Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen in der Justiz - Rechtsgrundlagen und rechtliche Vorgaben

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29. Deutscher EDV-Gerichtstag 2020                               Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten
                                                                                         in Studium und Beruf e.V.

               Barrierefreiheit
          von Websites und mobilen
               Anwendungen
                in der Justiz
                        - Rechtsgrundlagen und rechtliche Vorgaben –
A. Einleitung

Das geltende Recht verpflichtet dazu, die Websites der Justiz im Internet und im Intranet
barrierefrei zu gestalten. Gleiches gilt für mobile Anwendungen (Apps) der Justiz. Die Richtlinie
(EU) 2016/2102 vom
26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen
öffentlicher Stellen bringt zahlreiche Neuerungen und Ergänzungen, die auch von der Justiz zu
beachten sind.

Die Richtlinie wurde im Bund und in den Ländern inzwischen in innerstaatliches Recht umgesetzt.
Die Verpflichtungen zur Barrierefreiheit ergeben sich für die Justiz aus folgenden
Rechtsgrundlagen:

-   §§ 12 ff. BGG des Bundes
-   §§ 3 ff. BITV 2.0 des Bundes
-   Parallelvorschriften in den Bundesländern (z.B. §§ 10 ff. BGG NRW, §§ 1 ff. BITV NRW)
-   § 3 Abs. 1 Onlinezugangsgesetz (OZG)
-   § 2 Abs. 4 Strafakteneinsichtsverordnung (StrafAktEinV)
Die Vorschriften sind zu beachten

- seit dem 23. September 2019 für Websites, die nicht vor dem 23. September 2018
  veröffentlicht wurden
- seit dem 23. September 2020 für alle übrigen Websites
- ab dem 23. Juni 2021 für mobile Anwendungen
B. Die rechtlichen Verpflichtungen zur Barrierefreiheit von Websites und mobilen
   Anwendungen

I. Inhalt und Umfang der Verpflichtung zur Barrierefreiheit

II. Erklärung zur Barrierefreiheit

III. Feedback-Mechanismus

IV. Durchsetzungsverfahren

V. Überwachungsstellen
I. Inhalt und Umfang der Verpflichtung zur Barrierefreiheit

Die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung von Websites umfasst sowohl die Auftritte und
Angebote im Internet als auch die Informationen für Beschäftigte im Intranet (§ 12a Abs. 1 Satz 1
BGG, § 2a Abs. 1 Satz 4 BITV 2.0).

Die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung von Websites ist zu beachten für

- die Justizportale von Bund und Ländern
- die Web-Auftritte aller Gerichte und Staatsanwaltschaften
- die Informationen und Angebote im Intranet
Die Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung gilt für alle Inhalte von Websites und mobilen
Anwendungen

- einschließlich der Dokumente und Formulare, die zum Download angeboten werden (z.B. PDF)
- integrierte Funktionen zur Interaktion (z.B. für Authentifizierungs-, Identifizierungs- oder
  Zahlungsprozesse)
  (§§ 2a Abs. 1 Satz 2 u. 3, Abs. 3 Satz 3 BITV 2.0)
1. Anzuwendende Standards

a) EN 301 549 als verbindlicher europäischer Standard

b) Höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit

c) Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache
a) EN 301 549 als verbindlicher europäischer Standard

Aus § 3 Abs. 2 BITV 2.0 ergibt sich die Verpflichtung, zur barrierefreien Gestaltung die
Anforderungen des europäischen Standards EN 301 549 „Accessibility requirements for ICT
products and services“ in seiner jeweils aktuellen, EU-weit verbindlichen Fassung einzuhalten.

Dies ist gegenwärtig der Standard EN 301 549 in der Version 2.1.2 vom August 2018 (siehe
Durchführungsbeschluss (EU) 2018/2048 vom 20. Dezember 2018, ABl. L 327/84 vom
21.12.2018).

Kostenfreier Download:
www.etsi.org/deliver/etsi_en/301500_301599/301549/02.01.02_60/en_301549v020102p.pdf
Der Standard EN 301 549 (V2.1.2) formuliert Anforderungen zur Barrierefreiheit

- von Websites (Internet und Intranet) in Kapitel 9
- von Dokumenten in Kapitel 10
- von Software (Apps, …) in Kapitel 11

Eine Auflistung aller nach diesem Standard einzuhaltenden Anforderungen zur Barrierefreiheit
enthält der Annex A der EN 301 549

- in Tabelle A.1 für Websites
- in Tabelle A.2 für mobile Anwendungen
Nach § 3 Abs. 2 BITV 2.0 besteht (nur) eine Vermutung, dass Websites und mobile Anwendungen
barrierefrei sind, wenn die Anforderungen aus dem Standard EN 301 549 in seiner jeweils
verbindlichen Fassung eingehalten werden (Beweislastumkehr).

Dementsprechend sieht § 3 Abs. 3 BITV 2.0 vor, dass Websites und mobile Anwendungen
(ergänzend) nach dem Stand der Technik barrierefrei zu gestalten sind, soweit
Nutzeranforderungen durch die einzuhaltenden europäischen Standards nicht abgedeckt sind.

Insbesondere zur barrierefreien Gestaltung von Dokumenten und Formularen im Format PDF ist
daher auch der Standard DIN ISO 14289-1 (PDF/UA-Standard) einzuhalten (www.beuth.de).
Die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik hat nach § 3
Abs. 5 BITV 2.0 den Auftrag, in ihren Web-Auftritt (www.bfit-bund.de) regelmäßig alle zur
Umsetzung der BITV 2.0 erforderlichen Informationen in deutscher Sprache zu veröffentlichen;
insbesondere

- aktuelle Informationen zu den zu beachtenden Standards, aus denen die
  Barrierefreiheitsanforderungen detailliert hervorgehen,

- Konformitätstabellen, die einen Überblick zu den wichtigsten Barrierefreiheitsanforderungen
  geben,

- Empfehlungen des Ausschusses für barrierefreie Informationstechnik sowie

- weiterführende Erläuterungen.
Die europäischen Normungsinstitute haben im November 2019 den Standard EN 301 549 in der
Version 3.1.1 veröffentlicht; kostenfreier Download:
www.etsi.org/deliver/etsi_en/301500_301599/301549/03.01.01_60/en_301549v030101p.pdf).

Der Standard EN 301 549 (V3.1.1) enthält im Wesentlichen redaktionelle Änderungen und
kleinere Korrekturen.

Zu erwarten ist, dass die im Amtsblatt der EU veröffentlichte Referenz auf den Standard EN 301
549 jeweils zeitnah auf die neueste Fassung des Standards aktualisiert wird.

Eine deutsche Übersetzung der EN 301 549 (2.1.2) vom August 2018 wurde im Februar 2020 als
DIN EN 301 549 „Barrierefreiheitsanforderungen für IKT-Produkte und -Dienstleistungen“
veröffentlicht (Bezug: www.beuth.de). Ein kostenfreier Zugang zur deutschen Übersetzung,
begrenzt auf eine bloße Leseberechtigung, soll über den Web-Auftritt der Überwachungsstelle
des Bundes (www.bfit-bund.de) ermöglicht werden.
Aufgrund der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2016/2102 ist der europäische Standard EN 301 549
auch von den öffentlichen Stellen in den Ländern zur barrierefreien Gestaltung von Websites und
mobilen Anwendungen einzuhalten. Zur barrierefreien Gestaltung von Dokumenten und
Formularen im Format PDF ist zudem auch der PDF/UA-Standard DIN ISO 14289-1 zu beachten.

Hierzu enthält das Landesrecht in einigen Bundesländern eigene Festlegungen, die mit den
bundesrechtlichen Vorschriften inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmen. In mehreren
Bundesländern enthält das Landesrecht hinsichtlich der anzuwendenden Standards eine
dynamische Verweisung auf die BITV 2.0 des Bundes in ihrer jeweils aktuellen Fassung (z.B. § 10
Abs. 1 Satz 2 L-BGG BW, § 3 Abs. 3 BIKTG Bln, § 13 Abs. 2 Satz 2 BremBGG, § 2 Abs. 2 Satz 1
BfWebG Sachsen, § 1 Abs. 1 Satz 2 BayEGovV, § 1 Satz 1 HmbBITVO, § 1 Abs. 4 BITV RP).
b)   Höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit

Nach § 3 Abs. 4 BITV 2.0 sollen öffentliche Stellen bei der barrierefreien Gestaltung für zentrale
Navigations- und Einstiegsangebote sowie Angebote, die eine Nutzerinteraktion ermöglichen, ein
höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit verwirklichen. Als Angebote, die eine Nutzerinteraktion
ermöglichen, nennt die Vorschrift beispielsweise Formulare sowie die Durchführung von
Authentifizierungs-, Identifizierungs- und Zahlungsprozessen.

Inhaltsgleiche Vorgaben sind auch in zahlreichen Bundesländern zu beachten (so ausdrücklich
§10 Abs. 1 Satz 2 L-BGG BW, § 3 Abs. 3 BIKTG Bln, § 13 Abs. 2 Satz 2 BremBGG, § 1 Abs. 1
Satz 2 BayEGovV, § 1 Satz 1 HmbBITVO, § 1 Abs. 4 BITV RP; vgl. auch § 12 Satz 2 BGGVO LSA
und § 9 Abs. 2 Nr. 2 u. Nr. 3 SBGVO).
Wie lässt sich ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit verwirklichen?

Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1) vom Juni 2018 enthalten

- 30 Erfolgskriterien der Konformitätsstufe A
- 20 Erfolgskriterien der Konformitätsstufe AA
- 28 Erfolgskriterien der Konformitätsstufe AAA

Kostenfreier Download:
http://www.w3.org/TR/WCAG21/

Die Erfolgskriterien der Konformitätsstufen A und AA sind bereits nach dem Standard EN 301 549
(2.1.2) verbindlich einzuhalten.
Die Erfolgskriterien der Konformitätsstufe AAA werden im Standard EN 301 549 (2.1.2) in Annex
D lediglich informatorisch aufgelistet.
Insbesondere für Startseiten (Home), Navigationsmöglichkeiten und Funktionen, die eine
Interaktion ermöglichen, sollen daher nach Möglichkeit auch die Erfolgskriterien der WCAG 2.1
mit der Konformitätsstufe AAA beachtet werden.

Darüber hinaus kann es geboten sein, z.B. für Authentifizierungsvorgänge oder Bezahlverfahren
Hinweise und Informationen dazu anzubieten, wie sich diese Funktionen beispielsweise mit einem
Screenreader ausführen lassen.
c) Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache

Nach § 4 BITV 2.0 sind auf der Startseite (Home) einer Website zudem folgende Erläuterungen in
Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache bereitzustellen:

-   Informationen zu den wesentlichen Inhalten der Website
-   Hinweise zur Navigation
-   Informationen zum wesentlichen Inhalt der Erklärung zur Barrierefreiheit
-   Hinweise auf weitere in dem Web-Auftritt vorhandene Informationen in Deutscher
    Gebärdensprache und in Leichter Sprache
    (siehe dazu auch Anlage 2 zur BITV 2.0)
Inhaltsgleiche Vorgaben sind auch in zahlreichen Bundesländern zu beachten (vgl. z.B. § 10 Abs.
1 Satz 2 L-BGG BW, § 3 Abs. 3 BIKTG Bln, § 13 Abs. 2 Satz 2 BremBGG, § 1 Satz 1 HmbBITVO,
§ 3 Abs. 3 BITV Hessen, § 1 Abs. 2 BayEGovV, § 3 Abs. 2 BITV NRW, siehe auch § 2 Abs. 2 Satz
1 BfWebG Sachsen).

Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache gehören heutzutage zum
Standard. Öffentliche Stellen sollten diese Vorgaben daher auch dann einhalten, wenn es hierzu
keine ausdrückliche rechtliche Verpflichtung gibt.
2. Ausnahmen bei unverhältnismäßiger Belastung

Nach § 12a Abs. 6 BGG dürfen öffentliche Stellen von den Vorgaben zur Barrierefreiheit
abweichen, soweit die barrierefreie Gestaltung eine unverhältnismäßige Belastung bewirken
würde.

Die Ausnahmeregelung ist restriktiv anzuwenden. Die englische Fassung der Richtlinie (EU)
2016/2102 spricht insoweit klarstellend von „excessive burden“. Keine zureichende Gründe sind
mangelnde Priorität, Zeit oder Kenntnis sowie die fehlende Beschaffung oder Entwicklung der für
die barrierefreie Gestaltung erforderlichen Software (siehe ErwGr 39 der Richtlinie (EU)
2016/2102).

Der Gesetzgeber geht in der Begründung zu § 12a Abs. 6 BGG davon aus, dass öffentliche
Stellen, die schon bisher verpflichtet waren, ihre Websites und mobilen Anwendungen barrierefrei
zu gestalten, sich im Regelfall nicht auf eine Ausnahme von der Verpflichtung zur barrierefreien
Gestaltung berufen können (BT-Drs. 19/2072, Seite 29).
Zu beachten ist außerdem die Einschränkung durch das Wort „soweit“. Ausnahmen sind nur
zulässig, soweit die barrierefreie Gestaltung eine unverhältnismäßige Belastung bewirken würde.

Inhalte und Funktionen, bei denen die Voraussetzungen für eine Ausnahme nicht vorliegen, sind
daher ebenso barrierefrei zu gestalten, wie auch die übrigen Anforderungen zur Barrierefreiheit
einzuhalten sind.

Hinzu kommt, dass die Gründe für eine Ausnahme vollständig und nachprüfbar in der Erklärung
zur Barrierefreiheit veröffentlicht werden müssen (siehe z.B. § 12b Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b BGG,
§ 10b Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b BGG NRW).

Ziel der Vorschriften in §§ 12a ff. BGG und §§ 3 ff. BITV 2.0 ist es, in jedem Einzelfall eine
umfassende und grundsätzlich uneingeschränkte barrierefreie Gestaltung zu verwirklichen und
sicherzustellen (siehe § 1 Abs. 1 BITV 2.0).
3. Ausnahmen für bestimmte Inhalte

Die Richtlinie (EU) 2016/2102 lässt in Art. 1 Abs. 4 für bestimmte Inhalte Ausnahmen von der
generellen Verpflichtung zur Barrierefreiheit zu. Soweit das Landesrecht in einzelnen
Bundesländern hiervon Gebrauch macht, ist zu beachten, dass der Anwendungsbereich der
Ausnahme bereits in der Richtlinie regelmäßig durch eine Gegenausnahme eingeschränkt wird.
Auch diese Ausnahmen ändern daher nichts an der Verpflichtung Websites und mobile
Anwendungen grundsätzlich barrierefrei zu gestalten, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Ausnahmen für Dokumente und Formulare:

In jedem Fall barrierefrei zu gestalten sind Dokumente und Formulare (z.B. im Format PDF), die
erstmals nach dem 22. September 2018 veröffentlicht wurden; ebenso alle Dokumente und
Formulare, die für aktive Verwaltungsverfahren der von der öffentlichen Stelle wahrgenommenen
Aufgaben erforderlich sind, unabhängig davon, wann sie erstmals veröffentlicht wurden
(Art. 1 Abs. 4 Buchstabe a RL (EU) 2016/2102).
Ausnahmen für das Intranet:

Inhalte im Intranet, die nach dem 22. September 2018 veröffentlicht wurden, sind in jedem Fall
barrierefrei zu gestalten. Inhalte, die vor dem 23. September 2018 veröffentlicht wurden, sind
spätestens bei einer grundlegenden Überarbeitung der Website barrierefrei zu gestalten
(Art. 1 Abs. 4 Buchstabe g RL (EU) 2016/2102).
Ausnahmen für Dienste Dritter:

Dienste Dritter, die in einen Web-Auftritt oder eine mobile Anwendung eingebunden werden,
müssen stets barrierefrei sein, wenn sie von der betreffenden öffentlichen Stelle entweder
finanziert oder entwickelt wurden oder deren Kontrolle unterliegen.
Besteht bei der Einbindung von Diensten Dritter die Möglichkeit, zwischen verschiedenen
Anbietern zu wählen, muss zumindest ein Anbieter dabei sein, der seine Dienste barrierefrei
anbietet
(Art. 1 Abs. 4 Buchstabe e RL (EU) 2016/2102).
II. Erklärung zur Barrierefreiheit

Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, für ihre Websites und mobilen Anwendungen jeweils eine
detaillierte, klar verständliche und vollständige Erklärung zur Barrierefreiheit zu erstellen und zu
veröffentlichen.

Die Erklärung muss eine tatsächliche Bewertung enthalten, aus der sich ergibt, ob die
Anforderungen zur Barrierefreiheit eingehalten wurden. Soweit Websites oder mobile
Anwendungen teilweise nicht barrierefrei sind, sind die Gründe hierfür darzulegen (§ 12b BGG,
§ 7 BITV 2.0).
Die Erklärung ist in einem barrierefreien Format zu veröffentlichen. Sie muss bei Websites von
der Startseite (Home) und von jeder Seite einer Website erreichbar sein. Für mobile
Anwendungen ist die Erklärung an der Stelle, an der das Herunterladen der mobilen Anwendung
ermöglicht wird, oder auf der Website der öffentlichen Stelle zu veröffentlichen (§ 7 Abs. 1 BITV
2.0).

Die Erklärung ist regelmäßig zu aktualisieren.

Eine Mustererklärung wurde im Web-Auftritt der Überwachungsstelle des Bundes für
Barrierefreiheit von Informationstechnik veröffentlicht:
www.bfit-bund.de/DE/Downloads/downloads.html
III. Feedback-Mechanismus

Die Websites und mobilen Anwendungen müssen außerdem einen Feedback-Mechanismus
enthalten, der es betroffenen Nutzerinnen und Nutzern ermöglicht, noch vorhandene Barrieren
der öffentlichen Stelle auf einfache Weise mitzuteilen und Informationen, die bisher nicht
barrierefrei sind in einem für sie zugänglichen Format anzufordern (§ 12b Abs. 2 Nr. 2 BGG, siehe
auch § 14 Abs. 2 Nr. 2 BremBGG, § 10b Abs. 2 Nr. 2 BGG NRW, § 16b Abs. 2 Nr. 2 BGG LSA).

Die Möglichkeit, elektronisch Kontakt aufzunehmen (Feedback-Mechanismus) soll von jeder Seite
einer Website oder innerhalb der Navigation einer mobilen Anwendung unmittelbar zugänglich
und einfach zu benutzen sein (§ 7 Abs. 2 BITV 2.0).

Mitteilungen und Anfragen, die über den Feedback-Mechanismus an die öffentliche Stelle
gerichtet werden, sind von dieser zeitnah zu beantworten (§ 12b Abs. 4 BGG).
IV. Durchsetzungsverfahren

Die Richtlinie (EU) 2016/2102 verpflichtet in Art. 9 dazu, ein wirksames Durchsetzungsverfahren
zur Verfügung zu stellen (wie beispielsweise die Möglichkeit, sich an eine Ombudsstelle zu
wenden), das betroffene Nutzerinnen und Nutzer in Anspruch nehmen können, wenn sie auf
Mitteilungen oder Anfragen über den Feedback-Mechanismus keine zufriedenstellende Antwort
erhalten oder die Gründe für eine Ausnahme von der barrierefreien Gestaltung überprüfen lassen
wollen (vgl. dazu z.B. § 9d NBGG, § 12e LBGG SH, § 10d BGG NRW sowie § 9a Abs. 4 Satz 2
NBGG).
Dieser Verpflichtung sind einige Bundesländer dadurch nachgekommen, dass sie die Stelle eines
Beauftragten für barrierefreie Informationstechnik eingerichtet haben (vgl. z.B. § 16 BremBGG, §
6 BIKTG Bln und § 6 BITV Hessen). Der Bund und zahlreiche Bundesländer haben insoweit für
Betroffene die Möglichkeit geschaffen, eine Schlichtungsstelle anzurufen (vgl. z.B. § 12b Abs. 2
Nr. 3, § 16 BGG und §§ 9 ff. BITV NRW).

Die Erklärung zur Barrierefreiheit, die für jede Website und jede mobile Anwendung zu
veröffentlichen ist, muss eine Beschreibung des jeweiligen Durchsetzungsverfahrens und eine
Verlinkung hierzu enthalten (§ 12b Abs. 2 Nr. 3 BGG).
V. Überwachungsstellen

Die Einhaltung der Vorgaben zur Barrierefreiheit ist durch regelmäßige Stichproben der
Überwachungsstellen des Bundes und der Länder zu überprüfen. Zuständig sind für die
öffentlichen Stellen des Bundes die Überwachungsstelle für Barrierefreiheit von
Informationstechnik und für die öffentlichen Stellen der Länder die jeweiligen
Landesüberwachungsstellen (zur Übersicht vgl.
www.bfit-bund.de/DE/Kontakt/Ueberwachungsstellen-der-
Laender/ueberwachungsstelle_laender_node.html).

Hierzu führen die Überwachungsstellen anhand ausgewählter Stichproben, die die regionale
Vielfalt berücksichtigen, regelmäßige Kontrollen durch. Außerdem kontrollieren sie, ob
festgestellte Mängel beseitigt wurden. Darüber hinaus können sie die öffentlichen Stellen zu
Fragen der Barrierefreiheit beraten (siehe § 13 Abs. 3 BGG sowie § 8 BITV 2.0).
Die Überprüfung wird für einen Teil der Stichprobe nach einer eingehenden
Überwachungsmethode (vgl. Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1524, Art. 5 sowie Anhang I Nr.
1.2 und 3.2) und für den übrigen Teil der Stichprobe nach einer vereinfachten
Überwachungsmetode (vgl. Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1524, Art. 5 sowie Anhang I Nr.
1.3) vorgenommen.

Die Ergebnisse der Überprüfung fließen ein in einen Bericht zum Stand der Barrierefreiheit, der zu
veröffentlichen und alle drei Jahre der EU-Kommission vorzulegen ist (§ 12c BGG, § 9 BITV 2.0).
C. Ausblick

Die UN-Behindertenrechtskonvention (BGBl. II 2008, S. 1419; Bekanntmachung des
Inkrafttretens BGBl. II 2009, S. 818) verpflichtet dazu, Menschen mit Behinderungen einen
gleichberechtigten Zugang zur Justiz (Art. 13 Abs. 1 sowie Art. 9 Abs. 1 und Art. 21 UN-BRK) und
Beschäftigten in der Justiz eine gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben zu ermöglichen (Art.
27 sowie Art. 9 Abs. 1 UN-BRK).

Die Justiz war schon bisher verpflichtet, ihre Auftritte und Angebote im Internet barrierefrei zu
gestalten
(Carstens, Grundlagen für eine barrierefreie IT in der Justiz, in: Kerkmann/Lewandowski (Hg.),
Barrierefreie Informationssysteme, 2015, S. 179 f.). Gleiches galt im Bund und in einigen
Bundesländern schon bisher für Informationen und Angebote, die für Beschäftigte der Justiz im
Intranet veröffentlicht wurden (siehe Carstens, Barrierefreie Informationstechnik, in:
Stichwortkommentar Behindertenrecht, 2. Aufl. 2018, Rn 16 f.).
Die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2102 in das innerstaatliche Recht wird der
Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen einen deutlichen Schub verleihen.
Hierzu sind die neuen Vorgaben auch von der Justiz mit Leben zu füllen:

Die Justizportale von Bund und Ländern, die Internetauftritte der Gerichte und
Staatsanwaltschaften sowie die Angebote im Intranet sind ebenso wie zukünftige mobile
Anwendungen der Justiz so zu gestalten, das sie auch für Menschen mit Behinderungen
zugänglich und nutzbar sind.
Vielen Dank!

Andreas Carstens   Richter am Finanzgericht

                   Vertrauensperson der schwerbehinderten Richterinnen und Richter des Niedersächsischen Finanzgerichts
                   und der niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit

                   Leonhardtstr. 15
                   30175 Hannover

                   Tel.: (0511) 89 750 - 577
                   E-Mail: Andreas.Carstens@justiz.niedersachsen.de
Anhang

EU-Recht:

Richtlinie (EU) 2016/2102 vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen
Anwendungen öffentlicher Stellen (ABl. L 327 vom 2.12.2016, S. 1 – 15)
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32016L2102

Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1523 vom 11. Oktober 2018 zur Festlegung einer Mustererklärung zur
Barrierefreiheit (ABl. L 256/103)
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1568544147495&uri=CELEX:32018D1523

Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1524 vom 11. Oktober 2018 zur Festlegung einer Überwachungsmethodik
und die Modalitäten für die Berichterstattung (Abl. L 256/108)
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1568543792860&uri=CELEX:02018D1524-20181012

Durchführungsbeschluss (EU) 2018/2048 vom 20. Dezember 2018 über die harmonisierte Norm für Websites
und mobile Anwendungen (ABl. L 327/84 vom 21.12.2018)
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1568543928861&uri=CELEX:32018D2048
Bundesrecht:

§§ 12 ff. Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes (BGG) vom 27.04.2002 (BGBl. 2002, 1467), zuletzt
geändert durch Gesetz vom 10.07.2018 (BGBl I. 2018, 1117)

§§ 3 ff. Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) vom 12.09.2011 (BGBl I 2011, S. 1843), zuletzt
geändert durch Verordnung vom 21.05.2019 (BGBl. 2019, S. 738)

§ 3 Abs. 1 Onlinezugangsgesetz (OZG)

§ 2 Abs. 4 Strafakteneinsichtsverordnung (StrafAktEinV)
Landesrecht:

Baden-Württemberg:
§ 10 L-BGG (GBl. 2018, S. 1560),
§§ 1 ff L-BGG-DVO (GBl. 2019, S. 551)

Bayern:
Art. 13 BayBGG (GVBl. 2018 S. 341),
§§ 1 ff BayEGovV (GVBl. 2016, S. 314), zuletzt geändert durch VO vom 11.02.2020 (GVBl. 2020, S. 36)

Berlin:
§§ 1 ff BIKTG Bln (GVBl. 2019, S. 210)

Brandenburg:
§ 9 BbgBGG (GVBl. I 2018, Nr. 38, S. 16),
§§ 1 ff BbgBITV (GVBl. II 2019, Nr. 75)

Bremen:
§§ 12 ff. BremBGG (Brem. GBl. 2018, Nr. 100, S. 610)
Hamburg:
§ 11 HmbBGG (HmbGVBl.2020, S. 13),
§§ 1 ff HmbBITVO (HmbGVBl. 2019, S. 263)

Hessen:
§ 14 HessBGG (GVBl. 2019, S. 161),
§§ 1 ff BITV HE (GVBl. 2019, 246)

Mecklenburg-Vorpommern:
§ 13 LBGG M-V (GVOBl. M-V 2019, S. 67), §§ 1 ff BWebVO M-V (GVOBl. M-V 2019, S. 614)

Niedersachsen:
§§ 9 ff NBGG (Nds. GVBl. 2018, S. 217)

Nordrhein-Westfalen:
§§ 10 ff BGG NRW (GV. NRW 2019, S. 207),
§§ 1 ff BITV NRW (GV. NRW 2019, S. 262)

Rheinland-Pfalz:
§ 7 LGGBehM (GVBl. 2019, S. 63),
§§ 1 ff BITV RP (GVBl. 2019, S. 95)
Saarland:
§§ 12 ff SBGG (Amtsbl. I 2020, S. 330),
§§ 1 ff SBGVO (Amtsbl. I 2019, S. 413)

Sachsen:
§§ 1 ff BfWebG (SächsGVBl. 2019, S. 266 u. S. 549)

Sachsen-Anhalt:
§§ 16 ff BGG LSA (GVBl. LSA 2019, 85),
§§ 1 ff BGGVO LSA (GVBl. LSA 2019, S. 258)

Schleswig-Holstein:
§§ 12 ff. LBGG S H (GVOBl. 2019, S. 76),
§§ 1 BfWebV SH (GVOBl. 2019, S. 346)

Thüringen:
§§ 1 ff ThürBarrWebG (GVBl. 2019, 312),
§§ 1 ff ThürBITVO (GVBl. 2020, 164)
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