Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme - Überblick und Erfahrungsbericht

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Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme - Überblick und Erfahrungsbericht
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                                                                                                      Abbildung 1
Peter K aufmann und Robert Lindner                                                                    Mit Observation.org lassen

Biodiversitätsdaten, Citizen Science
                                                                                                      sich Beobachtungen unter­
                                                                                                      schiedlichster Organismen­
                                                                                                       gruppen von der Flechte
und Online-Erfassungssysteme –                                                                         bis zum Säugetier erfassen
                                                                                                       und dokumentieren.

Überblick und Erfahrungsbericht                                                                       ­Dadurch werden wertvolle
                                                                                                       Daten für Forschung und
                                                                                                      Artenschutz gesammelt
                                                                                                      (Bilder aus Observation.org:
                                                                                                       Henrik Klar, Helmut Witt­
  Das Haus der Natur dokumentiert seit über 20 Jahren Daten zur Flora und Fauna Salzburgs
                                                                                                       mann, Matthias Streitberger,
  in der Biodiversitätsdatenbank. Um vor allem den ehrenamtlichen Datenmeldern ein zeit­               Peter Kaufmann, Thomas
  gemäßes Erfassungssystem zur Verfügung zu stellen, wurden verschiedene Online-Melde­                 Rücker, Hans Ehmann,
  plattformen evaluiert und vergleichend gegenübergestellt. Das in den Niederlanden entwi­           ­Johannes Reitsamer, Eva
  ckelte Portal Observation.org entsprach vor allem aufgrund der Funktionalitäten in Bezug            Szekeres).
  auf Datenvalidierung und der weltweiten Eingabemöglichkeit zu allen Organismengruppen
  weitgehend den formulierten Ansprüchen. Dank der Kooperation mit Observation Interna­tio­
  nal können Naturbeobachtungen nun online und mit dem Smartphone über Observation.org
  ­erfasst und in die Biodiversitätsdatenbank übernommen werden. Beobachtungen mit Foto
   können automatisch bestimmt und von Experten direkt überprüft werden.

Biodiversitätsdaten sind eine grundlegende         (Lindner 2003; L awrence & Turnhout 2010). Eine
­B asis für Schutz und Erforschung von Tier- und   nachhaltige Doku­mentation von Biodiversitäts­
 Pflanzenarten, ihr tatsächlicher Wert entsteht    daten bedingt, dass die Daten standardisiert
 jedoch erst durch Aggregation und Nutzbar­        erfasst und sie dann möglichst vielen poten­
 machung. Einzelbeobachtungen werden erst in       ziellen Nutzern verfügbar gemacht werden.
 der Zusammenschau mit Beobachtungen von           Außerdem ist die Nutzbarmachung derarti­
 anderen Personen zu relevanten Datenquellen       ger Daten im Sinne des Naturschutzes eine

ANLIEGEN NATUR            43(1), 2021                                                                                            1
Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme - Überblick und Erfahrungsbericht
K aufmann & Lindner:
    Verschiedenes                                                        Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme

                                       Die Salzburger Biodiversitätsdatenbank

                                      Die Salzburger Biodiversitätsdatenbank wurde im Jahr 2000 vom Haus der Natur initiiert
                                      und seitdem in Kooperation mit der Naturschutzabteilung des Landes Salzburg und dem
                                      Nationalpark Hohe Tauern geführt. Derzeit umfasst die Datenbank knapp 1,9 Millionen
                                      ­Datensätze zu Tieren, Pflanzen und Pilzen. Neben den genannten Kooperationspartnern
                                       haben auch Nichtregierungsorganisationen (NGO), die Landesumweltanwaltschaft oder
                                       Projektplaner die Möglichkeit, auf diese Daten zuzugreifen. Die Daten fließen in regionale
                                       und nationale Atlanten und Rote Listen ein (Kyek & M aletzky 2006; Illich et al. 2010;
                                       ­Slotta-Bachmayr et al. 2012; Stüber et al. 2014; Zuna-K ratky et al. 2017) und sind auch Grund­
                                        lage für akademische Forschung, etwa im Rahmen von universitären Projekten und Ab­
                                        schlussarbeiten. Um die Daten auch der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft zur
                                        Verfügung zu stellen, beteiligt sich das Haus am globalen GBIF-Netzwerk (Global Biodiver­
                                        sity Information Facility) und betreibt dort zwei Datenknoten (www.gbif.org/publisher/
                                        7a070ba0-bafb-11d9-8e53-b8a03c50a862/metrics).

                                  wichtige Motivationsgrundlage für die beteilig­        (vergleiche Abbildung 2). Im Laufe der Zeit
                                  ten, oftmals ehrenamtlichen Datenmelder (siehe         wurden sukzessive auch Daten aus der Litera­
                                  ­L awrence & Turnhout 2010; Ganzevoort et al. 2017).   tur, ­aus Forschungsarbeiten und Privatgutach­
                                   ­­Genau dieses Ziel verfolgt die Salzburger Bio­      ten ­– soweit verfügbar – in die Datenbank ein­
                                   diversitätsdatenbank am Haus der Natur. Seit          gepflegt. ­D arüber hinaus fließen Daten aus
                                   mehr als 20 Jahren werden hier Verbreitungs­          Kartierungen oder Monitoring-Projekten in die
                                   daten aus einer breiten Quellenbasis zu ver­          Datenbank ein. Der zahlenmäßig größte Teil
                                   schiedensten Organismengruppen im Bundes­             der Daten ­umfasst jedoch ehrenamtlich erho­
                                   land Salzburg und darüber hinaus gesammelt            bene Beobachtungen, vor allem der Mitglieder
                                   und verwaltet (Dämon et al. 2004).                    der Arbeits­g emeinschaften am Haus der Natur.
                                                                                         Diese Arbeitsgemeinschaften sind selbstorga­
                                  Der erste Ausgangspunkt der Salzburger Biodi­          nisierte Citizen Science-Gruppen, die sich mit
                                  versitätsdatenbank waren die Sammlungen am             der Erforschung der Natur Salzburgs beschäfti­
                                  Haus der Natur. Belege aus dem Herbar, der             gen (siehe: www.hausdernatur.at/de/
                                  entomologischen Sammlung sowie der Wirbel­             arbeitsgruppen.html).
                                  tiersammlung werden verortet und digitalisiert

                Abbildung 2
                 Während der
         ­Ursprung der Biodi­
          versitätsforschung
            vielerorts im Sam­
              meln von physi­
            schen Präparaten
           liegt und diese für
              genetische und
             morphologische
           Studien zwar uner­
         setzbar bleiben, ge­
              winnen digitale
       ­Beobachtungsdaten
          in den letzten Jahr­
      zehnten zunehmend
            an Bedeutung für
             Natur- und Arten­
        schutz (­ Foto: Robert
                      Lindner).

2                                 online preview                                                      ANLIEGEN NATUR           43(1), 2021
Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme - Überblick und Erfahrungsbericht
K aufmann & Lindner:
Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme                                       Verschiedenes

Um die ehrenamtlichen Kartierer in ihrer Tätig­     überprüfbar sein. Ein offener Umgang mit den
keit zu unterstützen und zu motivieren ist es       erfassten Daten war Grundvoraussetzung für
wichtig, zeitgemäße und effektive Werkzeuge         weitere Kooperationsüberlegungen. Tabelle 1
zur Datenerfassung zur Verfügung zu stellen.        bietet einen überblicksartigen Vergleich der
Die eigenen Beobachtungen selbstständig             Datenplattformen hinsichtlich dieser Kriterien
­o nline eingeben und verwalten zu können, ist      sowie unsere diesbezügliche Einstufung.
 ebenso wichtig, wie die Möglichkeit mit Exper­
 ten zu interagieren und Rückmeldungen zu           Im Hinblick auf die Qualität und Validierung der
 den Beobachtungen zu erhalten.                     Daten unterscheiden sich die Systeme grundle­
                                                    gend. Während auf iNaturalist und Naturgucker
Da die Entwicklung und vor allem die langfristi­    alle Benutzer ohne Rücksicht auf ihre Qualifizie­
ge Sicherstellung des Betriebs eines eigenen        rung über das Bestimmungsergebnis eines Be­
Online-Erfassungssystems aufgrund des hohen         legfotos „abstimmen“ können, werden auf Ob­
Ressourcen- und Kostenaufwands für eine ein­        servation, Naturbeobachtung und Ornitho klare
zelne Institution wie das Haus der Natur kaum       Benutzerrollen definiert, sodass nur gewisse Be­
praktikabel und jedenfalls nicht nachhaltig ist,    nutzer (Experten) ein Bestimmungsergebnis als
begannen wir 2018, bestehende Online-Erfas­         korrekt einstufen oder gegebenenfalls korrigie­
sungssysteme zu evaluieren.                         ren können. Als Partnerorganisation ist es für
                                                    uns maßgeblich, festlegen zu können, welche
Vergleich Meldeplattformen                          Personen letztlich über das Bestimmungser­
 Sehr rasch rückte Observation.org in den Mit­      gebnis einer Beobachtung entscheiden, da das
 telpunkt der Überlegungen. Es handelt sich         Museum mit der Weiterverwendung der Daten
 um eine der weltweit größten Naturbeobach­         auch für dessen Qualität bürgt.
 tungsplattformen, die von der niederländi­
 schen Stiftung Observation am Naturalis Mu­        Zur Beurteilung der Datenqualität wurde stich­
 seum in Leiden (Niederlande) betrieben wird.       probenartig überprüft, ob und wie viele nicht
 Vor der endgültigen Entscheidung galt es je­       plausible oder offensichtlich falsch bestimmte
 doch, diese Plattform mit der Vielzahl weiterer    Daten gefunden werden konnten, die auf der
 regionaler und internationaler Citizen Science-­   jeweiligen Plattform als korrekt eingestuft wa­
 Naturbeobachtungsplattformen zu verglei­           ren. Naturgucker schneidet hierbei mit vielen
 chen. In Österreich betreibt der Naturschutz­      nicht plausiblen Daten, die auch in GBIF einge­
 bund naturbeobachtung.at, in Deutschland           speist werden, vergleichsweise schlecht ab. Auf
 erfreut sich Naturgucker.de großer Beliebtheit.    Naturbeobachtung und iNaturalist wurden nur
 Zu den gängigsten internationalen Systemen         vereinzelt fälschlich validierte Belegfotos ge­
 gehört die Vogelbeobachtungsplattform Orni­        funden und auf Ornitho konnten keinerlei feh­
 tho, die in mehreren europäischen Ländern          lerhafte Daten gefunden werden. Auf Observa­
 verfügbar ist und in der Regel von den jewei­      tion sind in einzelnen Organismengruppen
 ligen nationalen Vogelschutzorganisationen         oder Regionen zwar viele unsicher oder falsch
 betrieben wird. Die amerikanische Erfassungs­      bestimmte Meldungen zu finden, die allerdings
 plattform iNaturalist gewinnt in den letzten       noch nicht validiert wurden und dementspre­
 Jahren auch in Europa immer mehr Zulauf            chend auch nicht weiterverarbeitet werden.
­(vergleiche auch G uariento et al. 2020).
                                                    Für die Einstufung der Benutzerfreundlichkeit
Diese Plattformen bieten auf den ersten Blick       wurde versucht zu klassifizieren, wie umfang­
ähnliche Funktionen, unterscheiden sich je­         reich und intuitiv die Funktionen der Websei­
doch in ihrer Ontogenese und Ausrichtung.           ten ­f ür den Benutzer sind. Während Naturbe­
Während manche Plattformen einen Schwer­            obachtung, Naturgucker und Ornitho eher
punkt auf regionale Öffentlichkeitsarbeit und       klassische Designs und komplizierte oder ein­
Bewusstseinsbildung setzen, haben andere            geschränkte Abfragemöglichkeiten bieten, hat
Plattformen die klare Zielsetzung, wissenschaft­    iNaturalist das modernste und ansprechendste
lich verwertbare Daten zu generieren. Für die       Interface, das sehr an soziale Netzwerke erin­
letztendliche Entscheidung waren für uns meh­       nert. Observation befindet sich gerade in einer
rere Kriterien ausschlaggebend: Die Plattform       Moder­nisierungsphase, sodass der internatio­
sollte die Möglichkeit bieten, Beobachtungen        nale ­Einstieg bereits ein zeitgemäßes und be­
aller Organismengruppen möglichst weltweit          nutzerfreundliches Layout bietet, wohingegen
erfassen zu können. Die Qualität der erfassten      die ­regionalen Subdomains noch im alten De­
Daten sollte durch ein Validierungssystem klar      sign sind und eher nur Flachleute ansprechen.

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Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme - Überblick und Erfahrungsbericht
K aufmann & Lindner:
     Verschiedenes                                                     Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme

    Plattform           Naturbeobachtung.at        Naturgucker.de       Ornitho.de                iNaturalist.org          Observation.org

    Organisation        Naturschutzbund             naturgucker.de      Dachverband Deut­         California Academy of    Stiftung Observation
                        ­Österreich                ­gemeinnützige eG    scher Avifaunisten /      Sciences und National    International
                                                                        Birdlife                  Geographic

    Betreiber           Science4you                Gemeinnützige eG     Biolovision               Forschungs­einrichtung    Gemeinnützige
                        im Auftrag von NGO                              im Auftrag von NGOs                                ­Stiftung

    Sitz                AT (+)                     DE (+)               CH (+/–)                  USA (–)                  NL (+)

    Validierung         Experten (+)               Benutzer und ­       Experten (+)              Benutzer (+/–)           Experten (+)
                                                   Experten (+/–)

    Datenqualität       Überwiegend gut (+/–)      Fehlerhaft (–)       Sehr gut (+)              Überwiegend gut (+/–)    Gut (+)

    Benutzer­           Mäßig (+/–)                Mäßig (+/–)          Mäßig (+/–)               Sehr gut (+)             In Modernisierung (+/–)
    freundlichkeit

    Organismen-­        Seit 2020 alle (+/–)       Alle (+)             Vögel (–)                 Alle (+)                 Alle (+)
    Gruppen

     Weltweite          Ja (+)                     Ja (+)               Nein (–)                  Ja (+)                   Ja (+)
    ­Eingabe

    Offene Daten        Nein (–)                   Ja (GBIF) (+)        Nein (–)                  Ja (Direktdownload       Ja (GBIF) (+)
                                                                                                  und GBIF) (+)

    Aktueller Daten-    AT                         DE                   DE, FR, CH, IT, ES, AT    Nord- und Südamerika,    NL, BE, ES, DE und AT
    schwerpunkt                                                         und PL                    ­Australien

    Daten ­             ?                          131.934              7 Millionen               233.216                  276.304
    Österreich

     Daten              ?                          8 Millionen          54 Millionen              1,2 Millionen            1,5 Millionen
    ­Deutschland

    Daten ­weltweit     589.461                    12 Millionen         > 160 Millionen           65 Millionen             147 Millionen

               Tabelle 1
Gegenüberstellung der
gängigsten Erfassungs­
 systeme für Biodiversi­          Alle evaluierten Systeme eignen sich prinzipi­            zentrale Datenschnittstelle ist jedoch gerade in
  tätsdaten im Hinblick
                                  ell zur Erfassung verschiedener Organismen­               Anbetracht der Vielzahl neuer Meldesysteme
 auf die für uns relevan­
    ten Kriterien (Daten­         gruppen. Auf Naturbeobachtung.at werden                   eine entscheidende Chance, dem Problem der
   stand: Februar 2021).          erst seit 2020 Pflanzen erfasst und Ornitho               zunehmenden Datenstreuung entgegenzuwir­
                                  konzentriert sich in den meisten Ländern auf              ken und damit letztlich auch Konkurrenzsituati­
                                  Vogelbeobachtungen. Zwar können theore­                   onen zu vermeiden.
                                  tisch auch andere Organismengruppen mit
                                  Ornitho beziehungsweise deren App erfasst                 Im Sinne der nachhaltigen Verfügbarkeit sowie
                                  werden, allerdings werden diese Daten in den              der Weiterentwicklungsmöglichkeiten der Platt­
                                  meisten Ländern (außer beispielsweise Italien)            form und ihrer Daten sind zusätzlich zu den
                                  derzeit nicht auf den Webseiten dargestellt               oben genannten Kriterien auch das Organisati­
                                  oder überprüft.                                           onsmodell und die Finanzierung des Systems
                                                                                            von Bedeutung. iNaturalist und Observation
                                  Auch der Umgang in Bezug auf Weitergabe                   werden direkt von den jeweiligen Organisatio­
                                  und Offenlegung der Daten unterscheidet sich              nen getragen und haben ihren Sitz jeweils an
                                  bei den verschiedenen Meldeplattformen.                   einem etablierten Museum. Naturgucker.de ist
                                  Während Observation, iNaturalist und Naturgu­             selbstständig als gemeinnützige eingetragene
                                  cker alle überprüften Daten in das GBIF-Netz­             Genossenschaft organisiert. Naturbeobachtung
                                  werk speisen und damit gebündelt jedermann                und Ornitho werden hingegen von privaten Fir­
                                  zur Nutzung bereitstellen, fehlen Ornitho und             men betrieben, die im Auftrag der jeweiligen
                                  Naturbeobachtung hier derzeit noch. GBIF als              NGO arbeiten.

4                                 online preview                                                             ANLIEGEN NATUR           43(1), 2021
Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme - Überblick und Erfahrungsbericht
K aufmann & Lindner:
Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme                                         Verschiedenes

                                                                                                        Abbildung 3
                                                                                                        Observation.org
Naturbeobachtung, Naturgucker und Observa­          Dieser Vertrag regelt, dass die Experten am         bietet Smartphone-­
tion haben Organisationssitz und Server in der      Haus der Natur und aus den Arbeitsgemein­           Apps, mit denen
Europäischen Union. Biolovision Sàrl, die Orni­     schaften Observation.org nutzen und österrei­       Daten gesammelt
                                                                                                        und Fotos automa­
tho im Auftrag der jeweiligen Landesinstitutio­     chische Beobachtungen, soweit ihnen dies
                                                                                                        tisch bestimmt
nen betreiben, haben ihren Sitz in der Schweiz      möglich ist, überprüfen und validieren. Im Ge­      werden können.
und iNaturalist hat Ursprung und Sitz in den        genzug dazu dürfen diese Daten in die Bio­          Auf der Webseite
Vereinigten Staaten. Im Hinblick auf europäi­       diversitätsdatenbank zur Weiterverarbeitung         werden die erfass­
sche Digitalisierungsinitiativen sowie zur Stär­    übernommen werden.                                  ten Daten von Ex­
                                                                                                        perten überprüft
kung einer eigenständigen europäischen For­
                                                    Erfahrungen mit Observation.org                     und validiert (Foto
schungsinfrastruktur glauben wir, dass auch im                                                          und Bearbeitung:
Zusammenhang mit der Erfassung von Biodi­           An Observation International arbeiten neben         Peter Kaufmann).
versitätsdaten europäischen Systemen der Vor­       den Niederlanden auch Partnerorganisationen
zug gegeben werden sollte. Letztendlich wird        in Belgien, Spanien, Österreich und Deutsch­
wohl auch im Hinblick auf die Einbindung von        land (Nordrhein-Westfalen) mit. In der Regel
Projekten und Initiativen in das Fördersystem       betreiben diese Partner regionale Subdomains,
der Europäischen Union die Nutzung europäi­         ­auf denen die Daten für das jeweilige Gebiet
scher Dateninfrastrukturen zunehmend Bedeu­          gefiltert und abrufbar gemacht werden. Das
tung erlangen.                                       Haus der Natur betreibt mit hausdernatur.
                                                     observation.org eine Schnittstelle für das Bun­
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hat sich     desland Salzburg und die Region des National­
Observation für uns als vielversprechendste          parks Hohe Tauern. So werden die Daten regio­
Datenplattform dargestellt. Die Kontaktaufnah­       nal ­e rfasst und validiert, aber international
me mit der Stiftung war unkompliziert und das        ge­s ammelt und verfügbar gemacht. Für viele
Interesse an einer Kooperation groß. Nach ein­       ­G ebiete – so etwa Bayern – werden noch
jähriger Testphase besteht seit Mitte 2020 ein        ­Kooperationspartner gesucht. Die für Bayern
offizieller Kooperationsvertrag zwischen dem           erfassten Daten sind unter der Adresse bayern.
Haus der Natur und Observation International.          observation.­o rg bereits abrufbar.

ANLIEGEN NATUR            43(1), 2021               online preview                                                            5
K aufmann & Lindner:
    Verschiedenes                                                  Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme

                              Für erfahrene Beobachter bietet observation.         vorhandenen oder selbst definierten Gebieten
                              org die weltweite Erfassungsmöglichkeit von          lassen sich abfragen.
                              Tieren, Pflanzen und Pilzen via Webseite oder
                              direkt im Gelände mittels Smartphone-Apps            Um das Melden von Beobachtungen artenrei­
                              Obsmapp für Android und iObs für Iphone              cher Organismengruppen via App im Gelände
                              ­(vergleiche Abbildung 3). Für unerfahrene ­L aien   zu vereinfachen, wurden für Weichtiere, Ge­
                               gibt es darüber hinaus die Bilderken­nungs-­App     fäßpflanzen sowie Moose und Flechten Arten­
                               ObsIdentify, mittels der man über 22.000 Arten      listen für Österreich erstellt. Dadurch kann die
                               aus unterschiedlichsten Organismengruppen           Auswahl an Arten eingeschränkt und die Einga­
                               bestimmen kann. Alle mit Observation erfass­        be beschleunigt werden. Da die internationa­
                               ten Daten sind prinzipiell öffentlich, sensible     len und niederländischen Taxonomien nicht
                               Daten können jedoch vom Nutzer versteckt            immer zwangsläufig mit der in Österreich ver­
                               oder mit einem zeitlichen Embargo versehen          wendeten Nomenklatur übereinstimmen, wer­
                               werden. Hochgeladene Bilder und Audiodatei­         den sukzessive zusätzliche Arten und regionale
                               en sind standardmäßig unter Namensnennung           Artenlisten im Observation-System angelegt.
                               nach den Creative Commons (CC-BY-NC-ND)             Für die Übernahme in die Biodiversitätsdaten­
                               nutzbar. Auch andere Lizenz­o ptionen sind für      bank wurden außerdem Synonymielisten er­
                               den Benutzer auswählbar. Es gibt zudem ver­         stellt, um die Taxa aus Observation auf die in
                               schiedene Abfragemöglichkeiten, um sich Ver­        Österreich gültigen Artnamen zu referenzieren.
                               breitungskarten, Bildkarteien oder Statistiken
                               zu Arten und Gebieten anzeigen zu lassen (ver­      In den ersten beiden Jahren wurden durch die
                               gleiche Abbildung 4). Auch Artenlisten zu           Arbeitsgemeinschaften am Haus der Natur

            Abbildung 4
        Auf der Webseite
         von Observation
        lassen sich Daten
         zu Arten und Ge­
          bieten abfragen
        und einfache Ver­
       breitungskarten er­
           stellen (Quelle:
         observation.org).

6                             online preview                                                    ANLIEGEN NATUR          43(1), 2021
K aufmann & Lindner:
Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme                                         Verschiedenes

                                                                                                        Abbildung 5
bereits mehr als 130.000 Beobachtungen auf          stattfindet. Neben der Artenkenntnis bringen         Neben der internatio­
                                                                                                          nalen Seite Observation.
Observation.org erfasst (vergleiche Abbil­          die Experten hier vor allem ihre regionale Ge­
                                                                                                         org. gibt es auch eine
dung 5). Es handelt sich um Beobachtungen           bietskenntnis und ihr Wissen über die Verbrei­       Reihe von regionalen
von über 6.100 Arten verschiedenster Organis­       tung der Arten in Salzburg und Österreich kon­      Subdomains, ­wie
mengruppen. Es hat sich gezeigt, dass die           struktiv mit ein. Belegfotos von Gefäßpflanzen,      hausdernatur.
Funktionen von Observation.org wesentlich           Libellen, Schmetterlingen, Amphibien, Reptilien      observation.­org, die
                                                                                                        selbstständig von
zur Motivation der Datenmelder beigetragen          und Vögeln sind in Österreich fast vollständig
                                                                                                         Partner­organisationen
und der Datenrückfluss in den letzten beiden        validiert. Andere Organismengruppen werden            betreut werden. In
Jahren deutlich zugenommen hat. Neben der           bisher nur regional für Salzburg überprüft            den ersten beiden Jah­
vereinfachten Datenerfassung, sind sowohl das       oder von Experten anderer Länder punktuell            ren wurden in Salzburg
Ranking der Benutzer, aber auch die unmittel­       mitbetreut.                                         schon über 130.000 Be­
                                                                                                         obachtungen mit
bare Rückmeldung durch regionale Experten
                                                                                                        ­Observation.org
ein Motivationsfaktor. Datenmelder erfahren,        Unter den bisher für Salzburg neu erfassten          ­gesammelt (Quelle:
dass Beobachtungen überprüft und berück­            ­Daten sind auch Nachweise hochgradig gefähr­        hausdernatur.
sichtigt werden ­u nd haben auch die Möglich­        deter Arten, wie das Helm-Knabenkraut (Orchis        observation.org).
keit, mit den Validatoren in Kontakt zu treten.      militaris), die Sumpf-Heidelibelle (Sympetrum
Durch die Möglichkeit, Belegfotos verschiede­        depressiusculum) oder der Goldene Schecken­
ner Organismengruppen mit einem System zu            falter (Euphydryas aurinia) (Abbildung 1). Auch
erfassen, melden ­d ie Beobachter zunehmend          Neufunde für Salzburg wie die Zwerglibelle
Daten aus anderen Organismengruppen, jen­            (Nehalennia speciosa) wurden für auf diese Weise
seits ihres eigenen Spezialinteresses. Dadurch       ­b ereits dokumentiert. Zudem eignet sich die
werden vermehrt Streudaten auch zu bislang            Plattform auch für die Erfassung von Neobion­
untererfassten Arten­g ruppen dokumentiert,           ten, die sich gerade in Salzburg ausbreiten,
für die es wenige Experten gibt.                      wie etwa der Blauflügeligen Sandschrecke
                                                      (Sphingo­n otus caerulans) oder der Mauerei­
Darüber hinaus haben die Validatoren, das sind        dechse ­(Podarcis muralis).
einerseits Mitglieder der Arbeitsgemeinschaf­
ten am Haus der Natur oder auch Museums­            Zusammenfassend sind wir davon überzeugt,
mitarbeiter, knapp 70.000 Fotos überprüft und       dass digitale Beobachtungsdaten und insbe­
­v alidiert. Eine Tätigkeit, die ähnlich wie das    sondere Citizen Science-Daten in der Biodiver­
 Melden der Daten größtenteils ehrenamtlich         sitätsforschung weiterhin an Bedeutung

ANLIEGEN NATUR            43(1), 2021               online preview                                                                   7
K aufmann & Lindner:
    Verschiedenes                                        Biodiversitätsdaten, Citizen Science und Online-Erfassungssysteme

                    gewinnen werden, sofern diese entsprechend           Literatur
                    überprüft und gepflegt werden. Die Zusam­            Dämon, W. & Krisai-Greilhuber, I. (2016): Die Pilze Öster­
                    menarbeit regionaler Forschungseinrichtun­             reichs. – Verzeichnis und Rote Liste, Österreichische
                    gen mit internationalen Meldeplattformen               Mykologische Gesellschaft, Wien.
                    halten wir für einen vielversprechenden Weg,         Dämon, W., Gros, P. & Medicus, C. (2004): Die Biodiversi­
                    von dem alle Beteiligten profitieren können.           tätsdatenbank des Landes Salzburg am Haus der
                    Datenstreuung oder Konkurrenz zwischen den             Natur. – Mitteilungen aus dem Haus der Natur 16:
                    Datenpattformen kann durch die Beteiligung             14–20.
                    am GBIF-Netzwerk vermieden werden, da so             Ganzevoort, W., van den Born, R. J. G., Halffman, W. et al.
                    sichergestellt wird, dass die Daten schlussend­        (2017): Sharing biodiversity data: citizen scientists‘
                    lich an einem Punkt zusammenlaufen.                    concerns and motivations. – Biodiversity and Con­
                                                                           servation, 26: 2821–2837.
                                                                         Guariento, E., Anderle, M., Colla, F. et al. (2020): Citizen
                                                                           Science for biological data in the Tyrol – South
                                                                           ­Tyrol – Trentino Euroregion: comparing options
                                                                            and a call for participation. – Gredleriana 19: 77–86;
                                                                            doi: 10.5281/zenodo.3565295.
                    Autoren                                              Illich, I., Werner, S., Wittmann, H. et al. (2010): Die Heu­
                                                                            schrecken Salzburgs. – Salzburger Natur-Monogra­
                    Peter Kaufmann, MSc,                                    phien 1, Haus der Natur, Salzburg.
                    Jahrgang 1985.                                       Kyek, M. & Maletzky, A. (2006): Atlas und Rote Liste
                                                                           der Amphibien und Reptilien Salzburgs. – Stand
                    Studium der Ökologie von 2005 bis 2014. Seit           Dezember 2005, Naturschutzbeiträge 33: 240 pp.
                    2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Haus          Lawrence, A. & Turnhout, E. (2010): Personal meaning in
                    der Natur und freiberuflicher Biologe im               the public sphere: The standardisation and rationa­
                    ­B ereich Artenschutz. Seit 2015 Leiter der Her­       lisation of biodiversity data in the UK and the
                     petologischen Arbeitsgemeinschaft (HerpAG)            Netherlands. – Journal of Rural Studies, 26: 353–360.
                     Salzburg. Seit 2020 Kurator der Biodiversitäts­     Lindner, R. (2003): Biodiversitätsdaten – Erfassen – Ver­
                     datenbank am Haus der Natur. Arbeitsschwer­            netzen – Darstellen. – NaturLand Salzburg Heft 3:
                     punkte: Datenverwaltung und Auswertung,                26–27.
                     ­Populationsbiologie, Amphibienschutz und           Slotta-Bachmayr, L., Medicus, C. & Stadler, S. (2012):
                      Biogeographie.                                       ­Rote Liste der gefährdeten Burtvögel des Bundes­
                                                                            landes Salzburg. – Naturschutz-Beiträge 38/12,
                                                                            ­Salzburg: 188 pp.
                    Haus der Natur, Biodiversitätszentrum
                    peter.kaufmann@hausdernatur.at                       Stüber, E., Lindner, R. & Jerabek, M. (2014): Die Säugetie­
                                                                           re Salzburgs. – Salzburger Natur-Monographien 2,
                                                                           Haus der Natur, Salzburg: 272 pp.
                                                                         Zuna-Kratky, T., Landmann, A., Illich, I. et al. (2017): Die
                    Mag. Dr. Robert Lindner,                               Heuschrecken Österreichs. – Oberösterreichisches
                    Jahrgang 1966.                                         Landesmuseum Linz.

                    Studium der Zoologie an den Universitäten
                    Wien, ­S alzburg, Sheffield. Von 2000 bis 2002
                    und ab 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter am
                    Haus der Natur. Seit dem Jahr 2000 beteiligt
                    am Aufbau und Betreuung von Biodiversitäts­
                    datenbanken am Haus der Natur und auch an
                    anderen Museen, Mitarbeit an der Software­
                    entwicklung (BioOffice). Seit 2009 Leiter des
                    Bio­diversitätszentrums und der wissenschaft­
                    lichen Sammlungen am Haus der Natur, stell­            Zitiervorschlag
                    vertretender Direktor.                                 K aufmann, P. & Lindner, R. (2021): Biodiversitäts­
                                                                              daten, Citizen Science und Online-Erfassungs­
                    Haus der Natur, Biodiversitätszentrum                     systeme – Überblick und Erfahrungsbericht. –
                    robert.lindner@hausdernatur.at                            ANLiegen ­Natur 43(1): online preview, 8 p.,
                                                                              Laufen; ­w ww.anl.bayern.de/publikationen.

8                   online preview                                                       ANLIEGEN NATUR                43(1), 2021
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