Anorexia athletica Verhinderung von Essstörungen bei jungen SportlerInnen
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Impressum:
Herausgeber: Psychosomatik und Psychotherapie, Univ.-Klinik für Kinder– und
Jugendheilkunde, Auenbruggerplatz 30, 8036 Graz
Text, Layout und Design: Dr. in Michaela Tappauf, Univ.-Prof. Dr. Peter Scheer
© 2007
2Wenn Sport krank is(s)t…
Essstörungen und (Leistungs-)Sport
Sportanorexie – Magerkeit für bessere sportliche Leistungen –
kann der Beginn einer lebensbedrohlichen Essstörung sein.
Wir wollen Anregungen geben, damit Sport die Gesundheit för-
dert, und nicht krank macht.
Das Projekt Essstörungen und (Leistungs-)Sport wird unterstützt durch die
Landesregierung Steiermark
• Dr. in Bettina Vollath, Landesrätin für Bildung, Jugend und Familie
• Ing. Manfred Wegscheider, Landesrat für Sport, Umwelt und erneuerbare Energie
• FA 12C- Sport
3Inhaltsverzeichnis
Information von Fachleuten
Anorexia athletica—Sportanorexie
Fallvignette
Max, 15 Jahre alt, Läufer
Checkliste bei der Du erfahren kannst, ob Du gefährdet bist
Essstörungen im Leistungssport
Energiebilanz
Fallvignette
Tatjana, 15 Jahre alt, Sportlerin in rhythmischer Gymnastik
Energie durch Sport— Energie für Sport
Hungern für bessere sportliche Leistungen
Interview mit Frieda
eine gute Sportlerin
6Inhalt für:
Jugendliche, Eltern, Trainerinnen und Trainer, Ärztinnen
und Ärzten, Psychologinnen und Psychologen,...
Die sportliche Karriere ist in Gefahr
Hinweise für Essstörungen bei SportlerInnen
Zahlen, Daten, Fakten
Eltern, Trainer, Ärzte: Situationen
Infos für TrainerInnen
Ernstzunehmende Warnsymptome für die Umgebung
Checkliste für Mediziner
Glossar
Kontakte und Links
Kontaktadressen
7Anorexia athletica - Sportanorexie
Magerkeit für bessere sportliche Leistungen
Eine Gratwanderung
Information von Fachleuten Gratwanderung …
Was ist Anorexia athletica?
Unter Anorexia athletica - Sportanorexie versteht man die
gewollte Abnahme des Körpergewichtes bzw. des Körper-
fettanteils bei Sportler/innen. Die Ernährung bzw. die tägli-
che Energiezufuhr entspricht nicht dem Bedarf. Ziel des
Sportlers/ der Sportlerin sind bessere sportliche Leistungen.
In zahlreichen Sportarten wird das Körpergewicht für Erfolg
oder Misserfolg verantwortlich gemacht. Viele Sportler/
innen glauben, dass sie mehr Erfolg haben, wenn sie schlan-
ker sind.
Der Übergang in eine Essstörung wie Anorexia nervosa
(Magersucht) oder Bulimia nervosa (Ess – Brechsucht) ist An der Kippe ….
fließend. Die Sportler befinden sich auf einer ständigen
Gradwanderung zwischen noch normal und schon krank.
Woran erkennt man Anorexia athletica?
Der BMI (Body Mass Index) ist meist noch im unteren
Normbereich (BMI 18,5-21). Doch weisen die Sportler/
innen schon viele, an eine Anorexia nervosa (Magersucht)
erinnernde Symptome auf:
• Gewichtsverlust bzw. starke Abnahme des Körperfett-
anteils
• Fehlen von Erkrankungen, die den Gewichtsverlust er-
klären Bald wird ein immer niedri-
• Menstruationsstörungen, Magen- Darm- Beschwerden geres Gewicht wie bei Ma-
• Übertriebene Angst vor dem Dicksein oder ausgepräg- gersucht angestrebt, wobei
ter Wunsch nach Magerkeit das Motiv nicht das Ausse-
• Nahrungsverminderung (< 1200 kcal/Tag) durch Er- hen sondern die sportliche
nährungsumstellung, Diätverhalten Leistung ist.
Zusätzlich sind oft auch selbst ausgelöstes Erbrechen, Ab-
führmittelmissbrauch, oder Einnahme harntreibende Medi-
kamenten zu beobachten.
8Wer kann an Anorexia athletica erkranken? Wer kann betroffen sein?
Anorexia athletica wurde in den 80er Jahren erstmals bei (Leistungs-)Sportler/n/innen
beschrieben. Sie kommt aber in zunehmendem Maße auch bei Fitness- und Breiten-
Sportler/n/innen vor.
Jugendliche sind besonders gefährdet, weil sie ihre Grenzen noch nicht kennen. Sie
wollen siegen, das ist ihnen wichtiger, als ihre Gesundheit.
Warum ist es gefährlich?
Diäten und starke Gewichtsschwankungen schaden den Sport-
ler/n/innen auf lange Zeit – sie können dann die Leistungen
nicht mehr bringen. Die sportliche Karriere und die Gesundheit
der Sportler/innen sind in Gefahr.
Oft kommt es zu einer vorzeitigen Beendigung einer viel ver-
sprechenden Sportkarriere:
Bei Kindern und Jugendlichen kommt es durch die inadäquate
Energiezufuhr zur Verzögerung von Wachstum und Entwick-
lung sowie vermehrt zu Verletzungen (Knochenbrüche, Seh-
nenverletzungen).
Die Gefahr der Entwicklung einer Anorexie oder Bulimie
steigt.
Änderung des Ernährungsverhaltens und des
Trainings für bessere sportliche Leistungen
Essstörung mit lebensbedroh- Vermehrt Beschäftigung mit Körperzusam-
lichem Untergewicht mensetzung, Körpergewicht und Aussehen
Hungern und trainieren weiter
Sportliche Leistungen werden besser
Veränderte Körperwahrnehmung: fühlen sich dick Gefährlicher Trugschluss: „Jedes Kilo weni-
und unmuskulös, obwohl sie schon sehr dünn sind ger bedeutet mehr oder bessere Leistungen!“
und nur noch aus Muskeln bestehen.
Weitere Abnahme des Körpergewichtes
bzw. des Körperfettanteils
Über den Sport in die Essstörung: ein Teufelskreis
9Max, 15 Jahre alt — ein super Läufer, aber
leider klein geblieben
„Ohne Sport und Bewegung bin ich gar nichts. Es ist mir das Wichtigs-
te!“ So denkt Max und mit ihm seine Eltern und sein Trainer. Max ist
Läufer, er will es weit bringen. Schon jetzt gewinnt er einen Pokal
nach dem anderen. Erwachsene sind begeistert von ihm, seine Eltern
loben ihn und bringen ihn zu seinen Trainings und den Veranstaltun-
gen am Wochenende.
„Sicher, ich wiege nicht viel. Meine Versuche vom Laufen im Sommer
zu Schilanglauf im Winter umzusteigen, sind gescheitert. Der dortige
Trainer hat mich abgelehnt, weil er meint, dass ich die langen Stre-
cken nicht schaffen kann. Aber deswegen werde ich jetzt auch
nicht so dick, wie die anderen Kinder, die immer gegen mich verlie-
ren.“ So denkt Max und so verhält er sich auch. Dass sein Wachstum
stillsteht und er ein sehr kleiner Mensch bleiben wird, stört ihn wenig.
Da sein Wachstumshormon in Ordnung ist, hat auch der Internist ge-
sagt, dass er schon noch wachsen wird. Jetzt, wo er über 16 Jahre alt
ist, ist es allerdings zu spät. Seine Sportbegeisterung und sein Unterge-
wicht bis zu einem BMICheckliste für Sportlerinnen und Sportler:
Bin ich in Gefahr?
Ich habe große Angst, dick zu werden.
Ich will nur noch aus Muskel bestehen.
Dünne Menschen sind beliebter.
Weniger Gewicht bedeutet bessere Leistung.
Wenn ich maximal 800 Kalorien (ca. 3500 KJ) esse, ist es am besten.
Ich bin schlecht. Meine Leistungen sind schlecht.
Ich bin oft krank und verletze mich häufig.
Ich will alles aus mir rausholen, ich möchte um jeden Preis gewinnen.
Gott sei Dank kommt meine Regel nicht.
Wenn ich satt bin, möchte ich erbrechen.
Abführmittel, Diätpillen oder Entwässerungstabletten helfen mir.
Mir ist ständig kalt.
Kriterien für Essstörungen bei Sportlern nach Sundgot- Borgen (1993) und Pugliese (1983)
11Essstörungen und (Leistungs-)Sport
Essstörungen treten gehäuft auch im Sport
auf. Viele (junge) Sportler/innen glauben,
dass sie mehr Erfolg haben, wenn sie
schlanker sind.
Siehe auch:
Anorexia athletica– Sportanorexie S.
Zahlen, Daten, Fakten S.
Sportspezifische Risikofaktoren für Essstörungen:
Die falsche Formel „geringes Gewicht = Erfolg, Triumph, Sieg“
Definition des Selbstwerts nur über Sport
Hoher Leistungsdruck
Besonders häufig kommen Essstörungen bei Sportlerinnen und Sportlern fol-
gender Disziplinen vor:
Ästhetische Sportarten
wie Ballett, Eiskunstlauf, Tanz, Kunstturnen, rhyth-
Essstörungen kommen mische Gymnastik
immer häufiger bei
Sportler/innen vor und Gewichts(klassen)abhängige Sportarten
in zunehmendem Maße wie Judo, Karate, Ringen, Rudern, Schispringen,
auch bei Männern. Klettern
Ausdauersportarten
wie Schilanglauf, Schwimmen, Langstreckenlaufen,
Radrennfahren
Mögliche Auslöser für Essstörungen bei Sportlerinnen und Sportlern:
Crashdiäten, mystische Regeln bzgl. richtiger Ernährung bei Sportlern
Hohe Wettkampfansprüche
Chronischer Stresszustand der Sportlerin/ des Sportlers
Unterbrechung des Trainings durch Verletzung oder Erkrankung: gewichts-
kontrollierende Maßnahmen, um unerwünschte Gewichtszunahme durch
sportliche Inaktivität zu verhindern
12Essstörungen und (Leistungs-)Sport
„Was war zuerst“
Essstörung
Sport
Sportanorexie Essstörung
über die Essstörung zum über den Leistungssport in
(Leistungs-)Sport die Essstörung
Der (Leistungs-)Sport ist Ausdruck der Für bessere sportliche Leistungen
typischen, übertriebenen körperlichen wird Gewicht abgenommen, mehr
Aktivität und des Perfektionismus im trainiert und weniger gegessen
Rahmen einer bereits bestehenden (Anorexia athletica). Mann/Frau be-
(unbemerkten) Essstörung schäftigt sich zunehmend mit der Kör-
perzusammensetzung und dem Aus-
sehen.
Bis es dann kippt, Mann/Frau nicht
mehr anders kann. Die Leistungen
verschlechtern sich, Mann/ Frau sieht
und fühlt sich dick. Ein Teufelskreis
beginnt.
13Negative Energiebilanz
Nahrung
Getränke
Training, Sport
Energiezufuhr (Nahrung und Getränken) < Energieverbrauch (Training)
Gefahr von
Essstörungen
Entwicklung
und Wachstum
gestört Leistungsfähigkeit ↓
Chron. Energie-
Knochendichte
Muskelmasse
Hormon- und
Immunsystem
Graphik negative Auswirkungen von AA/ Essstörugnen im Leistungssport
Drastische Einschränkungen der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr bei inten-
siver Trainingsbelastung führen zu einer Abnahme der Muskelmasse und zu
Störungen der Immunfunktion und des Hormonsystems.
14ausgeglichene Energiebilanz
Nahrung
Training, Sport
Getränke
Energiezufuhr (Nahrung und Getränken) = Energieverbrauch (Training)
Während ein Ungleichgewicht zwischen Ernährung und Trainingsbelastung
über lange Zeit dem Körper und der Karriere schadet, erhält eine ausgewo-
gene und ausreichende Ernähung die Leistungsfähigkeit.
15Tatjana, 15 Jahre alt — eine wunderbare
Sportlerin in rhythmischer Gymnastik, die
ihren Sport aufgeben musste
Tatjana ist ein wunderschönes Mädchen aus
einer sehr netten Familie. Ihre Eltern sind zu
Recht stolz auf sie. Sie ist die Beste in rhythmi-
scher Gymnastik. Sie kann sich in alle Richtun-
gen verdrehen und ihren Körper wie ein Gum-
miband bewegen. In letzter Zeit ist sie immer
besser geworden. Denn gerade um das 14. Le-
bensjahr musste sie die Altersklasse wechseln
und plötzlich waren ältere Mädchen, die sie
besiegten.
Nun hat Tatjana abgenommen und gewinnt wieder. Es stimmt, manchmal
wird ihr schwarz vor den Augen. Sie hat auch die Regel, die sie schon hatte,
nie mehr gehabt. Tatjana findet das angenehm. Die Eltern sind froh über
Tatjana, weil sie so brav ist: In der Schule fleißig, im Sport so gut und zu Hause
so nett. Sie raucht nicht, trinkt keinen Alkohol und trifft sich auch nicht mit
Burschen.
Allerdings wird Tatjana langsam dünn und dünner. Sie trinkt nur mehr Was-
ser, trainiert fast dauernd und redet mit niemandem mehr. Bei der Untersu-
chung zeigt sich, dass auch ihr Stuhlgang schon seit längerer Zeit ausbleibt.
Weiters ist ihr Herz zu langsam und im Herzbeutel ein kleiner Erguss.
Tatjana will keinesfalls zunehmen. Sie fürchtet sich davor, dass sie dann wie-
der verliert. Andere Ziele hat sie im Moment keine. Keinen Freund und auch
sonst nichts. Da hilft kein gutes Zureden, Tatjana muss in die Klinik.
16Sport Erfolg Karriere Gesundheit Energie Essstörung Kin-
der Jugendliche
Wer rennt, muss essen.
Der Sieg ist ihnen wichtiger als die Gesundheit
Maß halten ist gut.
Mit Gutzureden und Vernunft geht dann nichts mehr.
17Energie durch Sport
Energie für Sport
Die Basis für langfristige sportliche Erfolge, Freude an der Bewegung, ein po-
sitives Körperbild sowie eine gesunde körperliche und seelische Entwicklung
von Kindern und Jugendlichen bildet eine ausgeglichene Energiebilanz
Im Training verbrauchte Energie/-reserven müssen durch ausreichende Nahrung
und Flüssigkeit wieder ausgeglichen werden.
„Wer rennt, muss essen.“
Diese „Weisheit“ kennt jeder.
Aber Jugendliche (und nicht nur die) wollen gewinnen. Alles andere ist ihnen - und
manchmal auch ihrer Umgebung – egal, wenn es um etwas Großes geht.
Daher: Manchmal macht es nichts. Aber, wenn es zur Gewohnheit wird, seine ver-
brauchten Energien nicht wieder aufzufüllen, dann ist dringend Vorsicht angezeigt!
Also:
Offen darüber sprechen
über sich selbst reden, über Erfahrungen und Erlebnisse der Eltern/Trainer/
innen: wie sie mit sich umgehen und umgegangen sind
darüber Spaß machen
Grenzen setzen ist angesagt: Jugendliche sind besonders gefährdet, weil sie ihre
Grenzen noch nicht kennen. Der Sieg ist ihnen wichtiger als die Gesundheit.
Das Körpergewicht nicht für Leistung oder Misserfolg verantwortlich ma-
chen.
„Geringes Gesicht = Erfolg, Triumph, Sieg“ ist die falsche Formel.
18Ein schöner Körper
Alles mit Maß und Ziel
Die Vorteile sportlicher Betätigung kennt heute jede und jeder: Man wird besser,
schneller und schöner.
Aber aufgepasst: Der Körper ist nur zum Teil eine Maschine, und Schönheit macht
süchtig. Sie ist ein Kapital, das im Laufe des Lebens immer weniger wird, egal was
man macht. Denn das Bindegewebe kann man nicht trainieren.
Immer nur trainieren führt nicht zu Schönheit, sondern zu Muskeln. Wer daher im-
mer im Solarium ist, wird nicht braun, sondern schneller alt. Wer immer nur trai-
niert, der wird nicht besser, sondern oft früher krank.
Das, was man den jungen Menschen nicht sagen kann, stimmt leider: Maß halten
ist gut, aber in diesem Alter fast unmöglich.
Also müssen die Eltern und Trainer/innen und (Sport-)Mediziner/innen und (Sport-)
Psycholog/en/innen klüger sein, als die Jugendlichen und ihnen Grenzen setzen,
damit der Sport das macht, was er soll:
Die motorische, sensorische und geistige Entwicklung des Kindes fördern.
Die Beweglichkeit, Geschicklichkeit und Koordination verbessern.
Das Selbstwertgefühl heben.
Grenzen setzen…
Ausblick: Reglements
Das Reglement der Schispringer, das die Kürzung der Schilänge bei niedrigem Kör-
pergewicht (BMIHungern für bessere sportliche Leistungen
Trotz der Einschränkung
Einschr nkung der Nahrungs-
Nahrungs- und
Flüssigkeitszufuhr
Fl ssigkeitszufuhr werden die sportlichen
Leistungen anfangs besser.
ber den Erfolg verdeckt die Ge-
Die Freude über
fahr.
Gerade weil die sportlichen Leistungen lange sehr gut sind, oder sogar kurzfristig
besser werden, ist Anorexie athletica- Hungern für sportliche Leistungen so gefähr-
lich: Die betroffenen Sportlerinnen und Sportler, Trainerinnen und Trainer, ( S port-
) Ä rztinnen und Ärzte, ( Sport- ) Psychologinnen und Psychologen und Eltern er-
kennen deshalb oft die Gefahr zu spät.
Die sportliche Karriere und die Gesundheit hängen
h ngen an einem seidenen Faden.
Der Leistungsabfall kommt plötzlich. man die Wahrheit. Mit Kopflampe wird
Der Weg zurück in den Sport ist dann dann in der Nacht trainiert. Mit Abführ-
oft schwer. Dies deshalb, weil die mitteln heimlich auf öffentliche Toilet-
Wahrnehmung dann schon gestört sein ten gegangen. Und manchmal, wenn
kann: Der Sportler/ die Sportlerin sie/er essen musste, dann wird irgend-
denkt, dass er immer weniger essen wo erbrochen, weil man sich einredet,
muss, um bessere Leistung zu bringen. dass einem schlecht ist. Lügen, Lügen,
Sie merken nicht, dass sie schlechter Lügen — aber die Leistung stimmt. Bis
werden und hassen alle, die ihnen das sie schlechter wird.
sagen. Dann entgleitet der Jugendliche
manchmal seinem/ihrem Trainer/in: Er Und dann ist es oft schon fast „zu
zu
hört gar nicht mehr zu. spät
sp t“..
Da kommt dann oft die Lüge auf: We-
der sich selbst, noch den anderen sagt
20… „ Wenn die Angst kommt, ist der/die Jugendli-
che schon so weit „drin
drin“,
drin , dass Beratung und Ge-
spräch
spr ch nicht mehr helfen.
Worte dringen dann nicht mehr zur Sportlerin/ zum
Sportler vor.
Mit Gutzureden und Vernunft geht dann nichts
mehr. “
Der sportliche Erfolg wird zum unverzichtbaren Teil der Identität,
Identit t, und diese ist beim
Jugendlichen schwach.
Deshalb schließt er sich Gruppen bens und der Existenz werden kann.
Gleichaltriger an, auch wenn die nicht Rechtzeitig auch andere Methoden
so besonders sind. Oder pierct sich, der Lebensbewältigung denken und
oder schminkt sich, wie eine Sekte, nicht ernst schreien, wenn es zu spät
oder macht Sport bis zum Umfallen. ist.
Er macht alles, damit sein Selbstwert-
gefühl gehoben wird.
Die gesundheitlichen Schäden
Sch den begin-
nen still.
Und so unterschiedlich sind da die Ju-
Der Übergang
bergang in eine lebensbedrohli-
gendlichen nicht von den Erwachse-
che Essstörung
Essst rung ist schleichend.
nen. Auch die machen alles ( große
Autos, große Klappe, große Orden ) ,
um ein toller Hecht, oder eine tolle
Stute zu sein. Also nicht hochmütig
sein, sondern ernst nehmen, dass
Sport ein Teil des Wesens, des Le-
Siehe auch:
21Interview mit Frieda
Eine gute Sportlerin, 16 Jahre alt
Alles dreht sich um Gewicht— Sport — Leistung
Seit wann leidest du schon an dieser Krankheit und wie hat es angefangen?
Ich habe die Anorexie schon seit etwas mehr als drei Jahren. Begonnen hat es zu
Weihnachten: Ich war 13 und am Christtag saß die ganze Großfamilie am Tisch. Nach
dem Mittagessen saßen alle noch ein bisschen zusammen. Jemand machte eine ganz
nebensächliche Bemerkung, dass ich so gut aussähe und bestimmt etwas zugenom-
men hätte. Sie meinte es nur nett, aber ich war wie versteinert.
Von da an begann ich, abzunehmen.
Wann haben deine Eltern dein Problem bemerkt?
Da ich immer klein und dünn war, glaubten meine Eltern zuerst, es handle sich nur
um Appetitlosigkeit. Mein BMI vor Ausbruch der
Krankheit war ca. 16,6 (145cm, 35kg). Er sank in
den ersten zwei Monaten auf 14,2 ab. Man sah es
mir zwar an, aber mein Essverhalten hatte sich in
den Augen meiner Eltern nicht sehr verändert: Zu
den Hauptmalzeiten aß ich wie immer, eher we-
nig, doch ich aß dazwischen nur mehr Obst.
So ging es etwa zwei Jahre lang, wobei ich im-
mer konstant bei etwa 31kg war; daneben machte
ich als Leistungssport Turnen und wuchs keinen
Millimeter mehr.
Die erste, die mein Problem bemerkte, war meine
um vier Jahre jüngere Schwester. Bald darauf
stellten meine Eltern mich auf die Waage – ich
war 15 und hatte das Gewicht, das ich mit elf
Jahren gehabt hatte.
Von da an bin ich in Behandlung.
22„Es geht ums Siegen…“
„Die Krankheit findet im Kopf statt!“
Wie haben dich deine Eltern zu unterstützen versucht?
Sie haben zu Anfang – auf Empfehlung der behandelnden Ärztin hin –
mein Essverhalten nicht kontrolliert oder kommentiert. Es war jedoch
ausgemacht, dass ich stationär aufgenommen werden sollte, falls ich
nicht zunahm oder das Gewicht stagnierte.
Nach einiger Zeit hatte ich tatsächlich etwa 5kg zugenommen. Ich be-
gann wieder langsam zu wachsen und somit veränderte sich der BMI
nicht dramatisch. Bei einem gewissen Gewicht angelangt war ich nicht
mehr gewillt, weiter zuzunehmen. Wir wandten uns an eine andere Ärz-
tin, nachdem ich nichts mehr zunahm. Sie riet uns zur absoluten Kon-
trolle des Essens durch die Eltern. Das ging eine Zeit lang gut, doch
dann begann ich meine Eltern zu betrügen und die Essensmenge zu re-
duzieren, ohne dass sie es merkten.
Nach einiger Zeit wurde ich dann stationär aufgenommen.
Wie würdest du anderen Menschen deine Krankheit erklären? Welche
Irrtümer können zwischen dem essgestörten Jugendlichen und der
Umwelt entstehen?
Der wohl am weitesten verbreitete Irrtum ist es, dass die Krankheit nur
übers Essen geheilt werden kann. „Fang halt einfach an, normal zu es-
sen!“ – dieser Satz hilft überhaupt nichts. Genauso unsinnig ist es dem
essgestörten Kind Lebensmittel anzubieten, oder nur seine Lieblings-
speisen zu kochen. Die Krankheit findet im Kopf statt! Zum Zunehmen
muss man selber bereit sein – alles andere schlägt fehl.
Ärzte empfehlen den Eltern, das Kind täglich in Unterwä-
sche zu wiegen. Ist der Bodymaßindex von 17,5 unter-
schritten, sollte umgehend ein Spezialist aufgesucht wer-
den.
Magersüchtige sehen sich im Spiegel viel dicker, als sie
von anderen wahrgenommen werden. Die Einsicht, dass
man zu dünn ist, kann nicht herbeigeführt werden, indem
man das Kind vor den Spiegel stellt. Das ist ein Missver-
ständnis. Meist fühlen sich die Patienten sogar umso dicker,
je dünner sie sind. So war es jedenfalls bei mir.
23Konklusion: Die sportliche Karriere ist in Gefahr.
Der starke Gewichtsverlust und das intensive Training haben ernsthafte
Auswirkungen auf die körperliche und seelische Entwicklung.
Liegt eine Essstörung vor, soll nicht gezögert werden, den Sportler/ die
Sportlerin an eine mit dieser Problematik vertraute Einrichtung zu ver-
weisen.
Je früher die Essstörung entdeckt und behandelt wird, umso besser die
Chancen, auch später noch Leistungssport betreiben zu können. Ziel ist
es, lebenslange Folgeerscheinungen wie Minderwuchs und verminderte
Knochendichte zu verhindern.
Essstörungen im Leistungssport können der Grund für einen vorzeiti-
gen Abbruch der viel versprechenden Sportkarriere sein!
Bei rechtzeitigen Maßnahmen kann dies verhindert werden!
Checkliste für Sportlerinnen und Sportler
Hinweise auf eine Essstörung bei Sportlerinnen und Sportler
Ernstzunehmende Warnsymptome
Infos für Trainerinnen und Trainer
Checkliste für Ärztinnen und Ärzte
24Hinweise für eine Essstörung
bei Sportlerinnen und Sportlern
Starker Gewichtsverlust im letzten halben Jahr
Niedriger Body Mass Index: BMI
Sehr niedriger Körperfettanteil
Verzögerte Entwicklung: Wachstumsverzögerung,
fehlende Geschlechtsentwicklung, Ausbleiben der
ersten Regelblutung
Seit kurzem Ausbleiben der (bereits gehabten) Re-
gelblutung
Magen- Darm- Beschwerden
Verändertes Blutbild, erhöhte Blutfette, Elektrolyt-
störungen, veränderte Hormonspiegel
Sozialer Rückzug und Intensivierung des Trainings
Vermehrt Verletzungen und Erkrankungen
25Zahlen, Daten, Fakten
Was sind Essstörungen?
Essstörungen sind psychosomatische Erkrankungen, die durch
Störungen der Nahrungsaufnahme bzw. des Körpergewichts ohne
organische Ursachen gekennzeichnet sind.
Betroffene Menschen haben eine gestörte Körperwahrnehmung,
sie beschäftigen sich gedanklich übermäßig mit Essen, Figur und
Gewicht.
Man unterscheidet verschiedene Formen von Essstörungen wie beispielsweise Mager-
sucht (Anorexia nervosa) oder Ess- Brechsucht (Bulimia nervosa). Essstörungen
kommen vor allem in der westlichen Überflussgesellschaft vor.
Wer kann an einer Essstörung erkranken?
Jeder kann in jedem Lebensalter an einer Essstörung erkranken.
Am häufigsten sind Jungendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 15 und 25
Jahren betroffen, meistens Mädchen und junge Frauen.
Es erkranken auch immer mehr Jungen und Männer.
Das Alter der Betroffenen sinkt.
Sport und Leistungswille sind oft der Beginn der Abmagerung
Abmagerungskuren, um besser zu werden, führen oft zu dauernden Diäten.
Diäten bekommen manchmal ein Eigenleben.
… Besonders Jugendliche mit extrem gerin-
gem Selbstbewusstsein und großem Gel-
tungsbedürfnis sowie großem Perfektions-
drang erkranken daran (gute Schüler, „brave“
Kinder)
wicht
„geringes Ge
mph,
= Erfolg, Triu che
fals
Sieg“ ist die
Formel
26Graphik zu Essstörungen
Wie wirken sich Essstörungen auf die Gesundheit aus?
Die Erkrankung hat körperliche, seelische und soziale Auswirkungen:
verzögerte Geschlechtsentwicklung, Ausbleiben der Regel
Wachstumsverzögerungen und daraus resultierende Wachstumsdefizite
verminderte Knochendichte, erhöhte Knochenbruchgefahr
verändertes Sozialverhalten, sozialer Rückzug, Einsamkeit
Nebenerkrankungen (Depressionen, Substanzmissbrauch, Selbstverletzungen)
zwanghaftes Leisten und Lernen
Was sind die Ursachen für diese schwere Erkrankung?
Die Ursachen sind individuell verschieden. Meist handelt es sich um ein Zusammen-
wirken familiärer, soziokultureller Bedingungen und genetischer sowie biologischer
Faktoren. Die eine, alles erklärende Ursache gibt es nicht.
Wie erkennt man Essstörungen als Angehörig/r/e, Trainer/in, Freund/in?
Sozialer Rückzug, Diät, Wasser trinken, ev. Abnehmen, neue Kleidung, Kälte, Stim-
mungsschwankungen/-veränderungen
27Eltern, Trainer, Ärzte,…
Anregungen und Tipps…
„Meine Tochter/ ∗ Untere Grenze beim Gewicht
mein Sohn trainiert in- einziehen, keine neue Klei-
tensiv und isst unregel- dung kaufen
mäßig. Was soll ich ma- ∗ Co-Abhängigkeit vermeiden: z. B.: mithelfen
chen?“ beim Hungern und zu viel trainieren, nicht 0%
Essen (wie Joghurt, Milch, Molkegetränke,
Diätlimonaden etc.) kaufen , nicht mit
… Meistens besorgen sich die Betrof-
fenen eh selber, was sie wollen, da
dem Auto zum Training führen, oder ho-
hilft das „nicht Einkaufen“ gar nichts, len, weil der/die Sportlerin zu schwach
weil Essen oft sowieso heimlich be- ist, keine dicke Kleidung kaufen, weil
schafft und konsumiert wird. ihr/ihm immer kalt ist.
… Eltern sollen nicht ihre nicht erreichten Ziele auf die sportli-
che Leistung des Kindes projizieren – das Kind will dann näm-
lich auch gewinnen, um den Eltern eine Freude zu machen.
∗ Vorsicht! Die lobenden Worte des Trainers/
„Im Training ist mir auf- der Trainerin können bei Sportlerinnen und
gefallen, dass Markus X / Sportlern folgenden Trugschluss auslö-
Eva Y abgenommen hat sen:„Jedes Kilo weniger bedeutet mehr oder
und mit besonderer Be- bessere Leistungen!“
geisterung und Ausdauer ∗ Vor allem Jugendliche mit persönlicher Unsi-
trainiert. Das freut mich!“ cherheit und gleichzeitig hoher Leistungsbe-
reitschaft oder SporterInnen mit schon ver-
Besser den bald ersichtlichen zerrtem oder gestörtem Körperbild und
objektiven Leistungsabfall vor Wusch nach besseren sportlichen Leistungen
Augen führen wie langsamere können so in eine Essstörung hineinschlit-
Laufzeiten,… tern.
∗Essen nach/vor dem Training beachten. Kalo-
rien besprechen, die erforderlich sind. Als
Nie das Körpergewicht/ die Körper- Vorbild Schispringer nehmen: keine Be-
zusammensetzung für fehlenden lohnung für weniger Gewicht, sondern
Erfolg verantwortlich machen! „Bestrafung“ durch Erschwerung der Be-
dingungen.
28 „Xaver F., 13 Jahre, kommt schon seit vielen Jahren zur
schulärztlichen Untersuchung zu mir. Er war für sein Alter im-
mer groß und schlank. Letztes Jahr ist mir aufgefallen, dass er
zwar weiter gewachsen war, aber nicht zugenommen hatte.
Er sei viel krank gewesen.
Auch heuer bei der schulärztlichen Untersuchung ist er gleich
schwer wie in den vergangenen beiden Jahren …“
„Ich weiß, dass er viel und gerne Ja: Training je nach Essen und
Sport betreibt. Soll ich dazu raten, Wachstum reduzieren!
sein Training zu reduzieren?“
„Soll ich seine Eltern bzw. den Trai- Eher nein, nur wenn Xaver dabei ist.
ner/ die Trainerin näher über Xaver
befragen?“ Keine Geheimnisse vor Jugendlichen.
(Geheimnisse = erhöhter Widerstand)
∗ Ernährungsanamnese: Entspricht die Ernährung von Xaver seinem Be-
darf? Entspricht sie dem Trainingsumfang? Mit Xaver berechnen und al-
lenfalls Trainer einbeziehen.
∗ Regelmäßige Kontrolle von Größe-, Gewicht- und BMI- Perzentilenver-
lauf, bei Mädchen: Menstruation
Bei sportlich aktiven Kindern und Jugendlichen, die noch im Wachstum sind,
kann der fehlende, zu erwartende Gewichtsanstieg während der Wachstums-
phase und das Ausbleiben des Wachstumsschubes ein erster Hinweis auf eine
Essstörung sein.
Wie kann eine Er- Eine gute Zusammenarbeit der Betroffe-
krankung an Anorexia nen (Trainerinnen und Trainer, Ärztinnen
althletica verhindert wer- und Ärzte, Psychologinnen und Psycholo-
den? gen,…) in Vorbeugung und Therapie von
Essstörungen kann den Ausstieg aus dem
(Spitzen-) Sport verhindern.
Die Trainerin/ der Trainer ist der wichtigste Ansprechpartner der Sportlerin/
des Sportlers. Sie/ Er bemerkt jegliche Veränderungen meist früh und muss
darauf reagieren.
Kurzzeitige Erfolge auf Kosten der Gesundheit führen zu Ausfall der ehrgei-
zigsten und begabtesten Sportlerinnen und Sportler.
29Infos für Trainerinnen und Trainer:
Meine Rolle bei der Vorbeugung von Essstörungen
Eine reichliche und ausgewogene Ernährung entspricht dem Energiebedarf.
Diät ist unnötig - wenn doch, dann nur in Zusammenarbeit mit dem Sportme-
diziner/der Sportmedizinerin.
Wenn eine Essstörung droht:
• Beobachten und mit dem Betroffenen reden
• Maßnahmen der Ernährungsberatung ergreifen.
• Training anpassen
Keinen Ausschluss aus der Organisation!
Im Falle, dass eine Behandlung notwendig wird, soll eine Überweisung an
den (Sport-)Mediziner erfolgen.
30Ernstzunehmende Warnsymptome
Was kann Eltern, Freundinnen
und Freunden, Trainerinnen
und Trainern, Ärztinnen und
Ärzten, … auffallen?
Sozialer Rückzug
Unruhe
Kochen ist manchmal sogar
Aggressivität sehr beliebt, weil man sich
dabei ohne Kalorienzufuhr
Heimliches Trainieren mit dem Essen Beschäftigen
Keine gemeinsamen Mahlzeiten kann – Anorektiker machen
das mit Vorliebe – auch mit
Kein gemeinsames Kochen anderen zusammen...
Verweigerung der gewohnten Speisen
Extremer Ehrgeiz
Extreme, auch zwanghafte sportliche Betätigung
Kaum noch Kontakt zu Gleichaltrigen
Bei Mädchen: Ausbleiben der Regelblutung
Verlust von Interesse am
anderen Geschlecht …
31Checkliste für (Sport-) Medizinerinnen
und Mediziner
Wie kann ich einer Essstörung vorbeugen?
Wie kann ich eine Essstörung erkennen?
Frage nach
Ernährungsgewohnheiten
Diäten
Verletzungen
bei Mädchen und Frauen Frage nach der Menstruation
Regelmäßige Kontrolle von
Wachstum
Größe
Gewicht
BMI – Perzentile (Glossar)
Ruhe- und Belastungspuls
Sportmedizinische Untersuchung und Beratung
32Nachwort
33Glossar
Das vorliegende Glossar soll zusätzliche
Informationen für Interessierte bieten.
Die verwendeten medizinischen und
psychologischen Fachbegriffe werden nä-
her erklärt.
Es erhebt keinen Anspruch auf Vollstän-
digkeit
BMI (body mass index, Körpermassenzahl)
Wann kann er verwendet werden?
Was sagt er aus?
Berechnung:
Der BMI eignet sich als Instrument für die BMI= Körpergewicht (kg)
Erfassung bzw Abschätzung von Überge- Körperhöhe (m)2
wicht und Adipositas (Fettsucht).
Beste Überlebenschance haben Erwachsene mit einem BMI zwischen 20
und 25. (Normalbereich)
Der BMI korreliert in diesem Bereich gut mit der Gesamtkörperfettmasse.
BMI von Erwachsenen:
Bei Untergewicht und Unterernährung er-
höht sich das Risiko für die Entwicklung Untergewicht unter 18,5
von Osteoporose, Unfruchtbarkeit und ge-
schwächter Immunabwehr. Es kann der Normalgewicht 18,5-25
Beginn einer Essstörung mit gestörter Kör- Übergewicht 25-30
perwahrnehmung sein.
Fettsucht über 30
Da Sportlerinnen und Sportler einen hohen Muskelanteil haben, können
sie auch schon mit einem BMI ≥ 18,5 Symptome der Mangelernährung
aufweisen.
Der BMI ist nur ein Anhaltspunkt für * zu dick/ zu dünn/ gerade richtig!
34Einschränkungen des BMI:
Sportlerinnen und Sportler Muskeln sind schwerer, Sportlerin-
Kinder und Jugendliche nen und Sportler brauchen höhe-
Stillende Mütter ren BMI- Werte, um gesund zu sein
Sowie kranke und alte Menschen
Sehr kleine und sehr große Menschen
Ethnische Unterschiede
alters- und geschlechtsspezifische BMI Perzentilen
bei Kindern und Jugendlichen
Normalgewicht: 10.- 90. Perzentile (1) Bei jungen Sportlerinnen und
Sportlern: Normalgewicht 25. -90.
Perzentile (2)
Abb.: alters– und geschlechts-
spezifische BMI– Perzentilen
nach Kromeyer Hausschild
(1)nach Kromeyer Hausschild
(2)Herpertz- Dahlmann – Screening Empfehlungen
35Körperfett/ Körperfettanteil
Der Körperfettanteil gibt den prozentualen Körperfettanteil an und kann
mittels verschiedener Methoden bestimmt werden.
Der Fettanteil ist abhängig von Alter und Geschlecht.
Während der Pubertät nimmt er v. a. bei den Mädchen kontinuierlich zu.
Bei gesunden, normalgewichtigen Frauen liegt der Fettanteil zwischen 20
und 30 % des Körpergewichts, bei Männern zwischen 10 bis 20%.
Ein gewisser Anteil an Körperfett ist lebensnotwendig!
Speicherfett und Baufett haben wichtige endokrinologische Funktionen,
sie stellen lebensnotwendige Reserven dar und schützen die Organe.
Bei Sportlerinnen und Sportlern ist der Fettanteil durch das intensive Trai-
ning geringer und die Muskelmasse größer.
Für eine langfristige Leistungsfähigkeit liegen die optimalen Körperfettan-
teile für Männer bei 11-17% und für Frauen zwischen 19-22%. (1)
Wie viel Körperfett Kinder und Jugendliche für eine gesunde
(Geschlechts-)Entwicklung mindestens benötigen, ist unklar, jedenfalls
aber über 15%. Dies gilt in besonderem Maße für Mädchen und junge
Frauen.
Graphik Funktionen des Fettgewebes
(1) Empfehlung des American College of Sports Medicine
36Gestörtes Essverhalten – Essstörung
ausgewogene und Sportanorexie— veränder- Chronisch Essstörung
abwechslungsreiche tes (Ess-)Verhalten für bes- gestörtes Magersucht
Ernährung ≙ Bedarf sere sportliche Leistungen Essverhalten Bulimie
Graphik: Kontinuum Normal/ gesund — gestörtes Essverhalten — Essstörung
die Grenzen verschwimmen…
Was ist Sportanorexie?
Magerkeit für bessere sportliche Leistungen: Sportanorexie (Anorexia
athletica) ist keine Essstörung, da die Körperschemastörung fehlt und
das veränderte Essverhalten zeitlich auf die Leistung hin begrenzt ist
(man „macht“ Gewicht). Dünn sein ist nicht Selbstzweck, sondern es geht
ums Siegen.
Oft ist die Grenze allerdings verschwommen: Nach den anfänglichen Er-
folgen nehmen manche Sportler/innen weiter ab. Frauen, Kinder und Ju-
gendliche sind besonders gefährdet, magersüchtig zu werden.
Was ist Magersucht?
Bei Magersucht (Anorexia nervosa) nehmen die Menschen so stark ab,
dass sie daran sterben können. Sie wollen immer noch dünner sein, hal-
ten deswegen strenge Diät, bewegen sich viel und leisten auch außerhalb
des Sports Außerordentliches. Sie finden sich noch immer zu dick. Ihre
Körperwahrnehmung ist gestört.
Was ist Ess- Brechsucht?
Bei der Ess- Brechsucht (Bulimia nervosa) folgt auf Fressattacken Erbre-
chen. Es ist eine gefährliche Form der Gewichtskontrolle, da es durch Ka-
liumverlust zum Herztod beim Sport kommen kann.
37Woran erkennt man Sportanorexie, Magersucht, Ess-Brechsucht
Sportanorexie – Anorexia athletica Magersucht – Anorexia nervosa
Dünn sein für den Sport Dünn sein als Selbstzweck
Abnahme des Körpergewichtes bzw. Unzufriedenheit mit dem Aussehen,
des Körperfettanteils für mehr sport- ständige Beschäftigung mit der Kör-
liche Leistungsfähigkeit perform und dem Körpergewicht, un-
gelöste Konflikte, Streben nach Auto-
Keine Körperschemastörung: realisti-
nomie,...
sche Einschätzung des Körperge-
wichtes und der Körperform. Körperschemastörung: obwohl schon
sehr dünn, sehen und fühlen sie sich
Zeitlich auf die Trainingsphasen und
dick
Sportkarriere begrenzt
Über lange Zeit und auch außerhalb
Körpergewicht im unteren Normalbe-
der Trainingszeiten sehr niedriges Ge-
reich
wicht
Magersucht - Anorexia nervosa Ess- Brechsucht - Bulimia nervosa
Deutliches Untergewicht Normalgewicht
Extreme Angst vor dem Zunehmen Fressanfälle mit Kontrollverlust
Fühlen sich (zu) dick Um Gewichtszunahme zu verhindern:
Verleugnen die Erkrankung übermäßige sportliche Betätigung,
Missbrauch von Abführmitteln,
Veränderte Hormonspiegel und Blut-
Erbrechen
werte (Schilddrüsenhormone, Ge-
schlechtshormone, Blutfette, Blutkör- Magendarmbeschwerden: Geschwüre
perchen,…), Ausbleiben der Regelblu- der Speiseröhre, Darmträgheit,…
tung Elektrolytverschiebungen
Magendarmbeschwerden Figur und Gewicht für Selbstwert und
Haarausfall, verstärkte Körperbehaa- Selbsteinschätzung äußerst wichtig
rung
Soziale Isolation
Stimmungsschwankungen, Zwänge
Für Gewichtsabnahme: übermäßig
Sport, Missbrauch von Abführmitteln,
Erbrechen
Für Gewichtsabnahme: starke Ein-
schränkung der Nahrungszufuhr
38körperliche, gesundheitliche und soziale Auswirkungen
Grafik: Gehirn – Knochen - Darm – Entwicklung - Wachstum - Hormone – Immunsystem, Abwehr – Familie,
Freunde – sportliche Leistungen – Trugschluss: weniger Gewicht/ mehr Leistung; nicht Wahrhaben, dass Leistung
schlechter wird
Ungleichgewicht: Sozialer Rückzug
Energiezufuhr < Energieverbrauch
Hungern, Erbrechen, Abführmittel,
Heißhungerattacken,… Wohlbefinden
Gefühlsleben
Körperwahrnehmung
Leistung Magen– Darm– Trakt
Immunsystem Hormonsystem Vegetativem
Körperzusammensetzung und Körpergewicht
Wachstum Knochendichte
Laborwerte
Entwicklung
Female athlete triad
Die „Female athlete triad“ ist eine Kombination von Symptomkom-
Essstörung, Amenorrhoe (Ausbleiben der Regelblu- plex bei Athle-
tung) und Osteoporose (Abnahme der Knochendichte) tinnen :
und kommt bei Sport treibenden Mädchen und Frau-
en vor. ∗ Essstörung
Ursache ist ein Ungleichgewicht zwischen ∗ Amenorrhoe
Energiezufuhr in Form von Nahrung und
Getränken und Energieverbrauch im ∗ Osteoporose
Training.
39Ausblick: Reglements bei den Schispringern
Statement Prof. Scheer/ Dr. Tappauf
40Links und mehr...:
Downloads, und jede Menge Infos zu Ess-
störungen in jedem Alter
http://www.kinderpsychosomatik.at
Homepages zum Thema Essstörungen, Sport,
Ernährung
http://www.audreyslee.net
http://www.olympic.org
http://www.nutrisport.de
http://www.baspo.admin.ch
Homepages Essstörungen allgemein, Österreich, Deutschland, Schweiz
http://www.sowhat.at
http://www.hungrig-online.de
http://www.magersucht-online.de
http://www.bulimie-online.de
http://www.lebenshungrig.de
http://www.bzga-essstoerungen.de
http://www.netzwerk-essstoerungen.at
http://www.mann-sein.at
41Kontaktadressen
Wo finde ich professionelle Hilfe?
Psychosomatik und Psychotherapie
Univ. Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde
8036 Graz
Email: Peter.scheer@klinikum-graz.at
www.kinderpsychosomatik.at
www.verwaltung.steiermark.at/sport
Sportmedizinische Untersuchungsstellen des Landes Steiermark
Medizinischer Leiter: Univ.-Prof. Dr. Peter H. Schober
Email: peter.schober@klinikum-graz.at
Sportpsychologische Beratungsstellen
Sportpsychologische Leitung: Dr. Alois Kogler
Email: a.kogler@psychosomatik.at
Selbsthilfegruppen,...
www.fgz.co.at
Frauengesundheitszentrum Graz
Email: Frauen.gesundheit@fgz.co.at
…. Essstörungen, Sport, Ernährung: Help
Kontaktadressen/ Kontaktpersonen
42Notizen:
4344
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