Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den deutschen Strommarkt

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Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den deutschen Strommarkt
Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den
deutschen Strommarkt

Auftraggeber: Gesellschaft zur Förderung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln e. V.

Autoren: Max Gierkink, Michael Wiedmann, Konstantin Gruber und Martin Hintermayer

Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI) gGmbH | 17.03.2021
Der europäische Rat hat sich im Dezember 2020 darauf verständigt, das Klimaziel
der Europäischen Union für das Jahr 2030 von aktuell 40% auf 55% zu verschärfen.

                   Treibhausgasemissionen in der EU**                         ▪ Am 11. Dezember 2020 hat sich der Europäische Rat für eine Verschärfung des
                 5.720                                                          Klimaziels der Europäischen Union von -40% auf -55% im Vergleich zu 1990
                             5.186                                              ausgesprochen. Statt 3.432 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten (Mio. t CO2- Äq)
Mio. t CO2-Äq.

                                      4.576
                  50%
                                                                                sollen im Jahre 2030 nur noch maximal 2.574 Mio. t CO2-Äq ausgestoßen werden.*
                                                3.432
                              55%                                             ▪ Das EU Emissionsbudget verteilt sich auf das Emission Trading System (EU ETS) und
                                       60%                   2.574
                                                                                die Effort Sharing Regulation (ESR). Während im EU ETS das Emissionsbudget der
                                                 61%
                                                               57%              energieintensiven Industrie und der Energiewirtschaft reguliert wird, werden in der
                  50%
                              45%      40%                                      ESR die Sektoren Verkehr, Gebäude, Industrie und Landwirtschaft reguliert.
                                                 39%           43%
                                                                              ▪ Für das 40% Ziel ist die Aufteilung der Emissionsreduktion zwischen EU ETS und ESR
                 1990        2005     2020      2030          2030
                                                                                festgelegt. Eine Aufteilung im Hinblick auf das neue 55% Ziel steht noch aus.
                         EU ETS      ESR      40% Ziel      55% Ziel

▪ Für die modellbasierten Analysen wird angenommen, dass die Verschärfung des EU-Klimaziels zu einer überproportionalen
  Zielverschärfung im Bereich der ESR führen wird. Diese Annahme berücksichtigt das mögliche Carbon-Leakage-Risiko im Bereich des
  EU ETS. Das verbleibende Emissionsbudget im EU ETS liegt im Jahr 2030 annahmegemäß bei 1.111 Mio. t CO2-Äq.
▪ Die Preisentwicklung der Emissionszertifikate für das 40% und 55% Ziel wird mit Hilfe eines EU ETS Fundamentalmodells berechnet. Auf
  Basis der CO2-Zertifikatepreise werden anschließend die Auswirkungen der Klimazielverschärfung auf den deutschen Strommarkt
  (Kraftwerkspark, Stromerzeugung, Großhandelsstrompreise und sektorales Klimaziel 2030) untersucht.
* Das angenommene Emissionsbudget bezieht sich auf die 27 EU-Mitgliedstaaten sowie das Vereinigte Königreich, Norwegen, Island und Liechtenstein (EU 31).
** Daten basierend auf ICIS (2019). Aufteilung zwischen EU ETS und ESR für das 55 % Ziel in 2030 gemäß Annahme.

© EWI 2021                                                 Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt   2
Szenariendesign und zentrale Annahmen
© EWI 2021   Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt   3
Eine Verschärfung des europäischen Klimaziels auf 55% könnte die Preise im EU ETS
mittelfristig um über 10 Euro pro Tonne CO2-Äq erhöhen.

                      EU ETS Zertifikatspreise                         ▪ Auf Basis eines EU ETS-Fundamentalmodells (vgl. Bocklet & Hintermayer, 2020)
               100
                                                                         werden für zwei Szenarien mögliche CO2-Preisentwicklungen berechnet:
                80                                                              − Im Szenario ohne Klimazielverschärfung (OK40) wird eine Minderung der
 €/t CO2-Äq.

                                                                                  Emissionen im EU ETS um 43% (im Vergleich zu 2005) im Jahr 2030 unterstellt.
                60
                                                                                  Dies entspricht einem jährlichen, linearen Reduktionsfaktor von 2,2%.
                40
                                                                                − Im Szenario mit Klimazielverschärfung (MK55) wird der Reduktionsfaktor im
                20                                                                EU ETS ab 2022 auf 3,2% erhöht. So wird die Ausgabemenge im Jahr 2030 auf
                                                                                  1.111 Mio. t CO₂-Äq reduziert und Klimaneutralität in 2050 sichergestellt.
                0
                   2019* 2023 2025 2028 2030 2033 2035 2038            ▪ Um das reale Marktverhalten von Firmen widerzuspiegeln werden diese mit einem
               MK55 25    42   48   56   61   71   78   85
                                                                         Planungshorizont von 10 Jahren abgebildet und Hedging-Restriktionen zur Risiko-
               OK40 25    35   38   45   49   57   63   73
                                                                         minimierung berücksichtigt. Die Firmen folgen einem Gewinnmaximierungskalkül.

▪ Das Modell bildet außerdem die Angebotsseite des EU ETS ab. So folgt die ausgegebene Menge an Zertifikaten dem linearen
  Reduktionsfaktor und insbesondere die Marktstabilitätsreserve und der Löschungsmechanismus werden berücksichtigt.
▪ Annahmegemäß existiert spätestens im Jahr 2050 eine Technologie, die verbliebene Emissionen für 135 €/t CO2-Äq vermeiden kann.
▪ Die EU ETS Preise von ca. 37 €/t CO2-Äq im März 2021 deuten bereits auf eine Anpassung auf den Preispfad des MK55 Szenarios hin.
  Emittenten beschaffen in Erwartung steigender Preise bereits jetzt Zertifikate.

* Historische Daten basierend auf Sandbag (2021).

© EWI 2021                                          Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt   4
Szenarienübergreifende Annahmen für die Modellierung

                                 Installierte Leistung                                                                                              Volllaststunden
              GW                                                                                                          h/a
                200                                                                                                       5.000
                150                                                                                                       4.000
                                                                                                                          3.000
                100
                                                                                                                          2.000
                    50                                                                                                    1.000
                     0                                                                                                          0
                         2019    2023     2025      2028      2030      2033      2035      2038                                     2019     2023      2025      2028     2030    2033    2035      2038
     Photovoltaik         45      88       101      124        130       147      158       174                 Photovoltaik         970      964       960       954       950    946      944      940
     Wind Onshore         53      73       78        83        87        92        96       101                 Wind Onshore         1.808   1.885     1.937     2.014     2.065   2.129   2.171    2.236
     Wind Offshore       6        16        19       23       25        31         35        41                 Wind Offshore     3.677    3.796     3.876    3.995    4.075     4.111     4.127    4.139
Quellen: Eigene Berechnung basierend auf EEG (2021) und WindSeeG (2020)                                   Quellen: Eigene Berechnung basierend auf NEP 2030 (2019) und Agora (2018)

                Nettostromnachfrage inkl. Leitungsverluste                                                                                      Brennstoffpreise
             TWh/a                                                                                                       €/MWh
                800                                                                                                             25
                                                                                                                                20
                700
                                                                                                                                15
                600                                                                                                             10
                                                                                                                                 5
                500
                                                                                                                                 0
                                                                                                                                     2019     2023      2025      2028     2030    2033    2035      2038
                400
                        2019     2023      2025      2028    2030     2033        2035      2038                Erdgas                14       17        18        19        20     20      21        21
     Stromnachfrage      552      629       649       679     699      719        732       751                 Steinkohle           8        8         6         6        6         7        7         7
Quelle: Eigene Berechnung basierend auf dena (2018) und BNetzA (2020)                                     Quellen: Historische Werte aus EEX (2020) und MarketWatch (2020), Future Preise für 2023 aus CME
                                                                                                          (2021a) und CME (2021b), Preise ab 2025 aus IEA (2020) - Delayed Recovery Szenario

© EWI 2021                                                 Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt                               5
Die vorliegende EWI-Analyse geht - im Vergleich zum Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG) 2021- von einer höheren Stromnachfrage im Jahr 2030 aus

              Installierte EE-Leistung im Szenarienvergleich                                              ▪ Das EEG 2021 geht von einer Bruttostromnachfrage von 580 TWh
GW                                                                                                          im Jahr 2030 (2019: 577 TWh*) aus. Basierend auf dem 65% Ziel
140
                                                                                            130             der Bundesregierung (65% Anteil erneuerbarer Energien an der
                                                                    124
                                                                                                            Bruttostromnachfrage) resultiert ein plangemäßer Ausbau der
120
                                                                                                            erneuerbaren Stromerzeugungskapazitäten in den Bereichen
                                             101
100                                                                                                         Windenergie und Photovoltaik auf 191 GW bis im Jahr 2030.
                         88                                                            87 100
                                                               83 95                                      ▪ Die vorliegende Analyse geht auf Basis der dena Leitstudie von
                                        78
 80                73                                                                                       einer Bruttostromnachfrage von 716 TWh** im Jahr 2030 aus.
                                              78
                                                                                       71                   Zentrale Treiber für den Nachfrageanstieg sind die
 60                      68                                    68
                   60
                                        64                                                                  Marktdurchdringung der Elektromobilität und elektrischer
                                                                                                            Wärmepumpen sowie die Produktion von grünem Wasserstoff.
 40
                                                         23                      25                       ▪ Um im Falle der höheren Bruttostromnachfrage das 65%-Ziel zu
             16                   19
 20                                                                                                         erreichen, wird bis 2030 ein zusätzlicher Ausbau der Windenergie
                                                         18                      20
             13                   15                                                                        und Photovoltaik von 51 GW auf 242 GW angenommen.
   0
                  2023                 2025                   2028                    2030                ▪ Ab 2030 wird ein durchschnittlicher jährlicher Nettozubau der
       Wind Offshore (EWI)             Wind Onshore (EWI)              Photovoltaik (EWI)                   Windenergie und Photovoltaik von etwa 9 GW angenommen.
       Wind Offshore (EEG)             Wind Onshore (EEG)              Photovoltaik (EEG)                 ▪ Der Zubau von Wasserkraft und Biomasseanlagen folgt dem
* Vgl. BMWi (2021)                                                                                          Klimaschutzprogramm 2030.
** Die Summe aus der Nettostromnachfrage inkl. Leitungsverlusten (699 TWh), dem Kraftwerkseigenverbrauch und Pumpspeicherverlusten ergibt die Bruttostromnachfrage von 716 TWh.

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Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen
Klimaziele auf den deutschen Strommarkt
© EWI 2021   Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt   7
Der Zubau von Gas-und-Dampf-Kombikraftwerken und flexiblen Backup-Kapazitäten
kompensiert zum Teil die Stilllegung von Kernenergie- und Kohlekraftwerken

               Konventioneller Kraftwerkspark im Szenario OK40                                              ▪ Der Ausstieg aus der Braun- und Steinkohleverstromung in
 GW                                                                                                           Deutschland erfolgt gemäß dem Kohleausstiegsgesetz bis zum
 100
              90
                                                                                                              Jahr 2038. Der Kernenergieausstieg erfolgt plangemäß bis 2022.
               9                                                         80          79           80
                                                                                                            ▪ Die Stilllegung von Kraftwerken wird durch den Zubau von
   80                                77          78          80
                         76                                                                                   Backup-Kapazitäten** zur Sicherung der Spitzenlast ausgeglichen.
              21         12          15          21
                                                                                                              Bis 2038 steigt der Bedarf an Backup-Kapazitäten auf 34 GW.
                                                             27           30          32          34
   60
                         15
                                                                                                            ▪ Die Kapazität von Gaskraftwerken steigt entsprechend den
                                     12           8
              19
                                                              8                        1                      Modellierungsergebnissen auf 31 GW im Jahr 2038. Es erfolgt ein
                                                                          4
                         15          15          14                       9            8           6          Austausch von älteren Kraftwerken durch effiziente Gas-und-
   40                                                         9
                                                                                                              Dampf-Kombikraftwerke (GuD-Kraftwerke). Dabei wird auch die
              24
                                                                                                              mögliche Umrüstung von Kohlekraftwerken berücksichtigt.
                                                 27          28           29          30          31
   20                    26          26
                                                                                                            ▪ Durch den Zubau von Windenergieanlagen und Interkonnektoren
              10
                                                                                                              liefern diese einen steigenden Beitrag zur gesicherten Leistung.
               8          8           8           8           8           8            8           8
    0
             2019*     2023        2025         2028        2030        2033        2035         2038
          Andere       Kernenergie         Gas        Braunkohle       Steinkohle          Backup**
* Historische Daten basierend auf Fraunhofer ISE (2020a), BNetzA (2019a) und BNetzA (2019b).
** Bei den Backup-Kapazitäten im Jahr 2019 handelt es sich um Kraftwerke der Netzreserve, der Kapazitätsreserve und der Sicherheitsbereitschaft sowie vorläufig stillgelegte Kraftwerke. Backup-Kapazitäten können
   zukünftig durch eine Vielzahl von Technologien bereitgestellt werden. Dazu zählen u.a. offene Gasturbinen (mittelfristig auch wasserstofftauglich, allerdings hier nicht explizit modelliert), abschaltbare und
   steuerbare Lasten, Batterie- und Pumpspeicher. Mittelfristig können hierfür außerdem stillegelegte Kohle- und Gaskraftwerke dienen.
   Update 18.03.2021: In der ursprünglichen Fassung waren geringere Werte für den Bedarf an Backup-Kapazitäten angegeben.

© EWI 2021                                                  Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt                                      8
Eine Verschärfung des EU-Klimaziels im Jahr 2030 von 40% auf 55% könnte
zu einem stärkeren Zubau von effizienten GuD-Kraftwerken führen

  Konventioneller Kraftwerkspark im Szenario MK55                                             Delta gegenüber OK40                              ▪ Steigende Preise für Emissionszertifikate
 GW                                                                                                                                               erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit von
 100                                                                                                                                              Gaskraftwerken ggü. den verbleibenden
             90
             9
                                                                                                                                                  Kohlekraftwerken. In der Folge resultiert
                                78      80     80      79       80
  80              76     77                                                                                                                       entsprechend den Modellergebnissen ein
             21   10     13     17      21                                                                                                        stärkerer Zubau von GuD-Kraftwerken auf
                                               25      28       31
  60              15     12      8                                                                                                                35 GW im Jahr 2038.
             19                         8       4      1

                  15     15     14      9       9      8          6                                                                             ▪ Der Zubau von GuD-Kraftwerken
  40
                                                                                                                                                  substituiert zum Teil den Ausbau von
             24
                  27     29     31      33     34      34       35                                                                                Backup-Kapazitäten** im Szenario OK40.
  20
             10                                                            Steigerung                                                           ▪ Die installierte Leistung konventioneller
             8    8      8       8      8       8      8          8
   0                                                                                                                                              Kraftwerke unterscheidet sich nur
                                                                                                                                                  geringfügig zwischen den Szenarien.
                                                                            Minderung
 -20
        2019* 2023 2025 2028 2030 2033 2035 2038                                      2023 2025 2028 2030 2033 2035 2038

                        Andere        Kernenergie           Gas       Braunkohle          Steinkohle          Backup

* Historische Daten basierend auf Fraunhofer ISE (2020a), BNetzA (2019a) und BNetzA (2019b).
** GuD-Kraftwerke erreichen im Vergleich zu Backup-Technologien wie offenen Gasturbinen aufgrund der Abwärmenutzung des Gasturbinenkraftwerkes in einem nachgelagerten Dampfprozess höhere Wirkungsgrade.
   Update 18.03.2021: In der ursprünglichen Fassung waren geringere Werte für den Bedarf an Backup-Kapazitäten angegeben.

© EWI 2021                                                 Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt                              9
Die steigende Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien kompensiert den
Rückgang der Erzeugung durch Kohle- und Kernkraftwerke

             Stromerzeugung** und Importsaldo im Szenario OK40                                             ▪ Die konventionelle Erzeugung durch Stein- und
 TWh/a                                                                                                       Braunkohlekraftwerke sinkt bis zum Jahr 2038 entsprechend des
                                                                                                 751
   750                                                                   719         732                     Stilllegungspfades. Die Erzeugung in Kernenergiekraftwerken
                                                             699
                                     649         679                                                         wird gemäß dem Ausstiegsjahr 2022 beendet.
                         630                                  9
                                                  7
             552                       4
                          15                                                                               ▪ Der Rückgang wird primär durch eine zunehmende
   550                                                                                                       Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien kompensiert. Der EE-
              243
                          351        388         441         469         522         557          608        Anteil an der Bruttostromnachfrage liegt bei ca. 65% im Jahr
                                                                                                             2030 und bei ca. 80% im Jahr 2038.
   350
              52                                                                                           ▪ Gaskraftwerke werden aufgrund von steigenden Preisen für
              108         38          43          29          18           5                                 Emissionszertifikate zunehmend konkurrenzfähig gegenüber
                                                                                      1
                          76                                              43                       8
   150
                                      71          55          52                      30                     Kohlekraftwerken. In der Folge könnte ein Anstieg der
              89
                          126        119         125         130         138         134          131        Gasverstromung auf bis zu 138 TWh im Jahr 2033 resultieren.
               71
               25         25          25          25          25         25           25           25      ▪ Bis zum Jahr 2030 steigen die Stromimporte deutlich an, sodass
              -37                                                        -10          -9          -13
   -50                                                                                                       sich Deutschland vom Nettoexporteur zum Nettoimporteur
             2019*       2023       2025        2028        2030        2033        2035         2038
                                                                                                             wandelt. Ab 2033 ändert sich dieses Verhältnis abermals −
    Andere                             Kernenergie                        Gas                                Deutschland wird wieder zum Nettoexporteur.
    Braunkohle                         Steinkohle                         Erneuerbare Energien
    Importsaldo

* Historische Daten basierend auf BNetzA (2020).
** Nettostromerzeugung inkl. Pumpspeicher- und Leitungsverlusten.

© EWI 2021                                                 Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt   10
Eine Verschärfung des EU-Klimaziels im Jahr 2030 führt marktgetrieben zu einem
stärkeren und schnelleren Rückgang der Kohleverstromung

Stromerzeugung** und Importsaldo im Szenario MK55                                             Delta gegenüber OK40                              ▪ Im Szenario MK55 verringern steigende
TWh/a                                                                                                                                             Preise für Emissionszertifikate die
                                                      751                                                                                         Wettbewerbsfähigkeit der
 750                                          719 732
                               679 699                                                                                                            Kohlekraftwerke gegenüber
                   630 649       4
                                        4
                                                                                                                                                  Gaskraftwerken weiter. Die Verstromung
          552      20     3
                                                                                                                                                  von Gas nimmt deutlich zu und könnte bis
 550
                                                                                                                                                  auf 172 TWh im Jahr 2033 steigen. In den
             243                442    470    524    558    609
                         388
                   352                                                                                                                            Folgejahren führt die Zunahme der EE-
 350                                                                                                                                              Erzeugung zu einem Rückgang der
             52
                                                                                                                                                  Gasverstromung auf 141 TWh bis 2038.
                   26    28     8      4
         108                                   15
                   61    54     42                    8
                                       32                     3                                                                                 ▪ Der marktgetriebene Ausstieg aus der
 150         89
                   149   152    161    168    172    162    141          Steigerung                                                               Steinkohleverstromung erfolgt im
             71                                                                                                                                   Szenario MK55 bereits bis zum Jahr 2030.
             25    25    25     25     25      25     25     25
             -37                              -12    -16    -20
  -50                                                                                                                                           ▪ Speziell nach 2030 kommt es ebenfalls zu
                                                                         Minderung
                                                                                                                                                  einem stärkeren und schnelleren
        2019* 2023 2025 2028 2030 2033 2035 2038                                  2023 2025 2028 2030 2033 2035 2038
                                                                                                                                                  Rückgang der Braunkohleverstromung.
     Andere        Kernenergie        Gas     Braunkohle            Steinkohle     Erneuerbare Energien             Importsaldo

* Historische Daten basierend auf BNetzA (2020).
** Nettostromerzeugung inkl. Pumpspeicher- und Leitungsverlusten.

© EWI 2021                                                 Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt           11
Steigende Preise für Emissionszertifikate führen zu einer steigenden Auslastung von
  Gaskraftwerken, während die Vollaststunden von Kohlekraftwerken zurückgehen
Grenzkosten

          „klassische“ Merit Order                             Erneuerbare Energien                                ▪ Die „klassische“ Merit Order wird vor allem durch steigende
                                                               Kernenergie
 p0                                                                                                                  Preise für Emissionszertifikate in beiden Szenarien zunehmend
                                                               Braunkohlekraftwerke
                                                               Steinkohlekraftwerke                                  aufgebrochen. Im Szenario OK40 schieben sich Gaskraftwerke bis
                                                               Gaskraftwerke                                         zum Jahr 2030 trotz steigender Erdgaspreise teilweise vor Braun-
                                                               Ölkraftwerke
                                                                                                                     und Steinkohlekraftwerke. Im Szenario MK55 wird dieser Effekt
                                     Leistung
                                                                                                                     noch verstärkt: GuD-Kraftwerke wandern an die Spitze der
                                                   OK40                                                              konventionellen Merit Order und auch weniger effiziente GuD-
                Merit Order 2030                                         Auslastung
                                                                                                                     Kraftwerke positionieren sich vor Steinkohle- und einem Teil der
                                                h/a 8.000
                                                                                                                     Braunkohlekraftwerke.
 p0                                                 6.000

                                                    4.000

                                                    2.000                                                          ▪ Die Auslastung von Gaskraftwerken steigt in beiden Szenarien bis
                                                        0                                                            2023 deutlich an, während die der Kohlekraftwerke zurückgeht.
                                                            2019* 2023   2025   2028   2030   2033   2035   2038
                                                                                                                     Bei steigenden CO2-Preisen sinken die durchschnittlichen
                                                   MK55                                                              Volllaststunden von Braunkohlekraftwerken bis zum Jahr 2030
                Merit Order 2030                                         Auslastung                                  unter 4.000, während Steinkohlekraftwerke bis 2033 komplett
                                                h/a 8.000
                                                                                                                     aus dem Markt gedrängt werden. Die durchschnittliche
 p0                                                 6.000
                                                                                                                     Auslastung von Kohlekraftwerken steigt zwar zwischenzeitlich
                                                    4.000

                                                    2.000
                                                                                                                     (u.a. aufgrund steigender Gaspreise, sinkender Steinkohlepreise
                                                        0                                                            und Stilllegungen ineffizienter Kraftwerksblöcke),
                                                            2019* 2023   2025   2028   2030   2033   2035   2038
                                                                                                                     nichtsdestotrotz zeigt sich ein deutlicher Abwärtstrend.
  * Historische Daten basierend auf Fraunhofer ISE (2020a), BNetzA (2019a), BNetzA (2019b) und BNetzA (2020).

  © EWI 2021                                                    Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt   12
Eine Verschärfung des EU-Klimaziels im Jahr 2030 könnte die Großhandelspreise um
bis zu 5 €/MWh auf 63 €/MWh im Jahr 2038 erhöhen

                 Großhandelsstrompreise im Szenarienvergleich                                            ▪ Der durchschnittliche Großhandelsstrompreis könnte von
€/MWh                                                                                                      38 €/MWh im Jahr 2019 auf bis zu 63 €/MWh im Jahr 2038
     80                                                                                                    ansteigen.
                                                                                                         ▪ Aufgrund von steigenden CO2- und Gaspreisen kommt es
     70
                                                                                   63          63          szenarienübergreifend zu steigenden Grenzkosten
                                                                       61
                                                           59
     60                                             56                                                     konventioneller Kraftwerke und damit zu erhöhten
                                      53
                           50                                                                  59          preissetzenden Geboten in der Merit Order.
                                                                       56          58
     50                                                    54
                                                    52
               38                     48                                                                 ▪ Der aus der Verschärfung des EU-Klimaziels resultierende
     40                    46
                                                                                                           Preisunterschied für CO2-Zertifikate ist der zentrale Treiber für
               38                                                                                          den Unterschied von bis zu 5 €/MWh zwischen den Szenarien.
     30
                                                                                                         ▪ Der Anstieg der EE-Erzeugung kompensiert den Preisanstieg durch
     20
                                                                                                           ansteigende CO2-Zertifikate- und Gaspreise nur teilweise.
     10

       0
             2019*       2023        2025       2028      2030        2033        2035        2038

       Ohne Klimazielverschärfung (OK40)                 Mit Klimazielverschärfung (MK55)

* Historische Daten basierend auf ENTSO-E (2020).

© EWI 2021                                               Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt   13
Das sektorale Klimaschutzziel des Energiesektors von 175 Mio. t CO2-Äq im Jahr
2030 würde im Falle einer Verschärfung des EU-Klimaziels deutlich unterschritten

              Treibhausgasemissionen im deutschen Energiesektor im Szenarienvergleich                                                             ▪ Der Rückgang der Erzeugung durch Stein-
Mio. t CO₂-Äq.                                                                                                                                      und Braunkohlekraftwerke führt in beiden
     300
                                                                                                                                                    Szenarien zu einem deutlichen Rückgang
                                                                                                                                                    der Treibhausgasemissionen.
                      254
     250                                                                                                                                          ▪ Eine Verschärfung des EU-Klimaziels
                                                                   Sektorales Klimaziel                                                             könnte zu einem Rückgang der Emissionen
     200                                                           (175 Mio. t CO₂-Äq.)                                                             im deutschen Energiesektor von bis zu
                                                173
                                                                         156                                                                        10% oder 17 Mio. t CO₂-Äq führen.
     150
                                                                                                                                                  ▪ Der beschleunigte Rückgang der
                                                                                                   107                      102                     Kohleverstromung im MK55-Szenario wird
     100
                                                                                                                                                    teilweise durch einen Anstieg der
      50                                                                                                                                            Gasverstromung kompensiert.
                                                                                                                                                  ▪ Im Jahr 2038 führt der Anstieg der
        0                                                                                                                                           Gasverstromung zusammen mit erhöhten
                                               OK40                     MK55                     OK40                     MK55
                                                                                                                                                    Stromexporten im Szenario MK55 zu nur
                     2019*                                  2030                                              2038                                  leicht geringeren Treibhausgasemissionen
             Sonstige Emissionen**              Gas und sonstige Energieträger                    Braunkohle             Steinkohle                 gegenüber dem Szenario OK40.

* Historische Daten auf Basis von UNFCC (2019), UBA (2019a), UBA (2019b), UBA (2020a), UBA (2020b).
** Sonstige Emissionen erfasst Emissionen aus Mineralölraffinerien, aus der Herstellung von Brennstoffen, aus Pipelinetransport sowie diffuse Emissionen aus festen Brennstoffen, Öl und Erdgas.

© EWI 2021                                                   Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt                   14
Zusammenfassung

 •     Der europäische Rat hat sich im Dezember 2020 darauf verständigt, das Klimaziel der Europäischen Union zu verschärfen. Statt der
       bisher geplanten 40 Prozent soll nun ein Minus von 55 Prozent für das Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 1990 erreicht werden.
 •     Eine Verschärfung des europäischen Klimaziels könnte die Preise im EU ETS mittelfristig um über 10 €/t CO2-Äq erhöhen. Die Preise
       für Emissionszertifikate steigen bis 2038 in der Folge auf etwa 85 €/t CO2-Äq.
 •     Die steigenden Preise für Emissionszertifikate erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit von Gaskraftwerken gegenüber den verbleibenden
       Kohlekraftwerken. In der Folge kommt es marktgetrieben zu einem stärkeren und schnelleren Rückgang der Kohleverstromung.

             − Der marktgetriebene Ausstieg aus der Steinkohleverstromung könnte größtenteils bis zum Jahr 2030 erfolgen, die verbleibende
               Erzeugung sinkt auf 4 TWh (2019: 52 TWh).
             − Nach 2030 spielt auch die Braunkohleverstromung nur noch eine untergeordnete Rolle. Bis zum Jahr 2030 könnte die Erzeugung
               auf 32 TWh und bis zum Jahr 2035 auf 8 TWh absinken (2019: 108 TWh).
             − Die Gasverstromung könnte auf bis zu 172 TWh im Jahr 2033 ansteigen (2019: 89 TWh). Ein zentraler Treiber der Entwicklung ist
               der modellendogene Zubau von effizienten Gas-und-Dampf-Kombikraftwerken.
             − Der Rückgang der Kohleverstromung wird neben Gaskraftwerken durch einen (in der Analyse angenommen) ambitionierten
               Ausbau der Windenergie und Photovoltaik auf 242 GW (2019: 104 GW) im Jahr 2030 kompensiert.

 •     Eine Verschärfung des EU-Klimaziels könnte die Großhandelspreise um bis zu 5 €/MWh auf 63 €/MWh im Jahr 2038 erhöhen.
 •     Das sektorale Klimaziel des Energiesektors von 175 Mio. t CO2-Äq im Jahr 2030 würde mit 156 Mio. t CO2-Äq unterschritten.

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Literatur

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Auswirkungen einer Verschärfung der europäischen Klimaziele auf
den EU-Emissionshandel und den deutschen Strommarkt

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