Beitrag: Angriff auf die Pressefreiheit-Manuskript - ZDF
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Manuskript Beitrag: Angriff auf die Pressefreiheit – Strategie von rechts Sendung vom 28. August 2018 von Arndt Ginzel, Michael Haselrieder, Conny Herrmann und Ulrich Stoll Anmoderation: Was ist los im Land? Wo soll das noch hinführen? Das haben sich vergangene Woche viele gefragt, nachdem sie gesehen hatten, wie dieser Pegida-Demonstrant auf unseren Kameramann losging und ihn am Filmen hindern wollte. O-Ton Pegida-Demonstrant mit Hut: „Hören Sie auf, mich zu filmen. Sie kommen jetzt mit zur Polizei. Ich habe Sie mehrmals aufgefordert.“ Um es klar zu sagen: Jedermann darf bei Demos filmen, nicht nur Journalisten. Und trotzdem zog die Polizei nicht etwa den pöbelnden Demonstranten aus dem Verkehr. Nein, sie stoppte unser Team, wie der Pöbler es verlangt hatte, und hielt unsere Kollegen über 45 Minuten von der Arbeit ab. Später erwies sich der Mann mit dem schwarz-rot-goldenen Hut als Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamtes. Der Dresdner Polizeipräsident, der zunächst behauptet hatte, die Beamten seien korrekt vorgegangen, bat das Frontal 21-Team dann am Freitag um Entschuldigung wegen der Art und Weise der Kontrolle. Er teilte per Twitter mit: „Ich bedaure diesen Umstand als Polizeiführung außerordentlich und habe zugesichert, dass wir dieses in der Polizei aufarbeiten werden – auch um daraus zu lernen.“ Trotzdem, noch einmal: Was ist los in im Land? Wo soll das noch hinführen? Diese Fragen stellen sich erst recht nach der tödlichen Auseinandersetzung am Wochenende auf einem Stadtfest in Chemnitz. Rechte Gruppen bliesen zur Menschenjagd, wollten damit zeigen, wer, Zitat, „in der Stadt das Sagen hat". Sie wollen die Regeln diktieren – auch uns Journalisten. Und das können sie sogar, wenn die Polizei sie gewähren lässt und Berichterstattung verhindert. Arndt Ginzel, Michael Haselrieder und Ulrich Stoll über Strategien von rechts, die kritische Öffentlichkeit einzuschüchtern und mundtot zu machen – nicht nur in Sachsen.
Text: O-Ton Demonstranten: Lügenpresse, Lügenpresse! Chemnitz. Gestern, am frühen Abend: 6.000 demonstrieren. Neonazis bedrängen Gegendemonstranten, Polizisten und Journalisten. Es fliegen Feuerwerkskörper und Flaschen. Mehrere Menschen werden verletzt. Inzwischen ermittelt das sächsische Antiterrorzentrum. Es laufen zehn Verfahren wegen Zeigen des Hitlergrußes. Die Polizei und der Ministerpräsident sind von der Wucht des rechten Aufmarsches völlig überrascht: O-Ton Michael Kretschmer, CDU, Ministerpräsident Sachsen: Man muss sagen, dass die Mobilisierung im Internet stärker ist als in der Vergangenheit, und dass wir darauf reagieren werden, auch in den nächsten Tagen, ist vollkommen klar. Dabei weiß man in Sachsen, die Rechten schaffen es immer wieder, über das Internet zu mobilisieren: Heidenau, Bautzen, Leipzig und jetzt Chemnitz. Rechte Strategen haben das offen angekündigt: spontane Demos sogenannter Wutbürger. O-Ton Björn Höcke, AfD-Vorsitzender Thüringen, Kyffhäusertreffen 2018, am 23.6.2018, Quelle: PI-NEWS: In dieser Zeit ist nicht Ruhe, in diesen Zeiten ist Mut, eine berechtigte Portion Wut und vor allen Dingen ziviler Ungehorsam die erste Bürgerpflicht – denn wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht. O-Ton Demonstranten: Widerstand, Widerstand! Dazu gehört auch, Polizei und Medien von der Arbeit abhalten – durch unberechtigte Strafanzeigen. O-Ton Demonstrant: Hören Sie auf. Ich will nicht gefilmt werden. Kommt noch, mein Freund, wirst schon deine Anzeige noch kriegen. O-Ton Frontal 21-Reporter: Aber bloß noch mal für mich. O-Ton Demonstrant: Ich habe gesagt, Sie sollen das nicht veröffentlichen, genauso wie jetzt.
Derselbe Mann war schon einmal gegen die Presse aktiv: vor anderthalb Wochen in Dresden. Weitere Demonstranten behindern ein Frontal 21-Team: O-Ton Pegida-Demonstrant mit Hut: Sie kommen jetzt mit zur Polizei. O-Ton René Seyfried, „Bürgerinitiative Freital“: Ich würde gerne gegen den Herrn Anzeige erstatten, der hat uns als Hartz IV-Empfänger beschimpft, gerade eben, mit dem Basecap auf. Die Polizei folgt dem Wunsch und kontrolliert die Ausweise des Kamerateams. Das wird 45 Minuten lang am Arbeiten gehindert. Der Anzeigenerstatter ist René Seyfried, rechter Bürgermeisterkandidat und Aktivist der fremdenfeindlichen Bürgerinitiative „Freital steht auf“. Seyfried rief 2015 zu Demonstrationen vor Flüchtlingsheimen auf und hetzte in einer Chatgruppe gegen Geflüchtete: „Provozieren bis die scheiße bauen“ „Ich bin nicht da aber ich würde jetzt alle da hoch jagen wollen“ Seine Anzeige gegen das TV-Team in Dresden basierte auf einer falschen Anschuldigung. Falsche Vorwürfe, angebliche Eingriffe in Persönlichkeitsrechte, Beleidigung und Volksverhetzung, die Polizei hält das Team auf. O-Ton Frontal 21-Reporter: Mit welcher Berechtigung? O-Ton Beamter: Dass Sie Leute abfilmen. O-Ton Frontal 21-Reporter: Wir filmen Leute ab auf einer Demonstration, das ist verboten? Das waren aber Demonstrationsgänger, die gegen Frau Merkel demonstriert haben. Demonstranten müssen sich das Filmen gefallen lassen. Polizisten müssten das eigentlich wissen. Dresden, 11. Juni. Rechte Demonstranten protestieren gegen ein angebliches Burka-Seminar der Volkshochschule. Sie reagieren aggressiv auf anwesende Pressevertreter, wollen nicht fotografiert werden.
O-Ton Demonstrantin: Du kannst doch nicht sagen, dass ich die Presse bedrängt hätte. O-Ton Demonstrantin: Solche Denunzianten. Tatsächlich fordert ein Polizist die Journalisten auf, ihre Ausweise bei den Ordnern der rechten Demo vorzuzeigen. Gehen die sächsischen Polizisten rechten Demonstranten auf den Leim, weil sie die Gesetze nicht kennen? O-Ton Martin Dulig, SPD. Stellvertretender Ministerpräsident Sachsen: Ich entdecke durchaus eine Strategie der Neuen Rechten dahinter, das sind Erfahrungen in anderen Bundesländern, dass man mit gezielten Anzeigen gegenüber Journalisten versucht, die Polizeiarbeit und die Journalistenarbeit zu behindern. Dementsprechend müssen wir auch unsere Polizistinnen und Polizisten schulen. Die Grünen fragten im Dezember 2017 die sächsische Landesregierung, ob Polizisten im Umgang mit Medienvertretern bei Demonstrationen geschult werden. Die Antwort: „Für die polizeiinterne Durchführung derartiger Fortbildungsveranstaltungen wurde seit Februar 2016 kein Bedarf angezeigt.“ O-Ton Valentin Lippmann, B‘90/DIE GRÜNEN, MdL, Innenausschuss Sachsen: Wir haben in den letzten Jahren erhebliche Probleme mit dem Schutz der Medienberichterstattung in Sachsen gehabt. Umso schlimmer ist es, dass sich nichts getan hat, man zwei Jahre offensichtlich keine Fortbildungsmaßnahmen unternommen hat, und die angeblich auch nicht notwendig waren aus Sicht der Polizei. Nicht nur in Sachsen ist Pegida präsent: München, Fußgängerzone. Marcus Buschmüller vom Netzwerk gegen Rechtsextremismus verteilt Flugblätter. Vor einer Woche mussten sich seine Mitstreiter deswegen vor der Polizei verantworten. Auf dem Flugblatt zu sehen: der Stand und ein Pegida-Mann mit Sonnenbrille ganz rechts. Es folgte eine Anzeige wegen Verletzung des Datenschutzes. Fotografieren angeblich verboten. Buschmüller hat jetzt Dienstaufsichts- beschwerde gegen den Einsatzleiter erstattet. O-Ton Marcus Buschmüller, Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München: Es ist auch eine Einschüchterung von demokratisch-
legitimem Protest und es birgt natürlich die Frage, wirft die Frage auf: Ist die Polizei juristisch sattelfest, ist sie gut vorbereitet, damit sie sich nicht vor den Karren spannen lässt von solchen Pegida-Aktivisten? Die Münchner Polizei weist solche Vorwürfe zurück, räumt aber Defizite ein: O-Ton Marcus da Gloria Martins, Sprecher Polizei München: Datenschutzgrundverordnung ist jetzt nicht unbedingt das, wo wir als originäre Dienststellen täglich mit zu tun haben. Dementsprechend neue Rechtsgebiete generieren natürlich auch für uns – und das muss man ganz klar zugeben - eine gewisse Unsicherheit, auch für die Kollegen hier vor Ort, die natürlich ganz massiv angegangen werden von demjenigen, der einen Anzeigenwunsch hat, und die ad-hoc eine Entscheidung treffen müssen. Auch der Fotojournalist David Speier wurde bei einer Kundgebung in München von einem Pegida-Aktivisten angezeigt. Speier hatte diese Fotos gemacht - Übersichtsaufnahmen vom Pegida-Stand. O-Ton David Speier, Fotojournalist: Mir wurde am Ende dann vorgeworfen, dass ich einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung begangen hätte. Und wir sind dann so verblieben, dass meine Speicherkarte sichergestellt wurde. Und ich eben eine Dreiviertelstunde mit den Beamten diskutiert habe. Eine klare Behinderung des Reporters, weil rechte Gruppen Polizisten unter Druck setzen – mit Starfanzeigen gegen Journalisten. O-Ton Dennis Amour, Geschäftsführer Bayerischer Journalistenverband: Es gibt eben keinen Tatbestand, der Journalistinnen und Journalisten das Filmen oder Berichterstatten von solchen Veranstaltungen verbietet. Und deswegen finde ich das, was dann passiert, noch viel schlimmer: Dass nämlich aufgrund haltloser Anschuldigungen es möglich ist, die Berichterstattung von Journalistinnen und Journalisten auszuschalten. O-Ton Demonstranten: Lügenpresse auf die Fresse! Die Presse als Hassobjekt der Rechten. Auch gestern Abend ließen sich TV-Teams in Chemnitz von Sicherheitsfirmen schützen. Auf die Polizei allein wollten sie sich nicht verlassen. O-Ton Valentin Lippmann, B‘90/DIE GRÜNEN, MdL,
Innenausschuss Sachsen: Wir haben ein Problem, dass es in Sachsen an einer konsequenten Haltung gegen Rechtsextremismus in den letzten Jahren gemangelt hat. Wir haben rechte Positionen hoffähig gemacht, wir haben Hass hoffähig gemacht in diesem Land und der schlägt nun in Gewalt um. Chemnitz, rechte Radikale beherrschen die Straße - auch weil sächsische Politiker und Behörden sich ihnen viel zu lange nicht entgegengestellt haben. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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