COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum - Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Konsumverhalten und den illegalen Drogenmarkt - Infodrog
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COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Konsumverhalten und den illegalen Drogenmarkt Schlussbericht der Befragung von Freizeitdrogenkonsumierenden Auswertungsperiode: 16.04.2020 – 31.05.2020
Impressum Herausgeberin Infodrog Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht Eigerplatz 5 CH-3007 Bern +41(0)31 376 04 01 office@infodrog.ch www.infodrog.ch Autoren Dominique Schori, Infodrog Stefano De Simone, Infodrog Lektorat Sandra Bärtschi, Infodrog Übersetzung Célia Bovard, Infodrog © Infodrog 2020 COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 2
Inhaltsverzeichnis 1 Das Wichtigste in Kürze ..................................................................................................................................4 2 Ausgangslage .................................................................................................................................................5 3 Methodik .......................................................................................................................................................6 4 Zusammensetzung der Stichprobe .................................................................................................................6 5 Ergebnisse......................................................................................................................................................7 6 Diskussion .................................................................................................................................................... 14 COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 3
1 Das Wichtigste in Kürze Von Mitte April 2020 bis Ende Mai 2020 hat Infodrog in Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachstellen Freizeitdrogenkonsumierende befragt, welche Auswirkungen die COVID-19- Pandemie auf ihr Konsumverhalten und den Drogenmarkt hat. Insgesamt haben sich 604 Personen an der Umfrage beteiligt. Im Befragungszeitraum galt ein Veranstaltungsverbot. Aus diesem Grund sank auch der Konsum von Substanzen, die bevorzugt in diesem Setting konsumiert werden (z. B. Stimulanzien wie MDMA oder Amphetamin). Gleichzeitig kam es bei den Befragten relativ häufig zu einer Konsumverlagerung hin zu Alkohol, Cannabis und Tabak. Beim Kauf von illegalen Substanzen erwarb rund ein Viertel der Befragten grössere Mengen auf einmal, vermutlich aus Angst, dass der illegale Drogenmarkt während der Corona-Pandemie kollabieren könnte. Der grösste Teil der befragten Personen nahm keine Preisveränderungen auf dem illegalen Drogenmarkt wahr oder konnte dazu keine Angaben machen. Der Drogenmarkt hat sich, gemäss den Einschätzungen der Befragten, trotz Massnahmen wie beispielsweise Grenzschliessungen und systematische Grenzkontrollen, nur wenig verändert 1. Die Qualität bzw. der Reinheitsgrad von illegalen Substanzen scheint zumeist stabil geblieben zu sein, z. T. wurde von einer Verknappung des Angebots oder einer Reduktion der Auswahl berichtet. Rund 40% planten während der Pandemie ihren Konsum insgesamt zu reduzieren. Rund die Hälfte der Befragten gab an, dass die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen einen negativen Einfluss auf ihr Wohlbefinden hatten. Ein Viertel stellte dagegen einen positiven Einfluss fest. 1 Diese Einschätzung wird durch zahlreiche andere Datenquellen gestützt, vgl.: https://www.infodrog.ch/files/content/corona/bulletin-marche-des-drogues-et-covid-no1_de.pdf COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 4
2 Ausgangslage Die COVID-19-Pandemie erreichte Ende Februar 2020 auch die Schweiz. Die damit verbundenen Massnahmen des Bundes zur Eindämmung des Virus hatten und haben enorme Auswirkungen auf sämtliche Lebensbereiche. Viele Fachleute sind davon ausgegangen, dass sich die einschneidenden Massnahmen des Bundes seit Mitte März erheblich auf Personen auswirken, die vorwiegend illegale psychoaktive Substanzen zu rekreativen Zwecken konsumieren – sogenannte Freizeitdrogenkonsumierende. Die Auswirkungen sollten sich demnach auf mindestens den nachfolgenden drei Ebenen abzeichnen. Konsumverlagerung Zunächst wurde vermutet, dass der Konsum von Substanzen, die vorwiegend im Partysetting oder aufgrund deren Wirkspektrum häufig mit anderen Menschen zusammen konsumiert werden (z. B. MDMA/Ecstasy), rückläufig sein wird. Gleichzeitig wurde spekuliert, dass es zu einer Konsumverlagerung zu Substanzen wie Alkohol oder Cannabis kommen könnte, die häufig auch zu Hause und/oder alleine konsumiert werden. Unklar war zudem, wie die einschneidenden Massnahmen das psychische Wohlbefinden und damit potentiell auch das Konsumverhalten beeinflussen würden. Veränderungen auf dem Drogenmarkt Mit der Wiedereinführung von systematischen Grenzkontrollen, der teilweisen Schliessung von Grenzübergängen, den weit ausgedehnten Einreisesperren in ganz Europa und dem starken Rückgang von grenzüberschreitendem Warenverkehr musste man im März davon ausgehen, dass der internationale Drogenhandel ebenfalls betroffen sein wird. Befürchtet wurde, dass es zu einer Verknappung des Angebots auf dem Markt kommen könnte, was DealerInnen dazu veranlassen könnte, zusätzlich Streckmittel zu verwenden oder auf neue, unbekannte oder deutlich gefährlichere Substanzen umzusteigen. Eine Befürchtung bezog sich z. B. auf Heroin, welches bei einer Verknappung auf dem Markt durch ungleich potentere synthetische Opioide wie Fentanyl verdrängt werden könnte, mit potentiell tödlichen Folgen für die Konsumierenden. Veränderung des Kaufverhaltens Mit den Empfehlungen und Verordnungen des Bundes, physisch Distanz zu halten und möglichst zu Hause zu bleiben, stellte sich im März die Frage, ob diese Massnahmen dazu führen könnten, dass Freizeitdrogenkonsumierende ihre Substanzen häufiger online beziehen. Dies etwa, weil sie keinen oder nur noch eingeschränkten Kontakt zu ihren DealerInnen haben. Auch wurde vermutet, dass die Angst vor einem drohenden Kollaps des illegalen Drogenmarktes zu «Hamsterkäufen» führen könnte, wie das für andere Produkte auf dem Höhepunkt der Pandemie ebenfalls zu beobachten war. Um diese Hypothesen und Spekulationen näher zu untersuchen, hat sich Infodrog gemeinsam mit verschiedenen Fachstellen und Praxisprojekten2 dazu entschieden, eine Online-Befragung mit Hilfe der 2 Eve&Rave Schweiz, Rave it safe Bern, Saferparty Streetwork Zürich, Saferdance Basel, Nuit Blanche? Genf, danno.ch Lugano COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 5
Homepages und den Social-Media-Kanäle der Angebote durchzuführen. Wir möchten damit einen Beitrag zu einem besseren Verständnis leisten, inwiefern die COVID-19-Pandemie bzw. die damit verbundenen Massnahmen einen Einfluss auf das Konsum- und Marktverhalten von Freizeitdrogenkonsumierenden sowie den illegalen Drogenmarkt hatten. 3 Methodik Die Online-Fragebögen, die in allen drei Landessprachen verfügbar sind, wurden via Websites, Online- Foren oder Social-Media-Kanäle verbreitet3. Personen, welche die Kanäle oder Websites nutzten, fanden an prominenter Stelle einen Link zum Online-Fragebogen vor und konnten diesen selbständig und anonym ausfüllen. Vereinzelt wurden die Fragebögen auch im Rahmen von Drug Checkings ausgefüllt, die seit Ende April schrittweise ihren Betrieb wieder hochgefahren haben 4. Da es sich beim Kauf, Besitz und Konsum von illegalen psychoaktiven Substanzen um Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz handelt, wurde dem Schutz der Anonymität der Befragten grosse Beachtung geschenkt. Deshalb wurden weder IP-Adressen noch andere personenbezogene Informationen erhoben. 4 Zusammensetzung der Stichprobe Im Zeitraum vom 14. April 2020 bis 31. Mai 2020 haben sich insgesamt 604 Personen an der Umfrage beteiligt, die angaben ihren Wohnsitz in der Schweiz zu haben. 314 Fragebögen wurden auf Deutsch, 240 auf Französisch und 50 auf Italienisch ausgefüllt. 85 Antworten konnten für die Auswertung nicht berücksichtigt werden, da die Angaben unvollständig bzw. nicht plausibel waren. Somit wurden gesamthaft 519 Personen für die Auswertungen berücksichtigt. Der Altersmedian der Befragten ist mit rund 29 Jahren leicht höher als das mittlere Alter der Zielgruppe, die durch die reguläre jährliche Befragung von Freizeitdrogenkonsumierenden erreicht wird (2019 betrug der Altersmedian dort 25,4 Jahre)5. Rund 65 % aller Befragten sind männlich. Der Frauenanteil liegt mit 34 %6 leicht höher als in der jährlichen Befragung von Freizeitdrogenkonsumierenden (2019 betrug der Frauenanteil dort knapp 30 %). 3 Zum Fragebogen: https://www.infodrog.ch/files/content/corona/Fragebogen_Bericht_Freizeitdrogenkonsum_Covid - 19_d.pdf 4 Zur aktuellen Situation der Drug-Checking-Angebote in der Schweiz vgl.: https://www.safezone.ch/substanzwarnungen.html 5 https://www.infodrog.ch/de/themen/nightlife/fragebogen-freizeitdrogenkonsum.html 6 1% diversgeschlechtlich COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 6
5 Ergebnisse 12-Monats-Prävalenz Wie Abb. 1 zu entnehmen ist, konsumierten die Befragten in den letzten 12 Monaten am häufigsten die legalen psychoaktiven Substanzen Alkohol und Tabak sowie Hanfprodukte, wie z. B. Marihuana oder Haschisch. 9 von 10 Befragten (n=467) gaben in den letzten 12 Monaten vor der Befragung an mindestens einmal Alkohol konsumiert zu haben, bei Tabak rund 8 von 10 Befragten (n=409). Drei Viertel aller Befragten (n=385) haben in den letzten 12 Monaten mindestens einmal Hanfprodukte konsumiert. Für MDMA (Pulver/Kristalle und Pillen) sind es ebenfalls rund drei Viertel (n=398). Bei weiteren illegalen psychoaktiven Substanzen wurden am häufigsten Kokain (44% aller Befragten), Amphetamin (34%), LSD (29%) oder Ketamin (27%) konsumiert. Abbildung 1: 12-Monats-Prävalenz, n=519 Alkohol 467 Tabak 409 Hanfprodukte (Gras, Hasch) 385 Kokain (Pulver) 230 MDMA (Pulver/Kristalle) 217 MDMA (Pillen) 181 Amphetamin/Speed 174 LSD 149 Ketamin 139 Andere pflanzliche Drogen 110 Psilocybinhaltige Pilze 97 Benzodiazepine 83 Andere psychische Medikamente 68 Poppers 65 2-CB 48 Andere 37 Heroin 34 GHB/GBL 30 Kokain (Crack/Freebase) 28 Synthetische Cannabinoide 24 Methamphetamin 21 Synth. Cathinone 14 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 30-Tages-Prävalenz und Konsumhäufigkeit Bei der 30-Tages-Prävalenz zeigt sich ein analoges Bild. Am häufigsten konsumierten die Befragten in den letzten 30 Tagen vor dem Zeitpunkt der Befragung die legalen Substanzen Alkohol und Tabak, gefolgt von den illegalen Substanzen Hanfprodukte, Kokain, MDMA/Ecstasy oder Amphetamin. Insgesamt zeigt sich, dass die hier erreichte Zielgruppe deutlich häufiger psychoaktive Substanzen (insbesondere illegale) konsumiert als die Allgemeinbevölkerung. Die hohe Konsumfrequenz bei vielen illegalen Substanzen bedeutet auch, dass diese Zielgruppe einem potentiell hohen Risiko ausgesetzt wäre, falls sich der illegale Drogenmarkt massgeblich verändern sollte. COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 7
Abbildung 2: 30-Tages-Prävalenz und Konsumhäufigkeit (Anzahl Tage mit Konsum der jeweiligen Substanz), n=519 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 Alkohol (n=437) 105 140 98 94 Tabak (n=380) 82 36 34 228 Hanfprodukte (n=338) 97 52 38 151 Kokain (Pulver) (n=133) 55 40 18 20 Amphetamin (n=108) 49 32 10 17 MDMA (Pulver/Kristalle) (n=96) 63 14 5 14 LSD (n=87) 60 18 4 5 Ketamin (n=75) 48 15 5 7 MDMA (Pillen) (n=70) 43 15 5 7 Andere pflanzliche Drogen (n=67) 40 16 3 8 An 1 oder 2 Tagen Benzodiazepine (n=61) 20 19 10 12 An 3 bis 9 Tagen Andere psychische Medikamente… 27 15 3 6 Psilocybinhaltige Pilze (n=36) 26 36 An 10 bis 19 Tagen Poppers (n=32) 19 7 6 An 20 oder mehr Tagen Kokain (Crack/ Freebase) (n=30) 15 5 3 7 Heroin (n=28) 11 3 3 11 Methamphetamin (n=20) 9 4 3 4 GHB/GBL (n=19) 12 5 1 Synthetische Cannabinoide (n=19) 12 4 3 2-CB (n=16) 13 2 1 Cathinone (n=13) 9 2 1 1 COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 8
Einfluss auf das Konsumverhalten Für einen Grossteil der Befragten schien die COVID-19-Pandemie einen Einfluss auf ihr Konsumverhalten zu haben. So gaben rund 70% aller Befragten an, dass sich durch Pandemie, bzw. durch die damit zusammenhängenden Massnahmen und Einschränkungen, ihr Konsumverhalten verändern würde (vgl. Abb. 3). Abbildung 3: Einfluss der COVID-19-Pandemie auf das Konsumverhalten, n=494 349 Konsumveränderung 131 Keine Veränderungen 14 Weiss nicht/keine Angaben 0 100 200 300 400 Fast die Hälfte der Befragten (n=228) gab dabei an, dass sie bestimmte Substanzen häufiger konsumierten, als dies vor Ausbruch von COVID-19 in der Schweiz der Fall war. Ein Drittel der Befragten (n=161) sagten aus, bestimmte Substanzen seit Ausbruch von COVID-19 seltener zu konsumieren. Rund ein Viertel der Befragten gab an, häufiger alleine zu konsumieren. Andere Veränderungen des Konsumverhaltens wurden vergleichsweise selten genannt (vgl. Abb. 4). Abbildung 4: Einfluss der COVID-19-Pandemie auf Konsumverhalten, Mehrfachantworten möglich, n=494 Ich konsumiere bestimmte Substanzen häufiger 228 Ich konsumiere bestimmte Substanzen seltener 161 Ich konsumiere häufiger alleine 130 Ich konsumiere kleinere Mengen auf einmal 54 Ich konsumiere grössere Mengen auf einmal 52 Ich konsumiere andere Substanzen als üblich 41 Ich konsumiere auf andere Art und Weise (z.B. schnupfen 15 statt schlucken) 0 50 100 150 200 250 COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 9
Befragte, die mitteilten, dass sie bestimmte Substanzen seit Ausbruch von COVID-19 häufiger bzw. seltener konsumieren würden, wurden zusätzlich gefragt, um welche Substanzen es sich dabei handelte. Abb. 5. stellt die Tendenzen bzgl. Konsumhäufigkeit für die verschiedenen Substanzen dar. Es zeigt sich, dass insbesondere Alkohol, Tabak und Hanfprodukte häufiger konsumiert wurden, während Stimulanzien wie MDMA oder Kokain weniger häufig konsumiert wurden. Abbildung 5: Relative Veränderung des Konsums verschiedener Substanzen 140 132 117 120 Häufigerer Konsum (n=227) 100 93 92 Seltenerer Konsum (n=313) 78 75 80 61 60 54 51 49 36 37 40 25 21 22 14 17 16 15 20 6 7 7 10 8 66 10 9 12 6 2 3 3 1 2 34 14 13 5 5 3 0 Diejenigen, die angaben, dass sich ihr Konsumverhalten verändert hatte, wurden zudem nach den Gründen für die Veränderung gefragt. Am häufigsten wurde dabei genannt, dass durch den Wegfall von beruflichen Verpflichtungen mehr Gelegenheiten zum Konsum vorhanden waren und deshalb mehr konsumiert wurde. Am zweithäufigsten war die Nennung, dass infolge des Veranstaltungsverbots weniger Konsumgelegenheiten (z. B. an einer Party) vorhanden waren und deshalb weniger konsumiert wurde. Etwas weniger häufig wurden psychische oder soziale Belastungssituationen sowie ein erschwerter Zugang zu den illegalen Substanzen als Gründe für eine Konsumveränderung genannt. COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 10
Abbildung 6: Gründe für verändertes Konsumverhalten, Mehrfachantworten möglich, n=344 Ich habe mehr Gelegenheiten zum Konsum (z. B weniger berufliche Verpflichtungen) 178 Ich habe weniger Gelegenheiten zum Konsum (z. B. keine Partys mehr) 152 Ich fühle mich durch die aktuelle Situation psychisch belastet (Ängste, Antriebslosigkeit) 79 Ich fühle mich durch die aktuelle Situation sozial belastet (Jobverlust, Geldprobleme, fehlende Sozialkontakte) 78 Der Zugang zu meiner Quelle ist erschwert (Dealer, Bekanntenkreis) 71 Anderes 41 Der Zugang zu meiner Quelle ist erleichtert 18 Ich habe Angst vor einer Infektion mit COVID-19 (durch Kontakt mit Dealer/Substanz) 18 Ich habe Angst vor zusätzlichen Risiken (neue Streckmittel, falsch deklarierte Substanzen) 16 0 50 100 150 200 Veränderungen des Kaufverhaltens Die Teilnehmenden wurden gefragt, welchen Einfluss die COVID-19-Pandemie auf ihr Kaufverhalten und den illegalen Drogenmarkt hat. In Bezug auf das Kaufverhalten gab fast jede zweite befragte Person an (n=224), dass sich nichts verändert hat und die Substanzen weiterhin über dieselbe Quelle bezogen werden. Fast jede vierte Person (n=106) berichtete, grössere Mengen auf einmal zu kaufen, als noch vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie. Knapp jede/r fünfte Befragte (n=89) gab an, mehr illegale Substanzen während der Pandemie über private Netzwerke zu kaufen, z. B. den Bekanntenkreis. Abbildung 7: Veränderung des Kaufverhaltens, Mehrfachantworten möglich, n=469 Keine Veränderungen 224 Ich kaufe grössere Mengen auf einmal 106 Ich kaufe mehr über private Netzwerke (Bekanntenkreis) 89 Weiss nicht/ keine Angaben 47 Ich lasse mir vermehrt Substanzen persönlich nach Hause liefern 33 Ich kaufe mehr bei mir unbekannten Dealern 31 Ich kaufe mehr über das Dark Web/ Deep Web 20 Ich lasse mir vermehrt Substanzen per Post zustellen 17 Ich produziere mehr selber/ baue mehr selber an 17 Ich kaufe kleinere Mengen auf einmal 13 Ich kaufe mehr über das Clear Web 11 0 50 100 150 200 250 COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 11
5.5 Veränderungen auf dem illegalen Drogenmarkt Die Teilnehmenden wurden weiter darüber befragt, ob es nach ihrer Einschätzung zu Veränderungen bzgl. Preis und Qualität auf dem illegalen Drogenmarkt gekommen ist. Bei den Hanfprodukten berichteten 94 Personen über einen Preisanstieg auf dem Schwarzmarkt. Beim Kokain stellten 37 Personen in den letzten 30 Tagen einen erhöhten Preis fest, beim Heroin 16 Befragte. Der grösste Teil der Teilnehmenden nahm jedoch keine Preisveränderung wahr oder konnte dazu keine Angaben machen. Abbildung 8: Beobachtete Veränderung der Preise auf dem Schwarzmarkt 300 Preis gestiegen (Anzahl Nennungen); n=454 281 Preis gesunken (Anzahl Nennungen); n=448 250 221 200 150 150 94 104 100 37 50 9 2 11 2 13 3 7 1 13 1 12 1 2 3 12 1 80 50 21 9 2 16 1 71 21 41 41 30 38 0 In Bezug auf die Qualität gibt es, gemäss Aussagen der Befragten, nur vereinzelt Veränderungen und keine eindeutigen Tendenzen. Teilweise wird darüber berichtet, dass Hanfprodukte seit dem Ausbruch von COVID-19 in der Wirkung schwächer, oder aber auch stärker geworden sind. Ebenfalls hatten 28 Personen den Eindruck, dass die Wirkung des Kokains schwächer bzw. die Substanz weniger rein war. Die meisten Teilnehmenden stellten jedoch bezüglich der Qualität der Substanzen auf dem Schwarzmarkt keine Veränderung fest oder konnten dazu keine Aussagen machen. Abbildung 9: Beobachtete Veränderungen der Qualität der Substanzen auf dem Schwarzmarkt 300 265 Stärker/reiner: Anzahl Nennungen (n=443) 267 250 Schwächer/weniger rein: Anzahl Nennungen (n=438) 200 139 150 111 100 50 31 28 22 9 12 1 2 3 26 32 20 13 22 00 11 11 11 00 15 11 01 10 00 34 0 COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 12
Zusätzlich wurde nach weiteren Veränderungen gefragt, welche von den Befragten auf dem illegalen Drogenmarkt beobachtet wurden. Ein Drittel aller Befragten stellten keine Veränderungen fest (n=137). Jede fünfte Person hatte den Eindruck, dass insgesamt weniger Substanzen auf dem Markt waren (n=93) oder, dass die Auswahl kleiner geworden ist (z. B. nur noch eine bestimmte Grassorte beim Dealer, (n=84). Abbildung 10: Weitere beobachtete Veränderungen auf dem Drogenmarkt, Mehrfachnennungen möglich, n=426 Weiss nicht/ keine Angaben 149 Keine Veränderungen 137 Es sind weniger Substanzen auf dem Markt vorhanden 93 Die Auswahl ist kleiner geworden (z. B. nur noch eine 84 Grassorte, nur noch eine bestimmte Ecstasy-Pille) Mein Dealer/ meine Dealerin bietet mir andere Substanzen 23 an als üblich Beim Konsum treten vermehrt unerwünschte oder 19 unerwartete Wirkungen auf Die Auswahl ist grösser geworden 6 0 50 100 150 200 5.6 Veränderungsmotivation und Auswirkungen von COVID-19 auf das Wohlbefinden Abschliessend wurde gefragt, ob die Befragten in den nächsten Wochen nach der Befragung planen, etwas an ihrem Konsumverhalten zu verändern. Rund 42% aller Antwortenden (n=176) gaben an, dass sie keine Veränderungen planen. Knapp jede dritte Person (n=135) plante, in den nächsten Wochen insgesamt weniger häufig zu konsumieren (n=424). Abbildung 11: Veränderungsmotivation in Bezug auf Konsumverhalten in den nächsten Wochen, n=426 Nein, ich plane keine Veränderungen. 176 Ja, ich plane weniger häufig zu konsumieren. 135 Weiss nicht 53 Ja, ich plane den Konsum zu stoppen. 36 Ja, ich plane weniger grosse Mengen auf einmal zu 26 konsumieren. Ja, ich plane häufiger zu konsumieren. 24 Ja, ich plane grössere Mengen auf einmal zu konsumieren. 7 0 50 100 150 200 COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 13
Etwas weniger als die Hälfte der Antwortenden (n=204) berichteten von einem negativen Einfluss der aktuellen Situation auf ihr allgemeines Wohlbefinden; demgegenüber nahmen rund ein Viertel (n=117) positive Auswirkungen auf ihr allgemeines Wohlbefinden wahr. Abbildung 12: Einfluss der COVID-19-Pandemie auf das Wohlbefinden, n=479 Positive Veränderung 77 23 17 Negative Veränderung 123 52 29 Keine Veränderung 158 0% 20% 40% 60% 80% 100% Keine Veränderung schwach < 30% Mittel 30%-50% Stark >= 50% 6 Diskussion Die Stichprobe weist die typischen Merkmale der Gruppe der Freizeitdrogenkonsumierenden auf: junges bis mittleres Erwachsenenalter, deutlich grössere Konsumerfahrung mit illegalen psychoaktiven Substanzen als die Allgemeinbevölkerung und deutlich höherer Konsum in den vergangenen 30 Tagen. Das Konsumverhalten dieser Zielgruppe scheint durch die COVID-19-Pandemie massgeblich beeinflusst zu werden. Das Veranstaltungsverbot und die massiven Einschränkungen von Sozialkontakten scheint dazu geführt zu haben, dass Substanzen, die von Freizeitdrogenkonsumierenden im Partysetting oder aufgrund ihres Wirkspektrums zumindest häufig in Gruppen konsumiert werden (z. B. MDMA/Ecstasy oder Kokain), seltener konsumiert werden. Die gleichzeitige Zunahme des Konsums bei den legalen Substanzen Alkohol und Tabak sowie bei Hanfprodukten könnte aber ein Indiz dafür sein, dass nicht insgesamt weniger konsumiert wird, sondern lediglich eine Konsumverlagerung hin zu anderen Substanzen stattfindet. Weniger berufliche oder schulische Verpflichtungen oder der Wegfall einer sozialen Kontrolle (z. B. durch Arbeiten im Homeoffice) scheint den Konsum dieser Substanzen tendenziell zu begünstigen. Psychische oder soziale Belastungen (etwa durch Vereinsamung, Stress oder Angst um den Arbeitsplatz) könnten einen zusätzlichen Einfluss haben. Der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf den illegalen Drogenmarkt scheint hingegen deutlich geringer gewesen zu sein, als dies Mitte März befürchtet worden ist. Einige DealerInnen haben vermutlich versucht, aus dem befürchteten Kollaps des illegalen Drogenmarktes Kapital zu schlagen und haben bei einzelnen Substanzen (v. a. Hanfprodukte) die Preise erhöht. Weitere bisher verfügbare Datenquellen stützen die These, dass die Auswirkungen der Krise auf den illegalen Drogenmarkt insgesamt als gering einzuschätzen sind.7 7 https://www.infodrog.ch/files/content/corona/bulletin-marche-des-drogues-et-covid-no1_de.pdf COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 14
Vereinzelt wurde darüber berichtet, dass illegale Hanfprodukte seit Ausbruch von COVID-19 stärker in ihrer Wirkung geworden sind. Es ist denkbar, dass dies mit dem vermehrten Auftauchen von mit synthetischen Cannabinoiden gestreckten, als klassische Cannabisprodukte verkaufte Substanzen, zusammenhängt. In den letzten Wochen kam es in den Drug-Checking-Angeboten in der Schweiz zu einer Häufung solcher Proben. Einzelne Personen berichten auch davon, dass Kokain seit Ausbruch von COVID-19 schwächer geworden ist. Erste Erkenntnisse aus den wiedereröffneten Drug-Checking-Angeboten stützen diese Einschätzung allerdings nicht. Es ist folglich nicht auszuschliessen, dass ein Verzerrungseffekt aufgrund einer veränderten Erwartungshaltung vorhanden ist. Wenn ich (als Konsumierende/r) davon ausgehe, dass der Kokainmarkt austrocknet und die Substanz mehr gestreckt wird, erwarte ich beim Konsum auch eine schwächere Wirkung. Die schwächere Wirkung empfinde ich nach dem Konsum womöglich tatsächlich, obwohl sich der Reinheitsgrad des Kokains gar nicht verändert hat. COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 15
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