Beitrag: Thüringer Blockflöten-Manuskript - ZDF
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Manuskript Beitrag: Thüringer Blockflöten – Das DDR-Erbe der CDU Sendung vom 25. Februar 2020 von Kersten Schüßler Anmoderation: Die Kandidaten für den CDU-Vorsitz sind aus der Deckung. Nun müssen sie sich auch zu Thüringen verhalten. Denn bislang blockiert die CDU-Führung jeden Vorschlag, der nach Zusammenarbeit mit den Linken riecht. Begründet wird das mit deren Vorgänger-Partei, der SED. Die sei verantwortlich gewesen für das Unrecht in der DDR, und das dürfe man einfach nicht vergessen. Was die CDU dabei aber gern vergisst, ist ihre eigene DDR-Vergangenheit. Kersten Schüßler über CDU-Blockflöten und Zwischentöne zur Debatte. Text: Südlich von Erfurt soll ein Kreuz an die Wiedervereinigung erinnern. Für Hendrik Knop, mehr als 20 Jahre in der CDU, passt das. Was ihm nicht passt, war die gemeinsame Wahl eines Ministerpräsidenten durch CDU und AfD. O-Ton Hendrik Knop, Ortschaftsbürgermeister Kornhochheim: Dass eine Partei, die rechts am Rand steht, von deren Führungsperson man sagt, dass er vom Verfassungsschutz überprüft wird und als Faschist bezeichnet werden kann, mit dafür verantwortlich war, einen Ministerpräsidenten zu stellen und zu wählen; und dass sich da dann eine CDU mit hergegeben hat und mit angeschlossen hat, zusammen mit einer FDP, ging für mich gar nicht. Mit der AfD kooperieren, ist für Hendrik Knop ausgeschlossen - auch auf lokaler Ebene. Mit der Linkspartei arbeitet er zusammen, Alltag in der Gemeinde Nesse-Apfelstädt. Die Linke - für ihn ist sie nach 30 Jahren angekommen in der bundesdeutschen Realität. O-Ton Hendrik Knop, Ortschaftsbürgermeister Kornhocheim: Ich denke, gerade der Wandel von der SED zur Linkspartei
hin mit seinen vielen Facetten hat auch eine wichtige Aufgabe geleistet - ein Stück weit auch in der Integration von Politik, von Menschen aus der ehemaligen DDR in die Demokratie hinein. Doch die Bundes-CDU sieht bei der Linken rot. Nach wie vor gilt ein kategorisches Abgrenzungsgebot. O-Ton Paul Ziemiak, CDU, Generalsekretär, am 13.2.2020: Dann wird jetzt wieder vorgetragen, die CDU müsste ihr Verhältnis zu Linken überdenken, gerade in dieser Situation, es wäre doch langsam an der Zeit. Ja, was sollen wir da überdenken? Sollen wir die Mauertoten noch mal nachzählen? "Nie wieder Sozialismus" prangte 1990 auf DDR-Wahlplakaten. Ein Mantra der CDU. Dabei hat die CDU selbst eine sozialistische Vergangenheit im Osten. Peter Wurschi muss es wissen. Er ist der Thüringer Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED- Diktatur. O-Ton Peter Wurschi, Landesbeauftragter Thüringen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Die staatstragende Partei in der DDR war die SED, natürlich gerahmt von den Blockparteien, und davon war eine die CDU. O-Ton ZDF-Bericht "Aufarbeitung der CDU-Vergangenheit", 2008: Mehr als 20.000 Mitglieder der DDR-CDU hatten Funktionen in Kreisen und Bezirken. Gleichgeschaltet, machtlos, SED- treu - wer der Block-Partei-CDU beitrat, flötete das Lied des Sozialismus mit, aber suchte die kleine Nische in der Diktatur. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat die Ost-Geschichte der CDU untersucht – das Ergebnis von 2019 deutlich: „Die CDU blieb eine staatsloyale Partei bis zum Ende der SED-Herrschaft.“ Helmut Kohl, 1990 im Westen schon Kanzler auf Abruf, hat das wenig gestört. Mit Hilfe der SED-treuen Ost-CDU startet sein zweites politisches Leben. Seine CDU regiert nach der Wende fast überall im Osten. Geholfen hat dabei auch die Parteikasse der einstigen Blockpartei. Auch das räumt die Konrad-Adenauer-Stiftung ein: „Das flüssige Vermögen … wurde auf die fünf neuen Landesverbände übertragen (etwa 8,1 Mio. DM) … “
O-Ton Peter Wurschi, Landesbeauftragter Thüringen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur: Mit dem Vermögen, was natürlich bei Weitem nicht das Vermögen der SED dargestellt hat, aber eben auch Immobilien, Strukturen, die da waren - es gab in jedem Bezirk der DDR gab es natürlich eine Bezirksebene, Kreisebene, Stadtebene - und das ist natürlich für Wahlkämpfe enorm von Vorteil, wenn man eine durchstrukturierte Institution hat, wo man nicht, wo man Ansprechpartner hat, wo man Strukturen hat, in die man Geld einspeisen kann, um eben auch alleine Flyer, Plakate, Veranstaltungen zu hängen oder zu organisieren. Die CDU als Profiteurin der DDR. Es wäre Zeit, dass sich die Christdemokraten daran erinnerten, empfiehlt der Göttinger Demokratie-Forscher Michael Lühmann. O-Ton Michael Lühmann, Göttinger Institut für Demokratieforschung: Es wäre eine weise und eine generöse Entscheidung, jetzt darüber zu reden, dass es eben in der CDU-Vergangenheit durchaus da so ein paar Flecken gibt, was die DDR angeht; dass man deswegen auch diese ganze Abgrenzung nach links so nicht durchhalten kann. Und dieses Verkapseln, das kriegen sie nicht so richtig aufgebrochen. Man müsste sich ja ehrlich machen. Man müsste gucken, inwieweit man dann doch Teil des SED-Systems war. Und das fällt ihnen unglaublich schwer, weil, da bricht natürlich eine 30 jährige Lebenslüge auch ein ganzes Stück weit zusammen. Im Thüringer Landtag ist aufgebrochen, was war, was ist - was nicht sein darf. Die CDU ringt mit sich. Dabei tritt zu Tage, dass in der CDU sogar Karriere machen konnte, wer einst ein SED- Parteibuch trug - zum Beispiel: Henry Worm, Landtagsvizepräsident. O-Ton Henry Worm, CDU, Vizepräsident des Thüringer Landtags: Es gelten nach wie vor alle Beschlüsse der CDU auf Bundes- und Landesebene. O-Ton Frontal 21: Das heißt weiterhin Abgrenzung? O-Ton Frontal 21: Sie haben eine SED-Vergangenheit, die CDU hat eine Ost- Vergangenheit in der DDR - macht das Sinn, dass man weiterhin jetzt diese Abgrenzung so stark aufrechterhält? O-Ton Henry Worm, CDU, Vizepräsident des Thüringer Landtags: Das, äh, ja - da gibt es unterschiedliche Meinungen dazu,
aber ich werde mich jetzt dazu nicht weiter äußern. O-Ton Frontal 21: Wie sehen Sie das persönlich vor Ihrem eigenen Hintergrund? O-Ton Henry Worm, CDU, Vizepräsident des Thüringer Landtags: Ich sehe das - ganz entspannt! Persönlich ganz entspannt. Doch seine Partei ist das nicht. Als der Linke Bodo Ramelow am vergangenen Dienstag die Ex-CDU- Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht als Interims- Regierungschefin vorschlägt – sagt die erst zu und springt dann ab – weil ihre Partei nicht mit springt. Danach sagt Lieberknecht: Keine Öffnung zur AfD, aber mit der Linken sei das heute anders. O-Ton Christine Lieberknecht, CDU, ehemalige Ministerpräsidentin Thüringen: Je stärker man in der Analyse der Linken ist und je illusionsloser man auch sieht, wo die Gefahren liegen - und da könnte ich noch viele aufzählen – umso freier ist man dann auch, pragmatisch für eine Zeit des Übergangs, für eine begrenzte Zeit zu sagen: Ich weiß das alles und trotzdem gibt es Aufgaben, die sind heute zu lösen, die sind hier zu lösen, und auf die warten die Menschen. Und deswegen, sagen wir, okay, wir gehen diese Situation ein, und von mir aus auch in einer Koalition. Zur Koalition reicht der Mut nicht, nur zu einem dünnen Kompromiss: Am vergangenen Freitag schlägt die Thüringen- CDU vor, Ramelow und Rot-Rot-Grün bis zu Neuwahlen im April 2021 zu dulden. Das aber duldet die Bundes-CDU nicht. O-Ton Paul Ziemiak, CDU, Generalsekretär: Wer Herrn Ramelow als Kandidaten der Linken zum Ministerpräsidenten wählt, verstößt gegen die Beschlüsse der CDU. Es geht hier nicht weniger als um die Glaubwürdigkeit der CDU Deutschlands insgesamt. O-Ton Michael Lühmann, Göttinger Institut für Demokratieforschung: Ich würde sagen: Es ist die letzte - die letzte! - ideologische Reserve, die die CDU hat. Sie hat genau zwei Stück: Das eine ist Macht, also, dass man natürlich Regierungspartei sei. Das andere ist der Antikommunismus. Und den versucht man auf Krampf und auf Biegen und Brechen aufrechtzuerhalten. Wir stehen jetzt vor den Wahlen in Sachsen-Anhalt. Wenn man klug und vernünftig wäre, wüsste man, in Sachsen-Anhalt kann uns genau das Gleiche wie in Thüringen passieren. Weit im Westen Thüringens liegt das Eichsfeld. Hier ist Werner
Henning, einst in der Ost-CDU, ‘89 offen gegen die DDR-Führung aufgetreten. Seit 30 Jahren ist er CDU-Landrat, zuletzt gewählt mit 82,2 Prozent. Den Abgrenzungsbeschluss gegenüber der Linken findet er historisch heikel. O-Ton Werner Henning, CDU, Landrat Landkreis Eichsfeld: Na gut, man hat einen Beschluss gefasst. Aber wenn der Beschluss gegen mein Gewissen geht, werde ich diesen Beschluss nicht befolgen. Denn meine Gewissensfreiheit ist viel, viel mehr. Und das ist die Erinnerung an die DDR: Wir alle mussten mehr oder weniger auch unter den Gegebenheiten uns einrichten. Und trotzdem hat ein jeder nach seinen Spielregeln, Spielräumen gesucht. Aber jene, die eben nach den Spielräumen nicht gesucht haben, sondern einfach sklavisch das getan haben, was andere ihnen vorgeschrieben haben, die sind am Ende der Wende zusammengebrochen. Nicht die Öffnung zur Linken, sondern die nach rechts, zur AfD ist nach 20 Jahren in der CDU für Hendrik Knop ein unverzeihlicher Sündenfall. O-Ton Hendrik Knop, Ortschaftsbürgermeister Kornhocheim: Daraufhin habe ich gesagt: Okay, es gibt nur noch den Exit, und ich muss da raus. Und das war dann eben für mich die Handlung, die ich dann eben getan habe. Und das war die Entscheidung. Ich halte sie auch nach wie vor für richtig. Die CDU streitet weiter über ihre Abgrenzung nach Links. Für Knop ist das Geschichte. Er wird bei den Grünen weitermachen. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.
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