Capri-Sonne, Nutella und Milchschnitte - Über das Konsumverhalten jugendlicher Kunden und die Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Medien von ...

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Der Kritische Agrarbericht 2003

Capri-Sonne, Nutella und Milchschnitte
Über das Konsumverhalten jugendlicher Kunden und
die Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Medien

von Julia Engelken

                 Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Lebensmittelkonsum von Kindern und
                 Jugendlichen, den Mängeln im Ernährungsverhalten, den Ursachen der Fehlernäh-
                 rung sowie mit Möglichkeiten der Einflussnahme hin zu einem gesünderen Verhalten.
                 Speziell wird die Rolle unterschiedlicher Medien als Marketing- und Kommunika-
                 tionsinstrument betrachtet und bewertet.

Gesunde Ernährung ist eine wichtige Grundlage               Jugendlichen mehrheitlich sehr gut darüber Be-
für Gesundheit und Wohlbefinden. Es ist also von            scheid wissen, was eine gesunde Ernährung aus-
großer Bedeutung, dass Kinder von Anfang an                 macht (5, 11). Wie bei den Erwachsenen besteht
gesund essen, zumal sich das Ernährungsverhalten,           eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Wissen
das wir in der Kindheit erlernen, im Erwachsenen-           um eine gesunde Ernährung und Lebensweise und
alter nur schwer korrigieren lässt. Das Ernährungs-         dem tatsächlichen Verhalten. In einer Studie zum
verhalten von Kindern und Jugendlichen wird                 Ernährungswissen wurden 10- bis 19-Jährige zu
derzeit öffentlich stark diskutiert, da inzwischen          gesunder Ernährung befragt. 85 bis 89 Prozent
schon bei der jüngeren Generation gravierende               gaben an, dass es gesund für sie sei, jeden Tag
Folgen der Mängel im Ernährungsverhalten nach-              Milch zu trinken (6). Tatsächlich trinken nach der
gewiesen werden konnten: Adipositas (Fettsucht),            Kids-Verbraucher-Analyse aber nur 36 Prozent der
Übergewicht und Untergewicht sowie Essstörun-               6- bis 17-Jährigen täglich Milch (12). Viele der
gen sind weit verbreitet. Dies ergab eine Analyse           Kinder und Jugendlichen, vor allem Jungen, sehen
der Ernährungssituation von Kindern und Jugend-             überdies wenig bis gar keinen Bedarf, sich gesün-
lichen in Deutschland in den Jahren 1984 und                der zu ernähren. Offensichtlich wird die eigene Er-
1999 (6).                                                   nährung besser eingeschätzt als sie ist. Allgemein
                                                            herrscht die Ansicht, es werde bereits ausreichend
                                                            gesund gegessen. Wichtiger als der gesundheit-
Gegenwärtige Situation im Ernährungs-                       liche Wert ist der Jugend zudem guter Geschmack
verhalten von Kindern und Jugendlichen                      der Speisen (11). Offenbar wird gesunde Ernährung
                                                            in den seltensten Fällen mit Genuss gleichgesetzt
Die Zahl der ernährungsbedingten Krankheiten bei            und ist infolgedessen auch wenig beliebt. Im Jahr
Kindern und Jugendlichen ist erschreckend hoch.             1999 nannten 10- bis 14-Jährige Fast Food, Süßig-
So ergab eine Erhebung der Deutschen Gesell-                keiten, Knabbereien und süße Speisen ihre liebsten
schaft für Ernährung aus den Jahren 1984 sowie              Nahrungsgruppen (7). Unter den von den Kindern
1999, dass ca. 20 Prozent der Kinder und Jugend-            und Jugendlichen als gesund eingestuften Lebens-
lichen von sechs bis unter 17 Jahren als überge-            mitteln ist Obst das Beliebteste.
wichtig oder adipös einzustufen sind. Etwa 8 Pro-               Verwunderlich ist das Verhalten der Jugend-
zent sind untergewichtig (5). Somit sind nahezu ein         lichen nicht, wenn man das Ernährungsverhalten
Drittel der Kinder und Jugendlichen in Deutsch-             der Erwachsenen betrachtet. Kinder und Jugend-
land deutlich fehlernährt, obwohl die Kinder und            liche sind ein Teil unserer Gesellschaft, leben im

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Verbraucher und Ernährungskultur

gleichen Umfeld und spiegeln nicht nur unsere               mittel müssen heute in erster Linie Spaß machen,
Lebensweise, sondern auch unser Fehlverhalten im            funktionell sein und dem eigenen Image dienen.
Ernährungsbereich wider, das sie letztendlich von           Kaum ein Jugendlicher gibt sich heute noch mit
uns erlernen.                                               relativ einfachen, unverarbeiteten Lebensmitteln
                                                            zufrieden, da zu viele High-Tech-Produkte den
                                                            Markt bestimmen.
Entwicklung der Verzehrsgewohnheiten in                         Ganz allgemein entfremden wir uns mehr und
Deutschland                                                 mehr von den Lebensmitteln und ihrer Erzeugung.
                                                            Diese Entfremdung geht einher mit einem
Unsere Verzehrsgewohnheiten unterlagen im ver-
                                                            • Verlust der Wertschätzung von Lebensmitteln:
gangenen Jahrhundert einem starken Wandel. Im
                                                              Knappheit wird nicht mehr wahrgenommen,
Zuge der Industrialisierung, vor allem aber nach
                                                              Nahrungsmittel stehen den meisten Menschen bei
Kriegsende, stieg der Verbrauch von Fleisch,
                                                              uns im Überfluss zur Verfügung. Als Indikator für
Zucker und Fett stark an, während der Verbrauch
                                                              diesen Verlust gilt auch der sinkende Anteil der
der meisten Grundnahrungsmittel sank. In den
                                                              Ausgaben der Privathaushalte für Lebensmittel.
letzten Jahren stieg der Verbrauch von Brot, Ge-
                                                              1950 lag er noch bei rund 50 Prozent, 1998 waren
müse, Joghurt und Obst (13). Der Fleischkonsum
                                                              es hingegen nur noch 16 Prozent. Lebensmittel
hingegen sank nach einer langen Zeit konstanten
                                                              sind der Bereich, in dem viele Bundesbürger
Anstiegs auf bis zu 102 kg/Jahr (1990) wieder auf
                                                              sparen. Ein Hinweis dafür ist der große Erfolg der
etwa 94 kg/Jahr (1999) ab (18). Die Zunahme des
                                                              Lebensmittel-Discounter (13).
Verbrauchs pflanzlicher Nahrungsmittel wird von
der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zwar als           • Verlust der Lebensmittelidentität: Zu Non-Food-
positiv bewertet, es gibt jedoch nach wie vor er-             Artikeln wird kein prinzipieller Unterschied mehr
hebliche Mängel in unserer Ernährung. So stieg der            wahrgenommen; Lebensmittel werden oft stark
Fettverzehr im vergangenen Jahrzehnt weiter an                vorverarbeitet gekauft und sollen, wie andere
und auch der Zucker- und Alkoholverbrauch wird                Industrieerzeugnisse auch, einen bestimmten
von der DGE weiterhin als sehr hoch beurteilt (5).            funktionellen Zweck erfüllen.
    Wir verbringen immer weniger Zeit zu Hause
                                                            • Verlust der originären Beziehung zur Herkunft:
und mit der Familie, selber zubereitete, gemeinsam
                                                              Auf Grund der hohen Verarbeitungstiefe weiß
eingenommene Mahlzeiten werden mehr und mehr
                                                              heute kaum ein Verbraucher Genaueres über die
zur Ausnahme. Zunehmende Mobilität und Zeit-
                                                              Erzeugung und die Inhaltsstoffe seiner Lebens-
mangel führten in den letzten Jahren zu einer ex-
                                                              mittel.
tremen Zunahme des Außer-Haus-Verzehrs, vor
allem in dem bei Jugendlichen besonders popu-               • Verlust der emotionalen Beziehung zur Nah-
lären Snack- und Fast Food-Bereich. Dieser jedoch             rungsmittelaufnahme: Durch die sinkenden Haus-
zeichnet sich vielfach durch äußerst ungünstige               haltsgrößen und die vermehrte Berufstätigkeit der
Nährstoffzusammensetzung aus. Der Gehalt an                   Frauen löst sich die häusliche Tischgemeinschaft
Fett und Zucker ist häufig zu hoch, die Dichte an             mehr und mehr auf, der Außer-Haus-Verzehr
Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen jedoch                 nimmt hingegen stark zu (17).
gering. Gerade die Snack- und Fast Food-Branche
und viele Hersteller von Süßigkeiten, Knabber-              Dieser Wandel ist das Ergebnis eines langjährigen
artikeln und stark zuckerhaltigen Getränken richten         gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses, der
ihre Marketingaktivitäten speziell auf die Ziel-            sich kaum rückgängig machen lässt. Dennoch
gruppe der Kinder und Jugendlichen aus. Damit               bleibt die Frage bestehen, ob bei Jugendlichen ein
wird der Konsum dieser Lebensmittel stark geför-            verändertes Ernährungsverhalten zu erreichen ist
dert, gesündere Alternativen sind weniger inte-             und wenn ja, wo die Ansatzpunkte dafür sind.
ressant. Es ist also kaum verwunderlich, dass schon
bei den jüngeren Generationen gravierende Folgen
der Mängel im Ernährungsverhalten auftreten.                Gründe für die Entwicklung zur gegen-
    Insgesamt geht die Wertschätzung der Men-               wärtigen Situation
schen für Nahrungsmittel zurück. Auch bei den
Kindern und Jugendlichen zeichnet sich ab, dass             Um die Frage zu beantworten müssen zunächst
die Qualität der Nahrungsmittel und der Gehalt an           einmal diejenigen Faktoren betrachtet werden, die
Nährstoffen von geringer Bedeutung sind. Lebens-            unser Ernährungs- und Konsumverhalten im Le-

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Der Kritische Agrarbericht 2003

bensmittelbereich begründen. Abbildung 1 zeigt               Dies führte in jüngster Zeit zu einer verstärkten
einen Überblick der wichtigsten Faktoren.                    Auseinandersetzung der Verbraucher mit Lebens-
                                                             mitteln und zu einer Mehrpreisbereitschaft für
                                                             bestimmte Lebensmittel, die jedoch vermutlich
Ökonomische Einflussfaktoren                                 nicht von Dauer ist (19).
                                                                 Ein weiteres Kriterium, das etwa die Hälfte der
Die steigende Bedeutung der Discounter (13) zeigt,           Konsumenten heute auszeichnet, ist das Bedürfnis
dass die Deutschen beim Kauf stark auf den Preis             nach Abwechslung beim Einkauf. Beim „Variety
der Lebensmittel achten. Das Preis-Leistungs-Ver-            Seeking“ wechselt der Kunde zwischen Marken
hältnis wird hartnäckig hinterfragt, Markentreue             und Produkten. Dies ist vor allem der Fall bei
ist eher die Ausnahme, auch bei den Kindern und              Produkten wie Joghurt, Desserts, Brot und Back-
Jugendlichen. Im Gegensatz zu anderen Konsum-                waren, Fruchtsäften etc., weniger bei Grundnah-
artikeln, wo Marken für Kinder und Jugendliche               rungsmitteln (15). Die immense Menge an neuen
eine sehr große Rolle spielen, sind sie im Lebens-           Produkten, die jährlich auf dem Markt erscheint,
mittelbereich vorwiegend bei Süßwaren, Geträn-               belegt diesen Trend. Gerade Jugendliche sind
ken und Eis von Bedeutung (16). Immer wichtiger              häufig Variety Seeker. Dies gilt besonders für Pro-
werden, auch bei Jugendlichen, neben finanziellen            dukte, die sie sich selber kaufen, so lange sie noch
Kriterien auch der Zeitbedarf, der für Beschaffung           keinen eigenen Haushalt haben wie Süßigkeiten,
der Lebensmittel, eventuelle Zubereitung und                 Eis und Knabberartikel (16).
Verzehr aufgewendet werden muss. Wie die Er-                     Einen starken Einfluss auf die Kaufentschei-
wachsenen so leiden auch bereits unsere Kinder               dung kann auch die Werbung ausüben. Viele Pro-
unter immer größer werdendem Zeitdruck.                      dukte werden ausdrücklich als Kinderprodukte
                                                             ausgelobt. Die Werbung richtet sich dann entweder
                                                             an die Kinder und Jugendlichen selber oder an die
Psychologische Einflussfaktoren                              Eltern. Bei den unterschiedlichen Zielgruppen
                                                             werden unterschiedliche Werbeargumente ver-
Neben den ökonomischen Gesichtspunkten wählen                wendet. Sollen die Eltern angesprochen werden,
wir Lebensmittel auch danach aus, wie sie unsere             wird beispielsweise häufig mit Gesundheitsaspek-
Psyche ansprechen. Zum Beispiel können Produk-               ten geworben, bei Kindern mit coolem Image und
te, die wir aus unserer Kindheit kennen, ange-               Zusatznutzen wie Spielzeug als Zugabe in der
nehme Emotionen auslösen und uns dadurch zum                 Packung. Obgleich die DGE konstatiert, dass Pro-
Kauf bewegen. Außerdem kommt es häufig darauf                dukte, die Kindern durch Fernsehwerbung bekannt
an, welches Bild wir von uns haben und wie ein               sind, nicht stärker konsumiert werden als andere (5),
Produkt in dieses Bild hineinpasst. Wer sich bei-            führen ausnahmslos stark beworbene Produkte die
spielsweise als sportlich betrachtet, kauft andere           Ranglisten der beliebtesten Artikel an (siehe Ab-
Lebensmittel als jemand, der sich als genussorien-           bildung 2) und die Unternehmen wenden Millio-
tierten Menschen sieht. Lebensmittel sind generell           nenbeträge für die Werbung auf.
Low-Involvement-Produkte, d. h. der Kunde hat
nur ein sehr geringes Interesse daran, sich über das
Produkt zu informieren. Allerdings gibt es auch im           Soziologische Einflussfaktoren
Lebensmittelbereich Abstufungen. So ist das In-
volvement niedriger, je günstiger die Produkte               Gesellschaftliche Veränderungen spiegeln sich ge-
sind, da das Risiko eines Fehlkaufes geringer ist.           rade bei der jüngeren Generation stark im Konsum-
Bei Jugendlichen ist das Involvement niedriger als           verhalten wider. Jugendliche, die sich ohnehin in
bei Erwachsenen. Sie setzen sich zunächst meist              einer Phase der Orientierung befinden, sind durch
nur mit bestimmten Produkten näher auseinander,              immer neue Katastrophenmeldungen, Umwelt-
hören zum Beispiel auf, Fleisch zu essen. Das                belastungen, Terror, Kriege und wirtschaftliche
Interesse und das Involvement steigen, wenn die              Schwierigkeiten stark verunsichert. Sie suchen
Jugendlichen von zu Hause ausziehen und ihre                 nach einem neuen Halt und Sinn in ihrem Leben,
Lebensmittel selber kaufen, oder wenn sie eigene             die in den 80er und 90er Jahren zum Teil sehr
Kinder bekommen. Ebenso steigt das Risiko und                starke Fixierung auf das Ego geht zurück. Freund-
damit das Involvement bei einzelnen Produkten                schaft, Partnerschaft und Familienleben, Lebens-
wie Fleisch und Eiern, wenn gesundheitliche Ge-              genuss, Gesundheitsbewusstsein und Toleranz sind
fährdungen wie BSE oder Salmonellen drohen.                  den Jugendlichen heute u. a. wichtig (9). Bei weiter-

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Verbraucher und Ernährungskultur

 Abb. 1: Einflussfaktoren auf das Konsumverhalten im Lebensmittelbereich

       Ökonomische                Psychologische           Soziologische           Situative
       Faktoren                   Faktoren                 Faktoren                Faktoren

       Essenspreise               Emotionen                Familie                 Sättigungsgefühl
       Einkommen                  Innere Bilder            Freunde                 Angebot
       Zeitaufwand                Involvement              Soziales Milieu         Gemütszustand
                                  Risikoneigung            Lebensstil              Ernährungs-
                                  Variety Seeking          Kulturelles             trends
                                  Werbung u. ä.            Umfeld

                                      Verhalten des Konsumenten

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an (1)

 Abb. 2: Spitzenplätze beliebter Nahrungsmittel bei Kindern und Jugendlichen (10)

 Kategorie                                            Produkt

 Fruchtsäfte                                          Capri-Sonne

 Brotaufstriche                                       Nutella

 Milchprodukte und Dessertspeisen                     Milch-Schnitte

 Frühstücksprodukte                                   Kellogg’s Frosties

 Bonbons und Fruchtgummi                              Haribo Fruchtgummi

 Tafelschokolade                                      Milka

 Schoko- und Müsliriegel                              Duplo

 Eis                                                  Magnum

hin sinkenden Haushaltsgrößen wird die Familie            und Kartoffeln sind hingegen vor allem bei jünge-
häufig durch freiwillig gewählte Bezugsgruppen            ren Bevölkerungsgruppen unbeliebt (19). Der Fast
wie Freunde, Kollegen, Interessengemeinschaften           Food- und Snack-Bereich verzeichnet gerade bei
ersetzt. Diese Bezugsgruppen bestimmen vor                diesen Konsumentengruppen starke Umsatzzu-
allem bei Kindern und Jugendlichen sehr stark,            wächse, während traditionelle Gaststätten und
welche Produkte gekauft werden (5).                       Restaurants rückläufige Umsätze erzielen (2, 20).
    Deutschland ist eines der Länder mit der ge-          In den 90er Jahren lag die Marktentwicklung im
ringsten Haushaltsgröße. In Ein- und Zwei-Perso-          Lebensmitteleinzelhandel für Essen im Haus bei
nen-Haushalten wird wenig selber gekocht. Ver-            einem Plus von lediglich 6,8 Prozent, gegenüber
mehrter Außer-Haus-Verzehr und eine immer                 einem Plus von 30,9 Prozent für Essen außer Haus.
stärkere Nachfrage nach kleinen Packungs- und             Das meiste Geld wird dabei für Fast Food aus-
Portionsgrößen sowie Convenience-Produkten                gegeben (3). Dieser Trend ist nicht zuletzt deshalb
sind die Folge. Produkte, deren Konsum relativ            so erfolgreich, weil die Fast Food-Branche sich
zeit- und arbeitsaufwändig ist wie Frischfleisch          wie oben beschrieben speziell auf junge Kunden

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Der Kritische Agrarbericht 2003

eingestellt hat und somit stetig für ‚Nachschub’ an         auch starken Einfluss auf die Kaufentscheidungen
neuen Kunden sorgt. Vom Angebot über die Wer-               der Eltern – vielfach kaufen diese die Lebens-
bung bis zum Ambiente ist alles auf diese Ziel-             mittel, die von ihren Kindern gewünscht werden.
gruppe ausgerichtet.

                                                            Bedeutung und Möglichkeiten der Medien
Situative Einflussfaktoren
                                                            Viele Hersteller nutzen die Medien als Kommu-
Ebenso wie bei den Erwachsenen ist auch bei den             nikationsinstrumente um Kinder und Jugendliche
Kindern und Jugendlichen das Einkaufsverhalten              anzusprechen. Etwa zwei Drittel der Kinder und
von situativen Faktoren wie der Erreichbarkeit              Jugendlichen verbringen ihre Freizeit drinnen. Ca.
bestimmter Einkaufsstätten oder Restaurants, dem            70 Prozent dieser Zeit beschäftigen sie sich mit den
Sättigungszustand oder von der momentanen Stim-             Medien, vor allem mit Fernsehen (nach Angaben
mung abhängig.                                              der DGE (5) durchschnittlich ca. zwei Stunden pro
    Die Konsumentscheidung hängt also sowohl                Tag), aber auch mit den Printmedien, Radio und
bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugend-            Computer (4). Vor allem im Bereich Süßwaren und
lichen von einer Vielzahl von Faktoren ab, deren            Frühstückscerealien werden Kinder und Jugend-
Gewichtung bei jedem Konsumenten und jedem                  liche gezielt direkt angesprochen. Selten wird mit
Produkt unterschiedlich ist. Gerade bei Kindern             Gesundheitsaspekten argumentiert, häufiger mit
und Jugendlichen ist die Möglichkeit der Beein-             Geschmack, Genuss, Lifestyle, Chic etc. (5).
flussung allerdings besonders hoch, da noch keine               Der Erfolg der Medien beruht auf den viel-
gefestigten Konsumgewohnheiten bestehen. Diese              fältigen Reizen und der Möglichkeit zur Informa-
Tatsache machen sich viele Unternehmen bereits              tion und Orientierung. Kinder brauchen heute mehr
zu Nutze und versuchen auf vielerlei Wegen, diese           und stärkere Reize um sich zu unterhalten als
Zielgruppe zu erreichen.                                    früher. Sie wollen „Fun“, „Action“ und „Entertain-
    Gleichzeitig liegt hier aber auch die Chance,           ment“ (4). Gerade in der schwierigen Phase des
Kinder und Jugendliche in Richtung eines gesün-             Heranwachsens und der Pubertät werden die Me-
deren Essverhaltens zu beeinflussen. Jugendlichen           dien nicht nur zur Unterhaltung genutzt, sondern
heute ist Genuss zwar wichtig, Gesundheit und               auch um sich über Trends und Ansichten der Be-
Wohlbefinden jedoch ebenfalls (9). Gesündere                zugsgruppen zu informieren. Ernst zu nehmende
Nahrungsmittel brauchen aber ein zeitgemäßes                Werbung wird geschätzt, allerdings durchschauen
Image, um bei den Kindern und Jugendlichen                  schon Kinder die Werbeversprechen sehr schnell
anzukommen. Sobald die Anbieter von Lebens-                 und reagieren prompt. Die Jugend ist heute äußerst
mitteln hier ein Potential zur Vermarktung gesun-           realistisch und akzeptiert Werbung, die entweder
der Produkte sehen, werden sie sowohl Angebot als           ebenfalls realistische oder aber übertriebene Ver-
auch Marketingaktivitäten darauf ausrichten.                sprechungen, möglichst ironisch mit viel Witz
                                                            macht. Werden die schnell wechselnden Trends
                                                            im Jugendbereich von den Werbemachern nicht
Zielgruppe Jugend                                           schnell genug erkannt und berücksichtigt, wird die
                                                            Werbung von der Zielgruppe meist als ‚out’ be-
Kinder und Jugendliche verfügen über eine be-               wertet und nicht anerkannt.
achtliche Kaufkraft. So haben nach der Kids-                    Äußerst erfolgreiche Sendungen wie „Löwen-
Verbraucher-Analyse die rund elf Millionen sechs-           zahn“ oder „Die Sendung mit der Maus“ beweisen,
bis 19-jährigen Deutschen ein Budget von 16,44              dass die Kinder durchaus Interesse an informa-
Milliarden Euro (Taschengeld, finanzielle Ge-               tionslastigen Beiträgen haben, sofern diese alters-
schenke, erste Gehälter und Sparguthaben, aus:12).          gerecht dargeboten werden. Hier könnten Ernäh-
Zudem sind Kinder und Jugendliche eine begehrte             rungsthemen zukünftig sehr viel stärker eingebun-
Zielgruppe, da eine frühe Kundenbindung be-                 den werden ohne auf Ablehnung zu stoßen.
deuten kann, dass auch in Zukunft, wenn ein                     Auch das Internet ist ein überaus geeignetes
regelmäßiges Einkommen zur Verfügung steht, bei             Medium, um sich an junge Zielgruppen zu wenden.
den gewohnten Unternehmen gekauft wird. Im                  Immer mehr Kinder und Jugendliche surfen täg-
Lebensmittelbereich geben Kinder und Jugend-                lich (14). Zwar hat der Online-Lebensmittelmarkt
liche ihr Geld vorwiegend für Eis, Süßigkeiten und          trotz steigender Bedeutung (13) bei jungen Käufern
Knabberartikel aus (16). Sie nehmen allerdings              wenig Absatzchancen, denn Kinder und Jugendli-

                                                      302
Verbraucher und Ernährungskultur

che kaufen Lebensmittel überwiegend spontan, sie                    (8) Diekhof, A., 1999: Jugendliche als Zielgruppe, Be-
                                                                        deutung jugendlicher Kunden für das Marketing,
sind also für Internetbestellungen von Lebensmit-
                                                                        Wiesbaden.
teln keine geeignete Zielgruppe. Sehr gut geeignet                  (9) Deutsche Shell, 2002: Jugend 2002, 14. Shell
ist das Internet allerdings durch die Möglichkeit                       Jugendstudie, Opladen.
der persönlichen Kundenbetreuung zur Kunden-                      (10) Ehapa, Kids VA, 2001: In: Lebensmittel Zeitung
bindung und zur Verbreitung von Informationen,                          Spezial, Junge Kunden, Satt, sensibel, selbstgefällig,
wenn diese geschickt und zielgruppengerecht auf-                        Frankfurt a. M. 1/2002, S. 80 f.
                                                                  (11) Iconkids & Youth, 1999: Repräsentativbefragung bei
bereitet ist.
                                                                        6 –17 jährigen: Ernährung, München.
                                                                  (12) Kids-Verbraucher-Analyse 99, 1999: Codeplan, Bas-
                                                                        tei-Verlag, A. Springer Verlag, Verlagsgruppe Bauer,
Fazit                                                                   Bergisch Gladbach.
                                                                  (13) LZ (Lebensmittelzeitung), 2002: LZ Report 2001/
In den Medien und der Werbung sowie anderen                             2002, Markt- und Strukturzahlen der Nahrungs- und
                                                                        Genussmittelbranche, Frankfurt a. M., S. 467f., 574,
Marketinginstrumenten wie Promotion, promi-
                                                                        585, 606, 608, 610.
nenten Meinungsbildnern etc. steckt ein großes                    (14) Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest,
Potenzial an Informationsmöglichkeiten und spie-                        2000/2001: Nutzungsfrequenz des Internets bei 12-
lerischen, unterhaltsamen Wegen der Ernährungs-                         19-jährigen, In: Düthmann, C., 2002: Mediale Über-
aufklärung und -erziehung. Bislang werden diese                         flieger, Lebensmittel Zeitung Spezial, Junge Kunden,
Potenziale kaum genutzt. Angesichts der Ernäh-                          Satt, sensibel, selbstgefällig, Frankfurt a. M., S. 66.
rungssituation ist jedoch dringend anzuraten, zu-                 (15) Meixner, O., 2000: „Variety Seeking“: Wieviel Neues
                                                                        will der Konsument, Studie am Institut für Agrar-
sätzlich zur Ernährungserziehung in Schulen und                         ökonomik der Universität für Bodenkultur, Wien.
Kindergärten die Jugend mit Medien anzusprechen,                  (16) Münchner Institut für Jugendforschung, 2001: Kauf-
die für sie interessant sind, um dieses weite Feld                      entscheidung bei Markenartikeln, In: Rück, D., 2002:
nicht allein der Werbung für zucker- und fettreiche,                    Gewiefte Finanzminister, LZ Spezial Junge Kunden,
so genannte „Kinder-Lebensmittel“ voller Zusatz-                        Satt, sensibel, selbstgefällig, Frankfurt a. M., S. 9.
stoffe zu überlassen.                                             (17) Pudel, V. und J. Westenhöfer, 1998: Ernährungs-
                                                                        psychologie – eine Einführung, Göttingen.
                                                                  (18) Statistisches Bundesamt (1993, 2001): Statistisches
                                                                        Jahrbuch der BRD, Jahrgänge 1993 und 2001,
Literatur                                                               Statistisches Bundesamt, Wiesbaden.
                                                                  (19) ZMP, 2001: Fleischverzehr in Deutschland unter be-
 (1) Bodenstein, G., Spiller, A., 1998: Marketing Strate-               sonderer Berücksichtigung der BSE-Krise, Bonn.
     gien, Instrumente und Organisation, Landsberg/               (20) ZMP, 2002: Markttrends im GV Bereich, Präsentation
     Lech, S. 106.                                                      zur Internorga am 7. März 2002 in: http://www.
 (2) CMA, 1998: Die „neue“ Bequemlichkeit der Ver-                      zmp.de/mafo/downloads/gv_markttrends.pdf
     braucher – Convenience Food und Außer-Haus-Ver-
     zehr, Institut für Projektmanagement, Kelkheim.
 (3) CMA, 1999: Essen außer Haus – Ein Markt im
     Wandel, Bonn.
 (4) Dammler, A., I. Barlovic, und B. Melzer-Lena, 2000:
     Marketing für Kids und Teens, Wie Sie Kinder und             Autorin
     Jugendliche als Zielgruppe richtig ansprechen,
     Landsberg / Lech.                                            Julia Engelken, Agraringenieurin, wissenschaftliche Mit-
 (5) Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), 2000,             arbeiterin am Lehrstuhl „Marketing für Lebensmittel und
     Ernährungsbericht, Frankfurt.                                Agrarprodukte“ der Universität Göttingen.
 (6) Diehl, J. M., 1999a: Ernährungswissen von Kin-
     dern und Jugendlichen, In: Verbraucherdienst 44,             Universität Göttingen
     S. 282–287.                                                  Institut für Agrarökonomie
 (7) Diehl, J. M., 1999b: Nahrungspräferenzen 10 – 14-            Platz der Göttinger Sieben 5
     jähriger Jungen und Mädchen. In: Schweizerische              37073 Göttingen
     Medizinische Wochenschrift 129, S. 151–161.                  E-Mail: jengelk1@gwdg.de

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