Übungsempfehlungen bei patellofemoralen - Kniebeschwerden - SEMS-journal
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published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 REVIEW Übungsempfehlungen bei patellofemoralen - Kniebeschwerden EXERCISE IS MEDICINE Lutz N¹,², Zesiger L², Rogan S¹,³,⁴, Tscholl PM⁵ ¹ Berner Fachhochschule, Departement Gesundheit, Abteilung Physiotherapie, Bern, Schweiz ² Hirslanden Klinik Linde, Abteilung Physiotherapie, Biel, Schweiz ³ Akademie für integrative Physiotherapie und Trainingslehre, AfiPT, Grenzach-Wyhlen, Deutschland ⁴ Vrije Universiteit Brussel, Fakultät für Sport- und Bewegungswissenschaften und Physiotherapie, Brüssel, Belgien ⁵ Centre de médicine de l’appareil locomoteur et du sport, Hôpitaux Universitaires de Genève, Suisse
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 Abstract The aim of this article is to present functional exercises recommended for patellofemoral knee problems based on current clinical guidelines. These exercises can easily be performed by patients at home. The correct execution and quality of movement must be supervised so that the training can be implemented in a goal-oriented manner and ultimately lead to adequate muscular fatigue. Individual guidance and occasional monitoring by a physical therapist are helpful. The main focus is on training the gluteal and quadriceps muscles, as well as the corresponding muscular chains of the lower extremity and the trunk, which together provide the conditions for a stable leg axis. As a result, pain can be reduced and muscle function improved in people with patellofemoral knee problems. Zusammenfassung Ziel dieses Artikels ist es, anhand aktueller klinischer Richtlinien funktionelle Übungsempfehlungen bei patellofemoralen Kniebeschwerden aufzuzeigen. Die Übungen können von Patienten einfach zu Hause durchgeführt werden. Zu beachten ist dabei eine korrekte Bewegungsausführung und -qualität, damit das Training zielführend umgesetzt werden und schlussendlich eine adäquate muskuläre Ermüdung erfolgen kann. Dabei sind eine individuelle physiotherapeutische Anleitung und punktuelle Begleitung hilfreich. Im Hauptfokus steht das Training der Gluteal- und Quadrizepsmuskulatur, als auch der entsprechenden muskulären Ketten der unteren Extremität und des Rumpfes, welche zusammen die Voraussetzungen für eine stabile Beinachse ermöglichen. Dadurch können Schmerzen bei Personen mit patellofemoralen Kniebeschwerden reduziert und die Muskelfunktion verbessert werden. Einleitung Die aktive Bewegungstherapie stellt einen wichtigen Behandlungspfeiler patellofemoraler Kniebeschwerden dar [1,2]. Einerseits bei einer Über- oder Fehlbelastung, bei welcher gemeinsam mit der betroffenen Person die individuell angepassten Übungen erarbeitet werden. Andererseits auch bei Unterbelastung aufgrund von Schmerzen und Schonverhalten, wo funktionelle Reizsetzungen fehlen, ermöglichen die untenstehenden Basisübungen eine gezielte Stimulation der Muskelzellen mit entsprechendem Kraftaufbau. Zu Beginn können Übungen gewählt werden, welche vorwiegend die Glutealmuskulatur trainieren und je nach Ausgangsstellung geringe Belastung auf das Kniegelenk ausüben. Sukzessive sollten dann auch kniebelastende Übungen eingebaut werden. Einen wichtigen Baustein stellt die Bereitschaft der Patienten dar, die Übungen in Eigenverantwortung auch ohne physiotherapeutische Betreuung durchzuführen. Es ist darauf zu achten, dass Fortschritte in der Bewegungskontrolle und im Schmerzverhalten erkennbar sind. Für das untenstehende Trainingsprogramm wurden Übungen ausgewählt, welche mit eigenem Körpergewicht oder zusätzlich mit Hilfsmitteln (z.B. Theraband, Hanteln, Gewichtsscheiben) durchführbar sind. Das Trainingsziel und die Belastbarkeit bestimmen die Belastungsnormativen (Intensität, Umfang, Dichte und Dauer des Trainingsreizes). Um ein Heimprogramm durchzuführen, können drei bis vier Übungen aus dem unten dargestellten Programm ausgewählt werden [3]. Ein Krafttraining an
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 Trainingsgeräten kann ebenso empfehlenswert sein, an welchen die für den Kraftaufbau erwünschte Ausbelastung etwas einfacher durch Zusatzgewichte reguliert werden kann (beispielsweise an der Beinpresse). Die Übungen verfolgen das Ziel, die Muskelkraft zu verbessern sowie die individuelle Beinachse zu optimieren. Der Fokus liegt hierbei auf der Kräftigung der Gluteal- und Quadrizepsmuskulatur sowie der entsprechenden muskulären Ketten der unteren Extremität und des Rumpfes [4,5]. Grundsätzlich soll eine muskuläre Ermüdung bei guter Bewegungsqualität erreicht werden, dies kann auch über mehrere Serien erfolgen [6]. Soll mehr Wert auf Sensomotorik und Koordination gelegt werden, können die Übungen mit geschlossenen Augen oder teils auch auf instabilen Unterlagen ausgeführt werden. Im Idealfall erfolgt die Übungsausführung über das volle Bewegungsausmass. Als externer Fokus kann ein Laserpointer verwendet werden. Dies ist bei den Übungsvorschlägen 9, 10 und 11, mit Beispiel von Fixation am Oberschenkel ersichtlich, wodurch die Beinachse durch den Patienten direkt kontrolliert werden kann. Kniebeugewinkel und Bewegungsausführung (Rhythmus konzentrisch – exzentrisch, beschleunigend) können variiert werden. Je nach Ziel können die meisten Übungen bis zu sehr dynamischer, explosiver und nach Möglichkeit reaktiver Bewegungsausführung aufgebaut werden. Im Programm sind die Übungen mit der jeweiligen Ausgangsposition und Ausführung beschrieben. Ebenso werden die Muskeln genannt, welche hauptsächlich angesteuert werden. Dabei wird unterschieden, ob es sich mehr um den Trainingseffekt Kraft oder Koordination handelt (mit –, + oder ++ gekennzeichnet). 1. Muschel (clamshell) Ausgangsposition Seitenlage, Knie angewinkelt. Ausführung Das zu trainierende Bein ist oben. Die Grosszehen haben stetigen Kontakt, und das obenliegende Knie wird nach oben geführt. Dadurch entsteht eine Hüftaussenrotation. Zu beachten Das Becken bleibt konstant in Neutralstellung (kein Hohlkreuz, keine Lateralflexion). Durch die Knieflexion werden die Hüftabduktoren vermehrt aktiviert (weniger der Tensor fasciae latae). M. gluteus med. / min. ++ Kraft +
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 Koordination – Übungsvariante: Erhöhen des Widerstandes durch ein Theraband 2. Abduktion Seitenlage (side-lying leg lift) Ausgangsposition Seitenlage, unteres Knie angewinkelt. Ausführung Oberes Bein gestreckt anheben, mit der Ferse entlang der Wand nach oben und unten gleiten. Becken bleibt aufgerichtet (kein Hohlkreuz, keine Lateralflexion der Wirbelsäule). Zu beachten Leichte Innenrotation erhöht die Gesässmuskel- Aktivität. M. gluteus med. / min. ++ Kraft + Koordination – Übungsvariante: Gewichtsmanschette am oberen Bein
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 3. Seitstütz-Brücke (side-lying bridge) Ausgangsposition Seitwärtsstütz mit angewinkelten Knien (zu trainierendes Bein unten). Ausführung Becken seitlich hochstossen und wieder absenken lassen (ohne Bodenkontakt). Zu beachten Schulter, Hüfte und Knie in einer Linie halten, Becken bleibt aufgerichtet (kein Hohlkreuz). M. gluteus med. / min. ++ M. gluteus max. + Seitliche Rumpfmuskulatur + Kraft ++ Koordination + Übungsvariante: Unteres Bein gestreckt, oberes Bein in die Höhe 4. Brücke (bridging) Ausgangsposition Rückenlage, Knie angewinkelt. Ausführung Gesäss anheben/senken (keinen Bodenkontakt). Zu beachten LWS in stabiler Position, kein Hohlkreuz – dadurch erfährt der M. rectus femoris eine Verlängerung, abhängig vom Kniebeugewinkel. M. gluteus med. / min. +
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 M. gluteus max. ++ Hamstrings ++ Kraft ++ Koordination – Übungsvariante: Leicht: beidbeinig Mittel: einbeinig Schwer: Standbein in vermehrter Extension 5. Abduktion Stand (standing side leg lift) Ausgangsposition Einbeinstand auf dem zu trainierenden Bein. Ausführung Spielbein seitlich abspreizen mit Theraband oberhalb der Malleolen. Fussspitze zeigt dabei leicht nach innen. Zu beachten Hüftinnenrotation des Spielbeins führt zu mehr Abduktoren-Aktivität des Standbeines. Der Oberkörper mittig ausrichten und stabil halten. M. gluteus med. / min. ++ M. quadriceps + Kraft ++ Koordination – Übungsvariante: Theraband oberhalb des Knies (vereinfachend) oder um den Vorfuss (erhöht Mm. peroneii Aktivierung und M.
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 gluteus med.). 6. Stepper (step up) Ausgangsposition Stand auf dem zu trainierenden Bein auf einer Stufe.
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 Ausführung Kurzes Antippen mit dem Spielbein auf dem Boden, ohne Gewichtsverlagerung. Zu beachten Stabiles Ausrichten des ganzen Körpers inkl. korrekter Beinachse. Kontrollierte Bewegungen, wenn notwendig sehr langsam. M. gluteus med. / min. ++ M. gluteus max. + M. quadriceps ++ Kraft ++ Koordination ++ Übungsvariante: Seitlich nach hinten-links/rechts tippen. Steigerung: Sprung auf Stepper. Externer Fokus mit Laserpointer. 7. Storch (stork) Ausgangsposition Stand einbeinig, Ball zwischen Becken und Wand. Ausführung Über das zu trainierende Standbein das Becken nach seitlich oben zum Ball drücken. Zu beachten Spielbein in entsprechendem Winkel halten, sodass optimaler Druck auf den Ball übertragen werden kann. M. gluteus med. / min. ++ M. quadriceps +
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 Kraft ++ Koordination + Übungsvariante: Standbein kann in der Hüfte und Knie flektiert gehalten werden. 8. Ausfallschritt an Ort (squat lunge) Ausgangsposition Ausfallschritt an Ort, Gewichtsverteilung symmetrisch. Ausführung Gewichtsverteilung gleichmässig. Körperschwerpunkt wird gerade nach unten - gebracht. Zu beachten Becken bleibt aufgerichtet (kein Hohlkreuz), so auch optimale Dehnung auf dem hinteren Bein möglich (M. rectus femoris/ M. Iliopsoas). Möglichst volles Bewegungsausmass, ohne mit dem hinteren Knie den Boden zu berühren. M. gluteus med. / min. + M. gluteus max. + M. quadriceps ++ Hamstrings + Kraft ++ Koordination + Übungsvariante: Je nach Ziel das Gewicht mehr aufs vordere oder hintere Bein verlagern. Zusatzgewicht möglich (Langhantel, Rucksack,
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 Gewichtsscheiben). Dynamischere Ausführung: aus dem Stand jeweils Schritt nach vorne oder nach hinten. 9. Einbeinige Kniebeuge mit Rutschpad (single leg squat/slider) Ausgangsposition Stand auf dem zu trainierenden Bein, Oberkörper leicht nach vorne geneigt. Ausführung Spielbein auf Rutschpad gerade nach hinten oder seitlich abspreizen (mit wenig Druck auf Pad gleiten lassen). Zu beachten Gewicht auf dem Standbein halten, welches in der Achse zu halten ist, keine raschen Korrekturbewegungen aus dem Rumpf. M. gluteus med. / min. ++ M. gluteus max. + M. quadriceps ++ Hamstrings + Kraft ++ Koordination ++ Übungsvariante: Externer Fokus mittels Laserpointer am Standbein. Grösserer Bewegungsradius. Instabile Unterlage unter dem Standbein.
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 10. Kippbrett (balance board) Ausgangsposition Stand mit dem zu trainierenden Bein auf Kippbrett. Ausführung Seitwärtskippen des Kippbrettes durch Absenken des medialen bzw. lateralen Fussrandes und anschliessendem Wiederaufrichten in die neutrale Position des Fusses. Zu beachten Aktive Pro-/Supination des Sprunggelenks bei stabiler Beinachse. Arme bleiben am Körper. M. gluteus med. / min. ++ M. quadriceps + Mm. peroneii ++ M. tibialis post. ++ Kraft – Koordination ++ Übungsvariante: Externer Fokus mit Laserpointer. Hinterer Fuss mehr oder weniger abstützen, Gewicht möglichst nur auf dem zu trainierenden Bein. 11. Kabelzug Rotation (cable pull rotation) Ausgangsposition Stand auf dem zu trainierenden Bein. Griff am Kabelzug auf der Standbeinseite.
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 Ausführung Griff zur Gegenseite ziehen mit gestreckten Armen. Beinachse und Oberkörper bleiben stabil nach vorne ausgerichtet. Zu beachten Fliessende Bewegung, Körperspannung über die Rumpfmuskulatur. M. gluteus med. / min. ++ M. quadriceps + Hamstrings + Rumpfmuskulatur + Kraft + Koordination ++ Übungsvariante: Griff schräg nach oben/unten zur Seite ziehen. Veränderung des Kniewinkels. Externer Fokus mit Laserpointer. 12. Langhantel Rotation (barbel rotation) Ausgangsposition Stand auf dem zu trainierenden Bein. Knie gebeugt. Rücken fixiert Pezziball gegen die Wand. Ausführung Langhantel langsam nach aussen führen, in der Mitte Handwechsel. Zu beachten Oberkörper bleibt stabil. Keine zu grossen Gewichte.
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 M. gluteus med. / min. ++ M. gluteus max. + M. quadriceps +/++ Hamstrings + Rumpfmuskulatur + Kraft ++ Koordination ++ Übungsvariante: Tieferen Knieflexionswinkel wählen. Geschwindigkeit variieren. Gewichtsscheibe anstelle Langhantel. Rotation/Lateralflexion des Oberkörpers gezielt miteinbeziehen. Freistehend im einbeinigen Squat. Ausgangsposition Stand auf dem zu trainierenden Bein. Griff am Kabelzug auf der Standbeinseite. 13. Einbeiniges Rumpfaufrichten (single leg good morning) Ausgangsposition Einbeinstand, Knie nur leicht gebeugt. Ausführung Oberkörper bis in die Waagrechte nach vorne neigen, Spielbein nach hinten strecken und wiederaufrichten, ohne das Bein abzusetzen. Zu beachten Rücken bleibt gestreckt (kein Rundrücken), Kopf in der Verlängerung der Körperlängsachse. Stabile Beckenposition (waagrecht, kein seitliches Abkippen oder Hochdrehen).
published online on 05.03.2020 https://doi.org/10.34045/SEMS/2020/4 M. gluteus med. / min. ++ M. gluteus max. ++ Hamstrings ++ M. erector spinae + Kraft ++ Koordination ++ Übungsvariante: Zu Beginn ohne Zusatzgewicht, dann mit Gewichtsscheibe, Kettlebell, Kurzhanteln usw. möglich. ANTERIOR KNEE PAIN PATELLA DISLOCATION PATELLOFEMORAL DISLOCATION PATELLOFEMORAL MALALIGNMENT PATELLOFEMORAL PAIN TROCHLEAR DYSPLASIA
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