15 Schritte zur Entwicklungbarrierefreie r und inklusiver Kartenverkaufsprozesse - BBAG

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15 Schritte zur Entwicklungbarrierefreie r und inklusiver Kartenverkaufsprozesse - BBAG
15 Schritte zur
Entwicklungbarrierefreie
r und inklusiver
Kartenverkaufsprozesse
CAFE-Leitfaden
Enlische Version veröffentlicht im August 2020
Deutsche Version im Juli 2021

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15 Schritte zur Entwicklungbarrierefreie r und inklusiver Kartenverkaufsprozesse - BBAG
Contents
 Einleitung.....................................................................................................................................................3
 Warum ist barrierefreier Kartenverkauf wichtig?.........................................................................3
 Wichtige Schritte zur Schaffung barrierefreier und inklusiver Ticketing-Prozesse.......6
    Schritt 1 - Konsultieren Sie Ihre Fans mit Behinderungen .....................................................................................................6
    Schritt 2 - Definieren Sie Ticket-Kategorien ...................................................................................................................................6
    Schritt 3 – Erarbeitung einer gerechten Ticketing-Richtlinie .......................................................................................... 10
    Schritt 4 – Festlegung einer Preispolitik .......................................................................................................................................... 11
    Schritt 5 – Mehr Flexibilität ..................................................................................................................................................................... 13
    Schritt 6 – Bereitstellung von Freikarten für Begleitpersonen......................................................................................... 16
    Schritt 7 – Prüfung von Behinderungsnachweisen/Zugangsbedürfnissen............................................................ 20
    Schritt 8 - Vertriebskanäle etablieren ............................................................................................................................................. 25
    Schritt 9 - Hinzufügen von barrierefreien Tickets und barrierefreien Parkausweisen zu Ihrem Online-
    Ticketing-Portal ............................................................................................................................................................................................. 27
    Schritt 10 - Stellen Sie sicher, dass Ihre Website barrierefrei ist .................................................................................... 33
    Schritt 11 – Barrierefreiheit bei Tickets und Ticketverkauf ................................................................................................. 39
    Schritt 12 – Schulung Ihres Personals im Ticketverkauf ..................................................................................................... 42
    Schritt 13 – Frühzeitige und klare Kommunikation .................................................................................................................. 43
    Schritt 14 – Offene und aktive Kommunikation zu barrierefreien Tickets und Verbesserungen im
    Stadion................................................................................................................................................................................................................. 46
    Schritt 15 – Feedback einholen............................................................................................................................................................ 46
 Weitere Informationen ........................................................................................................................ 47
 Literaturverzeichnis.............................................................................................................................. 48

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15 Schritte zur Entwicklungbarrierefreie r und inklusiver Kartenverkaufsprozesse - BBAG
Einleitung
 Zuschauer mit Behinderung sollten die Möglichkeit haben, Spieltag-Tickets auf die
 gleiche Weise zu kaufen wie nicht-behinderte Zuschauer, auch online. Es ist wichtig,
 dass die Nationalverbände (NA), Vereine und Stadien transparente Richtlinien für das
 Ticketing bereitstellen, die denen für nichtbehinderte Zuschauer entsprechen.
 Dieses Dokument soll den Nationalverbänden (NAs), Vereinen und Stadien hilfreiche
 Informationen und wichtige praktische Schritte zur Verfügung stellen, um
 sicherzustellen, dass alle Zuschauer mit Behinderung Spieltag-Tickets beschaffen und
 gemeinsam mit anderen Fans ein barrierefreies und inklusives Erlebnis genießen können.
 Bitte beachten Sie, dass dies keine vollständige Liste der durchzuführenden
 Maßnahmen ist und die Prozesse von Organisation zu Organisation unterschiedlich sein
 können.

 Warum ist barrierefreier Kartenverkauf wichtig?
 Weltweit mehr als eine Milliarde Menschen mit Behinderung
 Es gibt heute mehr als eine Milliarde Menschen mit Behinderung auf der Welt, was
 mindestens 15 % der Weltbevölkerung entspricht (World Health Organisation (WHO)
 2018).
 Aufgrund mangelnder Barrierefreiheit werden Menschen mit Behinderung jedoch daran
 gehindert, sich uneingeschränkt an der Gesellschaft um sie herum zu beteiligen. Jüngste
 Studien haben ergeben, dass 50 % der Menschen mit Behinderung noch nie an einer
 öffentlichen oder sportlichen Veranstaltung teilgenommen haben. Gesellschaftliche
 Barrieren, ob physisch, sensorisch, Einstellungs-/Verhaltens-bezogen oder mit
 Kommunikation oder Politik verbunden, schließen Menschen mit Behinderung vom
 Fußball aus, obwohl Menschen mit Behinderung eindeutig ein Interesse an Live-Spielen
 zeigen. In der CAFE-Umfrage 2016 (2019) gaben 80 % der Fans mit Behinderung an, dass
 es für sie wichtig ist, ein Fußballspiel zu besuchen. Ein barrierefreier Zugang kommt auch
 einer viel breiteren Bevölkerung zugute, wobei mindestens 40 % der Bevölkerung zu
 einem bestimmten Zeitpunkt einen barrierefreien Zugang benötigen.

 Kaufkraft von Menschen mit Behinderungen
 Die Kaufkraft von Menschen mit Behinderung ist beträchtlich. Nach Angaben des
 „Department for Work and Pensions“ (DWP; dt.: Ministerium für Arbeit und Renten),
 verfügen Haushalte im Vereinigten Königreich (VK) mit einer Person mit Behinderung
 über ein kombiniertes Einkommen von 249 Milliarden £ (ca. 279 Milliarden €), abzüglich
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der Wohnkosten. (Secure Tickets from Authorises Retailers (STAR) 2019) Im „State of
 Access Report 2018“ (dt.: Bericht über den Stand des barrierefreien Zugangs 2018)
 (Attitude is Everything 2018) wurden die Ausgaben von Fans mit Behinderungen für
 Tickets und Essen/Getränke/Waren bei Konzerten auf 702 £ (ca. 800 €) pro Jahr und
 Person beziffert. Daher ist dies auch ein finanzieller Anreiz für Ticketanbieter,
 sicherzustellen, dass jeder Tickets für ihre Veranstaltungen kaufen kann.

 Große Nachfrage nach Tickets
 2013 führte die Deutsche Sporthochschule Köln zusammen mit CAFE eine
 wissenschaftliche Studie durch, (Centre for Access to Football in Europe; German Sport
 University Cologne 2013), um detaillierte Informationen zu den wichtigsten Themen bei der
 Verteilung von Eintrittskarten für Fans mit Behinderungen zu erhalten. Sie führten ein
 eingehendes Interview mit einer Arbeitsgruppe großer Sportveranstalter und wandten sich
 an 696 Fußballfans mit Behinderungen in ganz Europa (England, Frankreich, Deutschland,
 Polen, Russland, Ukraine, Spanien). Die wichtigsten Ergebnisse dieser Studie waren die
 folgenden:

     • Auf dem gesamten Markt besteht eine große Nachfrage nach barrierefreien
       Tickets. Oft werden mehr Tickets vorbestellt als vorhanden sind.
     • Weniger als die Hälfte der Befragten (14,9 % stimmen voll und ganz zu, 31,7 %
       stimmen zu) gab an, dass bei Heimspielen im eigenen Land genügend barrierefreie
       Tickets verfügbar sind. Nur 20,8 % glauben, dass es genügend barrierefreie Tickets
       für Auswärtsspiele gibt.
     • Bei Spielen im Ausland stimmten nur 9,7 % der Teilnehmenden voll und ganz oder
       teilweise zu, dass genügend Tickets für behinderte Zuschauer*innen verfügbar
       sind.

 Schützt Ihren Ruf
 Der Kauf eines Tickets ist oft der erste Kontaktpunkt mit einem Verein oder einem
 Nationalverband und auch der erste Schritt zur Teilnahme an einem Live-Spiel. Leider
 gibt es immer noch viele Hindernisse im Zusammenhang mit dem Kartenverkauf, die
 Fans mit Behinderung daran hindern, an Spielen teilzunehmen. Laut dem „State of
 Access Report 2018“ (Bericht über den Stand des barrierefreien Zugangs 2018), der über
 300 Menschen mit Behinderung zu den Hindernissen befragte, denen sie bei der
 Buchung von Tickets für Live-Musikveranstaltungen gegenüberstehen (Attitude is
 Everything 2018) bestehen z.B. die folgenden Probleme:
     • 82 % hatten Probleme bei der Buchung barrierefreier Tickets
     • 73 % fühlten sich diskriminiert, als sie versuchten, barrierefreien Zugang zu buchen.
     • 79 % hatten den Kauf von Tickets für einen Auftritt aufgrund von Schwierigkeiten
       mit dem barrierefreien Zugang im Buchungsprozess abgebrochen

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• 11 % hatten rechtliche Schritte in Betracht gezogen.

 In demselben Bericht wird auch auf wachsende Probleme in der Musikbranche
 hingewiesen – Fans mit Behinderungen, die sich mit einem unzugänglichen
 Kartenverkaufssystem und einer schlechten Kundenerfahrung / eines schlechten
 Kundenservices unzufrieden fühlen und sich darüber in den sozialen Medien
 beschweren. Dieses Feedback hat oft zu schlechter PR und zu Reputationsschäden
 geführt und die Meinung und zukünftige Kaufentscheidung von behinderten und nicht-
 behinderten Fans beeinflusst. Zum Beispiel gaben 92 % der befragten Fans an, dass sie
 eine negative Meinung über den Veranstaltungsort oder die Veranstaltung hätten, und
 81 % gaben an, dass es unwahrscheinlicher wäre, dass sie wieder zum Veranstaltungsort
 oder zur Veranstaltung gehen würden.
     • Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zusätzlich zu den zu Beginn dieses
       Dokuments erläuterten klaren moralischen Gründen die folgenden Aspekte
       unterstreichen, warum Nationalverbände, Vereine und Stadien auf vollständig
       barrierefreie Kartenverkaufsprozesse (und Veranstaltungsorte) hinarbeiten sollten:
     • Es gibt eine riesige potenzielle Zielgruppe an Fans mit Behinderungen (und ihren
       Freunden und Familien)
     • Es gibt eine große (und wachsende) Nachfrage nach barrierefreien Tickets und
       derzeit sind nicht genügend verfügbar.
     • Fans mit Behinderungen haben eine erhebliche Kaufkraft und möchten zum Spiel
       beitragen.
     • Derzeit wird der Kartenverkauf nicht als barrierefrei zugänglich wahrgenommen.
       Diese Erfahrung kann zu unzufriedenen Kund*innen, negativer Presse und
       niedrigeren Einnahmen für Nationalverbände und Vereine führen.

 Dieses Dokument soll die wichtigsten Schritte für die Entwicklung barrierefreier
 Ticketverkaufsprozesse und -richtlinien aufzeigen, um häufige Hindernisse für
 behinderte Menschen zu beseitigen und somit mehr Fans mit Behinderung als
 Zuschauer*innen zu gewinnen.
 Bitte denken Sie daran, dass Ticketing nur ein Teil der Customer Journeys /
 Kundenerlebnisses darstellt. Weitere Informationen dazu, wie Sie Ihr Stadion und Ihre
 Organisation zugänglich machen können, finden Sie in ZUGANG FÜR ALLE - Handbuch
 von UEFA und CAFE mit bewährten Vorgehensweisen bezüglich barrierefreier
 Stadien(PDF, nicht barrierefrei).

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15 Schritte zur Entwicklungbarrierefreie r und inklusiver Kartenverkaufsprozesse - BBAG
Wichtige Schritte zur Schaffung barrierefreier
 und inklusiver Ticketing-Prozesse

 Schritt 1 - Konsultieren Sie Ihre Fans mit
 Behinderungen
 Vereine, Nationalverbände und Ligen sollten detaillierte Verfahren und Richtlinien für
 barrierefreie Tickets in Übereinstimmung mit regionalen oder vorzugsweise nationalen
 Richtlinien/Behindertengesetzen und der UN-Behindertenrechtskonvention erstellen.
 Gleichzeitig sollten auch Fans mit Behinderungen zu Rate gezogen werden, um
 sicherzustellen, dass ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Die Erfahrungen anderer
 Vereine und Nationalverbände haben gezeigt, dass Fans mit Behinderungen oft eine
 große Hilfe sein können, nicht nur bei der Entwicklung inklusiver Prozesse, sondern auch
 hinsichtlich der Auswahl der geeignetsten Sitzplätze und beim Verkauf von
 barrierefreien Tickets.
 Aus diesem Grund empfiehlt CAFE, dass Vereine oder Nationalverbände, bevor sie mit
 der Definition ihrer Ticketing-Prozesse und -Richtlinien beginnen, eine Arbeitsgruppe
 bestehend aus Fans mit unterschiedlichen Behinderungen zur Konsultation einrichten.
 Es ist entscheidend, dass die Meinung von Menschen mit unterschiedlichen
 Behinderungen eingeholt wird, um eine Politik und Vorgehensweise echter Inklusion und
 Barrierefreiheit für sie zu schaffen. Diese Arbeitsgruppe könnte in Zusammenarbeit mit
 dem Fanclub von Menschen mit Behinderungen eines Nationalverbands oder im Verein
 (falls vorhanden) gegründet werden oder indem man sich an Fans mit Behinderungen
 und ihre lokalen, regionalen und nationalen Interessensverbände wendet.

 Schritt 2 - Definieren Sie Ticket-Kategorien
 Fans mit Behinderungen sollten im gesamten Stadion oder Veranstaltungsort die gleiche
 Auswahl an Sitzplätzen und Kartenkategorien haben wie andere Zuschauer*innen auch,
 einschließlich in den Heim- und Auswärtsbereichen, im Gastwirtschaftsbereich und im
 VIP-Bereich. Sie sollten nicht nur systematisch in einem Teil des Stadions gruppiert
 werden. Doch sie sollten die Möglichkeit haben, die Sitzplätze zu wählen, die ihren
 eigenen Zugangsbedürfnissen am besten entsprechen. Daher sollten barrierefreie
 Sitzplätze und Dienstleistungen im gesamten Stadion verfügbar sein. Die Vereine sollten
 in einem regelmäßigen Dialog mit allen ihren Fans mit Behinderung deren
 Anforderungen und Wünsche rund um das Spieltagerlebnis in Erfahrung bringen.

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15 Schritte zur Entwicklungbarrierefreie r und inklusiver Kartenverkaufsprozesse - BBAG
Terminologie
 Es ist wichtig, die verschiedenen Kategorien der verfügbaren barrierefreien Tickets zu
 definieren und diese auf dem Ticketportal zu kennzeichnen. In ganz Europa ist es immer
 noch üblich, dass Vereine und Nationalverbände die Kategorien für barrierefreie Tickets
 nach Art der Behinderung der Zielgruppe definieren, z. B. „Rollstuhlfahrertickets“ oder „
 Tickets für Plätze mit audiodeskriptiver Reportage (ADR)“.
 CAFE empfiehlt jedoch, dass stattdessen Kategorien nach Art des Services oder der
 Zugangsvoraussetzung definiert werden sollten, z. B. „Tickets mit einfachem Zugang“.
 Darüber hinaus sollten sie erklären, welche barrierefreien Angebote zur Herstellung der
 Barrierefreiheit dies beinhalten würde (z. B. kostenlose Begleitperson, Nähe zu einer
 barrierefreien Toilette, stufenloser Zugang) und wer zu einem solchen Sitz berechtigt
 wäre (z. B. Menschen mit Behinderungen, einschließlich Menschen mit nicht sichtbaren
 Behinderungen und Menschen mit langfristigen gesundheitlichen Einschränkungen).
 Damit wird sichergestellt, dass alle Menschen mit Behinderungen wissen, dass sie
 Anspruch auf ein barrierefreies Ticket haben. Es wird ihnen auch ermöglichen, die
 richtige Art von Sitzplätzen für ihre Zugangsanforderungen auszuwählen und ein
 angenehmeres und inklusiveres Spieltagerlebnis fördern.
 Barrierefreie Sitzplätze sollten zu Beginn jeder Saison von Betriebs- und Ticketing-Team
 zusammen festgelegt werden. Es gibt verschiedene Kategorien barrierefreier Sitze:

 (Elektro-)Rollstuhlplätze
 Spezielle Plätze für (Elektro)Rollstühle. Jeder Platz für (Elektro)Rollstuhlnutzer*innen
 sollte mit einem angrenzenden Begleitsitz ausgestattet sein. Zu jedem Ticket für
 Rollstuhlnutzer*innen sollte ein kostenloses Ticket für eine Begleitperson angeboten
 werden (siehe auch Schritt 6).
 Vorzugs- und leicht zugängliche Sitze1
 Sitze für Menschen mit Behinderungen (Nicht-Rollstuhlnutzer*innen), die
 möglicherweise einen Zugang mit möglichst wenigen Stufen oder zusätzliche
 Beinfreiheit benötigen. Jedes Ticket für einen Vorzugs- oder leicht

 1Sitzplätze für Personen, die zusätzliche Beinfreiheit, Armlehnen, breitere Sitze, Platz für
 die Aufbewahrung von Gehhilfen oder Platz für Assistenz- bzw. Blindenhunde benötigen.
 Vorzugsplätze bzw. leicht zugängliche Plätze sollten sich in leicht zugänglichen
 Stadionbereichen (wie z. B. am Ende einer Sitzreihe) mit nur wenigen Stufen befinden,
 sodass Zuschauer mit eingeschränkter Mobilität sie leicht erreichen können. Diese Plätze
 sollten sich außerdem in der Nähe barrierefreier Toiletten und anderer barrierefreier
 Einrichtungen befinden und witterungsgeschützt sein sowie Schutz vor Bällen bieten.

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zugänglichen Sitz sollte auch die Möglichkeit eines kostenlosen Tickets für eine
 Begleitperson beinhalten (siehe auch Schritt 6). Leicht zugängliche Sitze können auch
 Fans mit vorübergehenden Verletzungen oder älteren Fans zugute kommen. Bitte
 beachten Sie, dass sich die in Abschnitt I:2 des Handbuchs von UEFA und CAFE mit
 bewährten Vorgehensweisen bezüglich barrierefreier Stadien angegebene
 Mindestanzahl an Vorzugs- und leicht zugänglichen Sitzen nur auf barrierefreie
 Sitzplätze für Fans mit Behinderung bezieht. Daher verstehen sich leicht zugängliche
 Sitzplätze für Fans mit vorübergehenden Verletzungen oder ältere Fans als zusätzlich zur
 Mindestzahl in dieser Kategorie.
 Sitze mit audiodeskriptiver Reportage (ADR)
 Eine audiodeskriptive Reportage für blinde und sehbehinderte Fans ist evtl. nur in
 bestimmten Teilen eines Veranstaltungsortes möglich (abhängig von der verwendeten
 Technologie). Nationalverbände und Vereine können daher diese (oder einige dieser)
 Plätze für Fans reservieren, die den Service nutzen möchten. Dies sollte vor und während
 des Ticketing-Prozesses klar kommuniziert werden. Es ist wichtig zu beachten, dass auch
 Fans mit anderen Behinderungen von diesem Service profitieren können und er nicht
 nur auf blinde und sehbehinderte Fans beschränkt sein sollte.

 Sitzplätze mit nahegelegenem Toilettenzugang / in der Nähe von
 barrierefreien Einrichtungen
 Für manche Fans kann der Zugang zu einer nahegelegenen Toilette entscheidend dafür
 sein, ob sie ein Spiel besuchen können. Andere benötigen möglicherweise die Nähe
 einer „Toilette für alle“ / Toilette mit integrierter Umkleidekabine.2 Daher sollten
 Sitzplätze in unmittelbarer Nähe von Toiletten im Ticketingsystem hervorgehoben
 werden.
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      Sitzplätze in (oder in der Nähe von) sog. „Sinnesräumen/ Snoezelräumen“

 2
   Changing-Places-Toiletten (Toiletten für alle) weisen eine spezielle Einrichtung mit
 komplexer Ausstattung auf, um Behinderte mit verschiedenen Bedürfnissen, die häufig
 die Unterstützung von bis zu zwei Begleitpersonen benötigen, umfänglich zu
 unterstützen. Die Einrichtung umfasst meist eine Bank oder Liege für Erwachsene, eine
 freistehende Toilette sowie ein an der Decke montiertes Liftsystem. Weitere
 Informationen sind auf der englischen Website Changing Places oder der deutschen
 Webseite „Toiletten für alle“zu finden.
 3
  Sinnesräume / Snoezelräume ermöglichen es behinderten Fans mit besonderen
 sensorischen Bedürfnissen, Spielen in einer kontrollierten Umgebung zusammen mit
 Freunden und Familienangehörigen beizuwohnen. Diese Räume sollen die für manche

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Der Zugang zu einem so genannten Snoezelraum (engl. „Sensory Viewing Room“) kann
 sich auf Fans mit Lernschwierigkeiten, neurodiverse Anhänger*innen (wie z.B.,
 Autist*innen, Fans mit Schwierigkeiten bei der Sinnesverarbeitung) sowie Fans mit
 psychischen Beeinträchtigungen oder Demenz äußerst positiv auswirken. Auch für Fans
 mit anderen Behinderungen kann ein derartiger Snoezelraum förderlich sein. Auf Basis
 der individuellen Zugangsbedürfnisse (siehe auch Schritt 5) sollten Klubs bzw. nationale
 Verbände entscheiden, welche Fans Zugang zu einem Snoezelraum erhalten. Da die
 Anzahl der Sitzgelegenheiten in Snoezelräumen in der Regel eingeschränkt ist und die
 Verantwortlichen in diesen Räumlichkeiten meist eine spezielle Betreuung anbieten,
 können Klubs bzw. nationale Verbände Begleitpersonen und/oder Freund*innen
 zugangsberechtigter Fans Sitzplätze in der Nähe dieser Räume anbieten (wobei die
 Zugangsbedürfnisse der betroffenen Personen sowie die Frage, ob die
 zugangsberechtigten Fans das Spiel im Snoezelraum auch ohne ihre Begleitperson
 genießen können, zu berücksichtigen sind).

 Sitzplätze in der Reichweite induktiver Höranlagen &
 Gebärdensprachdolmetscher*innen im Block
 Induktive Höranlagen für schwerhörige Fans erreichen unter Umständen nur in
 bestimmten Bereichen des Stadions ihre angedachte Funktion. Daher sollten nationale
 Verbände und Klubs Sitzplätze in der Reichweite induktiver Höranlagen (oder zumindest
 einen angemessenen Teil dieser Plätze) schwerhörigen Personen vorbehalten.
 Entsprechende Informationen sollten vor und während des Ticketing-Prozesses klar und
 deutlich kommuniziert werden.
 Weiterhin können Klubs und nationale Verbände in einem bestimmten Stadionbereich
 Gebärdensprachdolmetscher*innen zur Verfügung stellen (zusätzlich zur Anzeigetafel
 bzw. Videoleinwand im Stadion) und diesen zusätzlichen Service gegenüber den Fans
 entsprechend kommunizieren. So können sich gehörlose und schwerhörige Fans gezielt
 Tickets für den entsprechenden Stadionbereich sichern.

 Menschen als unangenehm empfundenen Sinneswahrnehmungen im Stadioninneren
 reduzieren. Beispielsweise können manche Menschen die Geräuschkulisse, die Gerüche,
 Menschenmassen, lange Warteschlangen und Witterungseinflüsse im Stadion als
 belastend oder überwältigend empfinden. Für sie ist die Nutzung eines Sinnesraums
 gedacht. Sinnesräume / Snoezelräume schützen nicht nur vor diesen starken
 Sinneseindrücken, sondern bieten den Nutzern derartiger Räume auch ein besonderes
 Umfeld, um das Spiel in für sie angenehmer Atmosphäre mitzuerleben.

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Tickets für Begleitpersonen
 Alle Inhaber*innen eines barrierefreien Platzes im Stadion sollten optional eine Freikarte
 für eine Begleitperson bestellen können. Zu beachten ist, dass manche Menschen mit
 Behinderung unter Umständen mehr als eine Begleitperson benötigen (weitere
 Informationen dazu unter Schritt 6).

 Weitere Überlegungen im Hinblick auf Ticket-Kategorien für
 barrierefreie Plätze
 Wird Fans mit Behinderungen die Möglichkeit gegeben, sich im Ticketing-System vorab
 zu registrieren und ihre Zugangsbedürfnisse anzugeben, kann sich dies positiv auf den
 Verkaufsprozess auswirken. Einerseits lässt sich auf diese Weise Zeit bei künftigen
 Ticket-Käufen sparen, andererseits kann das Verkaufspersonal einfacher einen
 geeigneten Platz zuweisen, wenn es mit den jeweiligen Fans mit Behinderungen per
 Telefon kommuniziert oder über einen anderen Vertriebskanal erhaltene Ticket-Anfragen
 bearbeitet. Weiterhin werden durch diese Vorgehensweise Fehler minimiert (z.B. falls
 Personen ein Rollstuhl-Ticket anstatt eines Tickets für leicht zugängliche Plätze kaufen).
 Gleichzeitig ist zu beachten, dass sich die Zugangsbedürfnisse der betroffenen Fans
 jederzeit ändern können. Daher sollte das Ticketing-System flexibel sein und Fans mit
 Behinderung die Möglichkeit bieten, auch Tickets in anderen Stadionbereichen bzw. in
 anderen Kategorien zu erwerben, sofern dies unter den jeweiligen Umständen die beste
 Option darstellt.

 Schritt 3 – Erarbeitung einer gerechten Ticketing-
 Richtlinie
 In Übereinstimmung mit dem sozialen Modell der Behinderung erkennt CAFE an, dass
 Menschen vor allem durch ihr nicht barrierefreies Umfeld „behindert“ werden und nicht
 in erster Linie durch medizinische Faktoren wie beispielsweise eine Erkrankung. Die
 Erarbeitung gerechterer Ticketing-Richtlinien ist daher ein entscheidender Schritt, um
 Barrieren für Fans mit Behinderungen gleich zu Beginn ihres Spieltagerlebnisses zu
 beseitigen. Ziel muss sein, eine Gleichberechtigung zwischen den Ticketing-Richtlinien
 und zugehörigen Verfahren (einschließlich Ticketverkauf, Zuweisung für Heim- und
 Gästefans, Treue-Systeme und Hospitality-Tickets) für Zuschauer mit und ohne
 Behinderung zu erreichen.
 Wenn beispielsweise Spieltags- und Saisontickets von nichtbehinderten Fans online
 über die Website von Klub oder Stadion, am Ticketschalter oder per Telefon erworben

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werden können, sollte der gleiche Service auch für Zuschauer*innen mit Behinderung
 zur Verfügung stehen.
 Wenn Tickets für nichtbehinderte Fans bis Spielbeginn erworben werden können, sollten
 auch Fans mit Behinderungen Tickets für barrierefreie Plätze bis zum Anstoß kaufen
 können, sofern diese noch in ausreichender Anzahl verfügbar sind.

 Schritt 4 – Festlegung einer Preispolitik
 Die unterschiedlichen Preisabstufungen und Vergaberichtlinien für Tickets variieren je
 nach Klub und Stadion bzw. Turnierphase. Auch kulturelle und soziale Faktoren können
 einen Einfluss auf die Ticketpreise haben. CAFE rät nationalen Verbänden und Klubs
 dringend, sich bezüglich der Ticketpreise mit Fans mit Behinderungen und
 Interessensgruppen/-organisationen von Menschen mit Behinderung abzusprechen. Die
 Preise für Tickets für barrierefreie Plätze sollten in keinem Fall teurer sein als für nicht
 barrierefreie Tickets in vergleichbaren Kategorien. Weiterhin sollten Freikarten für
 Begleitpersonen zur Verfügung gestellt werden, wie unter Schritt 6 näher erläutert.
 Darüber hinaus sind Klubs und nationale Verbände dazu angehalten, regionale bzw.
 nationale Gesetze zu berücksichtigen. Beispielsweise schreibt der UK Equality Act in
 Großbritannien vor, dass Veranstalter*innen die gleichen Preise für Besucher*innen mit
 Behinderung und solche ohne Behinderung verlangen müssen. (Commission 2014).

 Ermäßigte Preise aufgrund begrenzter Auswahlmöglichkeiten oder
 minderwertiger Plätze
 Ungeachtet der finanziellen und sozialen Situation von Menschen mit Behinderung in
 einem Land oder einer Region können Klubs, Veranstalter oder nationale Verbände Fans
 mit Behinderungen in den folgenden Fällen ermäßigte Preise anbieten:
     • Es steht nur eine begrenzte Anzahl barrierefreier Plätze zur Verfügung (z. B. wenn
       die Anzahl der barrierefreien Plätze unter dem Mindeststandard liegt).
     • Fans mit Behinderungen stehen nur begrenzte oder gar keine
       Auswahlmöglichkeiten im Hinblick auf die Sitzbereiche zur Verfügung (z. B. wenn
       Plätze nur in einem Bereich des Stadions verfügbar sind oder Auswärtsfans nicht
       die Möglichkeit haben, das Spiel bei ihrer eigenen Anhängerschaft zu verfolgen).
       Wenn Rollstuhlplätze beispielsweise nur im Stadionbereich mit den höchsten
       Ticketpreisen zur Verfügung stehen, sollten Fans, die Rollstuhlnutzer*innen sind,
       ihre Tickets zum günstigsten Sitzplatzpreis erwerben können.
     • Die barrierefreien Dienstleistungen oder Einrichtungen sind unzureichend (z. B.
       kein Angebot von audiodeskriptiver Reportage für sehbehinderte oder blinde Fans
       oder nur eine begrenzte Zahl barrierefreier Toiletten).

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• Die barrierefreien Plätze haben eine unzureichende Qualität (z. B. handelt es sich
       um Plätze mit eingeschränkter Sicht aufgrund stehender Fans vor den
       betreffenden Plätzen, oder Begleitpersonen können nicht neben den
       Inhaber*innen barrierefreier Tickets sitzen). 4

 Während die vorstehend genannten Gründe allesamt triftige Gründe für das Anbieten
 von ermäßigten Preisen darstellen, sind Klubs, Veranstalter*innen und nationale
 Verbände aufgerufen, kontinuierlich nach Möglichkeiten zu suchen, die Quantität und
 Qualität der den Fans mit Behinderungen zur Verfügung stehenden barrierefreien
 Dienstleistungen und Einrichtungen zu verbessern und sich nicht nur auf Preisnachlässe
 zu konzentrieren.
 In jedem Fall sollten Klub, Veranstalter oder nationaler Verband die Zuschauer*innen im
 Vorfeld über die Qualität der verfügbaren Plätze informieren, sodass die betreffenden
 Fans auf fundierter Basis entscheiden können, ob sie die entsprechenden Tickets zu
 einem ermäßigten Preis erwerben möchten oder nicht.
 In der Praxis werden Tickets für barrierefreie Plätze häufig zu ermäßigten Preisen oder
 sogar kostenlos angeboten. Einer Untersuchung von CAFE aus dem Jahr 2013 zufolge
 würden es jedoch mehr als zwei Drittel der befragten Fans mit Behinderung] vorziehen,
 wenn sie anstatt günstigerer Ticketpreise Einrichtungen vorfinden würden, die für ihre
 Bedürfnisse angemessen und somit barrierefrei sind. (Centre for Access to Football in
 Europe; German Sport University Cologne 2013)

 Ermäßigte Preise aufgrund finanzieller Barrieren
 Bei der Evaluierung von Ticketpreisen darf nicht nur die Verfügbarkeit von barrierefreien
 Dienstleistungen und Einrichtungen berücksichtigt werden, sondern es müssen auch
 potenzielle finanzielle Barrieren, auf die Menschen mit Behinderung im jeweiligen Land
 bzw. in der jeweiligen Region stoßen können, mit in die Überlegungen einfließen.
 Jüngere Studien zeigen, dass Menschen mit Behinderung in der EU ein höheres
 Armutsrisiko und ein höheres Risiko für soziale Ausgrenzung haben als nichtbehinderte

 4
  Gelegentlich gestatten Ligen den Klubs, Partien in Trikots zu bestreiten, die sich nicht
 allzu sehr voneinander unterscheiden. In einem solchen Fall können farbenblinde Fans
 unter Umständen dem Spielgeschehen nicht richtig folgen (z. B. wenn ein Team in roten
 und das andere in grünen Trikots aufläuft) (UEFA / English FA 2019). In einem solchen
 Fall können Fans eine Erstattung des Ticketpreises verlangen. Daher empfiehlt CAFE
 den Klubs, sich bei der Erarbeitung ihrer Ticketing-Richtlinien Gedanken darüber zu
 machen, wie sie farbenblinde Fans in einem solchen Fall unterstützen können. Weitere
 Auskünfte erteilt die Organisation Colour Blind Awareness.

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Menschen. (European Union 2019), (European Disability Forum 2019), (Social Metrics
 Commission 2018).
 Die Gründe hierfür sind vielschichtig und umfassen unter anderem Folgendes:
     • Begrenzter Zugang zu Bildung (European Union 2014)
     • Begrenzter Zugang zum Gesundheitswesen
     • Begrenzter Zugang zum Arbeitsmarkt (Cooper 2019) (Bulman 2017 )
     • Niedrigere Beschäftigungszahlen bei Menschen mit Behinderungen (48,1 %) im
       Vergleich zu nichtbehinderten Menschen (73,9 %) in der EU (European
       Commission 2019)
     • Geringere Löhne und Gehälter für Menschen mit Behinderung (Trades Union
       Congress (TUC) 2018, 5) (Joseph Rowntree Foundation 2018)
     • Hohe (unvermeidliche) Kosten bei Behinderung (Groce, et al. 2011) (WHO & World
       Bank 2011)

 CAFE empfiehlt daher Folgendes:
     • Während Menschen mit Behinderung noch immer mit hohen finanziellen Hürden in
       verschiedenen Ländern oder Regionen zu kämpfen haben, können Klubs,
       Veranstalter oder nationale Verbände Preisnachlässe für Tickets für barrierefreie
       Plätze in Betracht ziehen. In diesem Fall sollten behinderte Fans und Fachleute im
       Bereich Inklusion von Menschen mit Behinderung (z. B. nationale/regionale NGOs)
       konsultiert werden.
     • Sofern Preisnachlässe infolge der beschriebenen finanziellen Barrieren gewährt
       werden, sollten diese für alle Menschen mit Behinderung gelten und nicht nur für
       ausgewählte Gruppen.
     • Klubs, Veranstalter*innen und nationale Verbände sind angehalten, auch nicht
       sichtbar behinderten Menschen ermäßigte Preise zu gewähren.
     • Nationale Verbände, Klubs und Veranstalter haben verschiedene Möglichkeiten,
       um Ermäßigungen zu gewähren. Dazu gehören beispielsweise auch sogenannte
       „Sozialtickets“, die auf Basis der finanziellen Situation von Interessierten vergeben
       werden und nicht auf Basis dessen, ob eine Person behindert ist oder nicht.
       Beispielsweise könnten Klubs ermäßigte Preise für Ruheständler, Studierende,
       Kinder, Menschen mit Behinderung oder Menschen mit geringem Einkommen
       anbieten, sodass sich diese den Stadionbesuch leisten können.

 Schritt 5 – Mehr Flexibilität
 Zusätzlich zur Festlegung „herkömmlicher“ Kategorien für barrierefreie Tickets (siehe
 Schritt 2) und dem Bereitstellen von Freikarten für Begleitpersonen (siehe Schritt 6),

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sollten Klubs, Veranstalter und nationale Verbände auch Richtlinien und Lösungen für
 komplexere Anfragen erarbeiten.
 Nachstehend sind verschiedene Überlegungen und Handlungsempfehlungen dargelegt,
 die für reibungslose Ticketing-Prozesse und Spieltagsabläufe berücksichtigt werden
 sollten.

 Flexible Sitzplatzvergabe
 Wie lässt sich die Sitzplatzvergabe für Fans mit vorübergehenden körperlichen
 Einschränkungen regeln?
     • CAFE empfiehlt, dass Veranstalter*innen einige zusätzliche leicht zugängliche
       Sitzplätze für kurzfristige Anfragen zurückhalten, z. B. für Personen, die sich ein
       Bein gebrochen haben.
     • Diese Sitzplätze sollten zusätzlich zur Mindestanzahl an Tickets für barrierefreie
       Plätze zur Verfügung stehen.
     • Die „normalen“ Sitzplätze jener Fans, die derartige zusätzliche leicht zugängliche
       Plätze kurzfristig in Anspruch nehmen, könnten beispielsweise über das Ticketing-
       Portal wieder zum Verkauf angeboten werden.
     • Klubs, nationale Verbände oder Veranstalter sollten ihre Fans über die
       Verfügbarkeit von Plätzen für Personen mit vorübergehenden Zugangsbedarfen
       informieren, sodass diese Fans den Klub kontaktieren und die am besten zu ihren
       jeweiligen Bedürfnissen passenden Plätze auswählen können.

 Wie werden Anfragen von Rollstuhlnutzer*innen behandelt, die neben ihren
 Freund*innen sitzen möchten oder die mehr als eine Begleitperson benötigen?
     • Flexible Sitzmöglichkeiten unterstützen Rollstuhlfahrer*innen, die in einer Gruppe
       zusammen mit Nicht-Rollstuhlfahrer*innen das Spiel besuchen möchten. Zu den
       potenziellen Lösungsansätzen gehört beispielsweise die Möglichkeit, normale Sitze
       auf einer Plattform zu montieren bzw. zu demontieren, um der Anzahl an
       Rollstuhlfahrer*innen bzw. Begleitpersonen und Freund*innen, die das Spiel
       zusammen ansehen möchten, Rechnung zu tragen (siehe auch Schritt 6). Weitere
       Informationen zu diesem Thema sind auch in Abschnitt I8 des Handbuchs von
       UEFA und CAFE mit bewährten Vorgehensweisen bezüglich barrierefreier
       Stadien – „Zugang für alle“ zu finden.
     • Flexible Sitzmöglichkeiten erleichtern zudem die Integration von barrierefreien
       Sitzplätzen in den Hospitality- und VIP-Bereichen. Beispielsweise sollte es in den
       Stadien auf Anfrage einer Gruppe mit Rollstuhlnutzer*innen möglich sein, feste
       Sitzgelegenheiten aus Logen zu entfernen und diese vor dem nächsten Spiel
       wieder zu installieren, sofern nicht erneut Tickets für Rollstuhlnutzer*innen
       angefragt werden.

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Bereich mit demontierten Sitzschalen, um auf individuellen Wunsch Plätze für
  Rollstuhlfahrer*innen zu schaffen. Diese Lösung wird häufig in VIP- und Hospitality-
                               Bereichen angewendet.

 Festlegung einer Richtlinie für die Handhabung zusätzlicher
 Zugangsanfragen und Schulung von Mitarbeitenden
 Eine wesentliche Barriere für Fans mit Behinderungen stellen unflexible
 Buchungssysteme beim Ticketkauf dar, die es den Fans nicht ermöglichen, zusätzliche
 Zugangsanforderungen anzugeben oder Änderungen an ihrer Buchung vorzunehmen.
     • Klubs, nationale Verbände und Veranstalter sollten ermitteln und aktiv darauf
       hinweisen, wie Fans den Veranstalter bei zusätzlichen Zugangsbedürfnissen
       kontaktieren können.
     • Der Kundenservice und andere Ansprechpartner*innen müssen die allgemeinen
       Zugangsbedingungen zum Stadion sowie die verfügbaren barrierefreien
       Dienstleistungen und Einrichtungen (siehe Schritt 9 zur Angabe detaillierter
       Informationen zu den barrierefreien Sitzen) genau kennen, um Fans mit
       Behinderung bei der Auswahl des am besten für ihre Bedürfnisse geeigneten
       Tickets und Platzes zu unterstützen.
     • Klubs, Veranstalter und nationale Verbände sollten ein Formular erstellen, auf dem
       Fans ihre Zugangsbedürfnisse angeben können (wie beispielsweise bei Tottenham
       Hotspur). Das Formular sollte barrierefrei und auf allen Verkaufskanälen
       zugänglich sein. Das Servicepersonal sollte in der Verwendung des Formular
       geschult werden.

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Erarbeitung einer Richtlinie für den Wiederverkauf von Tickets für
 barrierefreie Plätze
 Genauso wie andere Fans können auch Käufer*innen eines barrierefreien Tickets
 unvorhersehbar erkranken, sich verletzen oder ihr Ticket nach dem Kauf aus anderen
 Gründen weiterverkaufen wollen. Doch in der Praxis steht Menschen mit Behinderung
 diese Option häufig nicht zur Verfügung (Attitude is Everything 2018, 34).
 Unflexible Ticket-Richtlinien (ohne Möglichkeiten eines Weiterverkaufs) können für
 Menschen mit Behinderungen, deren Zugangsbedürfnisse zudem von Tag zu Tag
 schwanken oder variieren können, zu einer großen finanziellen Belastung werden.
 Vor diesem Hintergrund empfiehlt CAFE, dass Ticketing-Richtlinien und -Prozesse
 Optionen für den Weiterverkauf von barrierefreien Tickets über die offiziellen
 Verkaufskanäle vorsehen. Dies schließt Informationen darüber ein, wie behinderte Fans
 über verfügbar gewordene Tickets informiert werden.
 Die Weiterverkaufsbedingungen für barrierefreie Tickets sollten im Einklang mit den
 Bedingungen für nicht barrierefreie Tickets stehen. Beispielsweise könnte eine
 Erstattung in Höhe von 80 % des Kaufpreises gewährt werden, wenn das Ticket noch
 weiterverkauft werden kann. Gleichwohl können Veranstalter, Klubs und nationale
 Verbände Zuschauer*innen mit Behinderungen auch günstigere Konditionen anbieten.

 Schritt 6 – Bereitstellung von Freikarten für
 Begleitpersonen
 Viele Fans mit Behinderungen können Spiele besuchen, ohne auf die Unterstützung
 einer Begleitperson oder anderer Unterstützer*innen angewiesen zu sein. Von den Klubs,
 nationalen Verbänden oder Veranstaltern wird dennoch erwartet, dass sie angemessene
 Vorkehrungen treffen und die nötige Unterstützung bereitstellen, damit Fans mit
 Behinderungen ein uneingeschränkt barrierefreies und inklusives Spieltagerlebnis
 haben. Zu diesen angemessenen Vorkehrungen gehören beispielsweise barrierefreie
 Beschilderungen und Leitsysteme, barrierefreie Wege, spezielles Einlasspersonal,
 audiodeskripive Reportage, induktive Höranlagen u. v. m. Darüber hinaus könnten
 einige Besucher*innen mit Behinderung, darunter auch Personen, die keine
 Rollstuhlfahrer*innen sind, beim Stadionbesuch zusätzliche Unterstützung von einer
 Begleitperson benötigen (z. B. beim Aufsuchen der Toilette oder bei der Verpflegung), da
 die Klubs nicht verpflichtet sind, eine persönliche Betreuung anzubieten.
 Vor diesem Hintergrund empfiehlt CAFE, Fans mit Behinderungen im Voraus zu fragen,
 ob sie Unterstützung durch eine Begleitperson benötigen, und diese Angabe dann im
 Ticketing-System zu vermerken. Mitunter kann es vorkommen, dass Fans mit
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Behinderungen bei einem Spiel auf die Unterstützung einer Begleitperson zurückgreifen
 wollen, bei einem anderen Spiel jedoch nicht. Wie vorstehend erwähnt, kann dies auf
 schwankende bzw. variierende Zugangsbedürfnisse der Betroffenen zurückzuführen
 sein. Demnach sollten die Ticketing-Systeme entsprechend flexibel auf derartige
 Anforderungen reagieren können. Falls kein Platz für eine Begleitperson erforderlich ist,
 könnte dieser Platz anderen Fans angeboten werden. Um die Kommunikation und die
 Unterstützung der Person mit Behinderung zu erleichtern, sollten Begleitpersonen
 immer direkt neben dem betreuten Fan sitzen können. Sollte dies (z. B. für eine zweite
 Begleitperson) nicht möglich sein, sollte die Begleitperson zumindest so nah wie möglich
 platziert werden. Der Klub bzw. nationale Verband ist angehalten, zusammen mit der
 jeweiligen Person unter Berücksichtigung aller infrastrukturellen Gegebenheiten und
 Platzbeschränkungen die bestmögliche Lösung zu finden.

 Freikarten für Begleitpersonen
 CAFE empfiehlt als „angemessene Vorkehrung“ , dass Menschen mit Behinderung bei
 Bedarf ein kostenloses Ticket für ihre Begleitperson erhalten. Dem liegt zugrunde, dass
 die Begleitperson dem Spiel beiwohnt, um der Person mit Behinderung zu helfen und
 unter Umständen kein Fußballfan ist.
 Gleichwohl ist es vertretbar, dass die Person mit Behinderung für ein Ticket bezahlt
 (siehe Schritt 4 zur Preisgestaltung). Die Kosten für das Ticket gehen daher zulasten der
 Person mit Behinderung und nicht zulasten ihrer Begleitperson.
 Die aktuelle Gesetzeslage (Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit
 Behinderung)sieht vor, dass Menschen mit Behinderung genauso behandelt werden wie
 nichtbehinderte Personen. Daher liegt eine Diskriminierung vor, wenn die Person mit
 Behinderung und ihre Begleitung mehr als den vollen Ticketpreis für die Person mit
 Behinderung (einschließlich etwaiger anwendbarer Preisnachlässe) zu zahlen hätte.
 Zahlreiche Klubs haben von Betrugsfällen berichtet, in denen nicht genutzte Tickets für
 Begleitpersonen an andere Zuschauer verkauft wurden. Um dies zu verhindern,
 verlangen einige Klubs, dass Fans mit Behinderungen nur zusammen mit der
 vorgesehenen Begleitperson Einlass ins Stadion erhalten. Auf diese Weise können die
 beiden Tickets nacheinander gescannt werden und das Risiko eines Weiterverkaufs von
 Tickets für Begleitpersonen wird minimiert. Nichtsdestotrotz kommt es auf Flexibilität
 und Rücksicht an, da es triftige Gründe geben kann, warum ein Fan mit Behinderung
 bereits vor der Begleitperson ins Stadion kommt.
 Nachstehend wird die Rolle einer Begleitperson sowie das etwaige Erfordernis einer
 zweiten Begleitperson näher erläutert (siehe (Secure Tickets from Authorises Retailers
 (STAR) 2019) und (Level Playing Field (LPF) 2019)).

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Wer benötigt eine Begleitperson?
 Nicht nur für Rollstuhlfahrer*innen kann eine Begleitperson erforderlich sein. Viele
 Menschen haben „nicht-sichtbare Behinderungen“ oder Erkrankungen mit
 fortschreitendem Verlauf und können aus den verschiedensten Gründen eine
 persönliche Betreuung benötigen. Menschen mit Behinderungen, die auf einen
 Assistenz- oder Blindenhund angewiesen sind, können ebenfalls auf eine Begleitperson
 oder persönliche Betreuung angewiesen sein.

 Wer kommt als Begleitperson in Frage?
 Die jeweiligen Zugangsbedürfnisse und der Grad der benötigten Unterstützung können
 sich von Person zu Person unterscheiden. Daher ist je nach Einzelfall zu entscheiden, wer
 als Begleitperson für Menschen mit Behinderung in Frage kommt. In Großbritannien sind
 viele Hauptbetreuungspersonen (von Menschen mit Behinderung) Kinder (die z. B. ihre
 behinderten Eltern oder Geschwister unterstützen) und leisten wertvolle Assistenz.
 Daher wird Klubs und nationalen Verbänden davon abgeraten, ein Mindestalter für
 Begleitpersonen festzulegen. Vielmehr sollten auch Kinder als potenzielle
 Begleitpersonen für Menschen mit Behinderung in Frage kommen, sofern sie aus Sicht
 der Person selbst die erforderliche Unterstützung leisten können.

 Mehrere Begleitpersonen?
 Falls Zuschauer*innen mit Behinderung für den Zugang zum Stadion oder die
 Inanspruchnahme einer Dienstleistung zwei Begleitpersonen benötigen, sind Klub bzw.
 Veranstalter angehalten, auf Anfrage eine zweite Freikarte für die zusätzliche
 Begleitperson (als angemessene Vorkehrung) bereitzustellen. Dies kann beispielsweise
 erforderlich sein, wenn die Person mit Behinderung nicht allein gelassen werden darf,
 weil sie auf ein tragbares Beatmungsgerät oder die Zufuhr von Sauerstoff angewiesen ist.
 Genauso könnte sie für das Aufsuchen der Toilette zusätzliche Unterstützung benötigen
 (z. B. wenn eine Person mit Behinderung durch zwei andere Menschen gehoben werden
 muss).
 Das bedeutet nicht, dass alle Menschen mit Behinderung zwei Begleitpersonen
 benötigen. Wenn Menschen mit Behinderung die Dienstleistungen ohne zusätzliche
 Unterstützung (d. h. ohne eine zweite Begleitperson) in Anspruch nehmen können, ist der
 Anbietende berechtigt, die Ticketkosten für weitere Personen (z. B. Familie oder
 Freunde), die dem Spiel zusammen mit der behinderten Person beiwohnen wollen, in
 Rechnung zu stellen – genauso wie bei anderen Zuschauer*innen oder anderer Klientel
 auch.

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Behinderte Kinder
 Einige Vereine oder Verbände verlangen, dass alle Kinder (ob behindert oder nicht) bis
 zu einem bestimmten Alter von einem Erwachsenen begleitet werden und dass sowohl
 Kinder als auch Erwachsene ein Ticket käuflich erwerben müssen. In diesem Fall wären
 behinderte Kinder und ihr zugehöriges Elternteil nicht benachteiligt, wenn sie jeweils ein
 eigenes Ticket kaufen müssten. Nichtsdestotrotz ist es möglich (und wird in der Praxis
 oftmals auch so gehandhabt), dass behinderte Kinder „positiv diskriminiert“ werden,
 indem ihre Begleitperson eine Freikarte erhält und zwar auch dann, wenn alle Kinder nur
 in Begleitung eines Erwachsenen ins Stadion dürfen. Falls ein behindertes Kind auf zwei
 Begleitpersonen angewiesen ist, sollte das Ticket für die zweite Begleitperson in jedem
 Fall kostenfrei sein.
 Für den Fall, dass ein Klub bzw. nationaler Verband nicht vorschreibt, dass alle Kinder
 nur in Begleitung eines Erwachsenen ins Stadion dürfen, sollten Begleitpersonen von
 behinderten Kindern kostenlos Zutritt erhalten.

 Nachweis über das Erfordernis einer Begleitperson
 In einigen Ländern wird im Behindertenausweis vermerkt, wenn ein Mensch mit
 Behinderung eine Begleitperson benötigt (und daher Anspruch auf eine Freikarte für die
 Begleitperson hat). Jedoch ist dies bei der überwiegenden Mehrheit der
 Behinderungsnachweise nicht der Fall (für weitere Informationen siehe Schritt 7).
 Daher sollten immer auch Vernunft und gesunder Menschenverstand zählen. Wenn eine
 behinderte Person (oder ihr Vertreter) mitteilt, dass sie eine (oder sogar zwei)
 Begleitperson(en) benötigt, um sie am Spieltag oder bei einer anderen Veranstaltung zu
 unterstützen, dann ist dies höchstwahrscheinlich auch der Fall und das Anliegen sollte
 nicht in Frage gestellt werden (es sei denn, es gibt berechtigte Zweifel an den Angaben).

 Welche Aufgaben haben Begleitpersonen?
 Eine Begleitperson soll den Fan dabei unterstützen, das Stadionerlebnis am Spieltag
 vollumfänglich zu genießen. Dies schließt beispielsweise die Anreise zum Stadion, die
 Begleitung beim Toilettengang, die Unterstützung mit medizinischer Ausrüstung oder
 bei der Verpflegung, das Begleiten zum Sitzplatz oder Unterstützung im Zusammenhang
 mit der Mobilität mit ein.
 Falls der Stadionbetreiber weitere Aufgaben oder Verantwortlichkeiten für die
 Begleitperson vorsieht (z. B. Unterstützung im Falle einer Evakuierung, sofern im
 jeweiligen Land zulässig), sind Begleitpersonen klar und deutlich darauf hinzuweisen
 (beispielsweise auf der Website, in den Ticketing-Richtlinien, während des
 Verkaufsprozesses usw.).

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Freund*innen und Familie
 Wie viele andere Fans möchten auch Menschen mit Behinderung meist gern neben
 Freund*innen oder Familienmitgliedern im Stadion sitzen, ohne dass diese immer die
 wichtige Rolle einer Begleitperson übernehmen. Aus diesem Grund sollte das Ticketing-
 System so gestaltet sein, dass behinderte Fans während des Erwerbs ihres eigenen
 Tickets zusätzliche Standardtickets in unmittelbarer Nähe zu ihrem Platz erwerben
 können (und zwar ohne separaten Kaufvorgang).

 Schritt 7 – Prüfung von
 Behinderungsnachweisen/Zugangsbedürfnissen
 Wann ist eine Prüfung von Behinderungsnachweisen bzw.
 Zugangsbedürfnissen erforderlich?
 Viele Organisationen bzw. Ticketanbieter*innen tun sich schwer damit,
 Behinderungsnachweise zu verlangen. Viele sind besorgt darüber, gegen die
 Menschenwürde zu verstoßen oder damit eine Verfehlung zu begehen. Dem gegenüber
 spricht sich die Mehrheit der Fans mit Behinderung tatsächlich überwiegend für ein
 Nachweissystem aus, sofern es richtig organisiert und umgesetzt wird.
 In einer Studie von CAFE aus dem Jahr 2013 stimmten nur 23 % der befragten
 Behinderten zu (davon stimmten 8 % voll und ganz zu und 15 % stimmten zu), dass der
 Verkauf von Tickets für barrierefreie Plätze auf Vertrauen beruhen sollte (Centre for
 Access to Football in Europe; German Sport University Cologne 2013, 42). In der gleichen
 Studie gab etwa die Hälfte der Befragten an, dass es ihrer Auffassung nach Missbrauch
 bei barrierefreien Tickets gibt, obwohl sie einen solchen Missbrauch selbst nicht häufig
 wahrnehmen.
 Insbesondere bei Veranstaltungen mit hoher Nachfrage könnte nach Auffassung der
 Befragten ein Online-Verkauf von barrierefreien Tickets ohne Behinderungsnachweis
 oder andere Schutzmechanismen zu einem Missbrauch dieser Tickets führen.
 Wenngleich er nicht dem Gleichstellungsgedanken entspricht, könnte demnach ein
 Prozess mit Vorabregistrierung oder Nachweis der Behinderung erforderlich sein, um
 sicherzustellen, dass barrierefreie Tickets nur jenen Interessierten zur Verfügung gestellt
 werden, die auf diese Tickets angewiesen sind. (Secure Tickets from Authorises Retailers
 (STAR) 2019, 10).
 Vor diesem Hintergrund sollten Nachweise der Behinderung zur Verhinderung
 betrügerischer Aktivitäten und zur Gewährleistung, dass barrierefreie Tickets allein an
 Fans verkauft werden, die auf diese Tickets angewiesen sind, nur unter besonderen
 Umständen verlangt werden. Dazu zählen u. a. folgende:
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• Es besteht eine hohe Nachfrage und das Stadion wird aller Voraussicht nach
       ausverkauft sein (z. B. bei wichtigen Spielen wie dem Pokalfinale, Spielen der
       Nationalmannschaft gegen namhafte Gegner, Spielen in den europäischen
       Klubwettbewerben der UEFA, Spielen von Klubs mit generell sehr hoher
       Stadionauslastung oder anderen Veranstaltungen mit hoher Nachfrage).
     • Barrierefreie Plätze stehen nur in sehr begrenzter Anzahl zur Verfügung.
     • Tickets für Barrierefreie Plätze werden gegenüber Standardtickets zu ermäßigten
       Preisen angeboten.
 Wenn ein*e Zuschauer*in mit Behinderung bereits bei der Ticketbeantragung oder beim
 Ticketerwerb einen Behinderungsnachweis vorgelegt hat, sollte der Nachweis nicht
 erneut gefordert werden. Es ist beleidigend und würdelos, eine*n Zuschauer*in beim
 Einlass zu einem Veranstaltungsort oder einer Veranstaltung um einen Nachweis zu
 bitten (es sei denn, es bestehen berechtigte Zweifel), und CAFE ist der Ansicht, dass eine
 solche Praxis diskriminierend wäre.
 CAFE hat beobachtet, dass verschiedene Vereine in ganz Europa den Namen des
 Ticketinhabers oder der Ticketinhaberin auf dem Ticket vermerken und an den
 Stadioneingängen stichprobenartige Ausweiskontrollen durchführen, um zu überprüfen,
 ob der Name auf dem Ticket mit dem Ausweis der Person übereinstimmt.
 CAFE empfiehlt, dass diese Praxis niemals nur für Zuschauer*innen mit Behinderung
 gelten sollte, um Betrug zu verhindern. Wenn sie ausgeübt wird, sollte die Richtlinie für
 alle Zuschauer*innen gelten und es sollten Vorankündigungen gegeben werden.
 Nichtsdestotrotz sollte beachtet werden, dass nicht in allen Ländern nationale Ausweise
 ausgestellt werden. Darüber hinaus ist ein Fan mit Behinderung möglicherweise nicht in
 der Lage, seine Begleitperson beim Ticketkauf zu bestätigen. Daher wird empfohlen, dass
 die Vereine sich mit behinderten und nicht behinderten Fans über eine solche Richtlinie
 beraten, um sicherzustellen, dass die Richtlinie praktikabel und nicht diskriminierend ist.

 Registrierung von Nachweisen der Behinderung
 CAFE empfiehlt Vereinen, nationalen Verbänden und Veranstaltungsorten, ein System
 zu schaffen, um zu registrieren, wenn der Nachweis einer Behinderung eines*einer
 behinderten Zuschauer*in abgefragt und akzeptiert wurde. Alle gespeicherten
 Informationen sollten der Zustimmung der behinderten Person unterliegen und den
 Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung und dem nationalen
 Datenschutzgesetz entsprechen. Mit diesem System wird vermieden, dass der Nachweis
 der Behinderung bei jedem Ticketkauf für ein Spiel vorgelegt werden muss. Es wird
 empfohlen, dass im System das Ablaufdatum des Behinderungsnachweises (falls
 vorhanden) notiert wird, damit das Ticketpersonal informiert wird, wenn ein neuer
 Nachweis verlangt werden muss. Das System könnte auch alle Zugangsanforderungen
 aufzeichnen, die der Fan mit Behinderung dem Veranstaltungsort mitteilen möchte, was
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für die Mehrheit der Fans mit Behinderung eine akzeptable Praxis zu sein scheint. Nur 30
 % der Umfrageteilnehmer (10 % stimmen voll und ganz zu, 20 % stimmen zu) hätten etwas
 dagegen, dass der Betreibende der Sportveranstaltung eine Datenbank führt, in der ihre
 Daten für zukünftige Veranstaltungen und Turniere gespeichert werden. (Centre for
 Access to Football in Europe; German Sport University Cologne 2013, 42)
 Die nationalen Verbände könnten eventuell ein nationales Register einrichten, auf das
 die Vereine zugreifen können, so dass behinderte Fans ihre Daten (und den Nachweis)
 nur einmal eingeben müssen, um Spiele in ihrem Land zu besuchen.
 Klubs, nationale Verbände und Ausrichter*innen der Veranstaltungsorte sollten auch
 überlegen, wann der Nachweis einer Behinderung erneut verlangt werden sollte, je nach
 Gültigkeit des Nachweises.

 Akzeptierte Nachweise der Behinderung
 Die Arten der Nachweise der Behinderungunterscheiden sich von Land zu Land und in
 manchen Fällen auch nach der Art der Behinderung. In manchen Ländern gibt es auch
 regional unterschiedliche Nachweise.
 Zu den Nachweisen gehören z. B. ein Behindertenausweis, ein Pass oder eine Karte, ein
 Schreiben über eine Invaliditätsrente oder -leistung, Versicherungsbriefe vom Staat oder
 medizinische Aufzeichnungen von Hausärzten, Krankenhausärzten oder Sozialarbeitern.
 Einige Länder veröffentlichen eine Liste der typischerweise akzeptierten Nachweise auf
 den Websites der Regierung oder von Behinderten-NGOs (siehe z. B. Finnland:
 https://finlex.fi/fi/laki/ajantasa/2007/20070570 oder
 https://www.kela.fi/web/en/disability-card ).
 In Deutschland existiert zum Beispiel der „Schwerbehindertenausweis“, in Österreich ein
 „Behindertenpass“, die allgemein anerkannt sind. In der Schweiz gibt es keinen Ausweis,
 der in allgemeiner Form eine Behinderung bestätigt. Jedoch gibt es verschiedene
 Nachweise (wie z.B. die Ausweiskarte für Blinde und Sehbehinderte oder die Parkkarte
 für Mobilitätsbehinderte oder den IV-Ausweis, der den Bezug einer Invalidenrente
 bestätigt), die grundsätzlich akzeptiert werden.

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