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BUCH- UND BIBLIOTHEKSWISSENSCHAFTEN

BUCH- UND BIBLIOTHEKSWISSENSCHAFTEN

Über Bücher
Prof. Dr. Dieter Schmidmaier

„Lesen bedeutet im Buch verschwinden und gleichzeitig           sem wundervollen Buch. Buchhandlungen sind Orte des
wissen, dass das nur auf Zeit geschieht“, diese Sentenz aus     Miteinanders, sie schaffen Erlebniswelten – sie beraten, sie
einem Interview mit Ulrich Johannes Schneider, dem Ver-         veranstalten Lesungen, Schreibworkshops und Konzerte
fasser von „Der Finger im Buch. Die unterbrochene Lek-          und sie integrieren Cafés. Das unterscheidet sie wesentlich
türe im Bild“ (b.i.t. online 23 (2020) 4, S. 432-440) ist das   von der nüchternen Buchbeschaffung online, doch durch
Leitmotiv für die vorgestellten Bücher.                         deren Zunahme sind sie in ihrer Existenz gefährdet.
                                                                Marianne Julia Strauss nimmt den Leser mit zu über 60
   Do you read me? Besondere Buchläden und ihre                 einzigartigen Buchhandlungen, verteilt über alle Kulturen
   Geschichten / Mitherausgegeben von Marianne Julia            und Kontinente. Sie trifft Buchhändler, die mit Leiden-
   Strauss. Hrsg. Robert Klanten, Maria-Elisabeth               schaft und Kreativität neue Wege gehen, um sich in dem
   Niebus. Berlin: Die Gestalten Verlag, 2020. 271 S.,          digitalen Zeitalter zu behaupten. Lokale Buchhandlungen
   ISBN 978-3-89955-884-5. € 39,90.                             spielen eine „unersetzliche Rolle ... für den Zusammen-
                                                                halt und kulturellen Fortbestand unserer Städte“ (Marian-
Buchhandlungen sind nicht allein Orte, an denen Bücher          ne Julia Strauss, S. 6).
verkauft werden, sie „eröffnen uns Räume zur Reflexion          Entstanden sind großartige Porträts und Essays:
und Begegnung; sie tragen entscheidend dazu bei, die            The Book Barge am Canal du Nivernais in der Region
kulturelle Vielfalt zu bewahren“, so der Direktor der Frank-    Bourgogne-Franche-Comté, ein 18 Meter langer schwim-
furter Buchmesse Juergen Boss in seinem Vorwort zu die-         mender Buchladen voller Bücher.

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Cărture˛sti Carusel in Bukarest, ein zu neuem Leben er-         Andreas von Arnauld, Christian Klein: Weil Bücher
wecktes majestätisches Gebäude, das zu Beginn des vo-            unsere Welt verändern. Vom Nibelungenlied bis Harry
rigen Jahrhunderts einer Bankiersfamilie gehört und nun          Potter. Darmstadt: wbg, 2019. 400 S., ISBN 978-3-
einen Bücherpalast beherbergt, den die schnell wachsende         8062-3747. € 28,00.
urbane Szene dankend annimmt.
Wild Rumpus in Minneapolis/Minnesota, ein außerge-            Die einem Kanon ähnlichen Leseempfehlungen stehen in
wöhnlicher Kinderbuchladen, in dem Bücher durch frei-         den Bücherregalen des Rezensenten in Reih und Glied,
laufende zahme Hühner, Ratten und Chinchillas beglei-         wie Christiane Zschirnt: Bücher. Alles, was man lesen
tet werden.                                                   muss (2002), Klaus Walther: Was soll man lesen? (2005),
Bart`s Books in Ojai in Kalifornien, der beliebteste Open-    Frank Schäfer: Kultbücher. Was man wirklich kennen
Air-Buchladen in den USA. Wer hier ein Buch findet, der       sollte (2005), 1001 Bücher, die Sie lesen sollten, bevor
legt den entsprechenden Betrag einfach in alte Kaffeedo-      das Leben vorbei ist (2007), In 80 Büchern um die Welt
sen, die auf den Regalen stehen.                              (2011), Bücher, die man kennen muss. Populäre Bestsel-
Atlantis Books in Oía auf Santorin in Griechenland. Aus ei-   ler (2011) und viele andere mehr.
ner fixen Urlaubsidee zweier Studenten, die auf Santori-      Der Professor für öffentliches Recht Andreas von Arn-
ni keine Bücher kaufen können, wird eine Inselbuchhand-       auld und der Privatdozent für Neuere deutsche Literatur-
lung mit einmaligem Meerblick.                                geschichte Christian Klein wollen mit Weil Bücher unse-
Und viele andere mehr – ein Dorado interessanter un-          re Welt verändern einen anderen Weg gehen. Sie haben
abhängiger Buchhandlungen. Konzeption und Redakti-            99 Bücher aus verschiedenen Wissens- und Kulturberei-
on, Cover, Design und Layout dieses fadengebundenen           chen herausgesucht, „die auf besondere Weise in Deutsch-
Buches mit großartigem Cover und Vorsatz überzeugen.          land ihre Wirkung entfaltet haben“, ein „vor allem durch
Aber: Es ist nicht die einzige Veröffentlichung dieser Art.   die deutsche Sprache zusammengehaltener Kultursprach-
Bisher wurden komparable in unserer Zeitschrift bespro-       raum“ (S. 7). Es handelt sich um literarische Werke, na-
chen wie In 60 Buchhandlungen durch Europa von Tors-          turwissenschaftliche Abhandlungen, Lexika, philosophi-
ten Woywod (hier finden sich auch Beiträge über Atlantis      sche Traktate, politische Kampfschriften und vieles andere
Books in Oía und Cărture˛sti Carusel in Bukarest) und Die    mehr – von Homer „Ilias“ bis Hape Kerkeling „Ich bin dann
schönsten Buchhandlungen Europas von Rainer Moritz            mal weg“. Im Anhang befinden sich Lektürehinweise, Zi-
und Reto Guntli (vgl. 3 (2011 3, S. 63-64).                   tatnachweise und ein Register, leider fehlt ein Inhaltsver-
Die Botschaft der Autorin in einem Interview lautet: „Un-     zeichnis.
abhängige Buchhandlungen gehören zu den Big Five un-          Die Autoren betonen, dass sich ihre Auswahl weder als
serer Kulturlandschaften. Sie sind unschätzbar wertvoll       ein Beitrag zu den Kanon-Debatten noch „als ein Sinn-
für unser kulturelles und politisches Gleichgewicht und       stiftungsangebot in Fragen der kulturellen Identität“ (S.
gleichzeitig oft vom Abschuss bedroht. Wenn das Buch          9) verstanden werden soll. Die Textauswahl „will zum ei-
es schafft, hier eine Liebe zu wecken, hat es sein Ziel er-   nen jene Titel vorstellen, die für bestimmte Neuerungen
reicht.“      (deborahklein.de/category/branchengespraech)    im Denken, für spezifische gesellschaftliche oder kulturel-
Diesem Wunsch schließt sich der Rezensent an.                 le Veränderungen entscheidende waren, die also Wandel
                                                              einleiteten und mitgestalteten.“ (S. 7) Es werden aber „im-
                                                              mer wieder auch solche Bücher präsentiert, die bestimm-

                                                                                        1 I 2021    fachbuchjournal 69
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te gesellschaftliche Zustände oder kulturelle Entwicklun-   zehn Bildern zahlreiche Spuren lesender Frauen, deren Le-
gen einfangen und abbilden.“ (S. 7-8) „Zu einem Band        benswelten und deren Bildungswege. „Ich suchte den Dia-
wie dem vorliegenden gehört unserer Meinung nach aber       log mit ihnen, suchte historische Zeiträume zu erschließen
auch die eine oder andere Überraschung, Irritationen in-    und vorhandene Quellen zu befragen, suchte auf diese
klusive.“ (S. 9)                                            Weise ein Bild von ihnen zu gewinnen ... Wie konnte an-
Überraschung? In dem ein Jahrhundert umfassenden Zeit-      gesichts der Fülle an Bildern lesender Frauen der Eindruck
raum von 1494 bis 1595 finden sich in dieser Reihenfol-     entstehen, dass Frauen ... über lange Zeit hinweg großen-
ge Brant „Das Narrenschiff“, Morus „Utopia“, Dürer „Un-     teils des Lesens unkundig, von Bildung ausgeschlossen
derweysung der Messung“, Machiavelli „Der Fürst“, Luther    waren? Ein Vorurteil, wie sich zeigte.“ (S. 7)
„Biblia“, Paracelsus „Die große Wunderartzney“, Koperni-    Vor jedem der zehn Kapitel steht immer ein Kunstwerk mit
kus „Von den Umlaufbahnen der Himmelskörper“, Vasari        einer lesenden Frau, diese zehn Frauen sind der Ausgangs-
„Lebensbeschreibungen der berühmtesten Maler, Bildhau-      punkt für die Suche nach weiteren lesenden Frauen.
er und Architekten“, Montaigne „Essais“ und Mercator „At-   Das erste Kapitel ist einer Athenerin gewidmet, der rotfi-
las“. Das sind unbestritten Marksteine, die Bemerkungen     gurigen Lekytos aus Attika um 440–430 v. Chr. Sie hält
der Autoren zu den einzelnen Titeln sind ausgezeichnet.     eine Schriftrolle aus Papyrus in den Händen, neben ihr
Irritationen? Dem „Aufbruch 89“ des Neuen Forum             steht eine geöffnete Büchertruhe. Vor den Augen der Ver-
(1989) folgt das „Microsoft Benutzerhandbuch Windows        fasserin entfaltet sich „auf einer kleinen attischen Vase
3.1“ (1992) und „Harry Potter und der Stein der Weisen“     mit einer lesenden Frau ein Kosmos weiblicher Lebens-
von Rowling. Ein weiteres Beispiel ist der „Otto-Katalog“   welten.“ (S. 23) Ein Kapitel ist Christine de Pizan (1365–
(1950) als neue Kaufkultur für das Wirtschaftswunderland,   1430) vorbehalten, die als erste Schriftstellerin französi-
der chronologisch bedingt direkt nach dem Tagebuch der      scher Sprache gilt und in ihrem Kampf für Frauenrechte
Anne Frank aus dem gleichen Jahr aufgeführt wird.           als „Querelle de Femmes“ eingeht. Aus dem 16. Jahrhun-
Es sind interessante Anregungen zum Nachdenken und          dert stammt eine Kreidezeichnung von Sofonisha Angu-
Überdenken, mit Überraschungen und Irritationen. „Will      issola (1532/35–1625), „Eine alte Frau lernt das Alpha-
man also verstehen, wie eine Gesellschaft entstanden ist,   bet“, eine Lesestunde, „die für die Entfaltung weiblicher
wodurch sie geformt wurde und was sie ausmacht, kommt       Bildungsmöglichkeiten“ (S. 151) steht. Den Abschluss bil-
man an Büchern nicht vorbei“ (S. 6), der Rezensent präzi-   det das Ölgemälde „Die Lesende“ von Henri Fantin-Latour
siert „an den von den Autoren aufgenommenen Büchern“.       (1836–1904) aus dem Jahr 1861, das Kapitel ist zugleich
                                                            Zusammenfassung und Ausblick.
   Monika Hinterberger: Eine Spur von Glück. Lesende        Der Leser wird am Ende der Kapitel mit Literaturangaben
   Frauen in der Geschichte. Göttingen: Wallstein Verl.,    überreich beschenkt, leider fehlt ein Register.
   2020. 255 S., ISBN 978-3-8353-3799-2. € 20,00.           Fazit: Eine ganz persönliche Reise zu lesenden Frauen, ei-
                                                            ne lesenswerte, interessante Frauengeschichte aus ande-
„Als eine Frau lesen lernte, trat die Frauenfrage in die    rer Sicht, eingebunden in den Kampf der Frauen für ihre
Welt.“ (S. 249) Dieser Aphorismus von Marie von Ebner-      Rechte. Eine Fortführung für das 20. und 21. Jahrhundert
Eschenbach ist das Leitmotiv von Monika Hinterberger. Sie   ist wünschenswert.
unternimmt einen historischen Streifzug von der Antike
bis ins vergangene Jahrhundert und zeigt uns anhand von

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   Schreibtisch mit Aussicht. Schriftstellerinnen über ihr       Jamie Camplin, Maria Renauro: Von Büchern in Bil-
   Schreiben / Hrsg. Ilka Piepgras. Zürich, Berlin:              dern. Berlin: Hatje Cantz, 2019. 255 S., ISBN 978-3-
   Kein & Aber, 2020. 286 S., ISBN 978-3-0369-5826-2.            7757-4594-6. € 32,00.
   € 23,00.
                                                              Was für ein Blickfang: Die Umschlagabbildungen von
Der Klappentext fasst dieses unvergleichliche Buch sehr       Duncan Grant „James Strachey“ 1910 und Vanessa Bell
gut zusammen: „Schreiben ist harte Arbeit, das gilt un-       „Interieur mit Tochter der Künstlerin“ 1935/36, das Fron-
abhängig vom Geschlecht, und es ist Synonym für aller-        tispiz mit „La Bibliothèque“ von Félix Valloton von 1921,
höchste Konzentration. Bislang sind Werkstattberichte von     der Schmutztitel mit dem Holzschnitt eines Büchernarren
Frauen rar. Dieses Buch versammelt nun erstmals Beiträ-       aus dem Narrenschiff von Sebastian Brant von 1494 und
ge über die Schnittstelle von Leben und Kunst. Mal er-        die Seiten zwischen Buchtitel und Inhaltsverzeichnis mit
greifend und offenherzig, mal pragmatisch und wirklich-       einem Detail aus dem Gemälde „Alte Frau, in der Bibel le-
keitsnah reflektiert jeder Text auf eigene Art weiblichen     send“ von Gerard Dou von 1630 führen in die Veröffent-
Schöpfergeist und räumt mit überholten Schriftstellerin-      lichung Von Büchern in Bildern ein und zeigen das brei-
nen-Klischees auf.“                                           te Spektrum dieses Themas – ein Thema, das die Herzen
Eine einfühlsame Einführung ist den einzelnen Berichten       der Kunsthistoriker, Kulturwissenschaftler, Museologen,
vorangestellt. Ilka Piepgras weist darauf hin, dass Frau-     Freunde der Kunst, Bibliothekare und Bibliophilen höher
en in der Literaturgeschichte keine Tradition haben, dass     schlagen lässt: „In dieser Publikation wollen wir die viel-
selbst fast alle berühmten Romane von Männern verfasst        fältige Geschichte des erstaunlich langlebigen Buchs er-
wurden und große literarische Frauenfiguren wie Anna Ka-      forschen, die Art und Weise, wie es von Künstlern darge-
renina und Emma Bovary „reine Männerfantasien“ (S. 12)        stellt wurde – und die Gründe dafür, weshalb sich diese
sind. Ein Kanon weiblichen Schreibens existiert nicht. So     veranlasst sahen, Bücher überhaupt abzubilden.“ (S. 10)
ist es auch logisch, dass ein Mann, George Orwell, 1946       Der langjährige Direktor im Verlag Thames & Hudson Ja-
mit Why I write einen Einblick in den Enstehungspro-          mie Camplin und die im gleichen Verlag tätige Bildredak-
zess seiner literarischen Arbeit gibt. Für Männer finden      teurin Maria Renauro verweisen auf die jahrhundertealte
sich immer Plattformen, für Frauen ist / war das zumin-       enge Beziehung zwischen Literatur und Malerei.
dest schwieriger. Jedenfalls dauert es 30 Jahre, bis eine     Der erste Teil umfasst in sechs Kapiteln einen detaillier-
Frau öffentlich Auskunft darüber gibt, warum sie schreibt:    ten historischen Essay über die Kulturgeschichte des Le-
1976 hält Joan Didion einen Vortrag unter dem gleichen        sens aus der Sicht der Beziehung von Kunst und Buch.
Motto wie Orwell, Why I write, der später als Essay ver-      Der zweite Teil führt in die vier Galerien, führend von dem
öffentlich wird. Still just writing von Anne Tyler, ein Es-   Wort Gottes, dem Lesen in häuslicher Atmosphäre und
say aus dem Jahr 1980, ist die Keimzelle des vorliegen-       dem Lesen im alltäglichen Leben bis hin zum „als Hort
den Buches.                                                   von Autorität, Wissen und Bildung“ (S. 189), mit unter-
Unter den Schriftstellerinnen befinden sich Sibylle Berg,     haltsam geschriebenen Texten und zahlreichen Abbildun-
Siri Hustvedt, Eva Manesse, Hilary Mantel, Terézia Mora,      gen in guter Qualität. Eine lesenswerte und gewinnbrin-
Leila Slinami und Meg Wolitzer.                               gende Publikation.
Der Rezensent wünscht sich von Ilka Piepgras ihren Kanon      Leider sind, wie oft in Veröffentlichungen aus Großbri-
weiblichen Schreibens.                                        tannien, deutschsprachige Vertreter unterrepräsentiert,

                                                                                        1 I 2021    fachbuchjournal 71
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hier fehlen u.a. „Der Bücherwurm“ von Carl Spitzweg (das       mälde, Grafiken, Skulpturen, Fotografien – stammen aus
klassische Bild!), Wilhelm Leibl „Der Zeitungsleser“ und       einem Zeitraum von 600 Jahren, von 1331 bis 1935.
„Drei Frauen in der Kirche“, Franz Eybl „Lesendes Mäd-         „Die Galerie solcher Bildnisse bildet einen idealen Aus-
chen“ und Karl Hofer „Zwei Freundinnen am Tisch mit            gangspunkt für das Nachdenken über das Lesen, weil die
Buch“. Bei den französischen Malern fehlt das berühmte         Geste immer gleich ist, während die dargestellten Men-
Bild „Die Lesende“ von Jean -Honoré Fragonard.                 schen und Situationen immer andere sind.“ (S. 12)
Leider fehlt auch ein Literaturverzeichnis, das uns zu an-     Der Einband zeigt zwei Gemälde aus dem 16. Jahrhun-
deren, insbesondere frühen Publikationen zum Thema             dert. Die Einbandvorderseite „Junger Mann mit Buch“ von
hinführt. Stellvertretend soll auf drei deutsche Publikati-    Agnolo Bronzino 1535, ein elegant ganz in Schwarz ge-
onen hingewiesen werden, die Neuauflage Über ein Buch          kleideter junger Mann, die linke Hand selbstbewusst in die
gebeugt. Bilder von Lesenden durch fünf Jahrhunder-            Hüfte gestemmt, die rechte auf einem vertikal aufgestell-
te. Einleitung von Alfred Heckel (Leipzig: Seemann Verl.,      ten Buch ruhend, der Finger verweist auf eine unterbro-
1947), die Pionierarbeit Lesende in der Kunst. Zwölf Ge-       chene Lektüre. Die Einbandrückseite „Tizians Schullehrer“
mälde von der Renaissance bis zur Gegenwart. Einlei-           Giovanni Battista Moroni 1575, ein Kleriker „hält ein klei-
tung und Bilderläuterung von Alfred Langer (Leipzig:           nes Buch in der Hand, ein veritables Handbuch im Oktav-
Deutsche Bücherei, 1971. 33 S.) und die großartige Zu-         format, die Sitzhaltung ist ungewöhnlich, da der Körper
sammenstellung von Stefan Bollmann: Frauen, die lesen,         sich auf dem Stuhl seitlich wendet, was der Darstellung ei-
sind gefährlich und klug (München: Sandmann, 2012.             ne Bewegung gibt.“ (S. 65, 67)
136 S. – vgl. fachbuchjournal 4 (2012) 5, S. 78-79).           Das wunderbare Essay in zehn Kapiteln vom „Lesen als
                                                               Hingabe“ bis „Zeit des Lesens“ erzählt zu jedem Bild auch
   Ulrich Johannes Schneider: Der Finger im Buch. Die          eine kleine, auf die Vergangenheit des Lesers und des Le-
   unterbrochene Lektüre im Bild. Bern, Wien: Piet             sens gerichtete Geschichte, auch spekulativ, wenn der Au-
   Meyer Verl., 2020. 177 S. (KapitaleBibliothek Nr. 27),      tor seine Überlegungen zu der möglicherweise vom Por-
   ISBN 978-3-905799-57-6. € 28,40.                            trätierten unterbrochenen Lektüre ergänzt, geeignete
                                                               Lesevorschläge also.
Ulrich Johannes Schneider hat eine Lücke zum Thema Von         Das Buch ist eine gelungene Überraschung. Es ist das ide-
Büchern in Bildern entdeckt: „In der Galerie der Bilder im     ale Geschenk für alle Freunde des Buches.
Buch lässt sich nun eine veritable Entdeckung machen. Sie      Nicht nur das Essay ist wunderbar, sondern auch das Buch
zeigt nämlich hie und da das Portrait eines lesenden Men-      selbst. Der Verleger Piet Meyer gibt in seiner Reihe Kapita-
schen, der überdies den Finger im geschlossenen Buch           leBibliothek Kunstbücher von hohem Niveau heraus.
hat.“ (S. 11-12) Es ist ein kleines, oft unbeachtetes Detail
in der Bild- und Buchgeschichte: Der Finger im Buch oder          Literatur, Buchgestaltung und Buchkunst. Ein Kom-
Die unterbrochene Lektüre im Bild. Der Lektüre folgt das          pendium / hrsg. Monika Schmitz-Emans. Berlin, Bos-
Nachdenken über das Gelesene, der Finger kennzeichnet             ton: Walter de Gruyter 2019. XXII, 1118 S. (De-Gruy-
das unterbrochene Lesen. Zur richtigen Lektüre gehört of-         ter-Reference), ISBN 978-3-11-035534-5. € 159,95.
fensichtlich auch die Unterbrechung, gegebenenfalls mit
dem Finger im Buch. Das Motiv findet sich in allen Jahr-       Dieses über 1.000 Seiten umfassende und zwei Kilo schwe-
hunderten, die hier versammelten 30 Kunstwerke – Ge-           re Kompendium ist ein Novum in der deutschen Buch-

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BUCH- UND BIBLIOTHEKSWISSENSCHAFTEN

wissenschaft. „Die Auseinandersetzung mit dem Buch            Teil D ist eine alphabetisch gegliederte Übersicht über
und seiner Buchhaftigkeit verbindet das als eigenständi-      Buchtypen, Buchreflexionen, Buchdiskurse – von Album
ge Kunstform seit den 1960er Jahren etablierte Künstler-      und Scrapbook über erfundene Bücher bis zu Wendebü-
buch mit diversen Erscheinungsformen vor allem der neu-       chern.
eren Literatur, welche man zusammenfassend deshalb als        Teil E Buch-Literatur und Literaturrezeption im Künst-
„Buchliteratur“ charakterisieren könnte, weil Form und        lerbuch ist der mit über 300 Seiten umfangreichste Ab-
Materialität des Buchs hier von konstitutiver Bedeutung       schnitt. In der Buch-Literatur finden wir u.a. Laurence
für das jeweilige Werk sind.“ (S. XXI)                        Stern, Jean Paul, Lewis Carroll, Italo Calvino, W.G Se-
Der Prolog umfasst ein elfseitiges Inhaltsverzeichnis und     bald und chronologisch als neueste Veröffentlichung „The
eine Vorbemerkung über Künstlerbücher und Buchlitera-         Familiar“ von Mark Z. Danielewski von 2015–2017. Die
tur. Der Hauptteil besteht aus den fünf Teilen mit 18 Kapi-   Künstlerbücher sind u.a. vertreten mit HAP Grieshaber,
teln und 191 Unterkapiteln, der Epilog enthält eine kluge     Tom Phillips, Paul Celan und Frauke Otto.
Rezension zu dem nach Abschluss des Manuskriptes er-          Ein Nachschlagewerk, nach dem jeder greifen sollte, der
schienenen Buches „Am Weltenrand sitzen die Menschen          sich mit dem Thema beschäftigt. Geduld sollte er mitbrin-
und lachen“ von Philipp Weiss und mehrere Verzeichnis-        gen.
se (u.a. zwei Register). Dem Rezensenten bleibt angesichts
der unübersehbaren Fülle von Definitionen, Informatio-           Helmut Hilz: Buchgeschichte. Eine Einführung. Ber-
nen, Materialien, Beispielen, Hinweisen und Anregungen           lin, Boston: Walter de Gruyter 2019. VII, 258 S. (Bib-
nur der Versuch einer Zusammenfassung eines bemer-               liotheks- und Informationspraxis. Band 64), ISBN
kenswerten Werkes:                                               978-3-11-040515-6. € 59,95.
Teil A Aspekte des Buches widmet sich u.a. dem Verhältnis
von Buch und Buchkunst, der Buch-Literatur, den Buch-         1991 erscheint in sechster Auflage das Standardwerk Fritz
ansichten (das ist eine kurze Geschichte des Buches und       Funke: Buchkunde. Ein Überblick über die Geschichte
seiner begrifflichen Fassungen), dem Buch als physischen      des Buches. Es ist für Generationen von Bibliothekaren ein
Objekt und den Zusammenhängen von Schrift, Buch und           verlässlicher Wegbegleiter und für alle Freunde des Bu-
Buch-Literatur.                                               ches ein unentbehrliches Nachschlagewerk, auch für den
Teil B Buch-Geschichten beinhaltet Funktionen und Kon-        Rezensenten ist es das Standardwerk zur Buchkunde. Nun
zepte des Buchs aus kultur- und wissenschaftsgeschichtli-     dauert es fast 30 Jahre bis zum Erscheinen einer neuen
cher Perspektive, d.h. den historischen Buchtypen als An-     Veröffentlichung: Helmut Hilz Buchgeschichte. Eine Ein-
lässe künstlerisch-literarischer Buchwerke (z.B. die Bibel    führung. Der Autor, Leiter der Bibliothek im Deutschen
in Buchgestaltung und Künstlerbuch) und der Rezepti-          Museum München, stellt einleitend fest: „Die meisten Bi-
on wissenschaftsgeschichtlich bedeutsamer Buchtypen in        bliothekarinnen und Bibliothekare lernen während ihres
Buchkunst und Buch-Literatur (z.B. Tierbücher und Bes-        Studiums nur noch wenig über die Geschichte des Bu-
tiarien, Atlanten, kosmografische Kompendien und Kon-         ches. Seit langem zählt die Buchgeschichte nicht mehr
zepte).                                                       zu den zentralen Bereichen der bibliothekarischen Ausbil-
Teil C Anfänge und Initiationen beschäftigt sich mit ABC-,    dung“ (S. 1), mehr oder weniger verdrängt durch Gebiete,
Bilder- und Kinderbüchern.                                    die für die alltägliche Praxis wichtiger sind wie Kommuni-
                                                              kations- und Informationstechnologien oder Theorie und

                                                                                       1 I 2021    fachbuchjournal 73
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BUCH- UND BIBLIOTHEKSWISSENSCHAFTEN

Praxis des Managements. Das ist kurzsichtig, denn Grund-      Der Verlag Hiersemann hat in den letzten Jahrzehnten
kenntnisse in der Geschichte des Buches sind nach wie vor     bei der Reaktivierung bedeutender Lehrbücher und Nach-
Voraussetzungen für die Ausübung von Berufen in der Bi-       schlagewerke ein glückliches Händchen bewiesen.
bliotheks- und Informationswissenschaft.                      1936 erscheint bei Hiersemann die Einführung in die Bi-
Der Autor legt in elf Kapiteln eine gut lesbare, nicht zu     bliographie von Georg Schneider, das Standardwerk für
umfangreiche, nicht mit unnötigen theoretischen Erklä-        die bibliothekarische Ausbildung und Praxis. 2005 er-
rungen beladene, ausreichend bebilderte Einführung vor,       scheint sie neu als Einführung in die Bibliographie: auf
bei der es „weniger um die Vermittlung historischen De-       der Grundlage des Werkes von Georg Schneider völlig
tailwissens als um eine breite Einbettung des Buchs in den    neu bearbeitet von Friedrich Nestler, ebenfalls bei Hierse-
historischen Zusammenhang“ (S. 1) geht. Er weicht von         mann, 2005. Diese Neubearbeitung ist ein Beitrag zur Dis-
der bisher üblichen rein chronologischen Darstellung ab       kussion der Perspektiven des Fachgebietes Bibliographie
und folgt dem Aufbau einer großen wissenschaftlichen Bi-      innerhalb der Bibliotheks- und Informationswissenschaft.
bliothek. Nach einem Überblick über die Buchgeschichte        Sie erfolgt sinngemäß, der Text wird aktualisiert, die Er-
von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert: Handschrift,        gänzungen betreffen die Veränderungen der bibliographi-
frühe Drucke, Bücher in der Frühen Neuzeit, das Wachs-        schen Tätigkeit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
tum der Druckproduktion hin zu Massenpublikum und In-         (vgl. Rez. b.i.t.online (2006) 2).
dustrieproduktion im 19. Jahrhundert, das Buch und die        1925 erscheint bei Hiersemann das Handbuch der In-
Medienkonkurrenz im 20. Jahrhundert. Es folgen Ab-            kunabelkunde von Konrad Haebler, das Standardwerk
schnitte zu Zeitung, Zeitschriften, Karten und Atlanten,      zur abendländischen Buch- und Mediengeschichte, un-
Musikalien und Notendrucke und Bücher in orientalischen       veränderte Nachdrucke folgen bis 1979. Wiederum ent-
Sprachen und in Ostasien (bei letzterem zeigt sich deut-      schließt sich der Verlag zu einer Überarbeitung und ge-
lich der Aufbau einer großen Bibliothek und ihrer Abtei-      winnt mit Wolfgang Schmitz, dem ehemaligen Direktor
lungen). Den Abschluss bilden ausführliche Hinweise zur       der Stadt- und Universitätsbibliothek Köln und Professor
Buchgeschichte in Ausstellungen, eine Liste weiterführen-     für Bibliothekswissenschaft an der Universität Köln, ei-
der Literatur und ein Register.                               nen der besten Experten auf diesem Gebiet. Eine glück-
„Es ist zu hoffen, dass diese, zugegeben ungewohnte Form      liche Fügung.
de Gliederung den Einstieg in die Buchgeschichte erleich-     Bei den beträchtlichen Fortschritten der Inkunabulistik in
tert“ (S. 1) DER HILZ könnte in dieser Form das Standard-     den vergangenen Jahrhunderten zeigt sich, dass eine ein-
werk nicht nur für die zukünftige Bibliothekare werden,       fache Überarbeitung nicht möglich ist. Das Buch muss
sondern auch für Verleger, Buchhändler, Antiquare und Bi-     komplett neu geschrieben werden, „wobei natürlich auf
bliophile – allerdings mit einer Ergänzung: Es fehlt leider   den Fundus Haeblers mit seiner immensen Fachkenntnis
eine Definition des Begriffs Buch.                            zurückgegriffen werden konnte.“ (S. VII)
                                                              Vorwort und Einleitung führen in die Thematik ein. Dar-
   Wolfgang Schmitz: Grundriss der Inkunabelkunde.            aus ist zu ersehen, dass sich die Neuausgabe bewusst auf
   Das gedruckte Buch im Zeitalter des Medienwechsels.        die Inkunabeln als materielle Objekte konzentriert, „d.h.
   Stuttgart: Hiersemann, 2018. X, 420 S. (Bibliothek         auf das ganze Spektrum von den Schriftträgern über Ord-
   des Buchwesens. Band 27), ISBN 978-3-7772-1800-7.          nungssysteme, Typen, Satz und Druck, den Buchhan-
   € 169,00.                                                  del, Paratexte, Schriftformen bis hin zur Bebilderung.“

74  fachbuchjournal   1 I 2021
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(S. VII) Da das Schwergewicht auf der Materialität liegt,     gefassten Arbeitsergebnisse der wichtigsten Bibliographen
treten andere Bereiche wie Literatur- und Wissenschafts-      des 19. Jahrhunderts verzeichnen das schriftliche Erbe Eu-
geschichte, die sich auf die Inhalte stützen, demgegen-       ropas. Ihre Werke „gehören ebenso wie Lexika, National-
über zurück. Nicht erörtert wird der gesamte Komplex der      wörterbücher, Quelleneditionen, Literaturgeschichten und
Einbände, auch Konservierung und Restaurierung wer-           umfangreiche Handbücher für einzelne Wissensgebiete zu
den nur marginal behandelt. Berücksichtigt wird aber          den großen enzyklopädischen und verlegerischen Leistun-
der „Leitgedanke der Emanzipation des gedruckten Bu-          gen des 19. Jahrhunderts.“ (S. 1)
ches von seinen handschriftlichen Grundlagen, die es lan-     Eine ausführliche Einführung berichtet von der neuen
ge begleiteten, aber im Laufe des 15. Jahrhunderts nach       „Generation von Bibliothekaren, Buchhändlern, Antiqua-
und nach den neu entdeckten Eigengesetzlichkeiten des         ren und Sammlern“ (S. 2), die sichten, ordnen und sam-
Drucks Platz machten.“ (S. VII)                               meln, was sie vorfinden und wie und wo sie ihre Befunde
Der Aufbau des Buches in sechs Kapiteln entspricht im         in gedruckten Bibliothekskatalogen, Bibliographien, Lexi-
Wesentlichen dem Prozess der Buchherstellung: Die             ka oder Wörterbüchern veröffentlichen. „Die ordnenden
Schriftträger – Vom Blatt zum Buch – Setzen und Dru-          und beschreibenden Tätigkeiten der Bibliographen und
cken – Paratexte (das sind Titelblatt, Kolophon, Signet,      Bibliothekare des 19. Jahrhunderts bildeten eine der Vor-
Widmungsvorrede, Register, Inhaltsverzeichnis) – Schrift      aussetzungen für das Entstehen neuer Forschungsgebie-
und Type – Das Bild im Buch.                                  te und wissenschaftlicher Disziplinen, es war im weitesten
Es ist ein Werk entstanden, das – siehe den Untertitel Das    Sinne des Wortes eine Kulturstiftung.“ (S. 4) Die akribi-
gedruckte Buch im Zeitalter des Medienwechsels – vor          sche Arbeit der Bibliographen und Bibliothekare ... zeugt
dem Hintergrund der Diskussion 500 Jahre nach Guten-          vom Streben, das kulturelle Gedächtnis in einer sich rapi-
berg neue Aspekte für das Erscheinen des Buches aufzeigt      de verändernden Zeit lebendig zu erhalten.“ (S. 23)
und sich als ein unverzichtbarer Beitrag zur heutigen Me-     Walter informiert ausführlich über die wichtigsten Bib-
diendiskussion erweist. Es ist die Beschreibung des Medi-     liographen: der Franzose Jacques-Charles Brunet mit sei-
enwandels im 15. Jahrhundert für die Generationen des         nem „Manuel du libraire et de l`amateur de livres“, die
21. Jahrhunderts.                                             Engländer William Thomas Lowdnes und Henry G. Bohn
Es ist unterhaltsam, verständlich und anschaulich geschrie-   und das „Bibliographer`s Manual”, die Deutschen Lud-
ben. Die Gestaltung ist hervorragend: Layout, Text- und       wig Friedrich Theodor Hain und sein „Repertorium bi-
Bildverteilung, cremefarbenes Papier, dazu 58 Schwarz-        bliographicum“, dem Vorläufer des Gesamtkatalogs der
Weiß- und 16 Farbabbildungen, nicht zu vergessen ein          Wiegendrucke, Johann Georg Theodor Graesse mit seinen
Anhang mit Daten und Zahlen zur Inkunabelforschung,           literargeschichtlichen und bibliographischen Arbeiten, Ju-
einem Literaturverzeichnis und einem Register.                lius Petzholdt (1812–1891 als Begründer der Professiona-
Inhalt und Gestaltung gehen weit über das hinaus, was         lisierung des bibliothekarischen Berufsstandes und seine
der Rezensent von einem Grundriss der Inkunabelkunde          „Bibliotheca bibliographica“, Hugo Hayn und die „Bib-
erwartet. Das Buch ist schlicht und einfach unentbehrlich.    liotheca germanorum erotica et curiosa“, Michael Holz-
Buch- und Bibliothekswissenschaftler, Historiker, Antiqua-    mann und Hanns Bohatta mit dem Anonymen-Lexikon
re, Bücherfreunde und Wissenschaftler verschiedener Dis-      und dem Pseudonymen-Lexikon und schließlich die Polen
ziplinen, die mit Inkunabeln arbeiten und sich mit Quel-      Stanisław und Karol Estreicher der Jüngere mit ihrer „Bi-
lenüberlieferungen beschäftigen werden ihre Freude an         bliografia Polska“. Sie sind allesamt Pioniere auf dem Ge-
dieser Veröffentlichung haben. Nur der Preis ist mit 169      biet der Bibliographie.
Euro sehr hoch.                                               Diese teilweise schon veröffentlichten Beiträge sind ein
„Das vorliegende Buch soll dem intendierten Benutzerkreis     wichtiger Führer durch eine leider längst vergessene Welt,
den Weg zum Verständnis dieser wichtigen Epoche, dem          aber sie sind und bleiben ein Mosaikstein für eine noch
Anfang des gedruckten Buches, zu ebnen helfen.“ (S. IX)       zu schreibende Geschichte der Wissenschaft von der Bi-
Auf DER HAEBLER folgt nun DER SCHMITZ.                        bliographie und den Bibliotheken. Bibliothekare, Histori-
                                                              ker und Literaturwissenschaftler werden diese Veröffentli-
   Karl Klaus Walther: Das Europa der Bibliographen.          chung mit Freude lesen.
   Von Brunet bis Estreicher. Berlin, Boston: Walter de       Die Veröffentlichung von Walther ist auch eine wichtige
   Gruyter 2019. VI, 171 S., ISBN 978-3-11-064469-2.          Ergänzung zu Große Lexika und Wörterbücher Europas,
   € 99,95.                                                   u.a. mit einer Analyse von 11 Veröffentlichungen aus dem
                                                              19. Jahrhundert (Berlin, 2012. s. Rez. in fachbuchjournal
„Täglich wird Europa mit seinen vielen Problemen neu          5 (2013) 1, S. 22).
diskutiert, doch die Tätigkeit der Bibliographen und ih-      Ein Europa der Bibliographen gab es auch schon im 17.
rer Kollegen, der Bibliothekare, erregt nur selten das all-   und 18. Jahrhundert. Wir finden u.a. Philippe Labbé mit
gemeine Interesse.“ (S. 1) Die in diesem Buch zusammen-       der wohl ältesten allgemeinen Bibliographie der Bibliogra-

                                                                                       1 I 2021    fachbuchjournal 75
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phien „Bibliotheca bibliotheacarum“ in drei Auflagen (!)        (S. 7) Diesen Ausführungen von Markus Malo hat der Re-
von 1653–1678, Vincent Placcius mit der ersten interna-         zensent nichts hinzuzufügen.
tionalen Bibliographie der verkleideten Literatur „Theat-
rum anonymorum et pseudonymorum“ 1689 und Caspar                   Bibliothekarinnen in und aus Österreich. Der Weg zur
Thurmann mit der für die Geschichte des europäischen               beruflichen Gleichstellung / Hrsg. Ilse Korotin, Edith
Hochschulwesens wichtigen „Bibliotheca academica“                  Stumpf-Fischer. Wien: Praesens-Verl., 2019. 791 S.,
(1700). Ihre Erforschung ist immer noch ein Desiderat und          (BiografiA. Neue Ergebnisse der Frauenbiografiefor-
wird es wohl auch noch für lange Zeit bleiben.                     schung. 25) ISBN 978-3-7069-1046-0. € 47,70.

   Markus Malo: Bibliographie deutschsprachiger jüdi-           Ziel des neuen Bandes aus der Reihe BiografiA, in der Er-
   scher Autobiographien. Von der Aufklärung bis zur            gebnisse des gleichnamigen multimodularen Dokumen-
   Gegenwart. Berlin: Peter Lang, 2020. 234 S.,                 tations-, Forschungs- und Vernetzungsprojektes vorge-
   ISBN 978-3-631-81127-6. € 59,95.                             stellt werden, ist es, den langen und hindernisreichen Weg
                                                                zur beruflichen Gleichstellung der Frauen in Österreich
Ausgangspunkt für die vorliegende Bibliographie sind zwei       am Beispiel der im Bibliothekswesen beschäftigten Frau-
Beiträge von Markus Malo, seine Dissertation Behaupte-          en darzustellen. Er enthält im ersten Teil 21 Beiträge über
te Subjektivität. Eine Skizze der deutschsprachigen jü-         Bibliothekarinnen in und aus Österreich und ihren Weg
dischen Autobiographie im 20. Jahrhundert (Tübingen,            zur beruflichen Gleichstellung, im zweiten Teil ein Lexi-
2009) und sein Beitrag Deutsch-jüdische Autobiogra-             kon von Bibliothekarinnen in Vergangenheit und Gegen-
phie im Handbuch der deutsch-jüdischen Literatur (Ber-          wart (S. 508-572).
lin, 2016).                                                     Es ist ein Kaleidoskop von großartigen Bibliothekarinnen
Die Veröffentlichung umfasst drei Teile: ein Vorwort und        in bemerkenswerten Beiträgen und einem präzis erarbeite-
eine Einführung in die deutsch-jüdische Autobiographie          ten Lexikon. Das Spektrum umfasst alle Bibliothekstypen
(S. 7-32), die eigentliche Bibliographie (S. 33-166) und        und die Zeit vom 12. bis zum 21. Jahrhundert. Beispiele:
mehrere Register (S. 167-234).                                  Das Amt der Bibliothekarin in Frauenklöstern – Die Ge-
Der erste Teil ist eine gelungene Einführung in die The-        schichte der katholischen Volksbüchereien – Bibliotheka-
matik, insbesondere der Grundriss zur Geschichte der            rinnen in den Wiener Arbeiterbüchereien und städtischen
deutschsprachigen jüdischen Autobiographie.                     Büchereien – Bibliothekarinnen an Wissenschaftlichen Bi-
Der zweite Teil enthält 890 Eintragungen von monogra-           bliotheken – Bibliothekarinnen in Museen – Bibliotheka-
phischen Autobiographien. Die alphabetisch geordneten           rinnen und die EDV-Anwendung. Der für den Rezensen-
Beiträge umfassen den Namen der Verfasser, das Geburts-         ten überraschendste Beitrag beschäftigt sich auf über 50
und Todesdatum, Beruf(e) und zur Auswertung herange-            Seiten in zahlreichen Beispielen mit der Widerspiegelung
zogene Referenzen (Bibliographien, Lexika, Literaturver-        der Bibliothekarin in der Literatur und im Film Österreichs.
zeichnisse, biographische Nachschlagewerke), gefolgt von        Die Autorin stellt fest, „dass das Klischee der Bibliotheka-
den autobiographischen Werken mit ihren wichtigsten bi-         rin aus der historischen Entwicklung des Berufs sowie aus
bliographische Angaben (Titel und eventuelle Zusätze,           der metaphernreichen Beschreibung des Arbeitsortes Bib-
Verlagsort und Verlag, Erscheinungsjahr, aber leider kei-       liothek entwickelt. Es umfasst ihr Äußeres und ihre Klei-
ne Umfangsangabe). Bei mehreren Auflagen wird nur die           dung, ihr Verhalten und ihren Charakter, ihr Berufs-bzw.
Erstausgabe aufgenommen, spätere Ausgaben nur, wenn             Privatleben sowie den Arbeitsort.“ (S. 457)
sie „deutlich erweitert oder verändert erschienen“ (S. 35).     Da dem Anteil der Frauen an der Entwicklung des Bib-
Leider werden u.a. das Lexikon deutsch-jüdischer Auto-          liothekswesens kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist
ren (Band 1. 1992 – 21. 2013. München, sp. Berlin) und          es mit diesen Epochen übergreifenden Untersuchungen
Gudrun Wedel: Autobiographien von Frauen. Ein Lexi-             möglich, dies zu ändern. Gratulation für ausgewogene
kon (Köln, 2010) nicht ausgewertet.                             biografische Artikel und für ein prägnantes Lexikon. Ein
Der dritte Teil erschließt die Bibliographie optimal durch je   Analogon für Deutschland fehlt noch immer.
ein Register biographischer Schlagwörter (ergänzt um vier       Zu biografiA s.a. die Rezension zu Lexikon österreichischer
farbige Landkarten zu europäischen Territorien), Geburts-       Frauen (fachbuchjournal 8 (2016) 6, S. 58-59)
orte und Sterbeorte.
Die Bibliographie „erschließt leicht zugänglich und an ei-         Ulrich von Bülow: Papierarbeiter. Autoren und ihre
ner Stelle gebündelt eine Quellengattung für die Geistes-          Archive. Göttingen: Wallstein Verl., 2018. 351 S.,
wissenschaften, die bislang ... nur verstreut nachgewiesen         ISBN 978-3-8353-3361-1. € 29,90.
war“ (S. 8), sie „stellt eine Arbeitshilfe für alle diejeni-
gen dar, die sich mit dem deutschsprachigen Judentum            Erst seit einigen Jahren rückt das literarische Archiv eigen-
von der Aufklärung ... bis in die Gegenwart beschäftigen.“      ständig in den Fokus der Forschung. 2017 wird der Band

76  fachbuchjournal    1 I 2021
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BUCH- UND BIBLIOTHEKSWISSENSCHAFTEN

Nachlassbewusstsein herausgegeben (Göttingen: Wall-             Die Kunsthistorikerin Susanne Bieri erzählt in ihrer an der
stein Verlag), ein Jahr später folgt Archive für Literatur.     Basler Universität verteidigten Dissertation die Geschichte
Der Nachlass und seine Ordnungen (Berlin: De Gruyter).          der Graphischen Sammlung der Schweizerischen National-
Nun legt Ulrich von Bülow, Leiter der Handschriftenab-          bibliothek und versieht den Buchtitel mit der hoffnungs-
teilung des Deutschen Literaturarchivs Marbach Papier-          freudigen Ergänzung Wie die Kunst in die Bibliothek
arbeiter. Autoren und ihre Archive, einen Band mit einer        kam und warum sie dort geblieben ist. Und der Leser
Einleitung, in der er ein Szenario des schriftstellerischen     wird nicht enttäuscht von dieser ersten Gesamtdarstellung
Nachlasses entwirft und 16 exemplarischen Studien vor,          der Graphischen Sammlung, die bisher in den Darstellun-
in denen er Archive und Archivalien von Schriftstellern         gen zur Geschichte der Schweizerischen Nationalbiblio-
und Philosophen des 20. Jahrhunderts vorstellt. 14 Bei-         thek sträflich vernachlässigt wird.
träge werden 2006 bis 2018 veröffentlicht, zwei sind bis-       Die Autorin fasst in 26 Einzelartikeln minutiös die Ge-
lang unpubliziert.                                              schichte und die Tätigkeiten dieser Einrichtung zusam-
Die Nachlässe werden unter dem Begriff Papierarbeiter ge-       men – von der Bedeutung graphischer Sammlungen im
fasst, ein angemessener Titel wäre papyrifex, eine alte und     allgemeinen und in der 1895 gegründeten Schweizeri-
hier durchaus zutreffende Berufsbezeichnung für Papier-         schen Nationalbibliothek, über den Aufbau und Ausbau
arbeiter.                                                       der Sammlungen einschließlich ihrer Verwaltung und Ver-
„Die Auswahl der hier versammelten Fallstudien folgt dem        mittlung über ein Jahrhundert bis 1995 (ein Höhepunkt
Pluralitätsprinzip.“ (S. 8) Der erste Teil befasst sich mit     ist das Kapitel über Status, Sinn und Potenz des Bildes in
Nachlässen im Ganzen und fragt nach den Nachlass-               der Schweizerischen Nationalbibliothek) und Schritten in
Strukturen u.a. am Beispiel von den Registraturen von Ru-       das zweite Jahrhundert bis zu verschiedenen Quellenaus-
dolf Pannwitz und Martin Heideggers Papieren, der zwei-         zügen und Verzeichnissen über Ausstellungen, Veranstal-
te Werke „widmet sich der Frage, wie einzelne Quellen           tungen und Publikationen im Anhang.
aus Vor- und Nachlässen das Verständnis von Autoren             Die Sammlung umfasst heute in erster Linie „bildliche
und werken verändern können“ (S. 9) u.a. am Beispiel von        Dokumente und ikonografische Medien zu Geografie,
Hans Blumenbergs Zettelkasten und Notizbüchern von              Brauchtum sowie kulturellen und politischen Themen der
Peter Handke, der dritte Teil Korrespondenzen ist „Quel-        Schweiz“ (S. 17), darunter Druckgrafik des 17.–20. Jahr-
len, die durch das Zusammenwirken verschiedener Akteure         hunderts, Künstlerbücher des 20.–21. Jahrhunderts, eine
entstanden sind“ (S. 10) vorbehalten, u.a. am Beispiel der      Fotosammlung des 19.–21. Jahrhunderts, Künstlerarchi-
Duineser Briefmappe von Rainer Maria Rilke und Solda-           ve und Nachlässe des 20.–21. Jahrhunderts (die wichtigs-
tenbriefen an Rudolf Alexander Schröder.                        ten Archive sind die von Karl Gerstner, Ulrich Meister und
Die Veröffentlichung ist in dreierlei Hinsicht bedeutsam:       Karl Walser, dem Bruder des Schriftstellers Robert Wal-
Der Autor beschreibt die Entstehung und den Bestand von         ser) und das eidgenössische Archiv für Denkmalpflege mit
Literaturarchiven im Kontext im engeren Sinn mit dem Lite-      Dokumenten „zu Archäologie, Denkmalpflege, Topogra-
raturbetrieb und in weiterem Sinn mit der Geistesgeschich-      fie, ­Architektur- und Kunstgeschichte sowie Volkskultur“
te des 20. Jahrhunderts. Es ist zum zweiten eine angeneh-       (S. 19) Was für ein Reichtum.
me, anregende Lektüre auch für ein größeres Publikum,           Die vielen positiven Erfahrungen werden die Graphische
zeichnet es doch die Denkprozesse der Autoren nach und          Sammlung „künftig noch ausgeprägter als multifunktio-
verfolgt die Spuren ihrer Hinterlassenschaft. Schließlich ist   nalen Austauschort und Plattform für Fragen und Infor-
das Buch gestalterisch sehr anspruchsvoll – vom Buchum-         mationen aller Art im Hinblick auf die> Schweiz im Bild<
schlag mit einer Fotografie des Arbeitszimmers von Rudolf       in Erscheinung treten lassen.“ (S. 317)
Pannwitz über das vorzügliche Layout bis zu den herausra-       Auch optisch ist diese Veröffentlichung eine Freude – von
genden, reichlich vorhandenen Abbildungen.                      der Gestaltung des Umschlags und des Titelblatts, dem
Über Autorenbibliotheken gibt es einen wichtigen Sam-           Layout und der Auswahl der Schriften (ITC Stone Serif und
melband, der Erkenntnisse über den Inhalt von Bücher-           ITC Stone Sans) bis hin zum Papier (Z-Offset natural).
sammlungen, über deren Besitzer und deren gesellschaftli-       Ein Standardwerk, dem leider Abbildungen und ein Regis-
ches Umfeld und die möglichen Netzwerke vermittelt (Rez.        ter fehlen. ˜
in fachbuchjournal 9 (2017) 4, S. 60.)

   Susanne Bieri: Bild und Bibliothek. Die Graphische           Prof. em. Dieter Schmidmaier (ds), geb. 1938 in Leipzig, ­studierte
   Sammlung der Schweizerischen Nationalbibliothek              ­Bibliothekswissenschaft und Physik an der H   ­ umboldt-Universität
   oder: Wie die Kunst in die Bibliothek kam und war-            Berlin, war von 1967 bis 1988 B  ­ iblio­theksdirektor an der Berg­
   um sie dort geblieben ist. Basel: Schwabe Verl., 2017.        aka­de­mie Freiberg und von 1989 bis 1990 General­direktor der
   396 S., ISBN 978-3-7965-3752-3. € 88,00.                      ­Deutschen Staatsbibliothek Berlin.
                                                                  dieter.schmidmaier@schmidma.com

                                                                                              1 I 2021     fachbuchjournal 77
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