Artenrückgang - Qualitätsverluste im europäischen Netz Natura 2000
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Eine Zukunftsaufgabe in guten Händen Artenrückgang – Qualitätsverluste im europäischen Netz Natura 2000 Axel Ssymank, Bundesamt für Naturschutz (BfN, II 2.2), Bonn Biodiversität und ihre Gefährdung – Uni Freiburg/ BLNN 23.10.2019 © A. Ssymank © G. Ellwanger © P. Leopold © M. Vischer-Leopold © A. Ssymank
Übersicht • Biodiversität – Insektenrückgang und Artenrückgang – eine Einführung • Bedeutung der Insekten in Ökosystemen • Was ist Natura 2000 ? Was hat das mit Insekten zu tun ? • Zustand von Arten und Lebensräumen und Belege für den Rückgang • Mögliche Gründe für den Artenrückgang • Aktivitäten auf Bundesebene, Projekte des BfN • EU als eigener Player • Ausblick – kommen wir den Biodiversitätszielen künftig näher ? BfN, Ssymank 23.10.2019 © M. Vischer-Leopold
Was ist Biodiversität & ATBI- Projekte Drei Ebenen der Biodiversität: 1. Genetische und molekulare Diversität 2. Artendiversität (Vielfalt der Arten) 3. Diversität der Biozönosen mit ihren Lebensstätten (Biotope) und der Ökosysteme Insektenrückgang: - Rückgang der Menge der Insekten (Biomasse) - Rückgang der Individuenzahlen - Artenrückgang – Verlust mind. regional von Arten (lokale, regionale in bestimmten Fällen auch weltweite Aussterbeprozesse) ATBI = All Taxa Biodiversity Inventories: Erfassung der gesamten Artenvielfalt sind in Europa bisher Ausnahmen Ökosystemdienstleistungen werden von größeren Artengruppen getragen (z.B. Blütenbestäubung, Abbau organ. Substanz, Bodenbildung) BfN, Ssymank 23.10.2019
Was ist Artenvielfalt ? Was ist 1% der Artenvielfalt Deutschlands, wer kann das aufzählen ? Amsel, Drossel, Fink und Star …. Buche, Eiche, Kastanie,Linde… Kartoffel, Karotte, Zwiebel & Zucchini ... Rind, Pferd, Schaf und Ziege. Doch wer kennt die Insekten ? Wieviel verborgene oder unbekannte Artenvielfalt gibt es ? © A. Ssymank BfN, Ssymank 23.10.2019
Artenvielfalt in Deutschland DE: 76.000 (28.000 Pflanzen & Pilze, 48.000 Tiere) > 9.200 ~ 6.500 > 9.300 Für 1% müssten Sie also bereits 760 Arten kennen ! Ein Experte mit 10% Artenkenntnis ca. 8.000 Arten ! BfN, Ssymank 23.10.2019
Beispiel Kalk-Halbtrockenrasen, LRT 6210 • Artenreichster mitteleuropäischer Vegetationstyp mit oft 70- 100 Pflanzenarten auf 100 m² • Im Bewertungsschema Monitoring genannte Arten • Pflanzen: ca. 250 • Moose: 12 • Flechten: 5 • Tierarten, wie viele ? sicher weit über 2000-3000 Insektenarten • Immer noch erhebliche Kenntnisdefizite in zahlreichen Dipteren-, Hymenopterengruppen und weiteren Insektenordnungen • Mindestens als charakteristische Arten anzusehende, mit zu schützende Arten: > 1050 Insektenarten und > ca. 40 © A. Ssymank Spinnenarten BfN, Ssymank 23.10.2019
Biologische Bedeutung von Tot- und Altholz • Gesamte Artenvielfalt in Deutschland: ca. Alle Arten 3.000 Höhere Pflanzen, 700 Wirbeltiere 9500 9500 („große Arten“) • Artenzahlen der Insekten: > 33.305 • Gebunden an Totholz >10,000 Tierarten 14400 • Alleine ca. 1370 an Totholz gebundene 33305 Käferarten • Eine große Zahl von Zweiflüglern (Diptera) und Hautflüglern (Hymenoptera) z.B. Insekten Wespen • Geschätzte 22-25 % aller Tierarten sind an Totholz gebunden, sowie • die überwiegende Zahl der Pilzarten, viele Moosarten ~10.000 ~6500 • Wichtige Schwellenwerte für eine gute Artengemeinschaft saproxylophager Arten ca. >30-60 fm/ha 3600 9400 • Anspruchsvolle Totholzarten brauchen >100 fm/ha Erhaltungsmanagement von Eichenwald-LRT, Bad Windsheim BfN, 26.-28. Juni 29.04.2010 2018 * A. Ssymank * – Ssymank, BfN, II.2.2 according to Völkl 1994, modified
Beispiele für Totholzhabitate Biotopbäume Tot- und Altholz v.a. auch in lebenden Bäumen mit Mikrohabitaten, z.B.: •Mulmhöhlen •Rauhe z.T. abgelöste Rinde •Stammfäule •Schleimflüsse •Spechthöhlen •Trockene Äste im Kronenbereich •Wurzel mit Totholz im Erdreich Erhaltungsmanagement von Eichenwald-LRT, Bad Windsheim 26.- Example of saproxylic beetle larvae distribution in a tree cavity (Speight 28. Juni 2018 * A. Ssymank * et al. 1989)
Auch im Wald die Artenvielfalt der Insekten mitdenken ... © A. Ssymank © A. Ssymank © A. Ssymank
Insekten als „Hauptleistungsträger“ terrestrischer Systeme Insekten und ihre Larven sorgen für zahlreiche Ökosystemfunktionen und Ökosystemdienstleistungen: Blütenbestäubung & Fruchtbildung Abbau organischer Substanz Bodenbildung Gewässerreinigung Regulation von Populationen Nahrungsketten Gemüse & Obst Trinkwasserqualität …. BfN, Ssymank 23.10.2019
Bestäuberleistungen von Insekten ➢ Geschätzter Wert Bestäuber-abhängiger Nutzpflanzen in Deutschland: 1,6 Milliarden € (Leonhardt et al. 2013) ➢ Weltweit sind ca. 78 % bis 94 % aller Wildpflanzen bestäuberabhängig (Ollerton et al. 2011; Tscharntke et al. 2012) ➢ Es handelt sich meist um sensible Bestäuber- Pflanzen-Wechselwirkungen, in denen Ersatz von Bestäubern nur begrenzt möglich ist (Burkle et al. 2013) ➢ Multi-Bestäubersysteme verbessern oft die Bestäuberleistung bei variablen Wetterbedingungen und im Verlauf der Blütezeit ➢ Bienen und Fliegen sind die beiden wichtigsten Bestäubergruppen in Mitteleuropa Scaeva pyrastri pollinating red currents © A. Ssymank, Wachtberg BfN, Ssymank 23.10.2019
IPBES-report 2016 Selected key messages: animal pollination plays a vital role in regulating ecosystem services in nature ➢¾ of leading global food crops rely on pollination, 35% of global crop production volume ➢annual market value of 235 – 577 billion US $ worldwide ➢human health and quality food: fruits, vegetables, many medical plants, biofuels etc. ➢„vast majority of pollinators are wild, including more than 20.000 bees, some flies“ -> ganz offensichtlich werden Fliegen & Mücken unterschätzt mit > 160.000 Arten, von denen viele Blütenbesucher sind, und einer Reihe von Wildpflanzen, die ausschließlich von Fliegen bestäubt werden wild pollinators have delcined in occurrence and diversity – a high risk for human life quality https://www.ipbes.net/assessment-reports/pollinators BfN, Ssymank 23.10.2019
Zweiflügler (Fliegen & Mücken) als Bestäuber • Gehören zu den ältesten, ersten Bestäubern der Angiospermen (Gefäßpflanzen) und haben deren erste Radiation mitgemacht • 160.000 beschriebene Arten in >150 Familien • Mindestens 71 Familien haben regelmäßige Blütenbesucher • Über 100 Kulturpflanzen werden mind. teilweise oder ganz von Zweiflüglern bestäubt, Beispiele sind Mango, Cashew, Tee, Kakao, Zwiebeln, Erdbeeren ... • „Keine Schokolade ohne Fliegen bzw. Mücken“ © A. Ssymank • Schwebfliegen sind bei uns zusammen mit den Wildbienen die wichtigste Bestäubergruppe • Schwebfliegen wie z.B. Eristalis werden in Gewächshäusern zur Bestäubung eingesetzt (z.B. bei Paprika, oder in Samenbanken) • Breites Spektrum von Generalisten bis zu Spezialisten • In Deutschland werden ca. 70-80% der Wildpflanzen von Schwebfliegen besucht ! © A. Ssymank BfN, Ssymank 23.10.2019
Wer bestäubt wo am besten ? Deutschland © A. Ssymank Bestäubung durch Zweiflügler nimmt nach Norden, in höheren Berglagen und mit kühlerem Mikroklima, z.B. unter einem Kronendach bei Wäldern (selbst in den Tropen) zu Ssymank et al. 2008, Tropical Conservancy 9: 86-90, verändert BfN, Ssymank 23.10.2019
Ausgewählte Ökosystemleistungen – Beispiel Schwebfliegen Bestäuberleistungen: • Adulte Schwebfliegen sind fast ausschließlich Blütenbesucher, damit ist ihr Verlust einem Verlust von Bestäuberleistung weitgehend gleichzusetzen (Bsp. Wahnbachtal ca. -3,3 % pro Jahr) • Inwieweit sich Verluste an Bestäuberleistung durch die parallelen Rückgänge anderer Besträubergruppen (v.a. der Wildbienen) potenzieren, ist weitgehend unbekannt • Da auch die häufigsten in Kulturen regelmäßig auftretenden Arten von den Rückgängen betroffen sind, sind auch Auswirkungen auf Erntemengen und -qualität von Kulturpflanzen anzunehmen • Die spezifischen Auswirkungen für einzelne Pflanzenarten sind vom jeweiligen Bestäuberspektrum abhängig und können davon stark abweichen Fotos: © A. Ssymank BfN, Ssymank 23.10.2019
Schwebfliegen & Biologische Schädlingsbekämpfung: ein doppelter Nutzen ➢ca. 40 % der Arten weltweit haben zoophage Larven, die meist von Blattläusen leben ➢Viele dieser Arten haben einen kurzen Lebens-zyklus und können schnell auf Gradationen reagieren ➢hier lagen die Verluste bei ca. – 3,3 % pro Jahr im untersuchten Beispiel des Wahnbachtals © A. Ssymank © A. Ssymank © A. Ssymank © A. Ssymank © A. Ssymank © A. Ssymank BfN, Ssymank 23.10.2019
Was ist Natura 2000 ? Ziel ist der Erhalt und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt auf dem Gebiet der EU Weg: Schaffung des Europäischen Netzwerkes „Natura 2000“ ➢Ausweisung von Vogelschutzgebieten (Anh. I / Zugvögel Art. 4(2)) und FFH-Gebieten (Anh. I Lebensraumtypen, Anh. II- Arten) ➢Artenschutz für alle wildlebenden Vogelarten (Art. 5-9 VSch- RL) sowie für die Arten des Anhang IV (Art. 12-16 FFH-RL) ➢regelmäßige Berichterstattung über den Erhaltungszustand des Netzes (Art. 17 FFH-RL und Art.12 VSch-RL) BfN, Ssymank 23.10.2019
Schutzgüter der FFH-RL und VSchRL 2013: Arten, Lebensraumtypen und Vogelarten Neu z.B.: ➢ In Deutschland kommen 93 Lebensraumtypen (Anhang I) vor 4080 ➢ In Deutschland kommen 253 heimische Brutvögel vor, davon 9430 sind 100 Arten des Anhang I der Vogelschutzrichtlinie BfN, Ssymank 23.10.2019
EU: 27.522 Gebiete 18,15 % terr. Fläche (Stand: 2017) Modified from M. Roeckarts & Opermanis 2017, EGR
Natura 2000 FFH- Gebiete Errichtung des Netzes Natura 2000 in Deutschland gilt seit 2009 als abgeschlossen Stand 2017: 9,3 % terrestrische Fläche 5.449 Gebiete 3,3 Mio ha terrestrisch 2,1 Mio ha marin BfN, FG II 2.2, W. Frederking BfN, Ssymank 23.10.2019
Besonderheiten von Natura 2000 ➢ Hauptziel der FFH-RL: Erreichen eines „Günstigen Erhaltungs- zustandes“ für alle LRT und Arten sowie Sicherung des Erhalts der Populationen aller wildlebenden Vogelarten ➢ Systematisches Schutzgebietsnetz: Meldeverfahren nach naturschutzfachlichen Kriterien (von wirtschaftlichen Erwägungen unabhängig) ➢ Anforderungen an Schutz und Management ➢ Verschlechterungsverbot (Art. 6 (2) FFH-RL) mit aktiver Handlungsverpflichtung ➢ Nachdrückliche Rechtsprechung (Vertragsverletzungsverfahren, EUGH-Verurteilung) ➢ Klare Spielregeln bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung, Kompensation von Eingriffen BfN, Ssymank 23.10.2019
FFH-Monitoring ➢ Verpflichtung zum Aufbau eines Monitoringsystems gemäß Art. 11 der FFH-Richtlinie Ziele: Bewertung des Erhaltungszustands der FFH-Schutzgüter (LRT und Anhangsarten)> Spez. Strukturen und Funktionen, Zustand der Population, Habitatqualität Bundeseinheitliche Bewertungsschemata: In der Folge des letzten FFH-Berichts überarbeitet für Arten & LRT mit Stand 2017 (BfN- Skripten 480) mit Überprüfung von Bewertungsparametern und umfangreichen Listen charakteristischer Arten -> im Bericht 2019 erst teilweise angewendet Vorgaben: FFH-RL selber, EU-Vorgaben, bestehende methodische Vorgaben aus Bund-Länder-AKs, Gremien-Beschlüsse Methodik: bundesweit einheitlich: ➢ Erfassung häufiger Schutzgüter durch 63 Stichproben pro Art und LRT je Biogeographischer Region (nicht alpine Region) BfN, FG II 2.2, A. Ssymank
FFH-Monitoring ➢ Stichprobenverteilung je nach Anteil der Vorkommen in den Ländern ➢ Innerhalb und außerhalb der Schutzgebiete ➢ Erfassung seltenerer Arten/LRT über alle bekannten Vorkommen > Totalzensus ➢ Sondererhebungen für u.a. Wanderfische und Großsäuger (Wolf, Wildkatze) ➢ ca. 13 000 Monitoringflächen insgesamt Ausgestaltung: ➢ Bezugsraum biogeographische Regionen (keine Aussagen auf Länderebene) ➢ Abgestimmtes Vorgehen aller Bundesländer ermöglicht die Datenzusammenführung ➢ Bewertung soll weitgehend auf Felderfassungen basieren (Expert/Inneneinschätzung möglichst reduzieren) BfN, FG II 2.2, A. Ssymank
Fitness-Check Ergebnisse Fachstudie Wirksamkeit ➢ RL führen effektiv zu einer Verringerung des Drucks auf die biologische Vielfalt, einer Verlangsamung der Rückgänge und im Laufe der Zeit auch zu einigen Verbesserungen beim Zustand von Arten und Lebensräumen, wenn vollständig und sachgemäß umgesetzt Effizienz ➢ Nutzen des Schutzes der Gebiete und der Arten übersteigen die Kosten der Umsetzung auf allen Ebenen (EU, national, lokal) bei weitem ➢ Schätzung (von 2010) der direkten Kosten für die Ausweisung, den Schutz und die Bewirtschaftung der Natura-2000-Gebiete auf ca. 5,8 Milliarden Euro pro Jahr während der Nutzen des Natura-2000-Netzwerks im Jahr 2011 insgesamt auf 200–300 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt wurde BfN, Ssymank 23.10.2019
Fazit aus dem Refit-Prozeß ➢ EU-Naturschutzrichtlinien zeigen erste Erfolge, von (selbst gesteckten) Zielen (2020) sind wir aber noch weit entfernt ➢ Ursachen sind komplex: • (zu) kurze Zeitspanne seit Auswahl der Mehrzahl der Schutzgebiete für Regeneration von LRT und Arten • Nicht ausreichende Umsetzung von Schutzmaßnahmen in den Natura 2000-Gebieten • Kein ausreichender Schutz außerhalb von N2000 • Massive Insektenrückgänge • Mega-Trends wie Landnutzungswandel und Klimawandel (inkl. Indirekte Auswirkungen) vom Naturschutz kaum beeinflussbar ➢ Erhebliche Verbesserung in der Umsetzung notwendig, Verantwortung der anderen Politikbereiche einfordern, aber auch Datendefizite im Auge behalten – Biotopkartierung als wesentliche Entscheidungsgrundlage, N2000-Schutzgüter und Gebiete nicht zu isoliert betrachten BfN, Ssymank 23.10.2019
FFH-Umsetzung sei auf wenige Arten fokussiert ? Generelle sehr pauschale Kritik: nur Arten der Anhänge II + IV viele Artengruppen fehlen ganz Fokus fast nur auf mediterrane und Inselendemiten wohl eher ein Problem der aktuellen Umsetzung und nicht durch die Richtlinien vorgegeben – mangelhafte Umsetzung © A. Ssymank Auswahlprinzipien der Artenanhänge: nur Arten die nicht durch LRT abgedeckt sind, ausgewählte Indikatoren (Bsp. Totholzkäferarten) Impliziter Schutz über Ziele der Richtlinie und als charakteristische Arten der Lebensraumtypen © A. Ssymank BfN, Ssymank 23.10.2019
Insekten als charakteristische Arten von LRT Rechtliche Grundlage FFH-RL: Art 1e: Definition des günstigen Erhaltungszustands setzt günstigen Zustand der charakteristischen Arten voraus -> Verweis auf Art. 1i Bewertungsmatrix für LRT (Annex E) Berichtsformat schließt charakteristische Arten in die Bewertung als Teil des Parameters „Spezifische Strukturen und Funktionen“ ein Guideline Bericht 2019: genaue Methodik fehlt, auf Rote Listen wird verwiesen Problem: Bewertungsschemata & FFH-Monitoring – praktisch ausschließlich Pflanzenarten Zustand kann botanisch gut sein, bei gleichzeitig hohen Verlusten an charakteristischen Tierarten -> hoher Handlungsbedarf BfN, Ssymank 23.10.2019
Bewertungsschemata im FFH- Monitoring Umfangreiche bundesweit abgestimmte Bewertungs- grundlage • Ohne Zweifel eine gewaltige Errungenschaft im Monitoring • Im Arteninventar werden für die terrestrischen LRT (fast) ausschließlich höhere Pflanzen, Moose und Flechten bewertet BfN, Ssymank 23.10.2019
Übersicht, Rückgänge & Gründe • Biodiversität – Insektenrückgang und Artenrückgang – eine Einführung • Bedeutung der Insekten in Ökosystemen • Was ist Natura 2000 ? Was hat das mit Insekten zu tun ? • Zustand von Arten und Lebensräumen und Belege für den Rückgang • FFH-Bericht • Rote Listen Arten & Biotope • Ent. Vereins Krefeld (Hallmann et al. 2017) • Fallstudie Wahnbachtal • Mögliche Gründe für den Artenrückgang • Aktivitäten auf Bundesebene, Projekte des BfN • EU als eigener Player • Ausblick – kommen wir den Biodiversitätszielen künftig näher ? BfN, Ssymank 23.10.2019 © M. Vischer-Leopold
Bericht 2019: größte standardisierte Datensammlung zum Zustand von Arten & LRT Drei wesentliche Komponenten zur Erstellung der Berichte: ➢ Berichtsformat 2019 regelt z.B. welche Daten obligatorisch sind etc. (strenge QA & upload-Regeln) ➢ Anleitung zur Berichterstellung: Erklärung und Leitfaden – „Explanatory Notes and Guidelines“ ➢ Umfangreiche verbindliche Referenzlisten Format, Guidelines und Referenzen für den Bericht 2019: Berichtsportale http://cdr.eionet.europa.eu/help/habitats_art17/index_html http://cdr.eionet.europa.eu/help/birds_art12 BfN, FG II 2.2, W. Frederking BfN, Ssymank 23.10.2019
Bewertung des Erhaltungszustandes - unverändert je biogeographische Region, alle Vorkommen - Neu im Bericht 2019 (2012-2018), Auswahl: • Kurzzeittrend für alle Parameter (stabil, zunehmend, abnehmend, unbekannt) • Angabe des Grundes für Veränderungen (Audit) für EHZ und Gesamttrend • Bei LRT: Angabe der Flächenanteile (in km²) im Zustand gut, schlecht, unbekannt • Anpassungen Populationseinheiten EU-weit einheitlich • Neue Referenzen z.B. Beeinträchtigungen & Gefährdungen • Konsequentes 10 x 10 Raster der Vorkommenskarten BfN, FG II 2.2, W. Frederking
Berichtsverfahren und Datenquellen in DE Monitoring/ Sonderarbeits- Länder gruppen: Fische, Offizielle Deadline: Wolf-Luchs-Bär 30.04.2019 Datenausschlussfrist: 30.08.2019 Konferenzen: EA/ BfN: Alpin Länder Datenag- Berichts- nationaler FFH- Daten Daten gregation entwurf Atlantisch Bericht 2019 QS Kontinental Annex A Zustimmung Bundesländer BWI 3 Ressortabstimmung Verbreitungsdaten/ Wald- BMUB / BfN Länder LRT Elektronische Datenübermittlung EU Nächste BWI 2022 Im Bericht 2019 keine neuen Daten QA ETC/BD & BfN Korrekturbericht
Ergebnisse des FFH-Berichts 2019 - LRT Erhaltungszustand der Lebensraumtypen © Bundesamt für Naturschutz, 2019 Prozentualer Anteil der bewerteten Lebensraumtypen in Deutschland und den biogeographischen Regionen • Insgesamt 30% der LRT in günstigem EHZ, z.B. der überwiegende Teil der Fels- und Schuttlebensräume, auch häufige Buchenwälder in der kontinentalen Region • 37% in schlechtem Zustand, darunter besonders Grünland- und Gewässer-Lebensräume • Unterschiede in den Regionen: Größter Anteil an günstigen EHZ in alpinen Region, atlantisch am ungünstigsten BfN, FG II 2.2, A. Ssymank
Ergebnisse des FFH-Berichts 2019: Bewertung LRT nach Formationen © Bundesamt für Naturschutz, 2019 Erhaltungszustand der LRT nach Formationen Veranstaltung, Ort, Datum, Vortragende(r), BfN, Organisationseinheit
Ergebnisse des FFH-Berichts 2019: Arten Erhaltungszustand der Arten © Bundesamt für Naturschutz, 2019 Prozentualer Anteil der bewerteten Arten in Deutschland und den biogeographischen Regionen • Insgesamt 25% der Arten in günstigem EHZ, z.B. Säugetiere (Braunes Langohr, Steinbock) oder Alpenbockkäfer • 30% der Arten in unzureichendem EHZ, u.a. viele Reptilienarten • 33% in schlechtem Zustand, v.a. Insekten und andere Wirbellose, Amphibien (Laubfrosch) und höhere Pflanzen (Sumpf-Glanzkraut ) • Abweichungen in den biogeographischen Regionen BfN, FG II 2.2, A. Ssymank
Ergebnisse des FFH-Berichts 2019: Bewertung der Arten nach Artengruppen Veranstaltung, Ort, Datum, Vortragende(r),für © Bundesamt BfN, Organisationseinheit Naturschutz, 2019
Ergebnisse des FFH-Berichts 2019: Gründe für die Veränderung (Audit Trail) LRT: ➢ca. die Hälfte der Veränderungen des EHZ sind tatsächliche Veränderungen, die andere Hälfte der Veränderungen sind Daten- /Methoden bedingt ➢15 tatsächliche Verschlechterungen (vor allem Grünland-/Dünen-LRT), keine tatsächliche Verbesserung ➢Gesamttrends der LRT: 54 % sich verbessernd oder stabil, 41 % sich verschlechternd, 5 % unbekannt Arten: ➢1/3 der Veränderungen sind tatsächliche Veränderungen, ca. 2/3 der Veränderungen sind Daten-/Methodenbedingt oder unbekannt ➢2 tatsächliche Verbesserungen (Fledermausarten, atl. Region) 12 tatsächliche Verschlechterungen (vor allem Amphibien, höhere Pflanzen, Fledermäuse kont. Region) ➢Gesamttrends der Arten: 52 % sich verbessernd oder stabil, 34 % sich verschlechternd und 14 % unbekannt BfN, Ssymank 23.10.2019
Ergebnisse des FFH- Berichtes 2019: Ergebnisse Erhaltungszustand im Vergleich Im Vergleich 2013 und 2019: Bei summarischer oberflächlicher Betrachtung (alle 3 biogeografischen Regionen, unterschiedliche Grundgesamtheit !): Arten: insgesamt weitere Verschlechterung ➢ unveränderte Grün- Anteile (25%) , aber gestiegene Rotanteile (von 29% auf 33%) ➢ Abweichungen in den Regionen alpin – günstiger LRT: insgesamt weitere Verschlechterung ➢ Zunahme Grün- Anteil (von 23 % auf 30%) beruht im Wesentlichen auf vorher mit „unbekannt“ eingestuften LRT ➢ Gleichzeitig deutlich höherer Rot-Anteil (von 27% auf 37%) ➢ bei Unterschieden in den Regionen, alpin - stabil > es bleibt weiterhin ein hoher Anteil LRT und Arten in ungünstigem Zustand BfN, Ssymank 23.10.2019
Gesamttrends 2013 – 2019 Arten LRT Auswertung anhand Methodik FFH-Bericht 2019 Bezugsraum: Deutschland 369 Art- und 192 LRT-Bewertungen BfN II 2.2, Ssymank & Ellwanger
Defizite der FFH-Umsetzung auf dem Prüfstand ➢ Laufendes Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2014/2262: (Febr. 2015) Ausweisung von Besonderen Schutzgebieten • Mangelnde/ Verspätete nationale Schutzgebietsausweisung • Mangelnde Festlegung der Schutzziele (überwiegend durch Managementpläne) • Verbindlichkeit und öffentliche Zugänglichkeit der Managementpläne ➢ Neues Vertragsverletzungsverfahren zum Verlust von Mähwiesen Grünland Nr. 2019/2145 (Juli 2019): • Quantitativer & qualitativer Rückgang der Flachland- und Bergmähwiesen • Unzureichender Schutz und Nicht-Beachtung des Verschlechterungsverbots ➢ Umfangreiche Datenqualitätskontrollen in den Berichtsdaten & zunehmend in den Gebietsdaten (SDB) – „public dashboards“ ➢ Verbesserung von Monitoring & Berichten: review of reporting BfN, FG II 2.2, A. Ssymank
Ergebnisse aus dem FFH-Bericht 2019, Beispiel Grünland, kontinentale Region • VG Verbreitungsgebiet • FL Fläche • sS&F spezifische Strukturen & Funktionen • Z Zukunftsaussichten • Ges Gesamterhaltungszustand • T Gesamttrend • A Audit-Trail mit b tatsächliche Veränderung Für alle 32 Bewertungen der Grünland- LRT in den 3 biogeografischen Regionen: • nur 3 günstig bewertet (FV), 11 mit ungünstig unzureichend (U1) und 18 mit ungünstig schlecht (U2) • Drei Viertel der LRT weisen einen sich verschlechternden Trend auf BfN, FG II 2.2, A. Ssymank
Zugänglichkeit und Öffentlichkeitsarbeit zum FFH-Bericht 2019 • Alle Daten des FFH-Berichts sind online verfügbar: Webseite BfN & EEA (reportnet) https://www.bfn.de/themen/natura-2000/berichte-monitoring/nationaler-ffh-bericht.html BfN, Ssymank 23.10.2019
Rote Liste Biotope DE und EU Deutschland: Finck et al. 2017 derzeit weisen 65,1 % aller Biotoptypen ein (unterschiedlich hohes) Verlustrisiko auf EU Red List habitats: Janssen et al. 2017 derzeit weisen 49 % aller Biotoptypen ein (unterschiedlich hohes) Verlustrisiko auf BfN, Ssymank 23.10.2019
Rote Liste der Arten Deutschlands Buchserie mit inzwischen 8 Bänden, fast abgeschlossen Rote Listen der Arten des BfN zu Insektengruppen 2011, 2016: 44% aller Insektenarten (n=7444) weisen einen Rückgang (langfristiger Trend) auf BfN, Ssymank 23.10.2019
Rote Listen Deutschlands, Gefährdung und Trends bei Blütenbestäubern • Quelle: aktuelle Rote Listen des BfN (2011, 2016) • Schwebfliegen (Syrphidae): 36% bestandsgefährdet • Bienen (Apoidea): 52 % bestandsgefährdet 100% • Bestandstrends der Schwebfliegen in 80% Abhängigkeit von der Bestands- - situation (Häufigkeitsklassen) 60% + • Von links nach rechts, sehr häufig bis 40% = extrem selten, nimmt der negative ? kurzfristige Bestandstrend zu 20% 70 60 extinct Ausgestorben 0% 50 sh h mh s ss es 40 30 Langzeittrend long term 20 trend 10 0 Kurzzeittrend short term trend ae ea a) ) e) • Kurzzeit- und Langzeittrends in e) ae hid oid ide ida ida ... rid ido po rp pd ing tu et Sy lep (A oc m ph m Prozent der Arten für ausgewählte E (N es eo ro (S be hs ac (G hs ot lM Bestäubergruppen ot hs m m ot na m ur BfN, Ssymank 23.10.2019 Di
Daten des Entomologischen Vereins Krefeld ➢ Standardisierte Fallen • Verwendung normierter Malaisefallen seit 1982 ➢ Fallenaufbau und Fallenstandortsbeschreibungen • Seit 1985 standardisiert: Ausrichtung & Aufbau der Fallen • Vegetationsaufnahmen und Biotoptypenkartierung im Umfeld, • Fotodokumentation ➢ Archivierung aller Probenserien seit mehr als 30 Jahren (Sammlungen und Archiv sind als bewegliches Denkmal ausgewiesen) • Überprüfbarkeit, • nachträgl. Auswertungen von historischem Material möglich ➢ Biomassewägungen • Standardisierte Methode (Abtropfmasse), für jede Leerung durchgeführt → Detaillierte Auswertungen aller Proben möglich, exakte Wiederholungen mit Neubeprobung möglich – einmalige Situation in Deutschland © M. Sorg © M. Sorg BfN, Ssymank 23.10.2019
Studie Hallmann et al. 2017 • Fallenergebnisse über 27 Jahre in 63 Schutzgebieten (überwiegend FFH-Gebiete): 96 MF- Flächenkombinationen • Reine Biomasseergebnisse über alle flugaktiven Insekten (Gesamtfang) • Festgestellte Rückgänge im Durchschnitt 76 % (Sommer 82 %) • Statistische Auswertung berücksichtigt: Wetterbedingungen, Biotoptyp, Landnutzung, Vegetation – erklärt ca. 7 % der gemessenen Rückgänge Hallmann et al. (2017): https://doi.org/10.1371/journal. pone.0185809 © M. Sorg BfN, Ssymank 23.10.2019
Studie Hallmann et al. 2017 Biomasse in g/d für ausgewählte Flächen im Jahresverlauf Untersuchungsgebiete © M. Sorg Cluster: Heiden, Sandrasen, Binnendünen -7,5 %/a © M. Sorg BfN, Ssymank 23.10.2019
Biomassemessungen • Rückgänge auch in gut gepflegten Schutzgebieten, optisch und an der Vegetation nicht erkennbar • 37 Natura 2000, 7 NSG, 9 LSG, 6 Wasserschutzgebiete, 4 unter örtlichem NS-Management • Reine Biomasseergebnisse über alle flugaktiven Insekten (Gesamtfang) • Habitatspektrum: Heiden, Sandtrockenrasen, Binnendünen,nährstoffreiches Grünland, feuchte Hochstauden, Pioniergesellschaften und Gebüschsukzessionen • Bisher keine Angaben zu Individuenzahlen (Abundanzen) oder Arten -> interpretierbar für Nahrungsnetze u.a., nicht jedoch in Bezug auf seltene oder gefährdete Arten © M. Sorg BfN, Ssymank 23.10.2019
F+E Biodiversitätsverluste F+E: Biodiversitätsverluste in FFH-Lebensraumtypen des Offenlandes Vor dem Hintergrund der inzwischen von Hallmann et al. 2017 veröffentlichten Ergebnisse – stellen sich zahlreiche Fragen im Natur- und Artenschutz, Fokus hier FFH-LRT des Offenlandes Laufzeit: bis 2021 Zuwendungsempfänger: Entomol. Verein Krefeld e.V. Fachbetreuung: Axel Ssymank, Mareike Vischer-Leopold © A. Ssymank → Ursachenanalyse des Rückganges von charakteristischen Arten der LRT → Datengrundlage ist über drei Jahrzehnte standardisiert gesammeltes Insektenmaterial → Projekt umfasst Wiederholungsaufnahmen und Datenanalyse © A. Ssymank BfN, Ssymank 23.10.2019
F+E Biodiversitätsverluste Methodik und Fragestellungen: Fokus auf FFH-Offenland-LRT (andere Standorte unberücksichtigt) 1.Ergänzung von Beprobungen mit dem Ziel an © A. Ssymank bestimmten Fallenstandorten über aktuelle Daten zu verfügen und im Idealfall Zeitreihen von 3-4 Beprobungen an derselben Stelle zu bekommen 2.Artspezifische Auswertungen eines möglichst breiten Spektrums von Insektengruppen Hautflügler, Zweiflügler, Käfer, Schmetterlinge … © P. Leopold 3.Rückschlüsse auf Ursachenkomplexe aus der Analyse der Traits der Insektenarten, Art- und Gruppenspezifische Auswertungen und Bewertung 4.Räumlich differenzierte Situation und betroffenes © A. Ssymank Biotop-/ LRT-Spektrum BfN, Ssymank 23.10.2019
F+E: Biodiversitätsverluste Erste Ergebnisse (bislang weitgehend noch nicht veröffentlicht): • 75-80 % Biomasseverlust über zahlreiche Standorte hinweg (1989-2014), < 7 % klimainduziert bzw. Vegetationsveränderungen bestätigt sich • Biomassemenge pro Malaisefalle lag 1982 zwischen 1 und 1,5 kg pro Jahr. Aktuell 200 – 500 g / a • Ausnahmestandorte ohne größere (Rand)einflüsse aus der Landwirtschaft zeigen deutlich bessere Ergebnisse • Viele Insektengruppen sind stark betroffen, jedoch artspezifisch in unterschiedlichem Umfang • Rückgänge betreffen alle Insektengruppen • Rückgänge sind unabhängig von der Körpergröße © M. Sorg BfN, Ssymank 23.10.2019
Fallstudie aus dem Wahnbachtal: Schwebfliegen • Alle Fallenstandorte liegen in unmittelbarer Umgebung von Intensivgrünland und Äckern • Teil einer typischen gemischten Kulturlandschaft dieser Region im Bergischen Land) Copyright: Entom. Verein Krefeld BfN, Ssymank 23.10.2019
Schwebfliegen – ein Kurzportrait Diptera, Syrphidae Welt: ca. 6.000 Arten, 188 Gattungen Paläarktis: ca. 1.800 Arten Deutschland: 480 Arten Morphologie: • Vena spuria, weitgehendes Fehlen von Borsten • 2 – ca. 20 mm Körpergröße, z.T. Mimikry, meist gelb-schwarz oder ganz schwarz Lebensweise der Imagines: • Nahrungsaufnahme i.w. Nektar (Brennstoff v.a. zum Fliegen) & Pollen (bei ww zur Eireifung benötigt), seltener Wasseraufnahme • I.d.R. Blütenbesucher (insekten- und windblütige Blüten) • wichtige Bestäubergruppe neben den Bienen (Apoidea), darunter auch Kulturpflanzen wie Obstbäume, Erdbeere • Wanderverhalten einiger Arten (breites Spektrum von ortstreu bis zu regelmäßigen Herbstwanderungen über Alpenpässe • univoltin, bivoltin einige Arten polyvoltin mit 5-6 Generationen im Jahr Larvalernährung: sehr vielfältig – zoophag, phytophag, saprophag terrestrisch & aquatisch BfN, Ssymank 23.10.2019
Beispiel Schwebfliegen im Wahnbachtal (NRW) Schwebfliegen (Diptera: Syrphidae): • Bedeutung als Blütenbesucher und für die biologische Schädlingsbekämpfung: viele Arten blattlausfressende Larven) • Wahnbachtal (6 Malaisefallen) Jahr 1989: Jahr 2014: Individuenzahl: 17291 Individuenzahl: 2738 Artenzahl: 140 Artenzahl: 103 Publ.: Hellenthal & Ssymank 2007 Publ.: Ssymank & Sorg in Vorb. Mittlere Rückgänge: Individuenzahl: -84 % (in einzelnen Fallen bis zu 96%) Mittlere Artenrückgänge/ verluste: -24% ( bis zu -68%): lokales Aussterben (bzw. unterhalb Nachweisgrenze) • Arten mit aquatischen Larven und bodenlebende Arten besonders Fotos: © A. Ssymank stark betroffen, ebenso Arten der Vorwarnliste • Weniger betroffen: hochmobile wandernde Arten • Artspezifisch unterschiedliche Betroffenheit BfN, Ssymank 23.10.2019
Beobachtete Rückgänge in Prozent 1989 - 2014 Wahnbachtal: Syrphidae (Diptera); Unterschiede zwischen den Fallenstandorten bzw. Habitaten - 84 % Individuen Arten - 24 % © A. Ssymank BfN, Ssymank 23.10.2019
Analysen der Ergebnisse Beeinträchtigungen und Gefährdungen LRT, FFH-Bericht 2019 © Bundesamt für Naturschutz, 2019
Ergebnisse des FFH-Berichts 2019/ Beeinträchtigungen und Gefährdungen Arten © Bundesamt für Naturschutz, 2019
Ausgewählte Beeinträchtigungen und Gefährdungen von Insekten Direkte Habitatverluste Beispiele Schwebfliegen: ▪ Versiegelung - alle Arten ▪ Änderungen der Landnutzung - viele charakteristische an bestimmte Biotoptypen/ LRT gebundene Arten Qualitative Verschlechterungen - Einzelgebüsche, Waldränder, Tot- und Altholz, ▪ Verlust von Mikrohabitaten, Habitatstrukturen Kleinstgewässer ▪ Veränderungen der Hydrologie/ - Platycheirus, Pyrophaena, Beeinträchtigungen von Gewässern Arten mit aquatischen Larven ▪ Fragmentierung und Isolation - Viele Teilsiedler mit räumlichem Nutzungsmosaik ▪ Intensivierung, nicht verträgliche Landnutzung - z.B. Verlust von oder Nutzungsaufgabe Blütenangebot ▪ Nährstoffeinträge (v.a. Stickstoff), toxische - direkte und indirekte toxische Substanzen wie Pestizide, Saatgutbeizen Effekte, Verlust von Nahrungspflanzen © BfN Agrareportr BfN, Ssymank 23.10.2019
Übersicht, Aktivitäten & Ausblick • Biodiversität – Insektenrückgang und Artenrückgang – eine Einführung • Bedeutung der Insekten in Ökosystemen • Was ist Natura 2000 ? Was hat das mit Insekten zu tun ? • Zustand von Arten und Lebensräumen und Belege für den Rückgang • Mögliche Gründe für den Artenrückgang • Aktivitäten auf Bundesebene, Projekte des BfN • EU als eigener Player • Ausblick – kommen wir den Biodiversitätszielen künftig näher ? BfN, Ssymank 23.10.2019 © M. Vischer-Leopold
Ausgewählte Aktivitäten auf Bundesseite (BfN/ BMU etc.) UMK-Beschluss 89. Umweltministerkonferenz am 17.11.2017 mit 4 Kernpunkten •Bericht zum Kenntnistand Insektensterben/ Auswirkung von Neonikoninoiden und Cyantraniliprolen •Einheitlicher „Methodenleitfaden“ zum Insektenmonitoring bis 03.2019 •Ad hoc Maßnahmen •Konsequente Anwendung und Kontrolle RL 2009/128/EG BfN, Ssymank 23.10.2019
Ausgewählte Vorhaben des BfN zu Insektenrückgängen • F+E: Konzeptentwicklung zum bundesweiten Insekten-Monitoring 2018/2019 • F+E: „Gefährdungsursachenanalyse für Tiere, Pflanzen und Pilze“ (2018-2020, Rote Listen-Auswertungen) • F+E: "Biodiversitätsverluste in FFH-LRT des Offenlandes" (2016 – 2021), Entomologischer Verein Krefeld e.V. (EVK) Diverse Projekte im Bundeprogramm Biologische Vielfalt z.B. • Werkzeuge zur Erfassung biologischer Beobachtungsdaten in Deutschland (WerBeo) • "Lebendige Agrarlandschaften" mit Teilprojekten wie z.B. „Summendes Rheinland - Landwirte für Ackervielfalt“, „Steillagenweinbau schafft Vielfalt – Das Moselprojekt“ Literaturstudie zur Qualifizierung und Quantifizierung des Rückgangs der Insekten einschließlich der Aufarbeitung der Kenntnislücken Geplant weitere F+E-Projekte im Ufoplan 2019 und 2020 BfN, Ssymank 23.10.2019
Methodenleitfaden Malaisefallen 2018 Neues F+E „Insektenzönosen in FFH LRT in Süddeutschland“ 2019-2021 in BY basierend auf alten LfU-Probenarchiv Ssymank, A., Sorg, M., Doczkal, D., Rulik, B., Merkel-Wallner, G. & Vischer-Leopold, M. (2018): Praktische Hinweise und Empfehlungen zur Anwendung von Malaisefallen für Insekten in der Biodiversitätserfassung und im Monitoring. – Series Naturalis 1 (2018): 1-12. ISSN (print)1868-6524, (online) 2570-1266, kostenlos als Download: Fotos: © A. Ssymank http://www.entomologica.org/sn/natur alis2018_1.pdf BfN, Ssymank 23.10.2019
Insektenmonitoring • F+E-Vorhabens „Konzeptentwicklung zum bundesweiten Insektenmonitoring“ • Methodenleitfaden „Insektenmonitoring“ 3 Säulen, Minimalprogramm einheitlich aber voraussichtlich keine Bewertung aller Insektengruppen, noch aller charakteristischer Arten der FFH-LRT BfN, Ssymank 23.10.2019
Aktionsprogramm Insektenschutz - Bundeskabinettsbeschluss vom 4.09.2019 Ziele: • „Trendumkehr beim Rückgang von Insekten und ihrer Artenvielfalt“ • mit Verbesserung des Rote-Liste Status • Steigerung der Insektenbiomasse bei gleichzeitigem Erhalt der Artenvielfalt Eckpunkte / Handlungsbereiche: 1. Insektenlebensräume und Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft fördern 2. Lebensräume für Insekten in anderen Landschaftsbereichen wiederherstellen und vernetzen 7. Forschung vertiefen – Wissen 3. Schutzgebiete als Lebensräume für vermehren – Lücken schließen Insekten stärken 8. Finanzierung verbessern – 4. Anwendung von Pestiziden mindern Anreize schaffen 5. Einträge von Nähr- und Schadstoffen in 9. Engagement der Gesellschaft Böden und Gewässer reduzieren befördern 6. Lichtverschmutzung reduzieren https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschuer en/aktionsprogramm_insektenschutz_kabinettversion_bf.pd f
Bundesprogramm Biologische Vielfalt - Insektenaufruf „Erfolgreicher Aufruf – 94 Projektskizzen eingegangen – 56 Ideen sollen zu Projekten mit einem Volumen von zusammen fast 60 Mio € entwickelt werden“ Insektenaufruf im Juni 2018 des BfN Stand bis Januar 2019: 94 Projektskizzen Bei Realisierung aller Projektideen: Mögliches Fördervolumen von ca. 60 Mio. Euro Bundesmittel Alle Handlungsfelder des Aktionsprogramms, Hauptfokus Aktivitäten in der Land- und Forstwirtschaft und im urbanen Raum https://biologischevielfalt.bfn.de/insektenaufruf.html
EU-Pollinators Initiative Commission Note Juni 2018: Aktionsprogramm der EU-Initiative für Bestäuber Ausgangslage: • Gefährdung ausreichend bekannt (IPBES- report, EU Rote Listen Bienen, Schmetterlinge) • Sehr hohes öffentliches Interesse: EU-Umfrage 94 % aller Bürger halten den Insektenrückgang für alarmierend • Wesentliche Ökosystemdienstleistung in Höhe von ca. 15 Mrd Euro/a in der landwirtschaftlichen Produktion durch Bestäubung • Wichtige Funktion zum Erhalt der Artenvielfalt in allen terrestrischen Ökosystemen Webseite der EU-Bestäuberinitiative: https://ec.europa.eu/environment/nature/conservation/species/pollinators/in dex_en.htm
Priorität I: Verbesserung der Kenntnisse über den Rückgang der Bestäuber sowie seine Ursachen und Folgen •Maßnahme 1: Unterstützung der Überwachung und Bewertung •Maßnahme 2: Unterstützung von Forschung und Innovation •Maßnahme 3: Erleichterung des Wissensaustauschs und des Zugangs zu Daten Priorität II: Bekämpfung der Ursachen des Bestäuberrückgangs •Maßnahme 4: Erhaltung gefährdeter Bestäuberarten und -lebensräume •Maßnahme 5: Verbesserung der Bestäuberlebensräume auf und um •landwirtschaftliche Nutzflächen •Maßnahme 6: Verbesserung der Bestäuberlebensräume in städtischen Gebieten •und im Landschaftsraum allgemein •Maßnahme 7: Verringerung der Auswirkungen des Pestizideinsatzes auf die Bestäuber •Maßnahme 8: Verringerung der Auswirkungen invasiver gebietsfremder Arten •auf Bestäuber Priorität III: Sensibilisierung, Einbeziehung der Gesellschaft und Förderung der Zusammenarbeit •Maßnahme 9: Ermutigung der Wirtschaft und der Bürgerinnen und Bürger zum Handeln •Maßnahme 10: Förderung von Bestäuberstrategien und Zusammenarbeit •auf allen Ebenen BfN, FG II 2.2, A. Ssymank
Ausgewählte erste Auswirkungen EU • Schließen von Kenntnislücken – Vergabe eines Kommissionsvertrags zur Erstellung einer Roten Liste Schwebfliegen der EU (Ergänzung zu Bienen & Tagfaltern); Auftragnehmer IUCN Brüssel, Zeithorizont 2020/2021 • Einrichtung einer Arbeitsgruppe der Kommission mit Experten zur Erarbeitung eines Monitoringsystems für Bestäuber EU-weit („Überwachungssystem“) • Geplante Schaffung eines EU-“Wissenszentrums“ für Bestäuber • Stärkung des Schutzes der Lebensräume von Insekten: „Die Schutzgebiete des Natura-2000-Netzwerks bieten zahlreiche Lebensräume von lebenswichtiger Bedeutung für Bestäuber.“ • Weitere dringend notwendige Beschränkungen beim Einsatz von Pestiziden sind geplant Weitere Infos auf der EU-Webseite: • öffentlicher Konsultationsprozess, Broschüren • COM(2018)395 final: beinhaltet u.a. im Anhang einen detaillierten Aktionsplan mit Zeitplan der Umsetzung • Commission Staff Working Document BfN, FG II 2.2, A. Ssymank
Ausblick, Diskussionsanregungen • Neue Nachweismethoden erlauben künftig vermutlich umfangreichere Analysen der Artenvielfalt über viele funktionelle Gruppen und charakteristische Arten (Metabarcoding) © A. Ssymank • Charakteristische Insektenarten können einen neuen Stellenwert in der FFH-Umsetzung bekommen (z.B. FFH-VP, Qualitätsbewertung Erhaltungszustand) – hier sind noch zahlreiche Standardisierungen notwendig © P. Leopold • Entscheidend bleibt aber die Intensität der Landnutzung und unser Mut es anders - wirklich einmal im Sinne der Natur nachhaltig - zu versuchen, Stickstoffeinträge & PSM drastisch zu verringern © A. Ssymank BfN, Ssymank 23.10.2019
„Mängel“ und Hindernisse in der Umsetzung der FFH-RL Ausgewählte Hauptprobleme: - Nicht ausreichend konsequente Umsetzung von Schutzzielen über Managementplanung zum Gebietsmanagement - Fehlende Ressourcen (Finanziell & Personal) – neue Kostenschätzung für Natura 2000 terrestrisch ca. 1,4 Milliarden/ a, vorhanden ist jedoch nur ca 1/3 - Fehlende Verantwortung der Hauptverursacher von Beeinträchtigungen, unzureichende Anpassungen rechtlicher Rahmenbedingungen in der Landnutzung - Vollzugsdefizite v.a. bei der Frage der Verschlechterungen und des Umgebungsschutzes und Integration von Tierarten in die FFH-VP - Verluste selbst in FFH-Gebieten werden teilweise „toleriert“ z.B. Mähwiesen - Unzureichende Konsequenzen aus dem Berichten zur Behebung von Mängeln oder ungünstigem EHZ - Massive Insektenrückgänge infolge v.a. intensiver Landwirtschaft BfN, Ssymank 23.10.2019
Ausblick Landwirtschaft, PSM in Schutzgebieten ? Problemfeld PSM in Schutzgebieten: • Landwirtschaft im Sinne der guten fachlichen Praxis darf im Regelfall in Schutzgebieten und deren Umgebung weiter durchgeführt werden und findet meist unverändert statt (FFH-VP-pflichtig !!) • Register des PSM-Einsatzes inkl. Saatgutbeizen (Neonikotinoide) fehlen selbst in Schutzgebieten bisher • Verschlechterungsverbot des Art. 6(2) FFH-RL • Umsetzung nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von PSM (RL 2009/128/EG: Art. 12b: Minimierung oder Verbot von PSM in Natura 2000 und in Gebieten der WRRL) • Dringender Handlungsbedarf im Hinblick auf die Verbesserung des EHZ vieler Arten und LRT © M. Vischer-Leopold BfN, Ssymank 23.10.2019
Ausblick, Diskussionsanregungen • Dass es geht, beweisen z.B. FAP-Projekte, „Farming with Alternative Pollinators“: bei ausreichend kleinstrukturierter Landwirtschaft, können durch Förderung von wildlebenden Bestäubern erhebliche Ertragssteigerungen erwirtschaftet werden bei geringerem PSM- einsatz Weitere Entwicklungen in Deutschland sind: • Einrichtung eines Rote Liste-Zentrums • Aufbau/ Entwicklung eines bundesweiten Insektenmonitorings mit 3 Säulen (häufige Insekten/ allgemeine Landschaft, seltene Fotos: © A. Ssymank Lebensräume , wertvolle Arten) • geplantes Monitoring-Zentrum BfN, Ssymank 23.10.2019
Biodiversitätsstrategie EU Target 1 (2020-Ziel): Die Verschlechterung des Erhaltungszustands aller Arten und Lebensraumtypen der EU-Naturschutzrichtlinien aufhalten sowie signifikante und messbare Verbesserungen ihres Erhaltungszustands erreichen, sodass bis 2020, verglichen mit der aktuellen Bewertung: (i) 100% mehr Lebensraumtypen und 50% mehr Arten der FFH- Richtlinie einen (günstigen oder) verbesserten Erhaltungszustand aufweisen; und (ii) 50% mehr Arten der Vogelschutzrichtlinie einen gesicherten oder verbesserten Zustand zeigen. d.h. z.B. Verdopplung eines günstigen EHZ für LRT in der EU (von 17% auf 34 %) Wird sicher nicht erreicht – genaue Bilanz 2020 – bereits jetzt Diskussion über neue Zwischenziele und die 2050 Visionen BfN, Ssymank 23.10.2019
Artenvielfalt bei Insekten und Pflanzen... Wir können sie schützen … © A. Ssymank BfN, Ssymank 23.10.2019
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit ! Mit Natura 2000 Vielfalt erhalten ! © A. Ssymank BfN, Ssymank 23.10.2019
Disclaimer: Die hier präsentierten Daten zum Fallbeispiel Wahnbachtal sind vorläufig, Veröffentlichung nur mit vorheriger Einwilligung des Autors und des EVKr ! Wissenschafliche Veröffentlichungen sind als Projektergebnisse geplant. Nutzung der Präsentation nur mit Zustimmung des Autors/ BfN Ansprechpartner: Dr. Axel Ssymank, e-mail: Ssymanka@bfn.de Weitere Hinweise: Webseiten www.bfn.de, Themen Natura 2000: https://www.bfn.de/themen/natura-2000.html Rote Listen:https://www.bfn.de/themen/rote-liste.html Insektenrückgang:https://www.bfn.de/themen/insektenrueckgang.html Dank: Folienbeiträge von Peter Finck (Rote Liste Biotope), Wenke Frederking, Mareike Vischer-Leopold, Götz Ellwanger & Christina Müller
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