
 Stiftung Haus Ober-         Nicht Teil des Museums, sondern neu organisiert als „Fachinformations-        VOE
 schlesien, Ratingen         zentrum“ im Bereich der Stiftung Haus Oberschlesien; Sammlungsgebiet          ZDB
 (Rag 1)                     auch Gesamtschlesien; keine hauptamtliche Betreuung – Präsenzbestand
 Oberlausitzische Biblio-    Primär historische Sammlung. Sammelt traditionell Literatur zu Nieder-        VOE
 thek der Wissenschaften,    schlesien (RB Liegnitz)
 Görlitz (Gl 2)
 Evangelische Schlesische    Unterhaltsträger: Stiftung Evangelisches Schlesien, Görlitz, eine kirch-
 Bibliothek, Görlitz         liche Stiftung, hat die Bibliothek der Gemeinschaft Evangelischer Schle-
                             sier (bis 2008 Dauerleihgabe im 2008 aufgelösten Ostkirchen-Institut
                              übernommen, sehr guter Spezialbestand zur evangelischen
                             Kirchengeschichte Schlesiens. – Ehrenamtlich betreut.
 Stiftung Schlesische Hei-   Private Initiative mit der Zielsetzung der Zusammenführung der schlesi-
 matstuben, Görlitz          schen Heimatsammlungen, so dass auch Schriftgut gesammelt wird. – In
                             der Aufbauphase.
 Stiftung Schlesien, Sitz    Die Stiftung besitzt außer Museumsgut einen sehr guten, allerdings nicht
 Hannover                    katalogisierten Buchbestand mit einer großen Zahl von Altdrucken. Nicht
                             katalogisiert. Nicht zugänglich. Die Sammlung, die vor allem aus Spen-
                             den und Mitteln nach der Westvermögensverordnung kompetent zusam-
                             mengetragen worden ist, wird derzeit in Kloster Oesede aufbewahrt und
                             in einem Erschließungsprojekt erfasst.

 Zentrale Bibliotheken in
 der Sammelregion
 Biblioteka Uniwersytecka    Universitätsbibliothek mit der primären Aufgabe der Literaturversor-
 we Wrocławiu (Universi-     gung für Lehre und Forschung (ohne Technik und Medizin, da dafür
 tätsbibliothek) Breslau /   eigene Hochschulen vor Ort bestehen) – Die Schlesien-Sammlung, die
 Wrocław (Polen41)           weitgehend auf den Beständen der früheren Breslauer Stadtbibliothek
                             aufbaut, umfasst Schrifttum aus allen Wissenschaftszweigen (besondere
                             Berücksichtigung der Publikationen aus den Bereichen der Geistes- und
                             Gesellschaftswissenschaften. – Präsenzbestand, nur vor Ort nutzbar (Be-
                             schaffung von Kopien langwierig und teuer).
 Biblioteka Śląska (Schle-   Sammelt traditionell als zuständige Regionalbibliothek Silesiaca, insbe-
 sische Bibliothek) Katto-   sondere Oberschlesien, aber auch Gesamtschlesien. – Der Schlesienbe-
 witz / Katowice (Polen)     stand ist weitestgehend Präsenzbestand
In Görlitz, dessen Standort an der Grenze zum pol-          hat, und der eigentlich nur als Handbibliothek konzi-
nischen Schlesien mit guter Erreichbarkeit aus dem          pierte, durch Geschenke und Nachlässe aber weit über
schlesischen Wissenschafts- und Kulturzentrum Bres-         eine solche hinauswachsende Bibliothek des Schlesi-
lau (Wrocław) in seinem Wert gar nicht überschätzt          schen Museums42 ist ohne jede Koordination im Rah-
werden kann, konkurrieren drei – mit der noch nicht         men der kirchlichen Stiftung Evangelisches Schlesi-
als Sammlung zugänglichen Stiftung Schlesische Hei-         en die Schlesische Evangelische Bibliothek getreten:
matstuben sogar vier – auf Schlesien bezogene Samm-         „Zweck der Stiftung ist vor allem das Sammeln und
lungen. Zu der 1950 auf der Grundlage der Bibliothek        Bewahren schlesischen Archivgutes, seine Zugäng-
der 1779 gegründeten Oberlausitzischen Gesellschaft         lichmachung und Erschließung.“ Zur Umsetzung die-
der Wissenschaften geschaffenen Oberlausitzischen           ser Satzungsbestimmung hat die Stiftung die frühere
Bibliothek der Wissenschaften, die neben dem histo-         Bibliothek der Gemeinschaft evangelischer Schlesier,
rischen Bibliotheksbestand außer den 1815 bis 1945          die lange Jahre als Dauerleihgabe dem inzwischen
zur preußischen Provinz Schlesien gehörenden Teil           aufgelösten Ostkircheninstitut der Universität Müns-
der Oberlausitz Niederschlesien als Sammelgebiet            ter anvertraut war, übernommen. Mit aufgenommen

ABDOS-Mitteilungen 30 (2010), Nr. 1                                                      - 978-3-631-74261-7           11
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                                                                           via Nicolaus Copernicus University
wurde der schlesische Bestand der früheren Konsis-         Die lange in Oldenburg aufbewahrte, jetzt in Kloster
torialbibliothek Görlitz. Am 4. September 2009 wur-        Oesede befindliche Sammlung der Stiftung Schlesien
de die Evangelische Schlesische Bibliothek in Görlitz      mit einem herausragenden, allerdings unkatalogisier-
eröffnet: „Die Bibliothek wird als Präsenzbibliothek       ten Bestand an alten und älteren Drucken ist, wie der
geführt. Ihre Nutzung ist über die Geschäftsstelle der     wertvolle Bestand an Museumsgut44 für die Öffent-
Stiftung zu vereinbaren. Die Stiftung ist bestrebt, den    lichkeit unzugänglich. Der wesentlich mit Bundes-
Katalog möglichst bald digital zu erschließen.“43 Die      mitteln durch die Stiftung Kulturwerk Schlesien in
historisch begründeten, bibliothekspolitisch, -prak-       Würzburg aufgebauten Schlesischen Bibliothek fehlt
tisch und -ökonomisch kontraproduktiven Parallelent-       die nach dem Fortfall der institutionellen Förderung
wicklungen am Standort Görlitz erscheinen im Sinne         im Jahr 2000 die über die eigene Institution hinaus-
der Bewahrung und Vermittlung des schlesischen             gehende, die notwendige Nachhaltigkeit sichernde
Kulturerbes eher schädlich. Durch Mitarbeiter(innen)       ausreichende finanzielle und personelle Basis. Die
auf Planstellen betreut wird nur die Oberlausitzische      überregionale Literaturversorgung sichert, was Schle-
Bibliothek der Wissenschaften, sonst müssen Neben-         sien betrifft, vor allem die Martin-Opitz-Bibliothek
amt, Ehrenamt und Projektfinanzierung ausreichen.           als de facto zentraler Bibliothek für Gesamtschlesien
    Die Bibliotheken in Königswinter und Ratingen          in Deutschland.
sind – als Präsenzbestände – Museen angegliedert.
                                        Bibliotheken                                                  überregiona-
                                                                                                      ler Bestands-
                                                                                                      nachweis
 C5                                    Großpolen (Posener Land)
                                       - Martin-Opitz-Bibliothek
                                       - Bibliothek des Herder-Instituts (Geschichte)
                                       - Nordost-Bibliothek Lüneburg
 Zentrale Bibliotheken in der Sammelregion
 Biblioteka Uniwersytecka (Universi- Alle vor 1970 gedruckten Schriften sind Präsenzbestand,
 tätsbibliothek), Poznań, Polen        landeskundliche Sammlung nur Teilaufgabe

 C6                                    Zentralpolen
                                       - Martin-Opitz-Bibliothek
                                       - Bibliothek des Herder-Instituts (Geschichte)
 Archiv der Deutschen aus Mittelpolen Im Januar 2010 als Präsenzbestand von der Martin-Opitz-         VOE
 und Wolhynien, Mönchengladbach        Bibliothek übernommen.                                         (Buchbestand)
 Zentrale Bibliotheken in der Sammelregion
 Bibliotheken in Lodz (Polen), Woje- Die Regionalsammlungen sind Präsenzbestände
 wodschaftsbibliothek und Universi-
 tätsbibliothek

 C7                                    Galizien (Kleinpolen)
                                       - Martin-Opitz-Bibliothek
                                       - Bibliothek des Herder-Instituts (Geschichte)
 Galiziendeutsches Archiv, Kaisers- Im Eigentum des Hilfskomitees der Galiziendeutschen,
 lautern                               nicht laufend betreut; Präsenzbestand, wesentlich Ostga-
                                       lizien. – Die Übergabe an die Martin-Opitz-Bibliothek ist
                                       beabsichtigt.
 Zentrale Bibliotheken in der Sammelregion
 In Krakau und Lviv (Lwów, Lem-
 berg), dazu die nach dem Zweiten
 Weltkrieg mit einem Großteil ihrer
 Bestände nach Wrocław verlagerte
 Bibliothek des Ossolineum.

Die Schwerpunktbildung in der Martin-Opitz-Biblio-         Übernahmen ist unverkennbar. Die Heimatarchive
thek für den Bereich der deutschen Minderheiten auf        umfassen neben dem Buch- und Zeitschriftbestand
dem Gebiet der Zweiten Polnischen Republik durch           Archivalien und vorzügliche Bildsammlungen.

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                                                                                                      - 978-3-631-74261-7
                                                                     Downloaded from PubFactory at 07/02/2019 02:19:01AM
                                                                                        via Nicolaus Copernicus University
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