Charakterisierung eines FERTILE-Chips zur Spermienselektion mit Hilfe eines Time-lapse-Systems - UNIPUB

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Charakterisierung eines FERTILE-Chips zur Spermienselektion mit Hilfe eines Time-lapse-Systems - UNIPUB
Vida Poorali

       Charakterisierung eines
FERTILE-Chips® zur Spermienselektion
  mit Hilfe eines Time-lapse-Systems

                   Masterarbeit
       zur Erlangung des akademischen Grades
     Master of Science M.Sc. (Clinical Embryology)
        im Rahmen des Universitätslehrganges
               Clinical Embryology

           Wissenschaftlicher Begutachter:
            Prof. Dr. Thomas Ebner

      Karl-Franzens-Universität Graz
               und UNI for LIFE

                 Graz, 30. Juni 2021
Charakterisierung eines FERTILE-Chips zur Spermienselektion mit Hilfe eines Time-lapse-Systems - UNIPUB
Zusammenfassung

Die Samenqualität, und damit die Aufarbeitung von Sperma, ist ein essenzieller Faktor
für die Erfolgschancen der Medizinisch Assistierten Reproduktion. Die Präparation mit-
tels der Dichtegradientenzentrifugation (DGZ) gilt immer noch als die Standardme-
thode und dies, obwohl das Sperma durch mechanische Beanspruchung Schaden
nehmen kann. Es ist also wichtig, die qualitativ besten Spermien in Bezug auf Morpho-
logie, Motilität und DNA-Strangbrüchen für eine Intrazytoplasmatische Spermieninjek-
tion (ICSI) zu selektieren.

Seit wenigen Jahren werden neuere und bessere Technologien wie der FERTILE-
Chip® (FC) entwickelt. Das Funktionsprinzip basiert auf mikrofluidischen Kanälen, die
zur Selektion der besten Spermien mit geringer oder keiner DNA-Fragmentation führt.
Dies ist besonders bei schlechten Samenproben essenziell, da die Fragmentierung mit
einer fehlgeschlagenen Befruchtung und auch hohen Abortrate korreliert.

In dieser Arbeit wird ein FC mit Hilfe eines Time-Lapse-Technologie Embryoscope™,
an Geschwister-Eizellen von 38 Patienten untersucht. Die Samenflüssigkeit wurde in
zwei gleiche Volumina aufgeteilt, die mit FC („Linie FC“) bzw. DGZ („Linie DGZ“) auf-
gearbeitet und mittels Computer assistierter Spermienanalyse untersucht wurden. In
dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Konzentration der Spermien bei der Li-
nie FC deutlich geringer ist als bei Linie DGZ. Dann erfolgte in jeder Linie eine Be-
fruchtung der Oozyten mittels ICSI. Die Befruchtungsrate wurde durch die Kontrolle
auf zwei Vorkerne bestimmt. Es konnte gezeigt werden, dass sich die Verwendung
des FC signifikant positiv auf die Qualität und Quantität der Blastozysten und folglich
der Implantationsrate auswirkt. Die Blastozystenrate ist um bis zu 13,6 % besser und
auch die Anzahl der Top Blastozysten mit n=35 vs. n=14, beim FC signifikant höher.
Dies bildet sich dann auch in der Anzahl der Schwangerschaften deutlich ab: 15 von
16 Schwangerschaften resultieren aus Linie FC. Im Gegensatz dazu, konnte bei den
Zeitpunkten der Zellteilungen keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden.
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Abstract

The semen quality, and thus the processing of semen, is an essential factor for the
chances of success in medically assisted reproduction. Processing using density gra-
dient centrifugation (DGZ) is still considered the standard processing method, even
though the sperm can be damaged by mechanical stress. It is therefore important to
select the best quality sperm in terms of morphology, motility and DNA strand breaks
for ICSI treatment.

For a few years now, newer and better technologies such as the FERTILE-Chip® (FC)
have been developed. The functional principle is based on microfluidic channels that
lead to the selection of the best sperm with little or no DNA fragmentation. This is
particularly essential with poor semen samples, as the fragmentation correlates with a
failed fertilization and also with the rate of abortions.

In this work, an FC is examined on sibling oocytes of 38 patients with the aid of a time-
lapse technology Embryoscope™. The seminal fluid was divided into two equal vol-
umes, which were processed with FC (“line FC”) and DGZ (“line DGZ”) and examined
using CASA. It has already been shown here that the concentration of sperm in line
FC is significantly lower than in line DGZ. Then, in each line, the oocytes were fertilized
by ICSI. The fertilization rate is determined by checking for two pronuclei. It could be
clearly shown that the use of FC has a significantly positive effect on the quality and
quantity of the blastocysts and consequently on the implantation rate. The blastocyst
rate is up to 13.6 % better and the number of top blastocysts with n = 35 vs. n = 14 is
significantly higher for line FC. This is then clearly reflected in the number of pregnan-
cies: 15 out of 16 pregnancies result from line FC. In contrast, no significant difference
could be found with respect to cleavage timings.
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Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ........................................................................................ 6

Abkürzungsverzeichnis und Glossar ................................................................. 8

1    Einleitung...................................................................................................... 10

     1.1 Die frühe Embryogenese ....................................................................... 11
     1.2 Grundlegende Techniken für IVF........................................................... 14
     1.2.1 Das Ejakulat .......................................................................................... 17
     1.2.2 Spermaanalyse...................................................................................... 18
     1.2.3 Techniken zur Spermienpräparation...................................................... 21
     1.3 Systeme mit Mikrozirkulation zur Spermaaufbereitung .......................... 25
     1.4 Time-lapse Systeme zur Beobachtung der Blastozysten ...................... 26

2    Zielstellungen ............................................................................................... 30

3    Material und Methoden ................................................................................ 32

     3.1 Das Versuchsdesign .............................................................................. 32
     3.1 Auswahl der Patienten und Ovulationsinduktion.................................... 35
     3.2 Spermienanalyse und Selektion ............................................................ 37
     3.3 FERTILE-Chips®.................................................................................... 37
     3.4 Time-lapse System ................................................................................ 39
     3.5 Statistische Verfahren ........................................................................... 39

4    Ergebnisse.................................................................................................... 40

     4.1 Beurteilung des Spermas ...................................................................... 40
     4.2 Die Befruchtungsrate ............................................................................. 43
     4.3 Die Qualität der Blastozysten ................................................................ 44
     4.4 Die Schwangerschaftsrate ..................................................................... 46
     4.1 Vergleich der Annotationen ................................................................... 47
     4.2 Beurteilung des FC für den Einsatz im Routinelabor ............................. 48

5    Diskussion .................................................................................................... 50

     5.1 Beurteilung des Spermas ...................................................................... 51
     5.2 Die Qualität der Blastozysten ................................................................ 51
     5.3 Die Schwangerschaftsrate ..................................................................... 52
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5.4 Time-lapse-System als Beurteilungssystem .......................................... 53

6    Fazit und Ausblick ....................................................................................... 54

7    Literaturverzeichnis ..................................................................................... 56

Anhang ................................................................................................................ 63

     Software, Materialien, Chemikalien und Medikamente .................................. 63
     Dokumente für Spermaanalyse ...................................................................... 66
     Patientenerfassung ........................................................................................ 68
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Spezifische Fruchtbarkeitsraten für Frauen. ......................................... 10
Abbildung 2: Aufnahmen der Embryonalentwicklung ................................................ 12
Abbildung 3: Schematische Darstellung des Hatching .............................................. 14
Abbildung 4 Nomenklatur einiger Ejakulatparameter (nach WHO 2010)................... 18
Abbildung 5: Parameter eines typischen Spermiogramms mit Sollwerten ................ 19
Abbildung 6: Klassifizierung von Spermien ............................................................... 20
Abbildung 7: Entwicklung der Spermaaufbereitung im Überblick .............................. 22
Abbildung 8: Spezifika und Vorteile von Mikrofluid-Systemen ................................... 25
Abbildung 9: Einfluss der Spermienaufbereitung auf den DNA-Fragmentierungsindex
.................................................................................................................................. 26
Abbildung 10: Funktionen von TLS-Systemen .......................................................... 27
Abbildung 11: Definition der Annotationsparameter .................................................. 29
Abbildung 12: Zielfragen der Studie .......................................................................... 31
Abbildung 13: Schematische Darstellung des Versuchsdesigns ............................... 33
Abbildung 14: Messparameter und Messmethoden des Versuchsdesigns ............... 34
Abbildung 15: FERTILE-Chip® .................................................................................. 38
Abbildung 16: Handhabung der FERTILE-Chips® .................................................... 38
Abbildung 17: Ergebnisse aus den Linien FC und DGZ ............................................ 40
Abbildung 18: Anteil Qualität „a + b“ des Spermas .................................................... 41
Abbildung 19. Vergleich der Anteile der Qualität „a + b“............................................ 41
Abbildung 20: Spermakonzentrationen ..................................................................... 42
Abbildung 21: Minimal- und Maximalkonzentrationen des verwendeten Spermas .... 42
Abbildung 22: Befruchtungsraten .............................................................................. 43
Abbildung 23: Befruchtungsraten .............................................................................. 44
Abbildung 24: Raten entwickelter Blastozysten ......................................................... 44
Abbildung 25: Anzahl der "Top-Blastozysten" ........................................................... 45
Abbildung 26: Häufigkeitsverteilung der Scores ........................................................ 46
Abbildung 27: Verteilung der Scores, verteilt auf drei Bereiche ................................ 46
Abbildung 28: Verfizierte Schwangerschaften ........................................................... 47
Abbildung 29: Mittelwerte der Annotationen t2, t3, t4, t5 sowie tB............................. 48
Abbildung 30: Zusammenfassung der Rückmeldungen von Mitarbeitern ................. 49
Abbildung 31: Zusammenfassung der Messwerte der Linien FC und DGZ............... 50

                                                                 6
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Abbildung 32: Verwendete Software ......................................................................... 63
Abbildung 33: Verwendete Geräte und Materialien ................................................... 64
Abbildung 34:Verwendete Chemikalien und Medikamente ....................................... 65
Abbildung 35: Dokument zur Erfassung des Prozesses zur Spermagewinnung ....... 66
Abbildung 36: Formular zur Dokumentation eines Spermiogramms ......................... 67
Abbildung 37: Dokument zur Erfassung und Dokumentation der Oozyten ................ 68

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Abkürzungsverzeichnis und Glossar

  Bl            Blastozysten

  CASA          Computer assistierte Spermienanalyse

  COC           Cumulus Oocyte Complex

  d1, d2, …     Tag 1, Tag 2, … der Embryoentwickliung

  DGZ           Dichtegradientenzentrifugation

  DFI           DNA Fragmentationsindex

  FC            FERTILE Chip

  ICC           Intra-class correlation-coefficient

  ICM           Beurteilung der Inneren Zellmasse nach Gardner Score

  ICSI          Intrazytoplasmatische Spermieninjektion

  IMSI          Intrazytoplasmatische morphologisch selektierte Spermieninjektion

  IUI           Intrauterine Insemination

  IVF           In-vitro-Fertilisation

  Linie DGZ     Experimenteller Ablauf des mit DGZ aufbereiteten Ejakulats

  Linie FC      Experimenteller Ablauf des mit FC aufbereiteten Ejakulats

  Male factor   Die beim Mann vorliegenden Ursachen für Unfruchtbarkeit

  MAR           Medizinisch Assistierte Reproduktion

  MESA          Mikrochirurgische Epididymale Spermienaspiration

                „microfluidic sperm sorter“ geometrisch, kleine Mikrosysteme zur Sepa-
  MFSS          ration von Spermien

  NOA           nichtobstruktive Azoospermie

  OPU           Ovarpunktion

  PICSI         Physiologische intrazytoplasmatische Spermieninjektion

  PN-Stadium    Pronucleus-Stadium

  QC            Quality Control (Qualtitätskontrolle)

  R2            Determinationskoeffizient oder Bestimmtheitsmaß

  r             Korrelationskoeffizient

  Score         Qualitätsskala [0 ; 9,9] für Blastozysten

  SOP           Standard Operating Procedure

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SU                 Swim-up-Methode zur Spermienseparation

t2                 Zeitpunkt der Teilung in 2 Blastomere
                   Zeitpunkt der Teilung in 3 Blastomere
t3
                   Zeitpunkt der Teilung in 4 Blastomere
t4
                   Zeitpunkt der Teilung in 5 Blastomere
t5
                   Zeitpunkt der vollen Blastozyste: Letztes Foto, bevor sich die Zona Pel-
tB                 lucida verdünnt

TE                 Beurteilung des Trophoektoderms nach Gardner Score

TESE               Testikuläre Spermienextraktion

TLS                Time-lapse System

Top-Blastozysten   Blastozyste mit einem Score aus dem Intervall [6,8 ; 9,9]

tRE                Start of re-expansion

tCRE               Completion of re-expansion

tAH                Hatching from the manipulated zona pellucida

WHO                World Health Organization

ß-hCG              β-Untereinheit des humanen Choriongonadotropins

                                       9
1 Einleitung
Etwa jede fünfte Frau (21%) ist in ihrer reproduktiven Phase mindestens einmal von
Infertilität betroffen [1]. Küppers-Chinnow et al. kommen in einer Studie aus dem Jahre
1997 auf eine Lebenszeitprävalenz von ca. 32 % bei Frauen im Alter 25-45 Jahren [2].
Für diese Paare ist dies meist nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein psycho-
logisches und insgesamt ein gesellschaftliches Problem [1].

 xxx

 xxx

 Abbildung 1: Spezifische Fruchtbarkeitsraten für Frauen.
 Die Fruchtbarkeitsrate der Gruppe der 20 bis 24-jährigen wurde zu 100 % gesetzt und ist abhängig
 vom Lebensalter und vom Herkunftsland. Quelle: Nach [3]

Abbildung 1 illustriert, dass die Fruchtbarkeit der Frau mit zunehmendem Alter rapide
sinkt und zudem abhängig ist vom Herkunftsland [3]. Zur Erfüllung ihres Kinderwun-
sches sind diese Paare dann manchmal auf medizinische Hilfe angewiesen. Häufig
lassen sich die Ursachen mit konventioneller Therapie oder mit einer Änderung des
Lebensstils beheben. So hat sich beispielsweise herausgestellt, dass der Body-Mass-
Index einen Einfluss auf die Entwicklung des Embryos hat [4]. Einen Überblick über
weitere Lebensstilfaktoren mit Einfluss auf die Fruchtbarkeit findet sich in [5].

Die Ursachen der Infertilität können sowohl bei der Frau („female factor“) als auch beim
Mann („male factor“) liegen. Ein erstes indiziertes Verfahren bei Infertilität ist die In-
trauterine Insemination (IUI), also der Eintrag von zuvor aufbereiteten Spermien in ho-
her Konzentration in den Uterus der Frau. Die drei wichtigsten Indikationen für eine IUI

                                               10
sind eine ungeklärte Sterilität der Frau, eine minimale Subfertilität des Mannes und/o-
der eine zervikale Sterilität [6]. Lässt sich der Kinderwunsch mit konventioneller The-
rapie nicht erfüllen, sind weitergehende Verfahren der medizinisch assistierten Repro-
duktion (MAR) von Nöten. Bei diesen Verfahren findet die Befruchtung außerhalb des
Eileiters in einem Nährmedium statt. Die befruchtete Eizelle wird dann später in die
Gebärmutter zurück transferiert.

Bei ca. 40 bis 50 % der Paare, die sich wegen ihres Kinderwunsches in Behandlung
begeben, ist ein „male factor“ Ursache der Unfruchtbarkeit [7]. Es kann eine zu geringe
Spermiendichte oder ein hoher Anteil von Spermien mit pathologischer Morphologie
oder Funktion zu Grunde liegen. Die Weltgesundheitsorganisation hat für die Arbeit
mit Spermien im Labor Referenzwerte (siehe Abbildung 5) und Standardprozeduren
formuliert, die stetig weiterentwickelt werden [8]. Siehe hierzu auch Abbildung 6.

Die Ursachen für den „male factor“ sind jedoch noch weitgehend unbekannt [9]. Kon-
ventionelle Samenanalyse macht nur bedingt Aussagen über die Fruchtbarkeitsrate.
Dies deutet bereits darauf hin, dass die Samenproduktion nur ein Teil dieses Problems
ist [10]. Bevor im Folgenden einige für diese Arbeit relevante Techniken der In-vitro-
Fertilisation (IVF) vorgestellt werden, sei zuvor die (natürliche) Embryonalentwicklung
skizziert.

 1.1 Die frühe Embryogenese

Im Folgenden sei zum besseren Verständnis dieser Arbeit die Embryogenese bis ein-
schließlich der Implantation des Embryos rekapituliert. Sie ist nicht nur entscheidend
für die Stabilisierung der Schwangerschaft bis zur Implantation, sondern auch für de-
ren weiteren Verlauf sowie für die Einordnung der Entwicklungsstadien im Laufe der
Embryonalentwicklung. Ein detaillierterer Überblick findet sich in allgemeinen Lehrbü-
chern der Embryologie [11] oder auch Lehrbüchern zur Medizinisch Assistierten Re-
produktion MAR [12].

Nach der Befruchtung der Oozyte in der Tuba uterina entwickelt sich der Embryo und
wird bis zum 5. Entwicklungstag in Richtung Uterus transportiert. Im Falle von MAR
mittels IVF oder Intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) finden Befruchtung

                                          11
und die ersten Entwicklungstage außerhalb der Tuba uterina im Inkubator statt. In Ab-
bildung 2 sind die Entwicklungsstadien von Tag 1 bis 5 in Aufnahmen festgehalten.

 xxx

 x

 Abbildung 2: Aufnahmen der Embryonalentwicklung
 Die Zeitpunkte der Aufnahmen wurden vom Embryoscope™ von 12,7 h (2 PN-Stadium) bis zu
 133,6xh (Hatching, schlüpfende Blastozyste) jeweils automatisch generiert.
 Quelle: Eigene Aufnahmen mit Embryoscope™

Pronukleus-Stadium. 3 bis 8 Stunden nach Zugabe der Spermien erscheinen die
Vorkerne [13]. ; i.d.R. taucht zuerst der männliche Vorkern auf, dann der weibliche
[14]. Dies wird als Pronucleus-Stadium (PN-Stadium) bezeichnet (siehe Abbildung
2   a) ). Erst nach der Verschmelzung der Vorkerne zur Zygote wird die Zelle zum Emb-
ryo [12], [13].

Teilungsstadien. Die embryonalen Zellen teilen sich in den nächsten Tagen und ent-
wickeln sich. Am Tag 2 liegt typischerweise einen 2-4-Zell-Embryo vor und am Tag 3
ein 8-10-Zell-Embryo (siehe Abbildung 2 b) bis d) ). Eine erste Differenzierung des
Embryos zu einzelnen „Organsystemen“ beginnt jetzt bereits ab dem 8-Zellstadium
[12].

Morulastadium. Ab dem Tag 4 können die einzelnen Zellen nicht mehr vollständig
voneinander abgegrenzt werden. Der Embryo kompaktiert und ähnelt morphologisch

                                          12
einer Maulbeere (Morula). Daher wird dieses Stadium als Morulastadium bezeichnet
[12] (siehe Abbildung 2 e) ).

Blastozystenstadium. Am 5. Entwicklungstag füllt sich das Innere des Embryos mit
Flüssigkeit und dieser differenziert sich zum innen liegenden "Embryoblasten", der ei-
gentlichen Embryonalanlage und zum außen liegenden "Trophoblasten", der später
die Plazenta bildet (siehe Abbildung 2 f) ). Das Erreichen des Blastozystenstadiums ist
ein wichtiger und kritischer Schritt der Embryogenese und gibt gemeinsam mit der
morphologischen Beurteilung der inneren Zellmasse und des Trophektoderms einen
wichtigen Hinweis auf die Implantationswahrscheinlichkeit. [15] Zudem kann man im
Blastozystenstadium eine genetische Untersuchung des Trophoektoderms, auf
Aneuploidie mittels Biopsie (Präimplantationsdiagnostik) vollziehen.

"Hatching" (Schlüpfen) der Blastozyste. Am Ende von Tag 5 oder bei leicht verzö-
gerter Entwicklung Tag 6 schlüpft die Blastozyste aus der sie umgebenden Zona pel-
lucida (siehe Abbildung 2 g) ). Sie hat eine Schutzfunktion und verhindert ein zu frühes
Anheften des Embryos während der Wanderung durch den Tubus. Das Schlüpfen der
Embryos wird als „Hatching“ bezeichnet [12].

Implantation des Embryos in das Endometrium. Eine Einnistung ist nur vom 5. bis
zum 10. Tag möglich. Der Embryo hat dann bei normaler Entwicklung das Blastozys-
tenstadium erreicht. Frühere Einnistungen werden durch das Endometrium verhindert
und spätere Einnistungen führen zu einer erheblich höheren Rate von Aborten oder zu
Problemen im Schwangerschaftsverlauf.

Hat die Blastozyste den Uterus erreicht, beeinflussen sie sich gegenseitig durch Kom-
munikation über Botenstoffe und Hormone, sie nehmen über Botenstoffe (z.B. Hor-
mone) Kontakt mit der Mutter auf. Der Uterus antwortet ebenfalls durch die Sekretion
von Botenstoffen. Auf diese Weise beeinflussen sich die Entwicklung von Endomet-
rium und Embryo gegenseitig. Hier spielt das Schwangerschaftshormon hCG eine we-
sentliche Rolle. Nach dem Hatching des Embryos aus der Zona pellucida nimmt er
über Integrinmoleküle Kontakt zum Endometrium auf und die Nidation beginnt. Dabei
differenziert sich der Trophoblast zu zwei Schichten zum äußeren Synzytiotrophoblas-
ten und zum inneren Zytotrophoblasten (siehe auch Abbildung 3).

                                          13
Xx

 Xx

Abbildung 3: Schematische Darstellung des Hatching
Mit dem Schlüpfen des Embryos aus der Zona Pellucida, beginnt der Blastocyst Mikrovilii auszubilden
(A). Der Syncytiotrophoblast entwickelt sich und fängt an ß-hCG zu bilden (B). Quelle: [16]

Der Syncytiotrophoblast ist verantwortlich dafür, dass sich der Embryo in die Gebär-
mutterschleimhaut einnisten kann. Er bildet Fortsätze und verdrängt dabei das Ge-
webe der Schleimhaut, um so Kontakt mit den Blutgefäßen herzustellen und eine Ver-
sorgung für die weitere Entwicklung zu gewährleisten. Er ist auch dafür verantwortlich,
dass sich das Schwangerschaftshormon ß-hCG bildet. Der Zytotrophoblast hingegen
bleibt während der gesamten Schwangerschaft teilungsfähig und liefert Nachschub für
den Syncytiotrophoblasten. Beide gemeinsam bilden die Placenta aus, die fortan den
Embryo mit Nährstoffen versorgt [11].

 1.2 Grundlegende Techniken für IVF

Hormonelle Stimulation. Fruchtbarkeitsstörungen haben bei Frauen häufig hormo-
nelle Gründe und betreffen vor allem die Reifung der Oozyten. Die Behandlung erfolgt
durch eine individuelle Hormontherapie, der eine gründliche Diagnostik vorausgeht,
die auch den Partner mit einbezieht. Die Ursachen der hormonellen Störung sind viel-
fältig [17]. Hier kommen eine Hyperprolaktinämie, verursacht durch Schilddrüsenstö-
rungen, Medikamente oder ein Tumor in Frage. Auch kann ein Polyzystisches Ovari-
alsyndrom vorliegen oder durch Ovarialinsuffizienz zu wenig Östrogen ausgeschüttet

                                                14
werden. Die klassische Behandlung erfolgt durch niedrig dosierte hormonelle Stimula-
tion, der oft eine Intrauterine Insemination (IUI), die eine Befruchtung erleichtert, vo-
rausgeht. Dieses Vorgehen ist dann indiziert, wenn beim Mann die Zahl, Motilität oder
Form der Spermien dies noch zulässt [13]. Bei „konventioneller IVF“ werden aufberei-
tete (s.u.) Spermatozoen in vitro zu dem Cumulus Oozyten Komplex (COC) hinzuge-
geben und deren Befruchtung induziert. Die Methode ist beispielsweise indiziert bei
Frauen mit einem Tubenfaktor, Polyzystischem Ovarialsyndrom, oder Endometriose
[18] und kann die Fruchtbarkeitsrate erhöhen. Im Gegensatz dazu, handelt es sich bei
der ICSI um bereits denudierte Eizellen, bei denen zum Beispiel mittels Hyalauro-
nidase, der Eizell-umgebende Cumuluskomplex enzymatisch entfernt wird. Diese Me-
thode eignet sich insbesondere für Patienten mit schlechter Eizellqualität und geringer
Anzahl und Motilität der Samenzellen.

Für eine in vitro-Befruchtung werden die Oozyten durch Ovarpunktion (OPU) unter
Ultraschallkontrolle und Kurznarkose entnommen und umgehend kultiviert und stehen
dann für die künstliche Befruchtung außerhalb des Körpers zur Verfügung. Die voran-
gehende hormonelle Stimulation zur Einleitung der Ovulation folgt einem individuell
auf die Patientin abgestimmten Protokoll [19] und beginnt in den ersten drei Tagen der
folgenden Menstruation durch die tägliche Einnahme hoch dosierter Hormonpräpa-
rate. In den darauffolgenden fünf Tagen werden die Hormonwerte und die Reifung der
Oozyten per Ultraschall kontrolliert. Dann wird durch Hormongabe die Ovulation indu-
ziert und 36 h später die COC durch ein OPU entnommen.

Intrauterine Insemination (IUI): Hat der Partner nicht ausreichend bewegliche oder
zu wenige Spermatozoen, so können die sie direkt in das Cavum uteri der Frau über-
tragen werden, um den Weg der Spermien zu verkürzen. Das Ejakulat wird vorher
aufbereitet, um die Wahrscheinlichkeit der Befruchtung zu erhöhen. Die Erfolgsquote
liegt bei etwa 5 bis 15 Prozent pro Versuch und ist vom Lebensalter abhängig [20]. Bei
mehreren aufeinanderfolgenden Inseminationsversuchen erhöht sich die Erfolgs-
quote.

In-vitro-Fertilisation (IVF): Die Eizellen werden aus dem Eierstock entnommen und
zusammen mit den Spermien des Partners in eine Schale mit Nährlösung gegeben.
Die Befruchtung erfolgt also in vitro. Entwickeln sich die befruchteten Oozyten weiter,

                                           15
wird der Embryo in das Cavum uteri zurückübertragen. Nicht immer nistet er sich dort
ein. Deshalb werden bis zu drei Embryonen übertragen, was in ca. 20 Prozent zu
Mehrlingsschwangerschaften führt. Die Erfolgsquote einer IVF-Behandlung liegt bei
rund 25 bis 30 Prozent [20]. Die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit hängt auch vom
Entwicklungsstadium des Embryos ab. Mittlerweile ist es üblich einen Single-Embryo-
Transfer mit einer Blastozyste zu machen und nur bei früheren Entwicklungsstadien
mehrere Embryonen zu übertragen. Die Entscheidung zur Anzahl der zu transferieren-
den Embryonen hängt außerdem von der Qualität der Embryonen ab und besonders
vom Alter der Frau.

Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI): Kommt es aufgrund der Sper-
mienqualität bei einer IUI- oder IVF-Behandlung nicht zur Befruchtung der Oozyte, so
kann ein Spermium mit einer feinen Pipette unter dem Mikroskop und mit Hilfe eines
Mikromanipulators direkt in Oozyte injiziert werden. Sie wurde zuvor, wie im IVF-Ver-
fahren per OPU entnommen und im Nährmedium kultiviert. Sind Befruchtung und Zell-
teilung erfolgreich, werden bis zu drei Embryonen in das Cavum uteri der Frau über-
tragen. Die Empfehlung der Fachgesellschaften geht aber auch hier zum Single-Emb-
ryo-Transfer [21].

Physiologische Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (PICSI). Die PICSI ist
eine Erweiterung der ICSI. Durch die Verwendung Hyaluronan-beschichteter Platten
werden gezielt reife Spermien selektiert und so die Gefahr minimiert, Spermien mit
fehlerhafter Chromosomenanzahl zu verwenden.

Die Auswahl der Spermien richtet sich bei dieser Methode nicht primär nach der Mor-
phologie, sondern nach dem biochemischen Reifezustand des Spermiums. Die Köpfe
reifer Spermien tragen einen spezifischen Rezeptor für Hyaluronan. Es ist eine we-
sentliche Komponente der die Eizelle umgebende Zona pellucida. Da unreife Sper-
mien nicht über diesen Rezeptor verfügen, können hierüber die reifen Spermien aus-
selektiert werden. Sie weisen auch einen geringen Anteil an DNA-Strangbrüchen auf.
In einem zweiten Schritt werden die Spermien dann wiederum nach ihrer Morphologie
sowie ihrer Motilität bewertet und für die ICSI verwendet.

                                          16
Klinische Tests, bei denen PICSI eingesetzt wurde, deuten auf eine signifikante Ver-
besserung hinsichtlich der genetischen Ausstattung dieser Spermien hin. So zeigten
Studien, dass die Fehlverteilung von Chromosomen bei Spermien, die aufgrund ihrer
Bindung ausgewählt wurden, um das 5,4-fache reduziert war [22]. Neuere Untersu-
chungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen und deuten auf eine signifikante Verbes-
serung der Fertilisations- bzw. Implantationsrate nach einer PICSI hin [23], [24], [25].

Intrazytoplasmatische morphologisch selektierte Spermieninjektion (IMSI). Sie
ist u.U. nach einer gescheiterten ICSI indiziert und ist eine Weiterentwicklung dieser
Methode. Mittels eines speziellen Mikroskops mit sehr großer Auflösung werden die
besten Spermatozoen nach morphologischen Kriterien selektiert und dann anlog zu
ICSI vorsichtig in die Oozyte injiziert. Mehrere Untersuchungen haben ergeben, dass
es eine positive Korrelation zwischen Morphologie der Spermien und der Erfolgsrate
des nachfolgen ICSI gibt [26].

TESE und MESA. Für den Fall, dass sich im Ejakulat des Mannes keine Samenzellen
befinden, liegt eine Azoospermie vor. Hier wird zwischen einer obstruktiven Azoosper-
mie [27] und einer nichtobstruktiven Azoospermie (NOA) [28] unterschieden. Dann
kann versucht werden, mit Hilfe eines operativen Eingriffs unter Lokalanästhesie direkt
aus den Hoden (TESE), oder unter Vollnarkose mit einer Hohlnadel aus den Neben-
hoden (MESA), Spermatozoen gewinnen und mittels ICSI doch noch eine Befruchtung
zu erzielen.

1.2.1 Das Ejakulat

Das Ejakulat ist mit pH 7,2 bis 7,8 schwach alkalisch und vermittelt den Geruch frischer
Kastanienblüten. Es wird durch Kontraktion der glatten Muskulatur des Ductus de-
ferens sowie der Samenblasen und der Prostata ausgestoßen [29]. Die Spermien sind
im Seminalplasma suspendiert. Das Ejakulat ist im zeitlichen Verlauf der Ejakulation
nicht homogen, da es sich aus dem Sekret verschiedener Drüsen zusammensetzt [30].
Eine Homogenisierung dieses gallertartigen und fadenziehenden Ejakulats erfolgt nor-
malerweise erst nach 15 bis 30 Minuten, so dass es dann für eine Spermaanalyse
geeignet ist.

                                           17
1.2.2 Spermaanalyse

Im Folgenden seien Techniken der Spermaanalyse und Aufbereitung detaillierter be-
schrieben. Sie sind notwendig, um direkt nach Gewinnung des Spermas eine Ejakula-
tanalyse durchzuführen, aber auch, um dessen Eigenschaft und Qualität vor und nach
einer Aufbereitung zu beurteilen. Viele dieser Routinetechniken sind subjektiv, schwie-
rig zu standardisieren, zeitaufwendig und teuer und verlangen gut ausgebildetes Per-
sonal. In Abbildung 4 ist die Nomenklatur der wichtigsten Ejakulatparameter (nach
WHO 2010) angegeben. Die Ergebnisse einer Spermaanalyse werden für jeden Pati-
enten in einem Spermiogramm festgehalten (siehe Abbildung 36).

 xxx

 Klassifizierung der Ejakulate Gesamtzahl der Spermatozoen im Ejakulat

 1) Oligozoospermie                Weniger als 39 Mio

 2) Asthenozoospermie              Weniger als 32 % progressiv-motile Spermatozoen

 3) Teratozoospermie               Weiniger al 4 % Spermatozoen mit normaler Morphologie

 Oligoasthenoteratozoospermie Alle drei Parameter 1) bis 3) sind gestört.

 Azoospermie                       Keine Spermatozooen im Ejakulat

 Aspermie                          Kein Ejakulat (keine oder retorgrade Ejakulation)
 xxx

 Abbildung 4 Nomenklatur einiger Ejakulatparameter (nach WHO 2010)
 Quelle: nach [29].

Ejakulatanalyse. Bei der Ejakulation kommen die Spermien mit den Sekreten der ak-
zessorischen Geschlechtsdrüsen in Kontakt und befinden sich damit in einem Milieu
mit erhöhtem pH-Wert. Für die Spermatozoen wirkt dies motilitätsfördernd.
Das Ejakulat ist eine viskose Flüssigkeit aus Hoden und Nebenhodensekreten, sowie
den akzessorischen Geschlechtsdrüsen, die neben den Spermien z.B. auch noch Blut-
bestandteile enthält, die die Befruchtung behindern oder sogar wegen Bildung von
Sauerstoffradikalen die Lipidmembranen der Spermien schädigt [31], [32]. Das Ejaku-
lat muss deshalb aufgearbeitet werden mit dem Ziel, motile Spermien zu konzentrieren

                                             18
und von unerwünschten Ablagerungen zu trennen. Die Art der Aufarbeitung ist abhän-
gig von der Qualität des Ejakulats und von der Art der Verwendung. Zuvor muss das
Ejakulat aber analysiert und ein Spermiogramm erstellt werden.

Das Spermiogramm. In Abbildung 5 sind übliche Parameter mit Sollwerten aufgelistet
[8]. Das frische, normale Sperma hat einen milchig-trüben weißen bis gelblichen Farb-
ton. Die Trübung hängt u.a. von der Spermiendichte, der Karenzzeit oder auch vom
Alter ab [6]. Entzündungen der männlichen akzessorischen Geschlechtsdrüsen kön-
nen sich in einem gelblichen Farbton bemerkbar machen. Blutbeimengungen führen
zu einem bräunlichen bis rötlichen Farbton. Der Geruch ist sehr typisch und vergleich-
bar mit dem Duft blühender Kastanien. Sonstige olfaktorische Unterschiede haben
keine Bedeutung [6].

 xxx

  Parameter                      Referenzwerte

  Volumen                        ≥ 1,5 ml

  pH-Wert                        7,2 bis 8,0

  Verflüssigungszeit             15 bis 60 Minuten

  Spermatozoenkonzentration      ≥ 15 ·106 pro ml

  Gesamtspermatozoenzahl         ≥ 39 ·106 pro Ejakulat

                                 ≥ 40 % Gesamtmotilität
  Motilität
                                 ≥ 32 % mit Vorwärtsbeweglichkeit

  Morphologie                    ≥ 4 % Spermatozoen mit normaler Morphologie

                                 ≥ 58 % vital, d.h. Spermatozoen, die keinen Farbstoff
  Vitalität
                                 annehmen

  Leukozyten                     < 106 pro ml
 xxx

 Abbildung 5: Parameter eines typischen Spermiogramms mit Sollwerten
 Quelle: nach [8].

Normalerweise verflüssigt sich das Sperma nach der Ejakulation innerhalb von 15 bis
60 Minuten. Erst nach vollständiger Verflüssigung können Viskosität, Volumen und

                                               19
pH-Wert gemessen werden. Nach 2 bis 5-tägiger Karenzzeit beträgt das normale Vo-
lumen 1,5 bis 6 ml. Nach der Ejakulation wird das Volumen nach WHO-Vorgaben
durch Abwiegen bestimmt. Für die Messung des pH-Wertes ist Indikatorpapier ausrei-
chend. Der Sollwert liegt zwischen pH 7,2 und pH 7,8. Abweichungen deuten auf eine
Prostatitis, eine Vesikulitis oder auf eine Epididymitis hin.

Spermiendichte, Morphologie und Motilität werden mikroskopisch bestimmt. Letztere
war schon vor vielen Jahren das wichtigste Kriterium für die Befruchtungsfähigkeit [33],
[34]. Man unterscheidet qualitative Motilität und quantitative (oder globale) Motilität
[34]. Bei letzterer wird prozentual in 10 verschiedenen Gesichtsfeldern der Anteil der
beweglichen zu dem der unbeweglichen unterschieden. Bei der qualitativen Motilität
wird die Art der Bewegung weiter spezifiziert (siehe Abbildung 6). Heute ist eine Klas-
sifizierung nach WHO üblich.

 xxx

 a)                 Motilität nach WHO
                    a) schnell progressive Spermien
                    b) langsam progressive Spermien
                    c) ortsmotile Spermien
                    d) immotile Spermien

 b)

 Abbildung 6: Klassifizierung von Spermien
 a) nach Motilität und b) nach häufig auftretenden Spermien-Anomalien Quelle: [35]

Bei der Methodik zur Motilitätsbestimmung kann grob zwischen subjektiven und objek-
tiven Methoden unterschieden werden. Bei subjektiven Methoden wird die Motilität
vom Beobachter am einfachen Lichtmikroskop bestimmt. Im Normalfall findet er eine

                                                20
Vielzahl „dahinschwimmender“ Spermatozoen neben anderen, die „stillstehen“ oder
„zittern“, sowie noch andere nicht differenzierbare Zellen. Diese werden als „Rundzel-
len“ bezeichnet und können, ebenso wie Feinheiten der Morphologie, im Nativ-Sperma
nicht differenziert werden. Unter dem Mikroskop sind aber genauere Analysen der
Morphologie und damit der Spermienanomalien möglich [35]. In Abbildung 6 b) sind
einige aufgeführt.

Computergestützte Sperma-Analyse. Die Motilität und Konzentration von Spermien
wurde im Routinelabor bisher vorwiegend mikroskopisch von erfahrenem Laborperso-
nal durch Auszählung bestimmt. Dieses Verfahren ist allerdings nur bedingt aussage-
fähig, da es eine große Variationsbreite und ein hohes Maß an Subjektivität besitzt,
sowie der Tagesform abhängig und nur bedingt reproduzierbar ist. Seit etwa 40 Jahren
versucht man deshalb objektive, exakte und reproduzierbare Verfahren zu etablieren.
Die computergestützte Spermienanalyse (CASA) erfüllt prinzipiell über Bilderkennung
diese Bedingungen und erlaubt eine objektive und reproduzierbare Messung der Mo-
tilität, Spermatozoenbewegung, Spermatozoengeschwindigkeit sowie der Spermato-
zoendichte. Es werden Systeme entwickelt, die es erlauben CASA an Spermien durch-
zuführen, die sich in den Kanälen in den in Abschnitt 1.3 vorgestellten Systemen mit
Mikrozirkulation befinden [36].

1.2.3 Techniken zur Spermienpräparation

Lange Zeit kam der Beurteilung des Reifegrades von Spermien nur eine untergeord-
nete Bedeutung zu. In den letzten Jahren hat sich diese Einschätzung geändert. Der
DNA-Fragmentierungsindex (DFI) hängt neben der Temperatur [37], [38] von weiteren
Faktoren wie Rauchverhalten, Umweltgifte oder chemische Einwirkung durch Medika-
ment ab. Hinzu kommen intrinsische Faktoren wie abortive Apoptose oder oxidativer
Stress.[38].

Die Spermienselektion findet in ihrer natürlichen Form im Genitaltrakt von der Cervix
über den Uterus bis schließlich zur Zona pellucida statt und ist ein sehr effizienter Pro-
zess [39], gesteuert durch biophysikalische und biochemische Auswahlverfahren. Hie-
rauf basieren auch fortgeschrittene Verfahren der Spermienselektion in vitro. Auswahl-
kriterien sind Morphologie, molekulare Bindung oder auch die elektrische Ladung. Die

                                           21
letzten beiden „imitieren“ in gewisser Weise Teile der natürlichen Sektionsmechanis-
men. Mittlerweile verfügt man über etablierte und klinisch erprobte Verfahren, um
Spermien nach Qualitätskriterien zu selektieren. In zunehmendem Maße werden Mik-
rofluidsysteme eingesetzt [40] , [41]. Siehe hierzu auch Abschnitt 1.3 .

Abbildung 7 gibt einen Überblick über die Entwicklung der Spermaaufbereitung in vitro.
Das erste Verfahren war ein einfaches Ein-Schritt-Sperma-Waschen, um Seminal-
plasma zu entfernen, dokumentiert von Edwards et al. 1969 [42]. Das nächste Verfah-
ren war das „Swim up“-Verfahren, beschrieben in Lopata et al 1978 [43] und in Troun-
son et al. 1981 [44]. Mahadavan & Baker 1984 [45] kombinierten die beiden Methoden
miteinander. Diese „Pellet-Wasch-Verfahren“ waren für IUI und IVF bei Vorliegen eines
„tubal factors“ geeignet, aber nicht für „male factor“ und unbestimmte Infertilität. Aller-
dings sind die Spermien bei diesen „Zentrifugenverfahren“ einem oxidativen und me-
chanischen Stress ausgesetzt, der die Effektivität dieser Verfahren mindert [32], [46].

 Abbildung 7: Entwicklung der Spermaaufbereitung im Überblick
 Quelle: Eigene Darstellung

1978 wurde das erste Mal von Pertoft et al. die Dichtegradientenzentrifugation mit Po-
lyvinylpyrrolidone (Percoll) zur Separation von Spermien verwendet [47]. Damit stand
eine Methode zur Verfügung, die auch für „male Factor“ und idiopathischer Infertilität

                                              22
geeignet war. Diese wurde von Hyne et al 1986 [48] und Guerin JF 1989 [49] mit einem
diskontinuierlichen Gradienten weiterentwickelt. Tea et al. 1984 [50] arbeiteten mit ei-
ner Sedimentationskammer.

Kricka et al. [51] verwendeten 1993 das erste Mal eine Mikrofluidkammer zur Separa-
tion von Spermien. Von Cho et al. 2003 [52] wurde diese Technik miniaturisiert. Ebner
et al. [53] zeigte 2010 erstmals eine Reduzierung der DNA-Strangbrüche auf 0 % bei
der Verwendung des Spermienselektors, anstelle eines üblichen Dichtegradienten-
Verfahrens. Dieses Ergebnis wurde 2013 von Seiringer et al. bestätigt [54].

Spermawaschen. Das Ejakulat wird nach seiner Verflüssigung mit einem Kulturme-
dium verdünnt und zentrifugiert. Das Pellet mit den darin konzentrierten Spermien wird
dann in Kulturflüssigkeit überführt und steht für IUI oder für in IVF zur Verfügung [42].
Das Spermawaschen ist die einfachste Technik.

„Swim-up“. Soll die Konzentration der motilen Spermien erhöht werden, ist die ge-
bräuchlichste Methode dafür das „Swim-up“ (SU). Dazu wird das Ejakulat direkt in ein
Röhrchen überführt und Medium vorsichtig darüber gesetzt (direktes SU) oder ein zu-
vor „gewaschenes“ Ejakulat verwendet. Überwiegend befruchtungsfähige und motile
Spermien schwimmen dann an der Oberfläche, während immotile Spermien zusam-
men mit Abfallprodukten im am Röhrchenboden zurückbleiben. Das Röhrchen bleibt
für eine Stunde in diesem Zustand im Inkubator. Es bildet sich dann im Überstand eine
weiß-schimmernde Wolke, die mit einer feinen Kanüle abgenommen wird und somit
für IUI, ICSI oder andere Methoden zur Verfügung steht [43], [44].

Die Fähigkeit der motilen Spermien nach oben zu steigen, korreliert nicht nur mit der
Befruchtungsfähigkeit, sondern zudem mit der Penetrationsfähigkeit im Zervikalmukus
[55]. Ein Nachteil des SU ist die geringe Ausbeute an motilen Spermien, besonders
bei geringer Ausgangkonzentration, geringer Progressivmotilität und schlechter Mor-
phologie. Diese einfache Methode ist daher geeignet für mittlere bis hohe Konzentra-
tionen mobiler Spermien (> 3·106 ml-1).

Glaswolle-Filtration. Das Verfahren ist einfach und seit 40 etwa Jahren bekannt; es
hat in der Anfangsphase von MAR breite Anwendung gefunden [56]. Das Ejakulat
fließt, angetrieben durch Schwerkraft, durch Spezial-Glaswolle und die untauglichen

                                           23
Spermien bleiben am Glas haftend, zusammen mit Leukozyten und agglomerierten
Spermien, zurück.
Die Ausbeute an progressiv-motilen Spermien ist höher als beim SU. Die Glaswolle-
Filtration kann durch gebundene Proteine modifiziert werden und wirkt dadurch stark
selektierend auf die Spermatozoen. Die verwendete Glaswolle kann jedoch die Sper-
mien schädigen, und die aufreinigende Wirkung der Präparationstechnik ist geringer
als die der anderen Methoden. Mit einer Verfahrensdauer von 10 Minuten ist die Glas-
wollfiltration sehr zeiteffektiv.

Dichtegradientenzentrifugation. Diese ist eine Standard-Technik, die nicht nur im
IVF-Labor verwendet wird. Hier wird sie angewandt, um tote Spermien, Leukozyten
und anderen Debris von den gesunden Spermien zu trennen und motile Spermien
aufzukonzentrieren.

Das Nativ-Ejakulat wird auf die erste Schicht des Zentrifugenröhrchens platziert. Beim
Zentrifugieren wandern gesunde Spermien zur unteren Schicht, während sich Abfall-
produkte und tote Spermien an den oberen Schichten sammeln. Diese werden mit
einer Pipette vorsichtig abgesaugt und verworfen, so dass die Schicht mit den gesun-
den Spermien zugänglich wird. Dieses Verfahren wird aufgrund des Nährbodens meist
noch Percoll-Methode genannt, obwohl heute andere Nährböden (z.B. aus „siliane ca-
oted silica Particles“) benutzt werden [57]. Der gesamte Prozess dauert etwa eine
Stunde [47]. Sowohl die DGZ als auch die Glaswolle-Filtration und das SU ermöglichen
keine Anreicherung X oder Y-Chromosom-tragender Spermien [58].

Intrazytoplasmatische morphologisch selektierte Spermieninjektion (IMSI). Bei
der IMSI werden Spermien unter einem hochauflösenden Mikroskop selektiert. Es wer-
den Spermien mit normaler Morphologie ohne Vakuolen für die Injektion mittels ICSI
ausgewählt. IMSI ist also eine Erweiterung der ICSI.

Systeme mit Mikrozirkulation. Seit einigen Jahren gibt es geometrisch kleine und im
Routinelabor einsetzbare Mikrosysteme. Sie nutzen eine Mikrozirkulation des die
Spermatozoen umgebenden Mediums, um befruchtungsfähige und motile Spermato-
zoen zu separieren und Stress zu reduzieren oder zu unterbinden [9], [59]. Ein solches
System wird in dieser Arbeit als „microfluidic sperm sorter“ (MFSS) [60] bezeichnet. Es

                                          24
imitiert in gewisser Weise die physiologische Umgebung der Spermien in vivo und ver-
meidet dadurch lange Prozessschritte wie Waschen und Zentrifugieren [61]. So wer-
den oxidativer Stress und DNA-Fragmentierungen reduziert [52], [62]. Für den Einsatz
zu Forschungszwecken gibt es eine Fülle weiterer Systeme mit Mikrozirkulation [40],
[41].

 1.3 Systeme mit Mikrozirkulation zur Spermaaufbereitung

Es gibt viele noch nicht vollständig aufgeklärte Ursachen für DNA-Fragmentierungen
bei der Aufbereitung von Spermien. Neben oxidativem Stress als Hauptursache [10]
wird auch über Stress durch Temperaturunterschiede [63] oder allgemein durch die
Spermienaufbereitung berichtet [64], [65]. Insbesondere das wiederholte Waschen
[66] oder auch eine Aufbereitung mittels DGZ [64] stehen als Ursachen für oxidativen
Stress in Verdacht. Andere Quellen dagegen berichten von etwa gleich vielen oder gar
reduziertem DFI [67], [68], [69].

MFSS werden eingesetzt für die Ejakulatanalyse, aber auch für die Manipulation und
Isolation von Spermien im Ejakulat zur Befruchtung von Oozyten [41]. Es wird mit sehr
kleinen Volumina bei Kulturmedium und Reagenzien gearbeitet, was zu einer Verein-
fachung der Benutzung und einer hohen Reproduzierbarkeit, Standardisierung und
Prozesssicherheit führt (siehe Abbildung 8).

        Mikrofluid-Systeme …                                   Vorteil

  1     … arbeiten mit geringen Volumina                       Kostenreduktion

  2     … sind mehrfach parallel einsetzbar                    Arbeitszeitreduktion

  3     … sind präzise gefertigt und einfach einzusetzen       hohe Reproduzierbarkeit

  4     … arbeiten mit wenigen einfachen Verfahrensschritten   hohe Prozesssicherheit

Abbildung 8: Spezifika und Vorteile von Mikrofluid-Systemen

Die Mikrokanäle der MFSS haben Durchmesser von wenigen hundert Mikrometern
[41]. In ihnen entsteht eine laminare Strömung. Das Funktionsprinzip beruht darauf,

                                                25
dass vorwiegend die motilen Spermien in der Lage sind, die schmalen Mikrokanäle zu
passieren.

Abbildung 9 zeigt, dass sich der Anteil der DNA-Fragmentierungen durch Verwendung
von MFSS deutlich reduzieren lässt [9], [60]. In [70] wird berichtet, dass deren Verwen-
dung die Schwangerschaftsraten erhöhen kann, im Vergleich zur Verwendung kon-
ventioneller DGZ.

 xxx

 xxx

 Abbildung 9: Einfluss der Spermienaufbereitung auf den DNA-Fragmentierungsindex
 Anteil der DNA-Fragmentierungen von verschieden aufbereitetem Sperma (unbehandelt, DGZ,
 Microfluid Chip) [9].

 1.4 Time-lapse Systeme zur Beobachtung der Blastozysten

Eine der kritischen, die Erfolgsraten bestimmenden Schritte ist die Kultur und die Aus-
wahl der Embryonen. Auch wenn nicht notwendigerweise die Morphologie des Emb-
ryos ein stets zuverlässiger Indikator für die Auswahl ist, wird sie doch in jedem Labor
herangezogen. Zur Beurteilung von Oozyten und Embryonen hat sich ein Standard
herausgebildet, der auch einen laborübergreifenden Vergleich erlaubt [71].

                                           26
Im Rahmen der Laborroutine wird jeder Embryo üblicherweise in der Standardembry-
okultur an d1, d3 und d5/d6 beurteilt und der Status dokumentiert. Dies geschieht sub-
jektiv durch Beurteilung der Morphologie per Augenschein und durch Anfertigen von
Bildern. Dieses Vorgehen ist sehr abhängig von der Erfahrung des Personals und der
Embryo muss für die Beobachtung unter dem Mikroskop aus dem Inkubator heraus-
genommen werden. Dies verursacht Stress für den Embryo, da sich dann die Tempe-
ratur und die umgebende Atmosphäre verändern. Zudem erhält man keinerlei Infor-
mationen über den Embryo während des Zeitraums zwischen den Beobachtungszei-
ten. Diese grundsätzlich unbefriedigende Situation wurde in den letzten Jahren durch
automatisiert arbeitende Time-lapse Systeme (TLS) verbessert [72]. Es existieren
mehrere konkurrierende Anbieter dieser Systeme am Markt.

      1   Einsatz im Routinelabor zur Arbeitseffektivierung

      2   Komponente der Qualitätssicherung

      3   Werkzeug für die Wissenschaft

Abbildung 10: Funktionen von TLS-Systemen

Der Embryo verbleibt während seiner gesamten Entwicklung von der Befruchtung bis
zum Transfer in dem System unter kontrollierter Atmosphäre im TLS. Es werden wäh-
rend des gesamten Zyklus in Intervallen von typischerweise 5 Minuten Fotos vom Ent-
wicklungsstand des Embryos gemacht, dessen völlig ungestörte Entwicklung mit äu-
ßerst stabilen Kulturbedingungen sichergestellt ist.

Eine Meta-Studie zeigte, dass durch die Verwendung eines TLS etwa 11 % höhere
Schwangerschaftsraten bei mehr als ca. 6% geringeren Fehlgeburtenraten zu errei-
chen sind und die Lebendgeburtenrate sich um ca. 13% erhöht [73]. Allerdings ist es
weiterhin unklar, ob die Ursache dieser besseren Ergebnisse durch die Stressreduk-
tion oder durch eine verbesserte Auswahl der Embryonen zu finden ist.

Zudem ist eine Dokumentation inklusive der Datengeneration für eine Qualitätskon-
trolle diesem System immanent (siehe Abbildung 10). Dies in den „Standard Operating

                                                27
Procedures“ (SOP) berücksichtigend, bietet sich die Chance, die Kinderwunschbe-
handlung zu verbessern [74]. Ein TLS kann sowohl bei einem frischen IVF/ICSI-Zyklus,
als auch bei zuvor eingefrorenen Embryonen eingesetzt werden und ist unabhängig
von der Länge der Kulturdauer

Es findet also anstelle einer in einer normalen Routine üblichen diskreten Überwa-
chung des Embryos eine kontinuierliche Überwachung mit vielen Bildern pro Zyklus
statt. So erhält man grundsätzlich viel mehr und neue Informationen über die Kinetik
der Morphologie des Embryos in vitro. Dies eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit, Kor-
relationen zu vielen Parametern herzustellen und prädestiniert ein TLS für wissen-
schaftliche Untersuchungen (siehe Abbildung 10). So ist beschrieben, dass TLS neue
Auswahlkriterien liefern und sich die Geburtenrate erhöhen lässt [75], [76]. Durch mo-
derne Verfahren wie Bilderkennung wird die Beurteilung der Morphologie dadurch zu-
dem weniger subjektiv und ist unabhängiger von der Erfahrung des Personals. Neue
Studien deuten darauf hin, dass sich die Auswertung von Bildern von Blastozysten im
TLS mit Hilfe künstlicher Intelligenz verbessern lässt und es damit möglich wird, die
Lebendgeburtenrate vorherzusagen [77]. Zudem deuten erste Arbeiten darauf hin, das
über eine Software, die mit Cloud-basierten und sich stetig erweiternden Datenbanken
arbeitet, eine Laborübergreifende Zusammenarbeit möglich und eine Erhöhung der
Schwangerschaftsraten möglich ist [78].

Für eine vergleichbare Beurteilung, publizierte die ESHRE 2020 eine Richtlinie für ver-
schiedene Annotationsschritte. In der Praxis werden Annotationsparameter verwen-
det, die hilfreich sind, um TLS-Systeme samt Selektionsalgorithmen miteinander zu
vergleichen [79] (siehe hierzu auch Abbildung 11):

   •   tPN gibt den Zeitpunkt und die Anzahl der Pronuclei an. Nachdem das Sper-
       mium in die Eizelle eingedrungen ist, zeigen sich im Idealfall zwei Vorkerne,
       wovon der größere vom Spermium und der kleinere von der Eizelle kommt. Zei-
       gen sich drei Vorkerne, so handelt es sich im Falle einer ICSI meistens um eine
       diploide Eizelle und der Embryo ist zu verwerfen.
   •   t2 gibt den Zeitpunkt der Teilung in 2 Blastomere, also zum Zweizeller, an. Die
       einzelnen Zellen sollten gleich groß und mit einer Zellmembran deutlich vonei-
       nander getrennt sein.

                                          28
•   t3 bis t5 sind die jeweiligen Zeitpunkte der Teilung in 3, 4 und 5 Blastomere und
        geben Auskunft darüber, ob es sich um eine morphologisch korrekte Entwick-
        lung des Embryos handelt.
    •   tB ist der Zeitpunkt an dem sich eine volle Blastozyste entwickelt hat. Es ist das
        letzte Foto, bevor sich die Zona Pellucida verdünnt und sich die Blastozyste
        expandiert.
    •   ICM: Beurteilung der Inneren Zellmasse nach Gardner Score
    •   TE: Beurteilung des Trophektoderms nach Gardner Score

 Xxxx

 xxxx

Abbildung 11: Definition der Annotationsparameter
Definition für die dynamische Überwachung der Entwicklung des menschlichen Embryos vor der Im-
plantation. Quelle: [79]

Aus der dynamischen Überwachung der Embryoentwicklung, lassen sich auch Rück-
schlüsse auf eventuelle Teilungsanomalien wie ungleichmäßige Teilung, Zellfusion o-
der Trichotome Mitose ziehen. Beispielsweise können im Falle eingefrorener Blasto-
zysten nach einem Auftauprozess Parameter wie tRE (start of re-expansion), tCRE
(completion of re-expansion) und tAH (hatching from the manipulated zona pellucida)
protokolliert werden. Hieraus Selektionskriterien ableiten und das Implantationspoten-
tial erhöhen [76].

                                             29
2 Zielstellungen
Die Einführung eines TLS mit gleichzeitiger Einführung eines FC in ein Routinelabor
ist ein aufwändiger Prozess, der sorgfältig und zielgerichtet geplant und begleitet wer-
den muss [80]. Er kann die die SOP des Labors integriert werden und verbessert die
Kinderwunschbehandlung im MAR-Labor [74].

Untersuchungen an FC deuten darauf hin, dass es möglich ist, Spermatozoen mit
DNA-Brüchen effizienter zu eliminieren als mit DGZ (siehe Abschnitt 1.3). Diese Er-
gebnisse berücksichtigend, wird Ejakulat jeweils hälftig mit FC und mit DGZ aufbereitet
und in der Qualität verglichen (siehe Abbildung 12).

Mit Einzug von TLS in MAR-Labore ist es gelungen, die Versorgung von Embryonen
weiter zu optimieren, wenngleich auch nach wie vor viele Parameter das Wachstum
der Embryonen während des Zyklus behindern und die Qualität mindern. Ein FC soll
nun mittels eines TLS, das „objektivere“ Messergebnisse als händische Untersuchun-
gen verspricht, in einem Routinelabor charakterisiert werden.

Zur Charakterisierung des FC sollen die messtechnisch zugänglichen „objektiven“
Messparameter Spermaqualität, Befruchtungsrate, Qualität der Blastozysten, die An-
notationszeitpunke und die Schwangerschaftsrate bestimmt werden (siehe Abbildung
12). Es soll dann zum Abschluss, wenn die Messdaten der „objektiv“ zugänglichen
Messparameter vorliegen und diskutiert sind, zwei Fragen untersucht werden:
 a) Bietet ein TLS grundsätzlich die Chance mit geringem Aufwand Verfahren wie die
    Spermienaufbereitung im Routinelabor zu charakterisieren?
 b) Ergeben sich weitere Vorteile für das Routinelabor durch die Verwendung eines
    FC?

Zur Beantwortung dieser Fragen soll eine Rückmeldung der an der Studie arbeitenden
Mitarbeiter eingeholt werden.

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