Behandlung der arteriellen Hypertonie im Kindesalter: Aktuelle Empfehlungen

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Vol. 15 No. 5 2004                                                       Fortbildung / Formation continue

Behandlung der arteriellen Hypertonie                                                                                       töse oder vaskuläre) Ursache vor; bisweilen
                                                                                                                            findet sich auch eine Aortenisthmusstenose
im Kindesalter: Aktuelle Empfehlungen                                                                                       oder eine ursächliche endokrinologische Er-
                                                                                                                            krankung6). Die häufigsten renalen Ursachen
Fançois Cachat, Département médico-chirurgical de pédiatrie,                                                                einer arteriellen Hypertonie im Kindesalter
Unité de néphrologie pédiatrique, Lausanne,                                                                                 sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Die so-
Ermindo R. Di Paolo, Service de pharmacie, Lausanne,                                                                        genannte essentielle Hypertonie wird erst im
Nicole Sekarski, Département médico-chirurgical de pédiatrie,                                                               Adoleszentenalter relevant und bleibt ent-
Unité de cardiologie pédiatrique, CHUV, Lausanne, Suisse                                                                    sprechend eine Ausschlussdiagnose. Die
Übersetzung: Rodo von Vigier, Bern                                                                                          Unterscheidung zwischen essentieller und
                                                                                                                            sekundärer Hypertonie stellt einen ersten
                                                                                                                            entscheidenden Schritt in der Betreuung
                                                                                                                            hypertensiver Kinder dar. Klinische Befunde
1. Einleitung                                                  sundheit dar. Durch die Assoziation mit Athe-                und einfache Hilfsuntersuchungen geben da-
                                                               rosklerose, koronarer und zerebrovaskulärer                  bei oftmals entscheidende Hinweise in der
Knapp 20% der erwachsenen Bevölkerung                          Erkrankung, Diabetes mellitus sowie chro-                    Abklärung (Tabelle 2).
betreffend, stellt die arterielle Hypertonie ein               nischer Nierensuffizienz im Erwachsenenal-
relevantes Problem der öffentlichen Ge-                        ter wird die Bedeutung der arteriellen Hyper-                Die Pharmakotherapie der arteriellen Hyper-
                                                               tonie als Ursache von Morbidität und Mor-                    tonie im Kindesalter ist weiterhin durch eine
                                                               talität verdeutlicht.                                        limitierte Anzahl entsprechender Studien
  Häufig                                                                                                                    charakterisiert7), 8). Im Arzneimittelkompen-
  ● Fokale-segmentale Glomeruloskle-                           Gemäss den Empfehlungen der Schweizeri-                      dium der Schweiz finden sich zumeist weder
    rose (FSGS)                                                schen Gesellschaft für Pädiatrie gehört die                  pharmakokinetische oder pharmakodyna-
  ● Mesangioproliferative Glomerulo-                           Blutdruckmessung zu den Routineuntersu-                      mische Daten, noch Angaben zur Dosierung
    nephritis                                                  chungen im Kindealter1). Weiterhin soll der                  im Kindesalter7). Selbst bei Vorliegen pädia-
  ● Rapid progressive glomerulonephri-
                                                               Blutdruck bei allen Kindern mit kardiovas-                   trischer Dosierungsempfehlungen bleibt die
    tis (RPGN)                                                 kulärer oder renaler Erkrankung, bei ehe-                    praktische Durchführung dennoch oft pro-
  ● Diabetische Nephropathie
                                                               maligen Frühgeborenen, nach Organtrans-                      blematisch, da die meisten Antihypertensi-
  ● Systemischer Lupus Erythematodes
                                                               plantation sowie bei Medikation mit poten-                   va nicht in flüssiger Form (Sirup, Suspension)
  ● Systemische Vaskulitis
                                                               ziell blutdrucksteigernden Medikamenten                      verfügbar sind7), 8). In dieser Situation bleibt
  ● Hämolytisch-urämisches Syndrom
                                                               gemessen werden.                                             die einzige Möglichkeit der Verschreibung
  ● Refluxnephropathie (fortgeschritten)
                                                                                                                            mittels Magistralrezeptur, wobei ausgehend
  ● Polyzystische Nierenkrankheiten
                                                               Wenngleich die arterielle Hypertonie im                      vom Originalprodukt die gewünschte gale-
    (autosomal dominant oder rezessiv)
                                                               Kindesalter viel seltener als bei Erwachsenen                nische Form durch die Apotheke zubereitet
  Gelegentlich                                                 ist (1–3%)2)–5), können die Langzeitfolgen                   werden muss.
  ● IgA-Nephritis (selten, ausser bei                          gleichermassen verhängnisvoll sein. Je jüng-
    schwerer Proteinurie oder Nierenin-                        er ein hypertensiver Patient, desto wahr-                    Wir stellen hier unsere Vorgehensweise bei
    suffizienz)                                                scheinlicher liegt eine renale (parenchyma-                  Kindern mit arterieller Hypertonie vor, basie-
  ● Membranoproliferative Glomerulo-

    nephritis (vor allem bei Therapie mit                       Klinische Befunde
    Steroiden)
  ● HIV-Nephropathie                                            Herzgeräusch                                 Aortenisthmusstenose
                                                                Blutdruckgradient obere /                    Aortenisthmusstenose
  Selten                                                        untere Extremitäten
  ● Interstitielle Nephritis                                    Gefässgeräusch abdominal           Nierenarterienstenose, Hypodysplasie Aorta abdominalis
                                                                                                   (mid-aortic syndrome)
  ● Obstruktive Uropathie
                                                                Striae / Adipositas                Cushing Syndrom
  ● Nephropathie bei Sichelzellanämie
                                                                Wachstumsverzögerung               Cushing Syndrom
  ● Alport-Syndrom (ausser bei fortge-                          Lichtempfindlichkeit / Arthralgien Systemischer Lupus Erythematodes
    schrittener chronischer Niereninsuf-                        Café-au-lait Flecken               Neurofibromatose Typ I
    fizienz)                                                    Hypopigmentation (white spots)     Tuberöse Sklerose
  ● Nieren-Hypo-/Dysplasie                                      Blässe / Schwitzen                 Phäochromozytom
  ● Membranöse Nephropathie
                                                                Hilfsuntersuchungen

        Prävalenz arterieller Hypertonie
Tabelle 1:                                                      Proteinurie, (Hämaturie)                     Niereninsuffizienz (chronisch)
bei Patienten mit chronischer Nephro-                           Plasma-Kreatinin erhöht                      Niereninsuffizienz (akut oder chronisch)
                                                                Hypokaliämie, Alkalose                       Hyperaldosteronismus, Liddle-Syndrom
pathie
Modifiziert nach: Feld LG. Hypertension in children, But-
terworth-Heinemann, Boston, 1997; Cachat F, Guignard           Tabelle 2: Diagnostische Orientierung bei arterieller Hypertonie
J-P. Hypertension artérielle d’origine rénale chez l’enfant.   Modifiziert nach: The fourth report on the diagnosis, evaluation, and treatment of high blood pressure in children and
Med et Hyg 1996; 54: 722–30                                    adolescents. Pediatrics 2004; 114: S555–S576

                                                                                         35
Fortbildung / Formation continue                                                                                                          Vol. 15 No. 5 2004

                  Mädchen                                         Knaben                                         ●   Diastolischer Blutdruck (11–17 Jahre): 70
                                                                                                                     + (Alter in Jahren).
 Alter            P50          P90           P95                  P50          P90           P95
 1                90/42        103/56        107/60               89/39        103/54        106/58              Zum Ausschluss einer Aortenisthmussteno-
 6                98/58        111/72        115/76               100/57       113/72        117/76              se muss bei hypertensiven Kindern die
 12               109/64       122/78        126/82               110/64       123/79        127/83
                                                                                                                 Blutdruckmessung an allen vier Extremitäten
 17               115/68       128/82        132/86               122/70       136/84        140/89
                                                                                                                 erfolgen. Der sofortige Beginn einer Phar-
                                                                                                                 makotherapie ist in folgenden Situationen in-
Tabelle 3: Altersabhängige Blutdruckgrenzwerte
Modifiziert nach: Norwood VF. Hypertension. Pediatr Rev 2002; 23: 197–209; The fourth report on the diagnosis,   diziert: Schwere arterielle Hypertonie mit Zei-
evaluation, and treatment of high blood pressure in children and adolescents. Pediatrics 2004; 114: S555–S576    chen von Endorganschädigung (linksventri-
                                                                                                                 kuläre Hypertrophie, bei ca. 40–50% der
rend auf der eigenen klinischen Erfahrung               mmHg bei Adoleszenten werden als Prä-                    Kinder mit essentieller Hypertonie vorlie-
und den neusten Empfehlungen der Ameri-                 Hypertonie bezeichnet. Die entsprechenden                gend; diastolische Dysfunktion des linken
can Academy of Pediatrics9).                            Normwerte sind in Tabelle 3 wiedergegeben.               Ventrikels), sekundäre arterielle Hypertonie,
                                                        Diese in der Literatur verfügbaren Daten                 Assoziation mit Diabetes mellitus und per-
2. Behandlungsindikation                                scheinen uns für Kleinkinder angebracht, für             sistierende Hypertonie trotz Anwendung
                                                        adoleszente Mädchen und Knaben jedoch                    nicht-pharmakologischer Massnahmen. Das
Im Kindesalter wird die arterielle Hypertonie           eher hoch. Wir bevorzugen deshalb die fol-               Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen mit
definiert als Blutdruck-Messwerte systolisch            gende Definition der arteriellen Hypertonie              grenzwertigem Blutdruck (90. bis 95. Per-
und/oder diastolisch ≥ 95. Perzentile, kor-             (Perzentile 95, in mmHg)10), 11):                        zentile) und fehlendem Nachweis von End-
rigiert für Alter und Geschlecht, anlässlich            ●   Systolischer Blutdruck (1–17 Jahre): 100             organschäden bleibt kontrovers. In dieser Si-
von mindestens drei unabhängigen Messung-                   + (Alter in Jahren x 2).                             tuation empfehlen wir folgende strikte Über-
en. Blutdruckwerte zwischen der 90. und 95.             ●   Diastolischer Blutdruck (1–10 Jahre): 60             wachung und Vorgehen:
Perzentile sowie jegliche Werte ≥ 120/80                    + (Alter in Jahren x 2).                             1. Mehrfache Blutdruckmessungen in der
                                                                                                                     Praxis und bevorzugt zu Hause
                                                                                                                 2. Die Durchführung einer ambulanten 24-
                                                                                                                     Std.-Blutdruckmessung vor Beginn einer
                                                                                                                     antihypertensiven Dauertherapie kann in
                                                                                                                     derartiger Situation von Nutzen sein12).
                                                                                                                     Diese Untersuchung wird von allen Uni-
                                                                                                                     versitätskliniken (Nephrologie oder Kar-
                                                                                                                     diologie) angeboten oder kann bei Ver-
                                                                                                                     fügbarkeit einer entsprechenden Ausrüs-
                                                                                                                     tung auch durch den praktizierenden
                                                                                                                     Pädiater erfolgen. In jedem Fall soll eine
                                                                                                                     erneute Blutdruckmessung spätestens
                                                                                                                     nach sechs Monaten erfolgen.
                                                                                                                 3. Der Beginn nicht-pharmakologischer
                                                                                                                     Massnahmen (Tabelle 4) ist bei Vorlie-
                                                                                                                     gen solcher grenzwertiger Blutdruck-
                                                                                                                     Messwerte indiziert, eine Pharmoko-
                                                                                                                     therapie dagegen nur bei Misserfolg die-
                                                                                                                     ser Massnahmen und bei ungünstigem
                                                                                                                     Verlauf.

                                                                                                                 3. Nicht-pharmakologische
                                                                                                                 Behandlung

                                                                                                                 Nicht-pharmakologische Massnahmen sollen
                                                                                                                 das Risiko kardio-vaskulärer Morbidität und
                                                                                                                 Mortalität als Folge der Blutdruckerhöhung
                                                                                                                 reduzieren. Oft ist die isolierte Reduktion des
                                                                                                                 Blutdruckes dazu ungenügend, vielmehr
                                                                                                                 müssen zumeist die mit arterieller Hyperto-
                                                                                                                 nie assoziierten Faktoren ebenfalls beein-
                                                                                                                 flusst werden. Dazu gehören in erster Linie
                                                                                                                 Übergewicht, Hyperlipidämie, Glucoseinto-
Abbildung 1:   Vorgehen bei arterieller Hypertonie im Kindesalter                                                leranz und Diabetes mellitus sowie Tabak-

                                                                                 36
Vol. 15 No. 5 2004                                         Fortbildung / Formation continue

                                                Übergewicht und arterielle Hypertonie sind
 ●   Reduktion der Salzzufuhr (< 100                                                                1. Kinder mit mittelschwerer arterieller
                                                eng miteinander assoziiert, wenngleich die
     mmol/Tag oder ca. 2.5 g/Tag)                                                                      Hypertonie jedoch ohne Zeichen von
                                                Pathophysiologie der übergewichtsbeding-
 ●   Reduktion Übergewicht                                                                             Endorganschädigung dürfen jegli-
                                                ten Blutdrucksteigerung (Kochsalzzufuhr,
 ●   Körperliche Aktivitäten (mindestens                                                               chen Leistungssport betreiben. Um
                                                Hyperreninismus, Insulinresistenz) noch
                                                                                                       den Einfluss auf die Blutdruckein-
     3 x 20 Minuten / Woche)                    nicht abschliessend bekannt ist. Die Wirk-
                                                                                                       stellung zu überprüfen, sollen Blut-
 ●   Gesunder Lebensstil (Alkohol- und          samkeit einer Gewichtsreduktion auf die
                                                                                                       druckkontrollen mindestens alle 2
     Tabakkonsum vermeiden)                     Blutdruckregulation ist dagegen unbestrit-
                                                                                                       Monate erfolgen.
 ●   Behandlung assoziierter metaboli-          ten18). Eine entsprechende Beratung (Diät-
                                                beratung, Adipositassprechstunde) muss bei          2. Bei schwerer arterieller Hypertonie
     scher Erkrankungen (Hyperlipidä-
                                                allen übergewichtigen Patienten mit Hyper-             ohne Endorganschäden ist bis zum
     mie, Hypercholesterinämie, Diabe-
                                                tonie erfolgen.                                        Erreichen einer guten Blutdruckein-
     tes mellitus)
                                                Aus epidemiologischer Sicht ist körperliche            stellung von statischen Sportarten
                                                Aktivität mit einer Reduktion kardiovaskulä-           (Gymnastik, Bodybuilding, Gewicht-
Tabelle 4: Nicht-pharmakologische               rer Risiken assoziiert und bewirkt wahr-               heben, Radsport) auf Hochleis-
Massnahmen bei arterieller Hypertonie           scheinlich auch eine Reduktion des Blut-               tungsniveau abzuraten. Bei Aufnah-
                                                druckes19). Schwere körperliche Anstren-               me der Aktivitäten soll der Einfluss
konsum. Nicht-pharmakologische Massnah-         gung führt jedoch zu relevanter Blutdruck-             auf die Blutdruckeinstellung mittels
men (Tabelle 4) sind primär bei allen Patien-   steigerung, so dass gewisse Sportarten                 Belastungstest objektiviert werden.
ten zu veranlassen denn diese vermögen bis-     (vor allem auf Wettkampfniveau) bis zum Er-
weilen die Blutdruckregulation genügend zu      reichen einer genügenden Blutdruckeinstel-          3. Bei schwerer arterieller Hypertonie
beeinflussen (Abbildung 1).                     lung als kontraindiziert gelten. Dies betrifft         mit Zeichen einer Endorganschädi-
                                                insbesondere sogenannte isometrische                   gung muss die Empfehlung betref-
Der Zusammenhang von Kochsalzzufuhr             Sportarten (Bodybuilding, Gewichtheben,                fend intensiver sportlicher Aktivitä-
mit arteriellem Blutdruck wurde bei Er-         Radsport) bei Patienten mit schwerer, un-              ten individuell, bisweilen unter Bei-
wachsenen sehr gut untersucht und nach-         kontrollierter Hypertonie. Ein Vorschlag für           zug eines Belastungstestes erfolgen.
gewiesen13). Der Nachweis dieses Zusam-         das praktische Vorgehen zeigt Tabelle 5.
menhanges im Kindesalter ist dagegen            Wegen des Nebenwirkungsprofils dürfen ge-
                                                                                                          Empfehlungen betreffend
                                                                                                  Tabelle 5:
schwieriger14). Dennoch gibt es einen Anteil    wisse Antihypertensiva bei Athleten nur mit       Wettkampfsport bei Kindern
der Kinder mit eindeutiger «Salzempfind-        besonderer Vorsicht eingesetzt werden (zum        mit arterieller Hypertonie
lichkeit». Entsprechend soll bei allen hyper-   Beispiel Bradykardie unter β-Blockern, Was-       Modifiziert nach: Maron BJ, Mitchell JH. 26th Bethesda
tensiven Patienten ein Versuch mit koch-        ser- und Salzverlust unter Diuretika).            Conference: recommendations for determining eligibili-
                                                                                                  ty for competition in athletes with cardiovascular abnor-
salzarmer Diät unternommen werden. Dies
                                                                                                  malities. J Am Coll Cardiol 1994; 24: 846–852
ist auch bei Patienten, die bereits medika-     4. Pharmakotherapie
mentös behandelt werden angezeigt, da die       (Tabelle 6 und Abbildung 1)
Kochsalzrestriktion jegliche pharmakologi-                                                        werden untenstehend diskutiert und sind in
sche Therapie positiv beeinflussen kann.        Bei Patienten mit arterieller Hypertonie          Tabelle 6 zusammengefasst.
                                                Grad 2 (Blutdruck > 5 mmHg oberhalb der
Die Definition der «normalen Kochsalzzufuhr»    99. Perzentile) soll unverzüglich mit einer me-   Bei allen Patienten unter medikamentöser
gestaltet sich schwierig. In westlichen Län-    dikamentösen Behandlung begonnen wer-             Therapie sind die folgenden Punkte regel-
dern beträgt die Kochsalzzufuhr beim Er-        den. Bei Hypertonie Grad 1 dagegen (Blut-         mässig zu überprüfen:
wachsenen rund 200 mmol pro Tag (43.5           druck ≥ 95. Perzentile aber ≤ (Perzentile 99      1. Normalisierung des Blutdruckes als Kon-
mmol = 1 g). Eine Reduktion auf 100 mmol        + 5 mmHg)) sollen initial die obengenannten           trolle der Wirksamkeit und Durchführung
täglich (2.2 g / Tag) bewirkt eine Blutdruck-   nicht-pharmakologischen Massnahmen ein-               (adherence) der verordneten Therapie.
reduktion von 5 mmHg systolisch und 6           geführt werden und eine kurzfristige Nach-            Für Patienten mit Diabetes mellitus, chro-
mmHg diastolisch15).                            kontrolle der Blutdruckwerte erfolgen. Eine           nischer Niereninsuffizienz oder anderen
                                                Pharmakotherapie ist indiziert bei Zeichen            Endorganschäden sollen Blutdruckwerte
Eine Vielzahl von Studien vermochte den         von Endorganschädigung, bei symptomati-               unterhalb der 90. Perzentile angestrebt
günstigen Einfluss einer zusätzlichen Kali-     scher Hypertonie (Kopfschmerzen, Sehstö-              werden; bei allen übrigen Patienten wer-
umzufuhr auf die Blutdruckregulation so-        rungen) und letztlich bei Versagen der übri-          den Zielwerte unterhalb der 95. Perzen-
wohl im Tierversuch16) als auch bei Patien-     gen Massnahmen9). Mit Ausnahme spezieller             tile angegeben9).
ten17) zu zeigen. Derzeit ist jedoch keine      pathophysiologischer Situationen (Tabelle 7)      2. Wenngleich selten, müssen Nebenwir-
überzeugende Arbeit verfügbar, aufgrund         und gewisser – teilweise pädiatriespezifi-            kungen aktiv gesucht und gegebenenfalls
derer eine Kaliumsupplementation zur Be-        scher – Kontraindikationen (Tabelle 8), gibt          die Medikation angepasst werden. Die
handlung der arteriellen Hypertonie im Kin-     es keine «klassische Pharmakotherapie»                Nebenwirkungen der einzelnen Wirkstoff-
desalter zu empfehlen wäre. Ebenso emp-         der Hypertonie im Kindesalter. Eine mögliche          klassen werden untenstehend disku-
fehlen wir keine Zusätze von Calcium und        Vorgehensweise ist in Abbildung 1 dargestellt         tiert, Kontraindikationen dagegen sind in
Magnesium.                                      und die wichtigsten Medikamentengruppen               Tabelle 8 zusammengefasst.

                                                                     37
Fortbildung / Formation continue                                                                                                           Vol. 15 No. 5 2004

 DCI                   Pädiatrische Dosierung b)            Dos. Erwachsene1)            Spezialitätenc)                   Bemerkungend)
 Hypertensive Krise
 Nifedipin po oder      0.25–0.5 mg/kg/Dosis                10 mg/Dosis1)                Nifedipin Kps. 5, 10 mg           Calcium-Antagonist
 sublingual             (max 10 mg/Dosis)2), 3)                                          Aprical* Lsg. 20 mg/ml 30 ml      * in Deutschland erhältlich

 Nitroprussid-Na        0.3–8 µg/kg/min2), 3)               0.3–8 µg/kg/min2), 3)        Nipruss* fio. 60 mg               Direkter Vasodilatator
 iv                                                                                                                        * in Deutschland erhältlich
 Labetolol iv           0.2–1 mg/kg/Dosis, langsam          20–50 mg langsam iv,         Trandate Amp. 100mg/20ml          α- und β-Blocker
                        iv (max 20 mg/Dosis) alle 10        ev. 3x zu wiederholen,
                        min., oder 0.4–3 mg/kg/Std          alle 10 min.1), 2)
                        kontinuierlich iv2), 3)
 Chronische Hypertonie
 ACE-Hemmer
 Captopril po     0.9–6 mg/kg/Tag in 3                      50 mg 1x / Tag, ev.          Lopirin Tbl 12.5, 25 und 50 mg    Herstellung pädiatrischer Kapseln
                  Einzeldosen2), 3)                         stufenweise Erhöhung1)       Captopril Mepha Tbl 12.5, 25      oder Suspension
                                                                                         und 50 mg
 Enalapril po           0.1–0.5 mg/kg/Tag                   10–40 mg 1x / Tag1)          Reniten Tbl 5, 10 und 20 mg       Herstellung pädiatrischer Kapseln
                        in 1–2 Einzeldosen2), 3)                                         Epril Tbl 5, 10 und 20 mg         oder Suspension
 Lisinopril po          0.1 mg/kg/Tag in 1 Einzeldosis      10–40 mg 1x / Tag1)          Zestril Tbl 5, 10, 20 und 30 mg   Herstellung pädiatrischer Kapseln
                        (max 5 mg/Dosis)2)                                               Lisitril Tbl 5,10 und 20 mg       oder Suspension
 Angiotensin II-Antagonisten
 Losartan po         0.7–1.4 mg/kg/Tag                      25–100 mg 1x /Tag1)          Cosaar Tbl 12.5, 50 und           Geringe Erfahrung im Kindesalter
                     in 1 Einzeldosis2)                                                  100 mg                            Herstellung pädiatrischer Kapseln
 Calcium-Antagonisten
 Nifedipin po      0.25–3 mg/kg/Tag                         20–60 mg 1x / Tag1)          Adalat CR Tbl                     Retardform
                   in 1–2 Einzeldosen2) (CR)                                             20, 30 und 60 mg                  Tbl nicht trennen oder zerdrücken
 Amlodipin po      0.05–0.5 mg/kg/Tag                       5–10 mg 1x / Tag1)           Norvasc Tbl 5 und 10 mg           Herstellung pädiatrischer Kapseln
                   in 1 Einzeldosis2)                                                                                      oder Suspension
 Isradipin po      0.1–0.4 mg/kg/Tag4)                      2.5–5 mg 1x / Tag1)          Lomir SRO Tbl 2.5                 Herstellung pädiatrischer Kapseln
                   in 1 Einzeldosis (SRO)                                                und 5 mg                          Pulver nicht zerdrücken
 β-Blocker
 Propranolol po         0.5–4 mg/kg/Tag                     80–160 mg 2x / Tag1)         Inderal Tbl 10, 40 und 80 mg      β1- und β2-Blocker
                        in 3–4 Einzeldosen2), 3)                                         Propranolol Helvepharm            Herstellung pädiatrischer Kapseln
                                                                                         Tbl 10, 40 und 80 mg              oder Suspension
 Atenolol po            1–2 mg/kg/Tag                       50–100 mg 1x / Tag1)         Tenormin Tbl 25, 50 und           β1-selektiv
                        in 1 Einzeldosis2), 3)                                           100 mg; Atenolol Mepha Tbl        Herstellung pädiatrischer Kapseln
                                                                                         25, 50 und 100 mg                 oder Suspension
 Labetolol po           4–40 mg/kg/Tag                      100–600 mg                   Trandate Tbl 100 und              α- und β-Blocker
                        in 2–3 Einzeldosen2), 3)            2–3 x / Tag1)                200 mg                            Herstellung pädiatrischer Kapseln
                                                                                                                           oder Suspension
 Diuretika
 Furosemid po           1–6 mg/kg/Tag                       20–80 mg 1–2 x/ Tag1), 2)    Lasix Tbl 40 mg                   Schleifen-Diuretikum
                        in 2–4 Einzeldosen1)–3)                                          Furosemid Helvepharm              Herstellung pädiatrischer Kapseln
                                                                                         Tbl 40 mg                         oder Suspension
 Hydrochlorothia-       2–3 mg/kg/Tag                       12.5–25 mg 1–2 x/ Tag1)      Esidrex Tbl 25 mg                 Thiazid-Diuretikum
 zid po                 in 2 Einzeldosen1)–3)                                                                              Herstellung pädiatrischer Kapseln
                                                                                                                           oder Suspension
 Spironolacton po       1.5–3 mg/kg/Tag                     25–100 mg 1–2 x/ Tag1)       Aldactone Tbl                     Kalium-sparend
                        in 2 (–3) Einzeldosen1), 2)                                      25, 50 und 100 mg                 Herstellung pädiatrischer Kapseln
                                                                                                                           oder Suspension
 α2-Agonisten
 Clonidin po            2.5–25 mcg/kg/Tag                   75–150 mcg                   Catapressan Tbl                   Herstellung pädiatrischer Kapseln
                        in 1–3 Einzeldosen2), 3)            1–2 x / Tag1)                150 mcg
 Direkte Vasodilatatoren
 Minoxidil po        Beginn mit 0.2 mg/kg/Tag               5–20 mg 1–2 x / Tag1)        Loniten Tbl 2.5 und 10 mg         Herstellung pädiatrischer Kapseln
                     in 1 Einzeldosis, dann Steige-
                     rung bis 0.25–1 mg/kg/Tag
                     in 1–2 Einzeldosen1), 2)
                                                                 a)
Tabelle 6: Wichtigste Antihypertensiva in der Pädiatrie
a) Dosierung nach dem ersten Lebensmonat, für Neonatalperiode ist die entsprechende Spezialliteratur zu konsultieren.
b) Die pädiatrischen Dosierungen wurden nord-amerikanischer Literatur entnommen (2 und 3) und gelten nicht offiziell
   (da im Arzneimittelkompendium der Schweiz zumeist nicht angegeben).
c) Es wird jeweils nur ein Generikum angegeben, weitere finden sich in der Spezialitätenliste oder unter www.okgeneriques.ch.
d) Die festen oralen Standardpräparate können in der Apotheke zu pädiatrischen Kapseln / Suspensionen aufbereitet werden (www.paddocklabs.com/comstudies.html
   ou www.chuv.ch/pha, unter «Infos Médicaments»).
1)   Arzneimittelkompendium der Schweiz. Basel: Documed; 2004 (www.documed.ch, Stand 13 September 2004).
2)   Rose BD, Rush JM. UpToDate Online Wellesley: Uptodate; 2004 (www.uptodate.com, Stand 13 September 2004).
3)   Norwood VF. Hypertension. Pediatrics in review 2002; 23 (6): 197–209.
4)   Shann F. Drug doses. 11th ed. Royal Children’s Hospital Parkville Australia; 2001.

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Vol. 15 No. 5 2004                                        Fortbildung / Formation continue

4.1. Inhibitoren des Konversions-                 dem Kindernephrologen vorbehalten sein          kende wie Atenolol oder Labetolol ersetzt
enzymes (ACE-Hemmer)                              (zum Beispiel bei Patienten mit schwerer        wurde; letztgenannter zeigt zusätzlich auch
ACE-Hemmer reduzieren die enzymatische            glomerulärer Erkrankung und hochgradiger        Inhibition von a-Rezeptoren. β-Blocker sind
Umwandlung von Angiotensin I in Angioten-         Proteinurie).                                   bei Asthma bronchiale und bei AV-Überlei-
sin II und reduzieren den Blutdruck durch                                                         tungsstörungen kontraindiziert und Vorsicht
eine Verminderung der Angiotensin II-ver-         4.2. Calcium-Antagonisten                       ist bei Patienten mit Diabetes mellitus oder
mittelten Vasokonstriktion und Aldosteron-        Die antihypertensive Wirkung dieser Wirk-       Herzinsuffizienz geboten.
Produktion. Wirkstoffe dieser Gruppe werden       stoffe beruht auf einer Reduktion des Cal-
in der Regel gut toleriert; sie sind jedoch bei   cium-Einstromes in glatte Muskelzellen ar-      4.4. Periphere α-Blocker
chronischer Niereninsuffizienz (GFR < 30          terieller und venöser Gefässe. Unterschieden    Periphere α-Blocker wie Prazosin führen über
ml/min/1.73 m2), bei Aortenisthmussteno-          werden drei Klassen: Phenylalkylamine (Ver-     die Hemmung postsynaptischer α1-Adreno-
se20) und während der Schwangerschaft21)          apamil), Benzothiazepine (Diltiazem) und Di-    zeptoren an der glatten Gefässmuskulatur
kontraindiziert. Mädchen nach der Menarche        hydroperidine (Nifedipin, Amlodipin). Zur Be-   zur Vasodilatation. Zu den Nebenwirkungen
müssen entsprechend auf das Risiko einer          handlung der arteriellen Hypertonie werden      gehören insbesondere orthostatische Hy-
Foetopathie hingewiesen werden21).                im Kindesalter nur Vertreter der letztge-       potonie sowie Natrium- Wasserretention. Ins-
Aufgrund der noch geringen glomerulären Fil-      nannten Klasse angewendet.                      gesamt werden diese Wirkstoffe im Kindes-
trationsrate besteht bei Neugeborenen ein                                                         alter nur selten eingesetzt.
besonderes Risiko einer akuten Nierenin-          Als Wirkstoff mit kurzer Halbwertszeit wird
suffizienz unter ACE-Hemmern22). Entspre-         Nifedipin oft zur Behandlung hypertensiver      4.5. Zentrale α-Sympathomimetika
chend soll bei diesen Patienten initial aus-      Krisen eingesetzt2). Wegen der Gefahr einer     Diese Wirkstoffe (Hauptvertreter Clonidin)
schliesslich Captopril (kurze Halbwertszeit)      zu ausgeprägten und oft nicht vorausseh-        wirken durch Stimulation zentraler α2-Re-
in kleinstmöglicher Dosierung eingesetzt          baren Blutdruckreduktion wird in der Lite-      zeptoren. Sie haben nur wenige kardiale und
werden. Bei älteren Kindern – ausser bei so-      ratur vom Einsatz von Nifedipin bei erwach-     renale Nebenwirkungen und bewirken zudem
litärer Niere, fortgeschrittener Niereninsuf-     senen Patienten für diese Indikation zuneh-     eine günstige Verminderung der Produktion
fizienz oder Hyperkaliämie – empfehlen wir        mend abgeraten25). In den neusten Empfeh-       von Renin. Wenngleich diese Wirkstoffe
bevorzugt Wirkstoffe mit langer Halbwerts-        lungen zur Abklärung und Behandlung der ar-     auch bei Kindern sehr potente Antihyper-
zeit, welche nur einmal täglich eingenommen       teriellen Hypertonie im Kindesalter wird Ni-    tensiva darstellen, werden sie oft nur als Me-
werden müssen (zum Beispiel Lisinopril). Bei      fedipin zur Behandlung hypertensiver Krisen     dikamente zweiter Wahl eingesetzt (Ab-
chronischer Nephropathie mit signifikanter        ebenfalls nicht mehr empfohlen9). Trotzdem      bildung 1), wahrscheinlich auch wegen der
Proteinurie sind ACE-Hemmer die einzigen          belegen zwei neuere Untersuchungen Si-          Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Mundtrock-
Antihypertensiva, welche eine Verzögerung         cherheit und Wirksamkeit bei Kindern. Trotz     enheit und schwere Hypertonie nach Absetz-
der Progression der Niereninsuffizienz be-        Blutdruckabfall von bisweilen mehr als 25%      ten («Rebound-Phänomen»).
wirken, zumindest bei Diabetikern23).             beschreiben die Autoren keine kardiovas-
Sowohl nach Behandlungsbeginn mit als             kulären oder neurologischen Nebenwir-           4.6. Direkte Vasodilatatoren
auch nach Dosiserhöhung von ACE-Hem-              kungen26), 27). Vorausgesetzt keine Kontrain-   Direkte Vasodilatatoren bewirken eine Re-
mern sind Kontrollen von Plasma-Kalium und        dikationen (Herzrhythmusstörungen, Herz-        laxation der glatten Gefässmuskulatur. Auf-
-Creatinin sinnvoll, insbesondere bei bereits     insuffizienz) und Beginn mit minimaler          grund der häufigen Nebenwirkungen (Hypo-
vorbestehender leichtgradiger Niereninsuf-        Dosierung (< 0.20 mg/kg/Dosis), scheint es      tonie, Natrium- und Wasserretention, Kopf-
fizienz.                                          uns gemäss heutiger Kenntnisse zulässig, Ni-    schmerzen, Tachykardie) werden Vertreter
                                                  fedipin weiterhin zu den möglichen Medika-      dieser Gruppe nicht als primäre Wahl bei
Obwohl bei Kindern noch wenig untersucht,         menten der Behandlung hypertensiver Krisen      Kindern eingesetzt. Hydralazin und Dihyd-
sind Angiotensin II-Antagonisten (zum Bei-        bei Kindern zu zählen28). Zur Behandlung der    ralazin sind in der Schweiz nicht mehr ver-
spiel Losartan) sehr effiziente Antihyper-        chronischen arteriellen Hypertonie sind Cal-    fügbar. Minoxidil, ein sehr wirksames Anti-
tensiva. Angiotensin II-Antagonisten sind, wie    cium-Antagonisten mit langer Halbwertszeit      hypertensivum, soll wegen seines Neben-
ACE-Hemmer, besonders bei «Renin-ver-             (zum Beispiel Amlodipin) zu bevorzugen; die     wirkungsspektrums (Hirsutismus, Perikarditis,
mittelter» Hypertonie indiziert. Mit Ausnah-      Verabreichung in einer Tagesdosis hat zudem     Herzinsuffizienz) für Patienten mit schwerer,
me von Husten (weniger ausgeprägt bei An-         einen günstigen Einfluss auf die Befolgung      therapierefraktärer Hypertonie vorbehalten
giotensin II-Antagonisten), ist auch das          der Therapie (adherence).                       bleiben. Nitroprussidnatrium stellt Wirkstoff
Nebenwirkungsprofil beider Gruppen ver-                                                           der Wahl zur Behandlung der hypertensiven
gleichbar; Angiotensin II-Antagonisten sind       4.3. β-Blocker                                  Krise auf der Intensivstation dar.
bei Schwangerschaft ebenfalls kontraindi-         β-Blocker gehören zu den ersten Antihyper-
ziert. Eine Kombinationstherapie mit je ei-       tensiva, die bei Kindern eingesetzt wurden.     4.7. Diuretika
nem Wirkstoff beider Gruppen kann bei Pa-         Diese Wirkstoffe reduzieren das Herzzeitvo-     Die antihypertensive Wirkung von Diuretika
tienten mit chronischer Nephropathie und          lumen, den peripheren Gefässwiderstand, die     basiert auf der vermehrten renalen Aus-
schwerer Proteinurie unter Umständen von          Sekretion von Renin und die zentrale Sym-       scheidung von Natrium und Wasser. Ausser
Nutzen sein24). Im Kindesalter ist eine derar-    pathikusaktivität. Die meisten Studien er-      in besonderen Situationen (Tabelle 7) stellen
tige Kombinationstherapie jedoch sehr sel-        folgten jedoch mit Propranolol, einem Wirk-     sie meist Wirkstoffe zweiter Wahl dar. Das
ten indiziert und die Verschreibung sollte        stoff, der zunehmend durch selektiver wir-      Nebenwirkungsspektrum ist spezifisch für

                                                                      41
Fortbildung / Formation continue                                                                                                                                 Vol. 15 No. 5 2004

 Klinische Situation                                        Pathophysiologie                                 Antihypertensiva erster Wahl
 Glomerulonephritis, akut                                   Natrium- und Wasserretention                     Diuretika (Furosemid, Hydrochlorothiazid)
 Glomerulonephritis, chronisch                              Natrium- und Wasserretention                     Diuretika (Furosemid bei chron. Niereninsuffizienz)
 Steroide, Langzeittherapie                                 Natrium- und Wasserretention                     Diuretika (Furosemid, Hydrochlorothiazid)
 Nierenarterienstenose                                      Hyperreninismus                                  ACE-Hemmer1)
 Polycystische Nierenkrankheiten                            Hyperreninismus                                  ACE-Hemmer
 Hypertonie (residuell) nach Korrektur                      Hyperkinetik, kardial                            β-Blocker
 bei Aortenisthmusstenose
 Hypertonie unter Therapie mit                              Vasokonstriktion, renal                          Calcium-Antagonisten (Amlodipin)
 Cyclosporin A
 GRA2)                                                      Hyperaldosteronismus                             Dexamethason, Amilordid, Spironolacton
                                                            Natrium- und Wasserretention
 AME3)                                                      Natrium- und Wasserretention                     Dexamethason, Amilorid

Tabelle 7:   Antihypertensive Therapie in speziellen Situationen
1) nur bei unilateraler Nierenarterienstenose; kontraindiziert bei solitärer Niere, Hyperkaliämie oder fortgeschrittener Niereninsuffizienz (z.B. GFR < 30 ml/min/1.73 m2)
2) Glucocorticoid remediable aldosteronism
3) Apparent mineralocorticoid excess

die jeweilige Klasse (Schleifendiuretika:                       rapie der arteriellen Hypertonie während der                    bei ursächlicher Nierenparenchymerkrankung-
Hypokaliämie, Hypercalciurie/Nephrocalci-                       Neonatalperiode gelten grundsätzlich die sel-                   en (zum Beispiel chronische Glomerulonephro-
nose; Thiazide, hochdosiert/langdauernd:                        ben Prinzipien wie bei älteren Kindern. Für                     pathie) zumeist Mittel der ersten Wahl dar. Bei
Hyperglykämie, Hyperlipidämie).                                 die speziellen Dosierungsanwendungen sei                        ungenügendem Effekt (oder bei Kontraindi-
                                                                jedoch auf die entsprechende Fachliteratur                      kationen) kommen andere Wirkstoffe aus der
4.8. Kombinationstherapie                                       verwiesen.                                                      Gruppe der «ersten Wahl» zum Einsatz (Ab-
Im Gegensatz zu erwachsenen Patienten ist                                                                                       bildung 1), entweder β-Blocker oder Calcium-
im Kindesalter seltener eine Kombinations-                      4.10.2. Hypertensive Krise                                      Antagonisten. Nur bei Patienten mit thera-
therapie (Diuretika + β-Blocker, Diuretika +                    Die Behandlung im Falle einer hypertensiven                     pierefraktärer Hypertonie und ungenügendem
ACE-Hemmer) notwendig. Dies in erster Li-                       Krise hat unter Spitalbedingungen zu erfol-                     Effekt einer Kombinationstherapie ACE-Hem-
nie, da im Kindesalter (insbesondere Klein-                     gen. Tabelle 6 gibt eine Übersicht der am häu-                  mer, β-Blocker und Calcium-Antagonist soll
kinder) seltener eine essentielle Hypertonie                    figsten für diese Indikation verwendeten                        – unter Beizug des pädiatrischen Kardiologen
vorliegt und die Therapie entsprechend oft                      Pharmaka. Nifedipin bietet den Vorteil, kei-                    oder Nephrologen – ein Pharmakon aus der
auf eine spezifische pathophysioloigische Si-                   nes intravenösen Zuganges beziehungswei-                        Gruppe «zweite Wahl» versucht werden.
tuation abgestimmt werden kann. Ausser in                       se keiner invasiven Ueberwachung zu be-
speziellen Situationen, ist zudem die Na-                       dürfen. Falls zum Einsatz kommend, darf die-
                                                                                                                                Referenzen
trium- und Wasserretention im Kindesalter                       ser Wirkstoff jedoch nur mit extremer                           1. Société Suisse de Pédiatrie. Examens de dépistage,
insgesamt weitaus seltener.                                     Vorsicht dosiert werden9), 28).                                     3ème édition, 1999
                                                                                                                                2. Norwood VF. Hypertension. Pediatr Review 2002; 23:
                                                                                                                                    197–209
4.9. Kontraindikationen                                         5. Schlussfolgerungen                                           3. Kay JD, Sinaiko AR, Daniels SR. Pediatric hyperten-
Kontraindikationen für Antihypertensiva sind                                                                                        sion. Am Heart J 2001;142: 422–432
insgesamt selten und zumeist klassenspe-                        Für den Kinderarzt stellt das Erkennen einer                    4. Sinaiko AR, Gomez-Martin O, Prineas RJ. Prevalence
                                                                                                                                    of «significant» hypertension in junior high-school-
zifisch (Tabelle 8).                                            arteriellen Hypertonie bei seinem Patienten                         aged children: the children and adolescent blood pres-
                                                                und deren Charakterisierung beziehungs-                             sure program. J Pediatr 1989; 114: 664–669
4.10. Spezielle Situationen                                     weise den Ausschluss behandelbarer Ursa-                        5. Fixler DE, Laird WP. Validity of mass blood pressure
                                                                                                                                    screening in children. Pediatrics 1983; 72: 459–463
                                                                chen (zum Beispiel Aortenisthmusstenose)                        6. Bartosh SM, Aronson AJ. Childhood hypertension: an
4.10.1. Arterielle Hypertonie                                   den ersten Schritt dar. Zum sicheren Nach-                          update on etiology, diagnosis, and treatment. Pediatr
beim Neugeborenen                                               weis einer reellen Hypertonie sind zumeist                          Clin North Am 1999; 46: 235–253
                                                                                                                                7. Compendium suisse des médicaments, Documed,
Die arterielle Hypertonie in diesem Alter stellt                mehrfache Einzelmessungen und oft die                               Basel, 2004, pp 1–3224
eine Seltenheit dar und betrifft insgesamt                      Durchführung einer ambulanten 24-Std.-Blut-                     8. Nahata MC. Lack of pediatric drug formulation. Pe-
weniger als 2% der Patienten auf Neugebo-                       druckmessung notwendig. Eine strikte diä-                           diatrics 1999; 104: 607–609
                                                                                                                                9. The fourth report on the diagnosis, evaluation, and tre-
renen-Intensivpflegestationen29). Hauptur-                      tetische Behandlung ist sowohl im Vorfeld als                       atment of high blood pressure in children and ado-
sache stellen Thrombosen der Nierengefäs-                       auch begleitend zu einer Pharmakotherapie                           lescents. Pediatrics 2004; 114: S555–S576
se (Komplikation von Nabelarterienkatheter),                    indiziert. Die Wahl der Pharmakotherapie ist                    10. Bianchetti MG. Streptokokken-A-Tonsillitis and pro-
                                                                                                                                    teinuria. Kardiovaskular Medizin 2004; 7: 299–300
Aortenisthmusstenose, Missbildungen der                         dem einzelnen Patienten, in Abhängigkeit der                    11. Somu S, Sundaram B, Kamalanathan AN. Early de-
Nieren und Nierengefässe und angeborene                         zugrunde liegenden Pathologie und der Ge-                           tection of hypertension in general practice. Arch Dis
Nierenparenchymerkrankungen (zum Bei-                           samtsituation (Begleiterkrankungen), anzu-                          Child 2003; 88: 302
                                                                                                                                12. Sorof JM, Portman RJ. Ambulatory blood pressure mo-
spiel autosomal rezessive polycystische                         passen. Vorbehalten das Vorliegen absoluter                         nitoring in the pediatric patient. J Pediatr 2000; 136:
Nierenkrankheit) dar. Für die Pharmakothe-                      Kontraindikationen, stellen ACE-Hemmer                              578–586

                                                                                            42
Vol. 15 No. 5 2004                                                          Fortbildung / Formation continue

                                                              18. Krieger DR, Landsberg L. Obesity and hypertension.
 Inhibitoren des Konversionsenzymes                               In JH Laragh, BM Brenner (eds), Hypertension: patho-
 (ACE-Hemmer)                                                     physiology, diagnosis and management. New York,
 ● Schwangerschaft
                                                                  Raven Press, 1990: 1741–1776
                                                              19. American college of Sports Medicine. Physical acti-
 ● Bilaterale Nierenarterienstenose                               vity, physical fitness and hypertension. Med Sci Sports
 ● Akute Niereninsuffizienz                                       Exerc 1993; 25: 1–12
 ● Chronische Niereninsuffizienz (GFR <
                                                              20. Wood EG, Bunchman TE, Lynch RE. Captopril-induced
                                                                  reversible acute renal failure in an infant with coarc-
    30 ml/min/1.73 m2)                                            tation of the aorta. Pediatrics 1991; 88: 816–818
 ● Aortenisthmusstenose                                       21. Rosenthal T, Oparil S. The effect of antihypertensive
 ● Hyperkaliämie
                                                                  drugs on the fetus. J Hum Hypertens 2002;16: 293–
                                                                  308
                                                              22. Guignard JP, Gouyon JB. Adverse effects of drugs on
 Calcium-Antagonisten                                             the immature kidney. Biol Neonate 1988; 53: 243–
                                                                  252
 ● Linksherzinsuffizienz
                                                              23. Lewis EJ, Hunsiker LG, Bain RP, Rohde RD. The effect
 ● AV-Block (Verapamil, Diltiazem)                                of angiotensin converting enzyme inhibition on dia-
 ● Vorhofflattern und –flimmern                                   betic nephropathy. N Engl J Med 1993; 329: 1456–
                                                                  1502
   (Verapamil, Diltiazem)
                                                              24. Andersen NH, Morgensen CE. Dual blockade of the
 ● Neugeborene (Verapamil, Diltiazem)                             Renin Angiotensin system in diabetic and non-diabetic
                                                                  kidney disease. Curr Hypertens Rep 2004; 6: 369–
                                                                  376
 β-Blocker
                                                              25. Grossman E, Messerli FH, Grodzicki T, Koweg P.
 ●  Asthma bronchiale                                             Should a moratorium be placed on sublingual nifedi-
 ● Diabetes mellitus (insulinpflichtig)                           pine capsules given for hypertensive emergencies and
 ● Raynaud-Syndrom
                                                                  pseudoemergencies? JAMA 1996; 276: 1328–1331
                                                              26. Blaszak RT, Savage JA, Ellis EN. The use of short-
 ● Herzinsuffizienz (schwer)                                      acting nifedipine in pediatric patients with hyper-
 ● Überleitungsstörung atrioventrikulär                           tension. J Pediatr 2001; 139: 34–37
                                                              27. Egger DW, Deming DD, Perkin RM, Sahney S. Eva-
    (ausser AV-Block I)
                                                                  luation of the safety of short-acting nifedipine in chil-
                                                                  dren with hypertension. Pediatr Nephrol 2002; 17:
 Diuretika                                                        35–40
                                                              28. Calvetta A, Martino S, Von Vigier RO, Schmidtko J,
 ●  Thiazide: Hyperbilirubinämie beim
                                                                  Fossali E, Bianchetti MG. «What goes up must im-
    Neugeborenen                                                  mediately come down!» Which indication for short-ac-
 ● Schleifendiuretika (Furosemid):                                ting nifedipine in children with arterial hypertension?
                                                                  Pediatr Nephrol 2003; 18: 1–2
    Hypercalciurie / Nephrocalcinose
                                                              29. Flynn JT. Neonatal hypertension: diagnosis and ma-
 ● Kaliumsparende Diuretika (Spirono-                             nagement. Pediatr Nephrol 2000;14: 332–341
    lakton): Hyperkaliämie, diabetische
    Nephropathie
                                                              Korrespondenzadresse:
                                                              François Cachat
 Vasodilatatoren
                                                              Chef de clinique
 ● Minoxidil: Phäochromozytom, Herz-
                                                              Département médico-chirurgical de pédiatrie
   insuffizienz
 ● Nitroprussid-Na: Aortenisthmusste-
                                                              Unité de néphrologie pédiatrique
                                                              CHUV, Lausanne, Suisse
   nose, intrakranielle Drucksteigerung
                                                              Tel. 021 314 1746
                                                              Fax 021 314 3626
Tabelle 8: Kontraindikationen
für Antihypertensiva                                          francois.cachat@hospvd.ch
Modifiziert nach: Hypertension in children. L.G. Feld, But-
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