Beitrag: Kartenkauf bei Viagogo-Manuskript - ZDF
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Manuskript Beitrag: Kartenkauf bei Viagogo – Überteuerte Tickets, enttäuschte Fans Sendung vom 5. März 2019 von Werner Doyé und Anna Feist Anmoderation: Angenommen, Sie wollen unbedingt einen Musiker oder ein bestimmtes Fußballspiel sehen. Sie lassen nichts unversucht, um an Eintrittskarten zu kommen. Aber laut Veranstalter ist das Konzert oder das Spiel längst ausverkauft. Jetzt stöbern Sie im Internet und landen ganz schnell auf einem Portal wie Viagogo. Da gibt es noch was, jubeln Sie, allerdings oft zum doppelten, dreifachen oder zigfachen Preis. Überteuerte Tickets, so etwas nennt man Abzocke. Aber womöglich haben Sie sich noch sehr viel mehr Ärger eingehandelt. Werner Doyé und Anna Feist über miese Tricks bei Viagogo. Text: Er ist ein Weltstar: Ed Sheeran - vergangenes Jahr bei der Tournee durch Europa. Auch das Konzert in Berlin ist restlos ausverkauft. Hunderte werden ihren Star heute nicht zu Gesicht bekommen - selbst wenn sie ein Ticket haben. O-Ton Cornelia Noack, Viagogo-Kundin: Schon im Januar Viagogo-Tickets für Ed Sheeran, weil meine Enkelin ist Fan geworden, und da war ich glücklich, die Karten zu haben, kamen auch nach ein paar Monaten an. Nun will ich hier heute rein, dann waren die Tickets eben halt auf einen Namen, das hab ich alles gar nicht gesehen, so was guckt man sich ja nicht an, und dann wurde uns gesagt, die Karte ist ungültig, sie kommen nicht rein. Ungültig! Tickets hatte Ed Sheeran personalisieren lassen, um Wucherpreise zu verhindern. Fans haben nur Zutritt, wenn ihr Name auf der Karte steht. Wer dennoch rein will, muss noch mal zahlen, noch mal den Originalpreis: 95 Euro. Familie Methner kann sich das nicht leisten. 600 Euro haben sie auf Viagogo für Ed Sheeran bezahlt.
O-Ton Ariane Methner, Viagogo-Kundin: Ich meine, so viele Leute, die ganzen Leute, die ganze Schlange und am anderen Eingang noch mal, noch eine viel längere Schlange und die sind alle verarscht worden. Warum wird Viagogo nicht verboten? Wir versuchen herauszufinden, wie das Ticketgeschäft im Internet funktioniert. Es gibt zwei Märkte: den sogenannten Erstmarkt – Webseiten, die Tickets im Auftrag der Veranstalter verkaufen, zu einem festgelegten Preis mit klaren Bedingungen. Daneben: der sogenannte Zweitmarkt. Wichtigster Player: Viagogo. Die Plattform sieht sich als Marktplatz, für Verbraucher und Fans – „die ihre übriggebliebenen Tickets verkaufen möchten“. Viele Konzert- und Sportveranstalter sehen das ganz anders: O-Ton Felix Holzhäuser, Anwalt für Sportrecht: Plattformen wie Viagogo, deren Geschäftsmodell basiert letztlich zum Großteil auf dem Vertragsbruch Dritter. Und das ist vom Grundsatz schon ein Herangehen, was aus meiner Sicht nicht seriös ist. Es werden Lockvogelangebote platziert, es gibt Leerverkäufe, die ganze Preisgestaltung ist nicht transparent. Insofern hat man schon das eine oder andere Mal das Gefühl, dass der Verbraucher vielleicht sogar bewusst in die Irre geführt wird. Wir wollen hinter die Kulissen von Viagogo schauen. Wir finden eine Stellenanzeige für einen Hilfsjob als sogenannter Last- Minute-Sales-Mitarbeiter. Wir bewerben uns. Nach diversen Anläufen endlich: Arbeit als Last-Minute-Sales- Mitarbeiterin bei Viagogo. Wir drehen mit versteckter Kamera. Unsere Aufgabe: Abholen und Ausgeben von Tickets. Wir kommen ins Gespräch mit einer Kollegin, die den Job schon länger macht. O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Wie viele Tickets bieten die Verkäufer auf Viagogo so an? O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Das kommt drauf an, so manchmal 20 bis 100. O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Krass. Woher kriegt man denn so viele Tickets? O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Das sind halt Tickethändler. Frag mich nicht so genau. Aber ich brauche dir da auch nichts vorzulügen, du siehst ja, hier sind die Sellercodes und wenn du immer wieder dieselben Sellercodes siehst, du bist ja auch nicht doof. Das ist ja auch nicht verboten. Das sind halt Ticketgroßhändler.
Ticketgroßhändler? Wir bringen die Tickets in ein Hotel in der Nähe des Olympiastadions. Dort werden sie an Fans ausgehändigt - doch nicht nur an Fans. Auch Händler lassen hier Karten abholen. Resttickets, die sie über Viagogo nicht mehr losgeworden sind. O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Hat so ein Händler ein großes Team um sich? O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Ja, die Laufburschen und ähnliches. O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Aber das heißt ja, dass die dann kurz vor der Veranstaltung ihre Tickets hier abholen, um sie dann direkt vor dem Olympiastadium zu verkaufen? O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Ja, genau. Olympiastadion, kurz vor dem Fußballspiel Hertha BSC gegen Bayern München. Werden hier wirklich die übrig gebliebenen Tickets der Großhändler verkauft? Es dauert nicht lange, bis wir fündig werden. O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Die Karten sind von Viagogo. Da habe ich online verkauft. O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Aber Viagogo ist ja nur eine Zweitplattform, woher sind die Tickets? O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Als der Vorverkauf angefangen hat, haben wir die Tickets gekauft. Du musst nicht alles verstehen. Großhändler kaufen Tickets auf, um sie den Fans zu Wucherpreisen weiterzuverkaufen. Dabei nutzen sie die Anonymität, die ihnen Viagogo bietet. Was dort nicht verkauft wird, landet vor Stadien und Konzerthallen. Gesetzlich verboten ist das nicht. Doch viele Veranstalter verbieten den Weiterverkauf in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen. O-Ton Felix Holzhäuser, Anwalt für Sportrecht: In dem Moment, wo ich bei einem Veranstalter ein Ticket kaufe, gehe ich einen Vertrag. Und diesen Vertrag verletze ich in dem Moment, wo ich es weiterverkaufe. Weil in den AGB entsprechend der Weiterverkauf verboten ist. Wir fragen nach, was Viagogo dazu sagt: „Wir glauben, jeder hat das Recht mit Tickets zu handeln. […]
Wenn Event-Veranstalter das verbieten, dann liegt ihnen das Interesse ihrer Kunden nicht am Herzen. Und wir kämpfen für diese Kundenrechte.“ Unsere Suche nach den Händlern führt zu verschiedenen Webseiten - unter anderem Prestige-Tickets, TicketTube, Tixwaves. Tickettube und Tixwaves gehören offenbar zusammen. Sie firmieren im Impressum auch unter CDPA Trading. Alles Zweitmarktplattformen - spezialisiert auf ausverkaufte Events. Und alle verkaufen auch über Viagogo. Wer steckt dahinter? Die Firma CDPA Trading soll ihren Sitz in Amsterdam haben. Wir haben die offiziellen Adressen. Doch ob im Business Center, im Hotel oder an der Luxus-Wohnung – niemand von CDPA Trading öffnet. In Amsterdam treffen wir einen Insider, der selbst jahrelang bei Viagogo Karten verkauft hat. Er will anonym bleiben. O-Ton Ticketgroßhändler: Also, dieses Fan-to-Fan ist Augenwischerei. Man kann davon ausgehen, dass mindestens die Hälfte, ich würde sogar sagen drei Viertel der Umsätze, von professionellen Händlern gemacht wird. Professionelle Händler heißt in diesem Fall: Menschen, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Er zeigt uns ein Handbuch von Viagogo für Großverkäufer. Die Rede ist von Prämien für erfolgreiche Verkäufer. Der Insider berichtet, wie diese Großhändler an Tickets kommen. O-Ton Ticketgroßhändler: Die haben zum Teil Zugriff auf Ticketdrucker. Also, jede Vorverkaufsstelle hat so einen Ticketdrucker da stehen. Und als Besitzer einer Vorkaufsstelle findet man es gut, wenn so ein Händler einem 500 Tickets auf einen Schlag abnimmt. Im Idealfall ist der Tickethändler selbst Besitzer einer Vorverkaufsstelle - gibt es auch. Vorverkaufsstellen, die Tickets ausdrucken, um sie dann für ein Vielfaches auf Viagogo anzubieten? Wir fahren weiter. Unser Ziel: St. Augustin bei Bonn. Dort soll einer der Großhändler sitzen, Prestige-Tickets, auf den wir bei unserer Recherche gestoßen sind. An der angegebenen Adresse - ein verlassenes Haus. Der Briefkasten werde aber regelmäßig gelehrt, versichert uns eine Nachbarin. Sie weiß, wo wir den Eigentümer finden. Ein paar Straßen weiter: ein Audi-Fuhrpark vor einem Einfamilienhaus - und an der Haustür Firmenschilder. Prestige-
Tickets und CDPA Trading, also die Firma, die wir in Amsterdam vergeblich gesucht hatten. Sitzen in diesem Haus gleich mehrere Ticketbörsen, die auf Viagogo Geschäfte machen? Wir klingeln und fragen nach: O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Da kann ich ihnen leider nichts zu sagen. Das tut mir leid. Keine Antworten. Die Recherchen ergeben später: Der Inhaber von Prestige-Tickets betreibt eine Vorverkaufsstelle: OHZ Tickets in der Nähe von Bremen. Hat unser Insider also Recht? Geben offizielle Vorverkaufsstellen ihre Tickets an Zweitmarktplattformen weiter, bevor Fans sie überhaupt kaufen können? Die Inhaber von Prestige-Ticket und CDPA Trading beantworten auch unsere schriftlichen Fragen nicht. Und was sagt Viagogo zu solchen Machenschaften? „Solange die Tickets legal erworben wurden, interessiert es uns nicht, wieviele Tickets eine Person verkauft. […] Sei es der durchschnittliche Fan, der ein- bis zweimal pro Jahr verkauft, der Großhändler oder der Event-Veranstalter.“ Wer über Viagogo verkauft, ist den Betreibern der Plattform offenbar egal. Die Verkäufer bleiben anonym. Für Fans und Veranstalter ein großes Problem: O-Ton Nicole Jacobsen, Geschäftsführerin Tickets.de: Im letzten Jahr zum Beispiel haben wir leider sehr oft die Erfahrung gemacht, dass Fans mit Tickets zum Konzert kamen, die nicht gültig waren, weil sie mit geklauten Kreditkartendaten gekauft wurden. Und diese Tickets, in dem Fall, sind alle ausschließlich über die einschlägigen Zweitmarkt-Börsen gekauft worden. Tickethandel mit geklauten Kreditkartendaten? Wir treffen jemanden, der jahrelang mit kriminellen Methoden Tickets bestellt hat - nicht um Konzerte zu besuchen, sondern um Geld zu machen. Die Daten hatte er aus dem sogenannten Darknet: O-Ton Insider: Wir haben uns Hunderte Kreditkartensätze gekauft. Dann wird ausgecasht. Du kannst ja jetzt mit der Kreditkarte kein Bargeld abheben, deshalb musst Du irgendwas bestellen. Konzertkarten waren mit das einträglichste Geschäft. Du suchst Dir irgendeinen Briefkasten in der Stadt, der nicht genutzt wird, klebst da einen Namen drauf, lässt die da hinschicken. Wir haben unzählige Tickets bestellt, kistenweise, stapelweise, die sind mehrere 1.000 Euro wert gewesen. Und dann angelst Du die daraus, dafür habe ich ja diesen Greifer. Wir hatten Kontakte zu mehreren
Großhändlern, dann hast du zu Hause gesessen, die Leute sind vorbeigekommen und haben die Tickets abgeholt. Wir wollen das testen und bitten Tickets.de um Hilfe. Die Firma richtet extra für uns auf ihrer Website eine Testveranstaltung ein. Dort wollen wir möglichst viele Karten abgreifen. Dabei hilft uns eine Firma für Sicherheit im Internet, Security Research Labs. Wir überlassen ihr 20 Kreditkarten und eine Liste mit ausgedachten Namen und Adressen. Die Firma soll einen sogenannten Bot programmieren, der mit diesen Daten Tickets für die Testveranstaltung kaufen soll. O-Ton Security Research Labs: So, und hier versuchen wir zu kaufen. Erfolgreich bezahlt. Es sieht so aus, als klappt es. Wir haben jetzt ‘ne Menge Tickets. 150 Tickets - gekauft mit ausgedachten Namen und Adressen. Nur ein kleiner Test. Mit den Hinweisen von Security Research Labs, konnte Tickets.de Lücken in ihrem Online-Shop schließen. Der Programmierer sagt, solche Angriffe seien Alltag. Die Folge: Musiker wie Ed Sheeran lassen Konzertkarten personalisieren. Vor seiner Tournee wurde angekündigt, dass niemand mit Tickets reinkommt, die auf Plattformen wie Viagogo gehandelt wurden. Viagogo hat das nicht interessiert. Tausende Fans standen am Trouble Counter. Dazu lässt uns Viagogo wissen: „Die Tourveranstalter haben die Öffentlichkeit angelogen, als sie behauptet haben, die Tickets seien ungültig. […] Die Kunden hätten einfach mit ihren Tickets hineingehen können und die Tickets hätten ihnen Zugang zum Event verschafft.“ Auch das haben wir getestet - mit einem Ticket, gekauft auf Viagogo. Wenn Viagogo Recht hat, müssten wir ins Stadion kommen, ganz problemlos. O-Ton Kontrolleur, Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Ausweis, bitte. O-Ton Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Ich habe die Karte geschenkt bekommen. O-Ton Kontrolleur, Gedächtnisprotokoll nachgesprochen: Geschenkt? Dann einmal dahinten rüber, bitte. Hinten rüber – zur Schlange am Trouble Counter, so wie all die anderen Fans, die ihre Tickets auf Viagogo gekauft hatten. Abmoderation: Morgen, am Aschermittwoch, beginnt der Vorverkauf der Einzeltickets für die Passionsspiele in Oberammergau. Aber auf
Viagogo standen schon seit Ende vergangenen Jahres Karten zum Verkauf, Karten, die es noch gar nicht gab, zu teils horrenden Preisen von mehr als 1.000 Euro. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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