Begehrte Bohnen - missio München
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VOR ORT ELFENBEINKÜSTE Begehrte Bohnen Unfairer Handel, Kinderarbeit, Ausbeutung – die Herstellung von Schokolade ist mit vielen Problemen verbunden. Der Kakao dafür kommt oft aus Westafrika, denn Ghana und die Elfenbeinküste sind die größten Produzenten der Welt. Dort gibt es jetzt mutige Unternehmer, die den Markt revolu- tionieren möchten. Schokolade „Made in Africa“ – hat das eine Chance? TEXT: CHRISTIAN SELBHERR FOTOS: JÖRG BÖTHLING 14 | missio 1/2022 missio 1/2022 | 15
VOR ORT ELFENBEINKÜSTE VOR ORT TOGO NEIN, LEIDER NICHT. Das war die Antwort, die Axel Emmanuel Gbaou geben musste, als er vor einer Weile zu Be- such in Deutschland war. Seine Gastgeber von der „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit‘‘ (GIZ) hatten ihn in das Kölner „Schokoladenmuseum‘‘ eingela- den. Wer das nicht kennt: Es gehört mit über 600 000 Besuchern (in pandemie- freien Jahren) zu den zehn meistbesuch- ten Museen Deutschlands. Dort war also der Gast Axel Emmanuel aus Westafrika zu Besuch, und das Gespräch kam auf die weltgrößten Kakaohersteller. „Wer ist die Nummer 1?“ Die Elfenbeinküste, sein Heimatland. – „Dann habt ihr sicher auch gute Schokolade dort, oder?“ – „Nein, lei- der nicht.“ Mit mehr als zwei Millionen Tonnen Kakaobohnen pro Jahr liegt die Elfen- beinküste an der Spitze der weltweit größ- ten Kakaoproduzenten. Das macht unge- Arbeit für das ganze Dorf: Die Ernte der Kakaoschoten ist in viele kleine Schritte aufgeteilt. NANAN YAO KOUASSI: „Ihr Europäer mögt fähr 40 Prozent der gesamten Ernte welt- Schokolade. Wir bauen weit aus. Und dennoch: Bis vor kurzem sie für euch an.“ gab es keinen einzigen Hersteller im Land dete ein eigenes kleines Unternehmen: „Le Aber das sei wirklich nichts Besonderes, selbst, der aus den begehrten Kakaoboh- Chocolatier ivorien“, der Schokoladen- betont er. „Jeder in unserem Land baut nen Pulver, Butter und vor allem Schoko- macher von der Côte d’Ivoire, wie die El- Kakao an. Jeder.‘‘ Und er zählt sie auf: den lade machen würde. Praktisch die gesamte fenbeinküste auf Französisch heißt. Staatspräsidenten Alassane Ouattara, Di- Ernte ging in den Export. So berichtet Axel Emmanuel heute in dier Drogba, die Fußballerlegende. Auch „Das muss sich ändern“, fand Axel Em- seiner kleinen Firmenzentrale in der Me- der habe einen Teil seines Wohlstandes in manuel. Er kündigte einen gut bezahlten tropole Abidjan von seinen Anfängen. Kakaoplantagen investiert. Job in einer Bank in Frankreich und grün- „Auch meine Eltern waren Kakaobauern.‘‘ Kakao war auch die Grundlage für das sogenannte „miracle ivorien‘‘, das ivori- Aus der Kakaofrucht muss man mit viel Geduld die Bohnen herauslösen, aus denen dann das Kakaopulver entsteht. sche Wirtschaftswunder. Anders als viele afrikanische Staaten stürzte die Elfen- beinküste nach ihrer Unabhängigkeit in den 1960er-Jahren nicht sofort in die Krise. Zwanzig Jahre lang verzeichnete man ein Wirtschaftswachstum von um die zehn Prozent pro Jahr, und das hing im wesentlichen von der Entwicklung der Landwirtschaft ab. Schon in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre stieg das Land zum weltgrößten Kakaoproduzenten auf. Zu taumeln begann die Wirtschaft erst, als die Weltmarktpreise für Kaffee und Kakao ab etwa 1978 fielen. Gleichzeitig verschlief das Land unter Führung des alternden Langzeitpräsidenten Felix Houphouet- Boigny nötige Reformen. Die Elfenbein- küste hing am Tropf der alten Kolonial- macht Frankreich. 16 | missio 1/2022 missio 1/2022 | 17
VOR ORT ELFENBEINKÜSTE Es war die Zeit, in der auch Axel Emma- nen Kakao, die pro Jahr aus der Elfen- nuel Gbaou aufwuchs. „Ich erinnere mich beinküste kommen, kann doch wenigs- daran, als ich in der Schule war“, sagt er tens ein kleiner Teil hier im Land bleiben“, heute. „Wir haben immer mit einem findet Axel Emmanuel. Die Konkurrenz Kugelschreiber geschrieben. Irgendwann ist sowieso weiterhin riesig. wurde mir klar: Nicht einmal der Kugel- Denn auch die eigene Regierung ver- schreiber kommt aus meinem eigenen dient gut am Export. Steuern und Aus- Land. Sogar der kommt aus Frankreich.“ fuhrzölle spülen viel Geld in staatliche Als er einen seiner ersten Verträge als Kassen. Aber auch internationale Süßwa- Der Schweizer Konzern Nestlé hat hier eine Niederlassung. Schokoladenhersteller unterschreiben renkonzerne haben inzwischen ihre Ver- sollte, dachte er wieder daran. „Und ich antwortung erkannt. Der Zusammen- habe darauf bestanden, mit einem Stift zu schluss „World Cocoa Foundation“ ver- unterschreiben, der bei uns hergestellt folgt in Westafrika die „Cocoa Action“- wurde.“ Strategie. Neun große Unternehmen wie Mag sein, dass eine solche Anekdote Nestlé, Mars, Mondelez und Ferrero ha- vielleicht vor allem fürs Marketing ge- ben sich angeschlossen. Kinderarbeit soll dacht ist. Aber es ist schon etwas Wahres verhindert werden, schlechte Löhne auch. dran. Noch immer werden zu viele Roh- Doch vieles beruhe nach wie vor auf dem stoffe aus Afrika exportiert und zu wenig guten Willen und dem freiwilligen Enga- eigene Produkte in Afrika hergestellt. gement der Unternehmen, kritisiert etwa Beim Kakao scheint sich allmählich etwas das „Südwind-Institut“ aus Bonn in einer zu verändern. Mehrere einheimische Un- Analyse zum Kakaohandel. Noch immer ternehmen wurden vor kurzem gegrün- müssen schätzungsweise zwei Millionen det, wenn auch oft in Kooperation mit eu- Kinder auf den Kakaoplantagen der El- ropäischen Partnern. Aus Ghana kommt fenbeinküste und Ghanas arbeiten. Auch eine Schokolade namens „Fair Afric“, im wenn es Gesetze verbieten. Nachbarland ist die Marke „Choco Togo“ Es ist ein Samstagmorgen, als Nanan zu finden. „Von den zwei Millionen Ton- Yao Kouassi sich gerade auf sein kleines Motorrad schwingt und die sandige Piste aus seinem Dorf herausfährt. Immer en- AXEL EMMANUEL GBAOU: ger wird der Weg, doch er weiß genau, wo- So wird Schokolade „Es ist wichtig, dass wir un- hin er möchte. Ein paar Mal noch abge- gemacht. Chocolatier sere Produkte endlich sel- bogen, dann ist er am Ziel. Ein kleiner Axel Emmanuel und ber in Afrika herstellen.“ staubiger Platz unter Bäumen, und rings- seine Mitarbeiter herum: Kakaobäume. Die Dorfgemein- zeigen wie es geht. schaft trifft sich zur Arbeit. Herr Kouassi Ihre edlen Produkte ist der Chef, er erklärt was zu tun ist. Die sind wegen des hohen Kakaoanteils sogar in gelben Schoten müssen mit Macheten der tropischen Hitze oder anderen Messern vom Baum ge- lange haltbar. schnitten und geöffnet werden. Die Boh- nen aus dem Inneren werden mit Bana- nenblättern vergoren. „Erst dann bekom- 18 | missio 1/2022 missio 1/2022 | 19
men sie den Geschmack von Kakao, den So möchte er die einheimische Wirt- DER AFRIKATAG 2022 ihr kennt,“ erklärt Bauer Kouassi. schaft ankurbeln und sagt, er plante nichts Zwar liegt das Dorf und auch die kleine weniger als die „Kakao-Revolution“. Un- Ambroise N'Koh(l.), Plantage weit entfernt von der Millionen- ter diesem Schlagwort präsentiert er sich Der Afrikatag wurde 1891 von Papst Kakaobauer, mit Axel stadt Abidjan, nahe Yamoussoukro. Aber und seine Ware zumindest im Internet; in Leo XIII. eingeführt und ist eine der Emmanuel Gbaou: Herr Kouassi und die Seinen wissen trotz- Frankreich sitzen Geschäftspartner, die ältesten kirchlichen Spendenaktionen Sie wollen beste Qualität dem, was vor sich geht. „Im Fernsehen sa- den Vertrieb nach Europa übernehmen. der Welt. Ursprünglich sollte Geld für liefern und zugleich die gen sie, dass wir Bauern pro Kilo Kakao- Hier liegt nämlich die nächste Schwie- den Kampf gegen die Sklaverei ge- Natur bewahren. bohnen 1000 Francs bezahlt bekommen“, rigkeit. Ist Schokolade nicht viel zu sehr sammelt werden. Heute steht der sagt er. „Aber das stimmt nicht.‘‘ ein Luxusprodukt, das sich gar nicht jeder Afrikatag für Hilfe zur Selbsthilfe. Die Eigentlich müsste die staatliche Kakao- leisten kann? Die Bauern selbst ernähren Einnahmen ermöglichen es, vor Ort behörde sich um die Preise kümmern und sich von Fisch oder gegrilltem Huhn mit Frauen und Männer im Dienst der Kir- diese landesweit stabil halten, damit die Reis. Aber Schokolade? Doch, doch, es che auszubilden, die den bedürftigen Produzenten von ihrer Ernte leben kön- gebe immer mehr Kunden auch im eige- Menschen dann als Ordensfrauen und nen. „Wir bekommen pro Kilo nur 700 nen Land, sagt der Chocolatier. In Abidjan Priester zur Seite stehen – in Schulen, Francs, – egal, was die Fernsehnachrich- mit seinen Bürohochhäusern und Woh- Kliniken und Flüchtlingslagern. ten sagen.“ 655 westafrikanische Francs nungsbauprojekten, in denen die wach- Das ist nötiger denn je. Denn trotz mancher Hoffnungszeichen, die es auch in entsprechen übrigens einem Euro. Auch sende Mittelschicht ein Zuhause findet. Afrika immer wieder gibt, bleibt der Nachbarkontinent Europas doch in vielerlei Hin- durchschnittlich verdienen Kakaobauern Dort kauft man seltener am Straßenim- sicht benachteiligt. Kriege, Krisen und Konflikte treiben die Menschen in die Armut jeden Tag weniger als einen Euro. biss ein, sondern geht in den Supermarkt und zwingen sie zur Flucht. Wo es Wohlstand und Fortschritte gibt, da profitieren Chocolatier Axel Emmanuel sieht darin und findet dort Importware aus Europa meist nur wenige davon. Die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels sind in ebenfalls eines der Hauptprobleme. „In und Asien, und zwischendrin immer öf- vielen Regionen Afrikas schon heute dramatisch unserer Region ist es leider so: Die Men- ter auch die Schokoladentafeln „Made in zu spüren. Mit Aktionen wie dem Afrikatag ruft die schen haben zu wenig Unternehmergeist. Ivory Coast‘‘. katholische Kirche zur Solidarität und zum Zusam- Sie verkaufen ihre Ware sofort, weil sie das Während Axel Emmanuel gerade zeigt, menhalt auf. Zum Afrikatag 2022 wirbt missio schnelle Geld brauchen.“ Oft zwingt ein- wie seine Mitarbeiter Schokolade herstel- München mit dem biblischen Spruch „Damit sie das fach die Armut die Bauern dazu, und ge- len, bereiten ihre Kolleginnen die Verpa- Leben haben“ (Joh 10, 10) und bittet um Unter- schickte Zwischenhändler nutzen diese ckungen vor. Diese sind eigens in einer stützung. Am 6. Januar 2022 sammeln die bayeri- Notlage aus. Axel Emmanuel denkt über Druckerei bestellt worden, mit speziellem schen Diözesen Spenden, am 9. Januar 2022 ist Alternativen nach. Zum Beispiel organi- Design in afrikanischen Mustern. „Diese dann das Bistum Speyer an der Reihe. siert er Kurse für Frauen. „Sie sollen ler- Bestellung geht in die USA‘‘, sagt der Cho- Plakate und kostenloses Material gibt es auf nen, wie sie die Kakaobohnen nach der colatier. Die Kunden dort seien Auswan- www.missio.com sowie bei Dr. Michael Krischer, Ernte selber rösten können.‘‘ Denn gerös- derer von der Elfenbeinküste. Sie haben es Tel.: 089-5162-247 und m.krischer@missio.de tete Bohnen erzielen einen höheren Preis. in Amerika zu Reichtum gebracht und Auch Axel Emmanuel kauft seine Bohnen wollen diesen auch zeigen. Also gönnt geröstet und direkt von lokalen Erzeuger- man sich ein köstliches Produkt: Schoko- gemeinschaften. „Ich bezahlen ihnen um- lade aus Abidjan. Der Geschmack der Hei- gerechnet fünf Euro pro Kilo.‘‘ mat, der hinausgeht in die weite Welt. A Gefragte Ware: Tropisches Holz wird oft illegal geschlagen. Die Hauptstadt Abidjan erinnert an das „ivorische Wirtschaftswunder”. 20 | missio 1/2022 missio 1/2022 | 21
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