Behandlungsstandard von intrakraniellen Blutungen - Guidelines.ch

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Behandlungsstandard von intrakraniellen Blutungen - Guidelines.ch
Behandlungsstandard von
                            intrakraniellen Blutungen

Kriterien Triage ZNA ................................................................................................................................................................          1
Behandlungspfad ....................................................................................................................................................................           1
Ätiologie ..................................................................................................................................................................................   1
Diagnostik ...............................................................................................................................................................................     2
Allgemeine konservative Massnahmen ...................................................................................................................................                         2
Hämostasiologische Massnahmen: Allgemein .........................................................................................................................                             3
Hämostasiologische Massnahmen: Bei oraler Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten ...................................................                                                       3
Hämostasiologische Massnahmen: Bei Therapie mit Heparinen .............................................................................................                                        4
Hämostasiologische Massnahmen: Bei oraler Antikoagulation mit NOAC ...............................................................................                                             4
Schema Management von Blutungen unter Antikoagulantien ................................................................................................                                        5
Chirurgische Massnahmen: Allgemein ....................................................................................................................................                        5
Chirurgische Massnahmen: Richtlinien für eine Operation bei intracerebralen Blutungen (ICB) .............................................                                                      5
Chirurgisches Massnahmen: Supratentorielle, nicht-aneurysmatische intracerebrale Blutungen ...........................................                                                         6
Chirurgische Massnahmen: Nicht-aneurysmatische Kleinhirnblutung .....................................................................................                                          6
Chirurgische Massnahmen: Aneurysmatische oder andere Blutungen i.R. einer Gefässmissbildung ......................................                                                             7
Chirurgische Massnahmen: Intraventrikuläre Blutung/Hydrocephalus ....................................................................................                                          7
Intrazerebrale Blutung während oder nach Lysetherapie bei ischämischen Hirnfarkten ........................................................                                                    7
Orale Anikoagulation nach einer intrakraniellen Blutung ........................................................................................................                               7
Reduktion des Risikos für eine Rezidivblutung ........................................................................................................................                         8

Guidelines.ch - Medizinische Leitlinien für Diagnostik und Therapie
Guideline: Behandlungsstandard von intrakraniellen Blutungen                                                09.04.2019

Kriterien Triage ZNA

Jeder Patient mit akuter Neurologie und Verdacht auf ein zerebrovaskuläres Ereignis.

Behandlungspfad

Ätiologie

Die häufigsten Ursachen von nicht-traumatischen Hirnblutungen sind die hypertensive (Stammganglien-) Blutung oder
Blutungen bedingt durch Aneurysmen (Subarachnoidalblutung) resp. vaskuläre Malformationen. Die Lokalisation der Blutung
liefert bereits wichtige Hinweise auf die zugrunde liegende Ätiologie.

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Diagnostik

Da die Hirnblutung klinisch nicht sicher von einem ischämischen Hirninfarkt unterschieden werden kann, weicht die initiale
Diagnostik nicht von derjenigen des ischämischen Hirninfarktes ab:

■   Diagnostik: natives cCT und CT-Angiographie. Bei atypischer Blutung (z.B. lobär, bilateral; typisch
    (mikroangiopathisch) = einseitig Stammganglien, Hirnstamm, zerebellär) sollte immer auch die Möglichkeit einer
    Stauungsblutung bei Sinus-/Hirnvenenthrombose in Betracht gezogen werden. Entsprechend sollte die initiale Abklärung
    durch eine CT-Venographie ergänzt werden. Die CT-Angiographie liefert wertvolle Informationen über die Ursache
    (Aneurysma, AV-Malformation), aber auch über das weitere Nachblutungsrisiko (Spot-Sign (Indikator für
    Nachblutungsrisiko; Lancet Neurol 2012;11:307–14)).
■   Da sich die Hirnblutung typischerweise in den ersten 24 Stunden vergrössert, empfiehlt sich eine Verlaufsbildgebung
    nach diesem Zeitintervall.
■   Bei Lobärblutungen wird im Verlauf der ersten Woche die Abklärung durch eine Schädel-MRI, inkl. Hämosiderin-
    sensitive Sequenzen und der Frage nach Amyloidangiopathie, ergänzt.
■   Je nach klinischer Fragestellung sollte nach Resorption der Blutung nach frühestens 3 Monaten (bei kleineren
    Blutungen evtl. früher) eine Verlaufs-MRI erfolgen, v.a. mit der Frage nach Kavernom oder sonstigen
    parenchymatösen Blutungsquellen.

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Allgemeine konservative Massnahmen
■   Überwachung auf NIPS, CHIPS oder MIPS in Abhängigkeit von der neurologischen Symptomatik und den Vitalparametern;
    zu beachten ist, dass die Kontrolle der Herz-Kreislauf-Parameter in den ersten 48 bis 72 h das Outcome verbessert.
■   Lagerung: 30° Oberkörperhochlagerung
■   Arteriellen Blutdruck senken: Studienlage bezüglich früher intensiver Blutdrucksenkung ist nicht eindeutig, wir
    empfehlen eine unmittelbare (innerhalb 1 Stunde) Zielblutdrucksenkung auf
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mit Vitamin-K-Antagonisten

Therapie von Hirnblutungen unter oraler Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonisten (Marcoumar, Sintrom), INR > 1.4

• OAK wird unterbrochen und der INR durch kombinierten Einsatz von Prothrombinkomplex PPSB (PCC) + 10mg
Vitamin K (Konakion) normalisiert (CAVE: Halbwertszeit von Konakion kürzer als von Marcoumar, deshalb kann der INR im
Verlauf wieder ansteigen!)

• Bei Kontraindikation für PCC (bekannte Unverträglichkeit, Verbrauchskoagulopathie, HIT) Gabe von Frischplasma (FFP) +
10mg Vitamin K (Konakion), Dosierung siehe Schema Management von Blutungen unter Antikoagulantien

Hämostasiologische Massnahmen: Bei Therapie mit
Heparinen

Therapie von Hirnblutungen unter/nach Therapie mit Heparin (UFH/NMH) mit nachweislicher Anti-Xa-Aktivität:

• Heparin stoppen

• Gabe von Protaminsulfat, Dosierung s.u.

Hämostasiologische Massnahmen: Bei oraler Antikoagulation
mit NOAC

Therapie von Hirnblutungen unter direkten oralen Antikoagulantien (Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban):

• Stopp des Antikoagulans, Bestimmung der Gerinnungsparameter (Quick, PTT, Thrombinzeit (TT) bei Einnahme von
Dabigatran, Fibrinogen, Faktor XIII, Anti-Xa-Aktivität bei Einnahme von Rivaroxaban, Apixaban oder Edoxaban (Wichtig:
genaue Substanz angeben (für Edoxaban noch kein validierter Test im Haus angeboten; bis dahin: alternativ Apixaban oder
Rivaroxaban angeben, sollte keine massgeblichen anderen Ergebnisse erzielen!). Faktor-Xa-Inhibitoren beeinflussen bei
noch bestehender Wirkung die INR/ den Quick, Dabigatran beeinflusst die PTT.

• Aufgrund der kurzen Halbwertszeit (7–14 h) der NOAC nimmt der Einfluss auf die Hämostase rasch ab. Im Falle einer
eingeschränkten Nierenfunktion muss eine möglicherweise deutlich verlängerte Halbwertszeit berücksichtigt werden.

• Bei Einnahme eines NOAC innerhalb der letzten 48 h, Einschluss in die TICH-NOAC Studie (PI Kägi) prüfen. Wenn kein
Studieneinschluss möglich, off-label Einsatz von Tranexamsäure erwägen. Die Gabe von Vitamin K, FFP (fresh frozen Plasma)
sowie DDAVP (Desmopressin) kann nicht empfohlen werden.

• Schwere nicht kontrollierbare Blutungen unter Dabigatran sollten durch Idarucizumab (Praxbind) antagonisiert
werden. Idarucizumab bindet spezifisch an Dabigatran und hebt dessen gerinnungeshemmende Wirkung auf. Die
empfohlene Dosis von Praxbind beträgt 5 g (2× 2,5 g/50 ml), die intravenös als zwei aufeinanderfolgende Infusionen über je
5 bis 10 Minuten oder als Bolusinjektion verabreicht werden.

• Bei fehlendem klinischem Effekt und laborchemisch nachweislicher bestehender Wirkung eines Faktor-Xa-Inhibitors
(Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban) ist nach Rücksprache mit dem Stroke-Hintergrund und dem Dienstarzt Hämatologie die
Gabe von rekombiniertem Faktor VIIa (rFVIIa) oder Prothrombin complex concentrate (PCC, 20–50 IU/kg) als off-label
Therapie zu erwägen.

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Schema Management von Blutungen unter Antikoagulantien

Chirurgische Massnahmen: Allgemein

Intrazerebrale Blutungen erfordern in Bezug auf die neurochirurgischen Behandlungsoptionen wegen der Vielzahl der
potenziell zugrunde liegenden Ursachen eine differenzierte Betrachtung. Die Behandlungsstrategie ist abhängig von der
neurologischen Symptomatik und Prognose der Patienten.

■   Bei spontaner, nicht-aneurysmatischer Hirnblutung ist die Prognose im Wesentlichen vom Glasgow Coma Scale, dem
    Blutvolumen, der intraventrikulären Hämorrhagie, der Blutungslokalisation und dem Alter des Patienten abhängig
    (Hemophill et al. Stroke 2001).
■   Sekundäre Blutungen im Rahmen einer Gefässmissbildung (Aneurysma, AV-Malformation) erfordern in der Regel eine
    neurochirurgische und/oder neuroradiologische Intervention mit kompletter Ausschaltung der Blutungsquelle.

Chirurgische Massnahmen: Richtlinien für eine Operation bei
intracerebralen Blutungen (ICB)

Richtlinien für OP bei einer supratentorieller ICB:

■   Oberflächliche (cortical, subcortical, ≤1cm) ICB, «lobär»
■   GCS ≤13 (ausgenommen aphasische Patienten ⇒individueller Entscheid)

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■   Progredientes neurologisches Defizit (im Vergleich zum initialen Defizit)
■   ICB Volumen >30ml und  3 cm beträgt und/oder
■   eine Hirnstammkompression bestehen
■   oder klinisch und bildgebend Hinweise für einen Hydrocephalus bestehen (Morgenstern et al., Stroke 2010)

In diesen Fällen ist die Therapie der Wahl die subokzipitale Kraniotomie mit Hämatomevakuation und Anlage einer
externen Ventrikeldrainage (EVD). Bei Kleinhirnblutungen handelt es sich immer um einen obstruktiven Hydrozephalus.

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Die EVD-Anlage ohne Hämatomevakuation wird bei Kleinhirnblutungen > 3 cm in der Regel nicht empfohlen. Bei
entsprechender Klinik bzw. bildmorphologischen Befunden (s.o.) sollte tendenziell die operative Therapie zeitnah
durchgeführt werden, um eine weitere klinische Zustandsverschlechterung zu verhindern. Erstaunlich gute Resultate können
nach chirurgischer Evakuation zerebellärer Hämatome erzielt werden; dies spiegelt sich auch in der deutlichen Empfehlung
der AHA/ASA zur operativen Dekompression bei zerebellärer Hämorrhagie wieder (Dunne et al., Q J Med 1987; 64:739–
754; Lewis et al., Stroke 2010; 41:2108-2129).

Chirurgische Massnahmen: Aneurysmatische oder andere
Blutungen i.R. einer Gefässmissbildung

Die Behandlung und die Festlegung des Prozederes bei Blutungen in der Folge einer Gefässmissbildung (z.B. Aneurysma,
AV-Malformation, AV-Fistel) erfolgt durch die Klinik für Neurochirurgie in Kooperation mit der interventionellen
Neuroradiologie. Bei entsprechenden Pathologien erfolgt die Behandlung und Überwachung in aller Regel auf der
chirurgischen Intensivpflegestation (CHIPS).

Chirurgische Massnahmen: Intraventrikuläre
Blutung/Hydrocephalus

In etwa der Hälfte aller Patienten mit spontaner, nicht-aneurysmatischer Hirnblutung kommt es zu einer
intraventrikulären Hämorrhagie mit dem Risiko, einen akuten Hydrocephalus zu entwickeln.

■   Bei klinischen und/oder bildgebenden Hinweisen für einen Hydrocephalus sollte die Anlage einer externen
    Ventrikeldrainage (EVD) frühzeitig erfolgen.
■   Die Anlage einer lumbalen Liquordrainage bleibt einzelnen Spezialfällen vorbehalten. Eine lumbale Drainage ist bei allen
    nicht kommunizierenden Formen oder im Zweifelsfall kontraindiziert (Steiner et al., 2008; DGN Leitlinie Intrazerebrale
    Blutungen).
■   Bei Patienten mit schweren Formen der intraventrikulären Hämorrhagie (Tamponade beider Seitenventrikel und/oder des
    3. Ventrikels) kommt es oftmals, trotz der EVD-Anlage, zu einem kritischen Anstieg des intrakraniellen Drucks. Diese
    Patienten werden auf der chirurgischen Intensivpflegestation behandelt und überwacht. Bei therapieresistenten
    Hirndruckanstiegen erfolgt die intraventrikuläre Lysetherapie über eine liegende EVD (Ziai et al., Int J Stroke 2014).
■   Die endoskopische Reduktion des intraventrikulären Blutvolumens und ggf. auch die endoskopische
    Ventrikulostomie am Boden des 3. Ventrikels bleibt Spezialfällen vorbehalten (S. Obaid, A.G. Weil, R. Rahme, M.W.
    Bojanowski, J Neurol Surg A 2015; 76:99–111).

Intrazerebrale Blutung während oder nach Lysetherapie bei
ischämischen Hirnfarkten
■   Bei noch laufender Lyse ist diese umgehend zu stoppen.
■   Ist die Lysetherapie bereits abgeschlossen, ist aufgrund der sehr kurzen HWZ von rt-PA ein konservatives, abwartendes
    Vorgehen gerechtfertigt. Der Patient wird überwacht.

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Orale Anikoagulation nach einer intrakraniellen Blutung

Soll die Sekundärprophylaxe mit oralen Antikoagulantien wieder aufgenommen werden und wenn ja, wann?

■   Es handelt sich um eine individuelle Entscheidung in Abhängigkeit des Rezidivblutungsrisikos und des
    Thromboembolierisikos (Patienten mit mechanischer Herzklappe ohne OAK weisen ein Thromboembolierisiko von 0.2–0.4%
    innerhalb von 2 Wochen auf).
■   Bei Patienten mit niedrigem Thromboembolierisiko (z.B. VHF ohne vorhergehenden zerebralen Infarkt, niedrigem CHA2DS2-
    VASc-Score (< 2), sollte nach Nutzen-Risiko-Abwägung die Indikation für eine Behandlung mit einem NOAC kritisch gestellt
    werden.
■   Die Gabe eines Thrombozytenaggregationshemmers zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern kann nicht empfohlen
    werden.
■   Bei Patienten mit hohem Thromboembolierisiko (CHA2DS2-VASc-Score > 2) und niedrigem Risiko einer Zweitblutung, soll
    die OAK nach ca. 1 Monat wieder begonnen werden. In dieser Situation sind die NOAC aufgrund des niedrigeren Risikos für
    intrazerebrale Blutungen in Betracht zu ziehen. Vor allem Patienten mit schlechter Einstellung profitieren (> 60% der
    aufgezeichneten INR-Werte nicht im Zielbereich). Aber auch bei den Patienten mit ordentlicher Einstellung ist dieser Vorteil
    gegeben.

Generell:

■   Indikation OAK überprüfen
■   Blutungsrisiko dem prophylaktischen Benefit gegenüberstellen (CHA2DS2-VASc-Score vs. HAS-BLED-Score)
■   Indikation für NOAC prüfen (Zulassung für Vorhofflimmern, tiefe Venenthrombose und Lungenembolie)
■   ggf. OAK mit Vitamin-K-Antagonisten mit Hilfe von CoaguCheck-Kontrolle optimieren (bei kooperativem Patienten mit guter
    Compliance)
■   Indikation für einen Vorhofsohrverschluss prüfen

Reduktion des Risikos für eine Rezidivblutung
■   Optimale Behandlung der arteriellen Hypertonie
■   Alkoholgenuss vermeiden
■   Nikotin-Stopp
■   Individuelle Entscheidung über den (erneuten) Beginn einer Therapie mit Antikoagulantien oder
    Thrombozytenaggregationshemmern (in der Regel frühestens erst nach 1 Monat nach Blutungsereignis, in Einzelfällen
    aufgrund des hohen Thromboembolierisikos ggf. früher)
■   Eine schwere Leukenzephalopathie (Grad 2 nach van Swieten (J Neurol Neurosurg Psych 1990; 53:1080–1083)) weist ein
    erhöhtes Risiko für eine Rezidivhirnblutung auf.
■   Die zerebrale Amyloidangiopathie stellt eine Kontraindikation für die Antikoagulation und die Gabe von
    Thrombozytenaggregationshemmern dar.

    Verantwortlicher Autor:      Monika Kapauer

    Erstellt am:                 21.03.2018

    Letzte Änderung:             09.04.2019

    Publizierte Version:         3.0.0

    Gültig für:                  KSSG / Neurologie / Richtlinien Ostschweizer Schlaganfallnetzwerk
                                 (validiert am 16.03.2019 durch Dr. med. Jochen Vehoff)

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