CO2-basierte Lkw-Maut für Klimaschutz im Güterverkehr
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POLICY BRIEF (11/2020) ZUR REVISION DER EUROVIGNETTEN-RICHTLINIE CO 2 -basierte Lkw-Maut für Klimaschutz im Güterverkehr Eine wirksame CO2-Bepreisung ist auch für den Klimaschutz im Straßengüterverkehr un- erlässlich. Zentrales Instrument ist dabei die Lkw-Maut, die gemäß Klimaschutzplan durch eine CO2-Differenzierung ergänzt werden soll. Um das zu ermöglichen, ist zunächst eine Revision der Eurovignetten-Richtlinie notwendig und die Bundesregierung hat die Chance, diesen Prozess noch während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft bis Ende 2020 entscheidend voranzutreiben. Der vorliegende Revisionsvorschlag wird bereits mehrheitlich von Politik, Logistikbranche und Wissenschaft befürwortet, doch ausgerech- net das deutsche Verkehrsministerium bremst im Rat aktuell die eigenen Klimaschutz- maßnahmen aus. Von Matthias Runkel und Mario Meyer Klimaschutz im Verkehrssektor Aus dem Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregie- In den kommenden Jahren ist sowohl mit einem Anstieg rung (2019) geht hervor, dass im Jahr 2018 19 % der gesam- des Personen- als auch des Güterverkehrs zu rechnen ten Treibhausgasemissionen in Deutschland im Verkehrs- (siehe z. B. BMVI 2020). Daher ist schnelles und wirksames sektor verursacht wurden. Davon machte allein der Stra- Handeln von Seiten der Regierung notwendig, wenn die ßenverkehr 96,4 % bzw. fast 160 Mio. t THG pro Jahr aus. selbstgesteckten Ziele erreicht werden sollen. Das Bun- Die Emissionen des Güterverkehrs durch leichte und desministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur schwere Nutzfahrzeuge lagen zuletzt bei fast 60 Mio. t (BMVI) könnte und müsste den Klimaschutz im Güterver- THG mit steigender Tendenz (vgl. Abbildung 1). kehr vorantreiben. Stattdessen verlangsamt es derzeit Im Klimaschutzplan 2050 beabsichtigt die Bundesregie- zentrale Prozesse in Deutschland und auf EU-Ebene, die rung (2016) eine Reduktion der THG-Emissionen im Ver- für die Umsetzung zentraler Maßnahmen des Klima- kehrssektor auf 95 bis 98 Mio.t CO2-Äq. bis 2030. Das ent- schutzprogramms abgeschlossen werden müssen. So ist spricht einer Reduktion um 40 bis 42 % ggü. 1990. für den Güterverkehr die Weiterentwicklung der Lkw- Maut zentral, die dafür notwendige Revision der Eurovig- netten-Richtlinie hängt derzeit jedoch im BMVI fest.
CO2-basierte Lkw-Maut für Klimaschutz im Güterverkehr • Seite 2 von 6 Abbildung 1: THG-Emissionen des Straßenverkehrs Wichtiger Bestandteil einer solchen Reform ist die Einfüh- rung einer zusätzlichen CO2-Bepreisung in der Lkw-Maut. 200 Mio. t THG Diese Komponente hätte unterschiedliche Wirkungsme- 180 chanismen. Eine Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene und die Binnenschifffahrt wäre aufgrund der relativen 160 Preisveränderungen zwischen den Verkehrsträgern zu er- 140 warten und der Anreiz zur effizienteren Auslastung der Fahrzeuge und der Vermeidung von Leerfahrten würde 120 steigen. Auch hätte das Instrument eine klare Lenkungs- 100 wirkung in Richtung emissionsärmerer und -freier Lkw. Für 80 diese Technologien sind klare politische Rahmenbedin- gungen und Preisanreize wichtiger Treiber. Durch eine 60 entsprechende Reform der Lkw-Maut kann von einer Re- 40 duktion der Lkw-Fahrleistung von rund 13 % ausgegangen werden, was einer THG-Minderung von 6,8 Mio. t im Jahr 20 2030 entspricht (Agora Energiewende 2018). 0 Die Lkw-Maut würde damit einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten, der allein jedoch noch nicht ausreicht. Auch muss zunächst auf europäi- scher Ebene die Revision der Eurovignetten-Richtlinie Sonstiger Straßenverkehr abgeschlossen werden, um die Klimakosten über einen Pkw CO2-Aufschlag bzw. eine CO2-Differenzierung der Maut leichte Nutzfahrzeuge zu berücksichtigen. Schwerlastwagen und Busse Weitere wichtige Bestandteile der Reform müssen die Ausweitung auf weitere Straßen und Fahrzeuge sein (adel- Quelle: Eurostat (2020) phi/FÖS 2019), um Lücken im System zu schließen. Auch muss die Maut in Einklang mit Energiesteuer und nationa- lem Emissionshandelssystem (nEHS) gebracht werden. Sie Lkw-Maut als zentrales Instrument des hat im Gegensatz zu beiden Instrumenten den großen Klimaschutzes im Straßengüterverkehr Vorteil, dass Ausweichreaktionen (z. B. durch „Tanktouris- mus“) nicht möglich sind. Trotz vermehrter Anstrengungen, den Verkehr auf die Schiene zu verlagern, werden im Güterverkehr weiterhin mehr als 70 % des Verkehrsaufkommens (699 Mrd. Ton- Konsistente CO2-Bepreisung mit Lkw-Maut nenkilometer) auf der Straße transportiert (UBA 2020). und nEHS Daher sind konkrete Maßnahmen im Straßengüterverkehr von besonderer Bedeutung. Ein zentrales Instrument ist Mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) dabei die Lkw-Maut. Ab 2023 soll diese auch nach CO2- wurde beschlossen, dass ab 2021 für die Bereiche Wärme Werten differenziert werden (Bundesregierung 2016). und Verkehr ein nationales Emissionshandelssystem (nEHS) entstehen soll. Die Einführung eines CO2-Preises Bisher werden in den streckenbezogenen Mautsätzen (in auf nationaler Ebene über ein Emissionshandelssystem Cent/km) die Infrastrukturkosten sowie externe Kosten hat grundsätzlich den Vorteil, dass anders als bei einer der Luftverschmutzung und der Lärmbelastung berück- CO2-Steuer eine Mengenbegrenzung möglich ist. Diese sichtigt und differenziert. Die Differenzierung nach Schad- fehlt jedoch bis 2025, da die Emissionszertifikate zunächst stoffklassen hat ihre Wirkung aber weitestgehend verlo- zu Festpreisen verkauft werden. Ab 2026 soll die Menge ren, da bereits 95 % der bemauteten Fahrleistung von Lkw an Emissionszertifikaten zwar begrenzt werden, aber wei- in den beiden günstigsten Schadstoffklassen (Euro terhin in einem Preiskorridor gehandelt werden. Erst 2027 5/EEV1 und Euro 6) erbracht werden. Diese Differenzie- werden die Zertifikate frei handelbar sein und damit eine rung hat einen entscheidenden Beitrag zur Flottenverjün- Mengenbegrenzung stattfinden. Die beschlossenen Fest- gung beigetragen (adelphi/FÖS 2019), muss nun aller- preise sind zu niedrig angesetzt und müssten deutlich an- dings weiterentwickelt werden, damit die Lkw-Maut in Zu- gehoben werden, damit die angestrebte Reduktion der kunft ein zentrales Instrument des Klimaschutzes werden THG-Emissionen auf europäischer Ebene erreicht werden kann. Dazu müssen auch Wechselwirkungen mit anderen kann (FÖS 2020). Instrumenten berücksichtigt werden. Tel: +49 (0) 30 76 23 991 – 30 Fax: +49 (0) 30 76 23 991 – 59 www.foes.de / foes@foes.de
CO2-basierte Lkw-Maut für Klimaschutz im Güterverkehr • Seite 3 von 6 Im Kontext der Lkw-Maut argumentiert vor allem die Lo- reduziert werden können. Alternativen, wie etwa eine gistikbranche, dass die Gefahr einer Doppelbelastung, be- Energiesteuererhöhung oder das nEHS, könnten dagegen stehend aus einer CO2-Bepreisung über Lkw-Maut und zu Ausweichreaktionen führen (z. B. „graue Importe“ bzw. nEHS entstünde. Die konkrete Ausgestaltung beider In- Tanktourismus). strumente ist allerdings noch unklar, da im Falle des nEHS Die Internalisierung externer Luftverschmutzungs- und noch verschiedene Rechtsverordnungen verabschiedet Lärmkosten stärkt das Verursacherprinzip. Beide Kompo- und für die nationale Ausgestaltung der Maut zunächst die nenten sind in der deutschen Lkw-Maut bereits enthalten Revision der Eurovignetten-RL abgeschlossen werden (die Luftverschmutzungskomponente wird nach Schad- müssen. Konkrete Wechselwirkungen oder Inkonsisten- stoffklassen der Euronorm differenziert), können aber wei- zen der CO2-Bepreisung sind also noch nicht endgültig terentwickelt werden, beispielsweise um Unterschiede in auszumachen. Klar ist allerdings, dass das Ziel eine konsis- den externen Kosten aufzugreifen: externe Kosten sind tente CO2-Bepreisung in angemessener Höhe sein muss. z. B. in Berg- oder Metropolregionen höher (vgl. i-MO- Aufgrund des niedrigen Einstiegspreises des nEHS sind NITRAF!/CIPRA 2020). Eine Stärkung des Verursacher- die Bedenken der Branche allerdings nur bedingt gerecht- prinzips führt gemäß der Europäischen Kommission (2017) fertigt, denn die Instrumente ergänzen sich und bilden zu einem nachhaltigeren und sozial gerechteren Straßen- nach momentanem Stand selbst zusammen nicht die tat- verkehr. sächlichen Klimakosten der CO2-Emissionen ab. In einem neu aufgenommenen Paragraphen soll zudem Im Straßengüterverkehr gilt es in der Diskussion zu beach- die Einführung einer Staugebühr, differenziert nach Ort, ten, dass Deutschland ein Transitland ist. Ausweichreakti- Zeit und Fahrzeugtyp, ermöglicht werden. Neben der Inf- onen bei Erhöhung der Energiesteuer und/oder Einfüh- rastrukturgebühr ermöglicht es eine solche Gebühr, die rung des nEHS sind zu erwarten. Die Reichweite der meis- hohen externen Kosten des Staus zu adressieren und das ten Lkw ist so groß, dass eine Betankung der Fahrzeuge in Stauproblem im außerstädtischen Verkehr konkret zu be- Deutschland nicht notwendig ist und die Instrumente so- kämpfen. Damit eine solche Staugebühr Nutzer*innen ein- mit unwirksam bleiben. Der Problematik solcher „grauen zelner Fahrzeugtypen nicht diskriminiert, muss diese Ge- Importe“ bzw. des Tanktourismus kann mit der Lkw-Maut bühr für alle Fahrzeugklassen in verhältnismäßiger Art und besser begegnet werden, da die tatsächlich in Deutsch- Weise erhoben werden. Beschränkt ist die Möglichkeit ei- land gefahrenen Kilometer abgerechnet werden. Eine ner solchen Erhebung auf Straßen, auf denen es regelmä- CO2-Bepreisung im Güterverkehr kann über die Maut ßig zu Stau kommt und auch nur in den Zeitfenstern in de- also vermutlich effektiver und wirksamer umgesetzt wer- nen diese Staus typischerweise auftreten (Europäische den – was auch fiskalische Vorteile mit sich bringt. Kommission 2017a). Die konkrete Umsetzung einer sol- chen Gebühr ist dabei noch offen und muss weiter ausge- arbeitet werden. Perspektivisch könnte eine solche Ge- Revision der Eurovignetten-Richtlinie bühr eine sinnvolle Ergänzung sein und zur Internalisie- Die EU-Kommission hat 2017 das Mobilitätspaket „Europa rung beitragen. in Bewegung“ verabschiedet und darin einen Vorschlag zur Revision der Lkw-Maut vorgelegt. In diesem Vorschlag Erweiterung auf weitere Fahrzeugklassen finden folgende Veränderungen Berücksichtigung: Ausweitung auf Lkw ab 3,5 Tonnen Ausweitung auf leichte Nfz (leichter 3,5 Tonnen, also Bepreisung externer Kosten z. B. Kleintransporter und Kleinbusse; eine Ausnahme Berücksichtigung der CO2-Emissionen bei der Gebüh- einzelner Gruppen soll nicht mehr möglich sein). rendifferenzierung Ausweitung auf Busse Einbeziehung externer Luftverschmutzungskosten Ausweitung auf Pkw und/oder Lärmkosten Eine Ausweitung der Maut auf Busse wird seit Jahren dis- Einführung einer Staugebühr, die für alle Fahrzeug- kutiert, konkret vorangetrieben und wäre ein sachlich logi- klassen gilt und die Gebühren nach Ort, Zeit und Fahr- scher Schritt der Weiterentwicklung – sowohl im Kontext zeugklasse differenziert einer fairen Nutzerfinanzierung als auch mit Blick auf den Für die Bepreisung externer Kosten, insbesondere der Kli- Umweltschutz. Auf nationaler Ebene wird dieser Vor- makosten, ist die Berücksichtigung von CO2-Emissionen schlag parteiübergreifend begrüßt, und auch in den Be- in der Gebührendifferenzierung zentral. Dabei soll in Zu- schlüssen der Verkehrsministerkonferenz 2016 taucht die kunft eine Differenzierung nach fünf CO2-Klassen erfol- Forderung bereits auf (adelphi/FÖS 2019). Das BMVI gen. Dies ist wichtig, da durch eine solche Differenzierung lehnt solche Forderungen allerdings nach wie vor ab. Bei zielgenau die absoluten und spezifischen CO2-Emissionen der Ausweitung auf Busse geht diese Ablehnung aus dem Tel: +49 (0) 30 76 23 991 – 30 Fax: +49 (0) 30 76 23 991 – 59 www.foes.de / foes@foes.de
CO2-basierte Lkw-Maut für Klimaschutz im Güterverkehr • Seite 4 von 6 Argument hervor, dass sich die Fernbusbranche noch im Politischer Prozess Aufbau befände und daher besonders geschützt werden müsse. Diese Argumentation sorgt bei über 20 Mio. Fahr- Die Umsetzung einer Neugestaltung der Lkw-Maut ist ein gästen pro Jahr (Statistisches Bundesamt 2019) partei- langjähriger Prozess, der sowohl national als auch auf eu- übergreifend für Unverständnis. ropäischer Ebene seit Jahren bearbeitet wird. Der Einbezug leichter Nfz würde ebenfalls eine wichtige Regulierungslücke schließen. Die Anzahl der Neuzulas- Vorschlag der Europäischen Kommission sungen dieser Fahrzeuge nimmt seit Jahren stark zu – sie Bereits 2017 hat die Europäische Kommission einen Vor- werden immer häufiger als Alternative zu mautpflichtigen, schlag zur Änderung der Eurovignetten-Richtlinie (Richt- schweren Lkw genutzt. Dieser Trend geht mit höheren linie 1999/62/EG) erarbeitet. Darin heißt es: „Ziel der Initi- THG-Emissionen der leichten Nfz (vgl. Abbildung 1) und ative ist die Erzielung von Fortschritten bei der Anwen- schlechteren Arbeitsbedingungen der Fahrer*innen ein- dung des Verursacherprinzips („der Verursacher zahlt“) her (Government Office for Science 2019). Der Einbezug und des Nutzerprinzips („der Nutzer zahlt“), um so einen fi- leichter Nfz in die Lkw-Maut würde diese negativen Aus- nanziell und ökologisch nachhaltigen sowie sozial gerech- weicheffekte adressieren (adelphi/FÖS 2019). ten Straßenverkehr zu fördern.“ (Europäischen Kommis- Durch eine Erweiterung auf weitere Fahrzeugklassen wür- sion 2017a, S. 3). Diese Initiative stellt einen Teil des Mobi- den Verlagerungs- und Vermeidungseffekte vermieden litätspakets „Europa in Bewegung“ dar. Die Agenda legt und die ökologische Effektivität der Lkw-Maut gestärkt. dar, wie die Transformation hin zu einer ökologisch und so- zial nachhaltigeren Mobilität auf transnationaler Ebene er- folgreich sein kann (Europäische Kommission 2017b). Eine Erweiterung der Lkw-Maut über den CO2-basierte Lkw-Maut ist ein wichtiger Schritt in diese Vorschlag der EU-Kommission hinaus Richtung und setzt die Erneuerung der Eurovignetten-RL voraus. Ausweitung auf weitere Straßen Berücksichtigung weiterer THG-Emissionen Überarbeitung durch das Europäische Parlament Über den Vorschlag der EU-Kommission hinaus wäre es sinnvoll, die Maut auch auf weitere Straßen auszuweiten. Der Vorschlag der Europäischen Kommission wurde an- Momentan gilt die Maut auf Autobahnen und Bundesstra- schließend an das Europäische Parlament (EP) herange- ßen. Durch die Erweiterung auf Länder- und Gemein- tragen und dort im Ausschuss für Verkehr und Tourismus destraßen würde ein weiteres Schlupfloch, die Nutzung (TRAN) diskutiert und nochmals überarbeitet. Insbeson- mautpflichtiger Straßen zu umgehen, vermieden. Die po- dere wurden in der Version des EP die Elemente der exter- sitiven Effekte sind mit dem steigenden Verwaltungsauf- nen Kosten noch ambitionierter ausgestaltet. Im Oktober wand abzuwägen (adelphi/FÖS 2019). 2018 stimmte das Parlament dem Vorschlag in einer Ple- narsitzung zu. Darüber hinaus bedarf es eines Diskurses über die Berück- sichtigung aller klimarelevanten Emissionen, beispiels- weise N2O und CH4. Gerade gasbetriebene Fahrzeuge, Deutsche Blockade im Verkehrsministerrat die vergleichsweise geringe CO2-Werte aufweisen und bis Seitdem liegt der Vorschlag dem Europäischen Verkehrs- Ende 2023 von der Maut befreit sind, genießen durch die ministerrat vor. Als Teil der Gesetzesinitiative muss die Re- Fokussierung auf CO2-Emissionen eine nicht sachgemäße vision der Eurovignetten-RL auf die Tagesordnung des Ra- Bevorzugung. tes gesetzt werden. Da sich der Rat allerdings auf keine ge- Aus juristischer Sicht ist der Gestaltungsspielraum zur Um- meinsame Linie einigen kann, bleibt bis zum heutigen Tag setzung der Lkw-Maut in Deutschland relativ groß. Die er- eine offizielle Bearbeitung dieser Thematik auf der Tages- hobenen Gebühren dürfen sogar höher sein als die Kosten, ordnung aus. die durch den Lkw-Verkehr verursacht werden. Die Len- Unter deutscher Ratspräsidentschaft wäre es Aufgabe kungszwecke sind verfassungsrechtlich nicht an die Kos- des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infra- tendeckung gebunden, solange die Vorteile in einem an- struktur (BMVI), einen Vorschlag vorzulegen und sich so gemessenen Verhältnis zu den Kosten stehen. Umso wich- auf eine gemeinsame Linie im Verkehrsministerrat zu eini- tiger ist daher eine zeitnahe Umsetzung der Revision der gen. Doch statt dies zu tun und die seit Jahren notwendige Eurovignetten-RL, um die geplanten Maßnahmen des Kli- Revision voranzutreiben, brachte das BMVI einen Vor- maschutzprogramms und zusätzlichen Weiterentwicklun- schlag ein, die neue Verordnung auch auf Pkw auszuwei- gen der Maut auf nationaler Ebene rechtzeitig umsetzen ten und somit eine europaweite Pkw-Maut einzuführen. zu können. Dieser Vorstoß stieß – wenig überraschend – sowohl auf Tel: +49 (0) 30 76 23 991 – 30 Fax: +49 (0) 30 76 23 991 – 59 www.foes.de / foes@foes.de
CO2-basierte Lkw-Maut für Klimaschutz im Güterverkehr • Seite 5 von 6 nationaler Ebene (bei Umwelt- und Wirtschaftsministe- sätzliche CO2-Differenzierung der Lkw-Maut, wie im Kli- rium) als auch auf internationaler Ebene auf scharfe Kritik. maschutzprogramm geplant, ab 2023 auf nationaler Aus der Lkw-Branche hieß es in einem Brief von Scania und Ebene einzuführen. Volvo, dass die deutsche Ratspräsidentschaft versagt habe. Das Vorgehen des BMVI ist in Anbetracht des brei- ten Konsenses nicht nachzuvollziehen und könnte durch- Handlungsempfehlungen an die aus als Verzögerungsstrategie interpretiert werden. Bundesregierung Die Einführung einer fahrleistungsabhängigen, CO2-diffe- Einigung auf gemeinsame Position im Verkehrsminis- renzierten Lkw-Maut wurde von der Bundesregierung im terrat noch während deutscher Ratspräsidentschaft; Klimaschutzprogramm 2030 ab dem Jahr 2023 verankert rechtzeitige Einführung der zusätzlichen CO2-Diffe- und auf europäischer Ebene im Mobilitätspaket „Europa in renzierung Bewegung“ als klares Ziel definiert. Umso unverständlicher ist daher die Blockadehaltung des BMVI. Nicht nur im po- Behandlung von Gas-Lkw in Einklang mit EU-Recht bringen und Maut für alternative Antriebsformen vor- litischen Diskurs findet die Erneuerung der Lkw-Maut bereiten breite Zustimmung, sondern auch von der Logistikbran- che. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Konsistenz zwischen nEHS und Lkw-Maut herstellen Entsorgung (BGL) e.V. stellt sich beispielsweise eindeutig Damit auf europäischer und nationaler Ebene die Klima- hinter die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregie- schutzziele eingehalten werden können, ist ein schnelles rung und spricht sich klar für eine CO2-differenzierte Lkw- und konsequentes Handeln der Bundesregierung not- Maut aus. Um Klarheit in der Technologieentwicklung zu wendig. Von besonderer Bedeutung ist das Voranbringen bekommen, brauche es eindeutige, richtungsweisende des Prozesses im Verkehrsministerrat. Hier steht das BMVI Regeln, die wettbewerbsneutral sind (BGL 2019). aufgrund der deutschen Ratspräsidentschaft in besonde- Etwas überraschend wurde die Eurovignetten-Verord- rer Verantwortung. Damit die nationale Einführung einer nung bei der Sitzung des Verkehrsministerrats am 8. Okto- CO2-Differenzierung der Lkw-Maut ab 2023 zeitlich nicht ber 2020 (unter Leitung des BMVI), auch aufgrund des in Gefahr gerät, ist eine Einigung auf eine gemeinsame Vorstoßes des BMVI zur Erweiterung der Verordnung auf Position in der Dezember-Sitzung von größter Bedeu- Pkw, nicht thematisiert. Sie soll nun erst bei der nächsten tung. Fahrzeughersteller und Logistikbranche brauchen Sitzung am 8. Dezember 2020 besprochen werden. Bun- klare politische Signale, um entsprechende Investitions- desverkehrsminister Andreas Scheuer räumte allerdings entscheidungen treffen zu können. im Anschluss an die Sitzung im Oktober ein, dass sein Vor- Ein weiterer Handlungsbereich ist die Aufhebung der stoß einer europaweiten Pkw-Maut im Zuge der Revision deutschen Mautbefreiung für gasbetriebene Lkw. Im Mai der Eurovignetten-RL zunächst vom Tisch sei und dass die 2020 wurde die Maut-Befreiung (eigentlich bis Ende Thematik im Dezember besondere Priorität habe. 2020 vorgesehen) um drei Jahre verlängert. Diese Verlän- gerung verstößt klar gegen geltendes EU-Recht. Schon im Bevorstehender Trilog Dezember 2018 hat die Kommission darauf hingewiesen, dass diese Befreiung nur vorübergehend und nur bis Ende Der Trilog, der eigentlich schwierigste Teil der Verhandlun- 2020 erhalten bleiben darf. Die Bundesregierung muss gen, steht noch aus. Der Trilog ist eine gemeinsame Ver- hier unverzüglich handeln und die Maut in Einklang mit handlung des Europäischen Parlaments, des Europäi- geltendem EU-Recht bringen. Auf lange Sicht wird es zu- schen Rates und der EU Kommission, in dem die endgül- dem wichtig sein, ein System zu schaffen, das auch alterna- tige Fassung des Gesetzes verhandelt wird. tive Antriebsformen angemessen berücksichtigt. In einer Der Trilog soll Anfang 2021 beginnen. Um dies zu ermögli- postfossilen Mobilität mit hohem Elektromobilitätsanteil chen, ist jedoch eine Positionierung des Verkehrsminister- müssen dabei neue Parameter in die Berechnung der Lkw- rats nötig. Nachdem das Thema im Oktober von der Tages- Maut einfließen, die weiterhin Anreize zu mehr Effizienz ordnung gestrichen wurde, muss dies nun im Dezember geben. dringend passieren. Ob das BMVI bis dahin einen Vor- In Bezug auf die Einführung des nEHS ist es wichtig, dass schlag einbringt, der sowohl national als auch international eine konsistente und angemessen hohe CO2-Bepreisung akzeptiert wird, bleibt abzuwarten. erzielt wird. Einseitige Überbelastungen sind zu vermeiden und die beiden Instrumente durch Sonderregelungen in- Umsetzung in deutsches Recht einander zu integrieren. Relevanter scheint derzeit aber Mit Sicherheit ist allerdings schon jetzt zu sagen, dass es die Gefahr einer zu geringen Bepreisung aufgrund zu weit- zeitlich zunehmend zu einer Herausforderung wird, die zu- reichender Ausnahmen. Tel: +49 (0) 30 76 23 991 – 30 Fax: +49 (0) 30 76 23 991 – 59 www.foes.de / foes@foes.de
CO2-basierte Lkw-Maut für Klimaschutz im Güterverkehr • Seite 6 von 6 WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN adelphi/FÖS (2019): Ökonomische Instrumente in der nahme und künftiges Vorgehen im Hinblick auf nach- Luftreinhaltung. foes.de/publikationen/2019/2019- haltige Mobilität (2015/2005(INI)). www.europarl.eu- 03-FOES-adelphi-Oekonomische-Instrumente-Luft- ropa.eu/doceo/document/TA-8-2015-0310_DE.pdf reinhaltung.pdf Eurostat (2020): Treibhausgasemissionen nach Quellsek- Agora Verkehrswende (2018): Klimaschutz im Verkehr: tor (Quelle: EUA) [env_air_gge] Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030 FÖS (2020): Wie kann der nationale CO2-Preis zum wirk- www.agora-verkehrswende.de/fileadmin/Pro- same Klimaschutzinstrument werden? foes.de/pub- jekte/2017/Klimaschutzszenarien/Agora_Verkehs- likationen/2020/2020-10_FOES_BEHG_Car- wende_Klimaschutz_im_Verkehr_Massnahmen_zur_Er- bon_Leakage_Policy_Brief.pdf reichung_des_Sektorziels_2030.pdf Government Office for Science (2019): A time of unprece- Behrendt, F. und S. Trojahn (2013): Herausforderung für dented change in the transport system. London. as- die Zukunft -Nachhaltige und solide Verkehrsinfra- sets.publishing.service.gov.uk/government/up- strukturfinanzierung. www.researchgate.net/public- loads/system/uploads/attach- tion/320410677_Herausforderung_fur_die_Zukunft_- ment_data/file/780868/future_of_mobility_final.pdf _nachhaltige_und_solide_Verkehrsinfrastrukturfinan- zierun iMONITRAF!/CIPRA (2020): Eurovignette Directive - Call for action: Ambitious modal shift policies and the BMVI - Bundesministerium für Verkehr und digitale Infra- health of people and environment in the Alpine re- struktur (2020): Verkehrsverflechtungsprognose gions require a swift agreement. www.imo- 2030. www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/ver- nitraf.org/DesktopMo- kehrsverflechtungsprognose-2030.html dules/ViewDocument.aspx?Documen- Bundesregierung (2016): Klimaschutzplan 2050 der Bun- tID=NnYwu085o98= desregierung: Klimaschutzpolitische Grundsätze und SRU - Sachverständigenrat für Umweltfragen (2017): Um- Ziele der Bundesregierung www.bmu.de/filead- steuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor. min/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/klima- Berlin. schutzplan_2050_bf.pdf Statistisches Bundesamt (2019): Verkehr: Personenver- Bundesregierung (2019): Klimaschutzprogramm 2030 kehr mit Bussen und Bahnen. der Bundesregierung zur Umsetzung des Klima- schutzplans 2050. www.bundesregierung.de/re- UBA – Umweltbundesamt (2020): Fahrleistungen, Ver- source/blob/975226/1679914/e01d6bd855f09bf05c kehrsaufwand und „Modal Split“. www.umweltbun- f7498e06d0a3ff/2019-10-09-klima-massnahmen- desamt.de/daten/verkehr/fahrleistungen-verkehrs- data.pdf?download=1 aufwand-modal-split#fahrleistung-im-personen- und-guterverkehr BGL - Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V. (2019) : Stellungnahme zum Entwurf eines Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) und desbe- gleitenden Klimaschutzprogramms 2030. www.bgl- IMPRESSUM ev.de/images/downloads/media_3386_1.PDF Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) Europäische Kommission (2017a): Vorschlag für eine Geschäftsführerin: Carolin Schenuit Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Er- hebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Förderhinweis (Stand 04.04.2018): Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge. KOM(2017) 275 final. Brüssel: Europäische Kommis- Dieses Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundes- sion. eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cel- amt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz lar:ffee0901-462a-11e7-aea8- und nukleare Sicherheit. Die Mittelbereitstellung erfolgt 01aa75ed71a1.0002.02/DOC_1&format=PDF auf Beschluss des Deutschen Bundestages. Europäische Kommission (2017b): EUROPA IN BEWE- GUNG: Agenda für einen sozial verträglichen Über- gang zu sauberer, wettbewerbsfähiger und vernetzter Mobilität für alle. ec.europa.eu/transpar- ency/regdoc/rep/1/2017/DE/COM-2017-283-F1-DE- MAIN-PART-1.PDF Europäisches Parlament (2015): Umsetzung des Weiß- Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung buchs Verkehr von 2011: Entschließung des Europäi- schen Parlaments vom 9. September2015 zur Umset- liegt bei den Autorinnen und Autoren. zung des Weißbuchs Verkehr von 2011: Bestandsauf- Tel: +49 (0) 30 76 23 991 – 30 Fax: +49 (0) 30 76 23 991 – 59 www.foes.de / foes@foes.de
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