COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum - Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf das Konsumverhalten und den illegalen Drogenmarkt - Infodrog

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COVID-19 und
Freizeitdrogenkonsum
Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf
das Konsumverhalten und den illegalen
Drogenmarkt
Schlussbericht der Befragung von Freizeitdrogenkonsumierenden
Auswertungsperiode: 16.04.2020 – 31.05.2020
Impressum

Herausgeberin
Infodrog
Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht
Eigerplatz 5
CH-3007 Bern
+41(0)31 376 04 01
office@infodrog.ch
www.infodrog.ch

Autoren
Dominique Schori, Infodrog
Stefano De Simone, Infodrog

Lektorat
Sandra Bärtschi, Infodrog

Übersetzung
Célia Bovard, Infodrog

© Infodrog 2020

                                                     COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 2
Inhaltsverzeichnis

1   Das Wichtigste in Kürze ..................................................................................................................................4

2   Ausgangslage .................................................................................................................................................5

3   Methodik .......................................................................................................................................................6

4   Zusammensetzung der Stichprobe .................................................................................................................6

5   Ergebnisse......................................................................................................................................................7

6   Diskussion .................................................................................................................................................... 14

                                                                                                                 COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 3
1        Das Wichtigste in Kürze

             Von Mitte April 2020 bis Ende Mai 2020 hat Infodrog in Zusammenarbeit mit verschiedenen
              Fachstellen Freizeitdrogenkonsumierende befragt, welche Auswirkungen die COVID-19-
              Pandemie auf ihr Konsumverhalten und den Drogenmarkt hat.
             Insgesamt haben sich 604 Personen an der Umfrage beteiligt.
             Im Befragungszeitraum galt ein Veranstaltungsverbot. Aus diesem Grund sank auch der Konsum
              von Substanzen, die bevorzugt in diesem Setting konsumiert werden (z. B. Stimulanzien wie
              MDMA oder Amphetamin).
             Gleichzeitig kam es bei den Befragten relativ häufig zu einer Konsumverlagerung hin zu Alkohol,
              Cannabis und Tabak.
             Beim Kauf von illegalen Substanzen erwarb rund ein Viertel der Befragten grössere Mengen auf
              einmal, vermutlich aus Angst, dass der illegale Drogenmarkt während der Corona-Pandemie
              kollabieren könnte.
             Der grösste Teil der befragten Personen nahm keine Preisveränderungen auf dem illegalen
              Drogenmarkt wahr oder konnte dazu keine Angaben machen.
             Der Drogenmarkt hat sich, gemäss den Einschätzungen der Befragten, trotz Massnahmen wie
              beispielsweise Grenzschliessungen und systematische Grenzkontrollen, nur wenig verändert 1.
              Die Qualität bzw. der Reinheitsgrad von illegalen Substanzen scheint zumeist stabil geblieben zu
              sein, z. T. wurde von einer Verknappung des Angebots oder einer Reduktion der Auswahl
              berichtet.
             Rund 40% planten während der Pandemie ihren Konsum insgesamt zu reduzieren.
             Rund die Hälfte der Befragten gab an, dass die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen
              Einschränkungen einen negativen Einfluss auf ihr Wohlbefinden hatten. Ein Viertel stellte
              dagegen einen positiven Einfluss fest.

1
    Diese Einschätzung wird durch zahlreiche andere Datenquellen gestützt, vgl.:
    https://www.infodrog.ch/files/content/corona/bulletin-marche-des-drogues-et-covid-no1_de.pdf

                                                                                             COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 4
2        Ausgangslage

Die COVID-19-Pandemie erreichte Ende Februar 2020 auch die Schweiz. Die damit verbundenen
Massnahmen des Bundes zur Eindämmung des Virus hatten und haben enorme Auswirkungen auf
sämtliche Lebensbereiche. Viele Fachleute sind davon ausgegangen, dass sich die einschneidenden
Massnahmen des Bundes seit Mitte März erheblich auf Personen auswirken, die vorwiegend illegale
psychoaktive Substanzen zu rekreativen Zwecken konsumieren – sogenannte
Freizeitdrogenkonsumierende. Die Auswirkungen sollten sich demnach auf mindestens den
nachfolgenden drei Ebenen abzeichnen.

           Konsumverlagerung

Zunächst wurde vermutet, dass der Konsum von Substanzen, die vorwiegend im Partysetting oder
aufgrund deren Wirkspektrum häufig mit anderen Menschen zusammen konsumiert werden (z. B.
MDMA/Ecstasy), rückläufig sein wird. Gleichzeitig wurde spekuliert, dass es zu einer Konsumverlagerung
zu Substanzen wie Alkohol oder Cannabis kommen könnte, die häufig auch zu Hause und/oder alleine
konsumiert werden. Unklar war zudem, wie die einschneidenden Massnahmen das psychische
Wohlbefinden und damit potentiell auch das Konsumverhalten beeinflussen würden.

           Veränderungen auf dem Drogenmarkt

Mit der Wiedereinführung von systematischen Grenzkontrollen, der teilweisen Schliessung von
Grenzübergängen, den weit ausgedehnten Einreisesperren in ganz Europa und dem starken Rückgang
von grenzüberschreitendem Warenverkehr musste man im März davon ausgehen, dass der
internationale Drogenhandel ebenfalls betroffen sein wird. Befürchtet wurde, dass es zu einer
Verknappung des Angebots auf dem Markt kommen könnte, was DealerInnen dazu veranlassen könnte,
zusätzlich Streckmittel zu verwenden oder auf neue, unbekannte oder deutlich gefährlichere Substanzen
umzusteigen. Eine Befürchtung bezog sich z. B. auf Heroin, welches bei einer Verknappung auf dem
Markt durch ungleich potentere synthetische Opioide wie Fentanyl verdrängt werden könnte, mit
potentiell tödlichen Folgen für die Konsumierenden.

           Veränderung des Kaufverhaltens

Mit den Empfehlungen und Verordnungen des Bundes, physisch Distanz zu halten und möglichst zu
Hause zu bleiben, stellte sich im März die Frage, ob diese Massnahmen dazu führen könnten, dass
Freizeitdrogenkonsumierende ihre Substanzen häufiger online beziehen. Dies etwa, weil sie keinen oder
nur noch eingeschränkten Kontakt zu ihren DealerInnen haben. Auch wurde vermutet, dass die Angst vor
einem drohenden Kollaps des illegalen Drogenmarktes zu «Hamsterkäufen» führen könnte, wie das für
andere Produkte auf dem Höhepunkt der Pandemie ebenfalls zu beobachten war.

Um diese Hypothesen und Spekulationen näher zu untersuchen, hat sich Infodrog gemeinsam mit
verschiedenen Fachstellen und Praxisprojekten2 dazu entschieden, eine Online-Befragung mit Hilfe der

2
    Eve&Rave Schweiz, Rave it safe Bern, Saferparty Streetwork Zürich, Saferdance Basel, Nuit Blanche?
    Genf, danno.ch Lugano

                                                                                                 COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 5
Homepages und den Social-Media-Kanäle der Angebote durchzuführen. Wir möchten damit einen
Beitrag zu einem besseren Verständnis leisten, inwiefern die COVID-19-Pandemie bzw. die damit
verbundenen Massnahmen einen Einfluss auf das Konsum- und Marktverhalten von
Freizeitdrogenkonsumierenden sowie den illegalen Drogenmarkt hatten.

3        Methodik

Die Online-Fragebögen, die in allen drei Landessprachen verfügbar sind, wurden via Websites, Online-
Foren oder Social-Media-Kanäle verbreitet3. Personen, welche die Kanäle oder Websites nutzten, fanden
an prominenter Stelle einen Link zum Online-Fragebogen vor und konnten diesen selbständig und
anonym ausfüllen. Vereinzelt wurden die Fragebögen auch im Rahmen von Drug Checkings ausgefüllt,
die seit Ende April schrittweise ihren Betrieb wieder hochgefahren haben 4. Da es sich beim Kauf, Besitz
und Konsum von illegalen psychoaktiven Substanzen um Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz handelt, wurde dem Schutz der Anonymität der Befragten grosse Beachtung
geschenkt. Deshalb wurden weder IP-Adressen noch andere personenbezogene Informationen erhoben.

4        Zusammensetzung der Stichprobe

Im Zeitraum vom 14. April 2020 bis 31. Mai 2020 haben sich insgesamt 604 Personen an der Umfrage
beteiligt, die angaben ihren Wohnsitz in der Schweiz zu haben. 314 Fragebögen wurden auf Deutsch, 240
auf Französisch und 50 auf Italienisch ausgefüllt. 85 Antworten konnten für die Auswertung nicht
berücksichtigt werden, da die Angaben unvollständig bzw. nicht plausibel waren. Somit wurden
gesamthaft 519 Personen für die Auswertungen berücksichtigt.
Der Altersmedian der Befragten ist mit rund 29 Jahren leicht höher als das mittlere Alter der Zielgruppe,
die durch die reguläre jährliche Befragung von Freizeitdrogenkonsumierenden erreicht wird (2019
betrug der Altersmedian dort 25,4 Jahre)5. Rund 65 % aller Befragten sind männlich. Der
Frauenanteil liegt mit 34 %6 leicht höher als in der jährlichen Befragung von
Freizeitdrogenkonsumierenden (2019 betrug der Frauenanteil dort knapp 30 %).

3
    Zum Fragebogen:
    https://www.infodrog.ch/files/content/corona/Fragebogen_Bericht_Freizeitdrogenkonsum_Covid -
    19_d.pdf
4
    Zur aktuellen Situation der Drug-Checking-Angebote in der Schweiz vgl.:
    https://www.safezone.ch/substanzwarnungen.html
5
    https://www.infodrog.ch/de/themen/nightlife/fragebogen-freizeitdrogenkonsum.html
6
    1% diversgeschlechtlich

                                                                                            COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 6
5     Ergebnisse

        12-Monats-Prävalenz

Wie Abb. 1 zu entnehmen ist, konsumierten die Befragten in den letzten 12 Monaten am häufigsten die
legalen psychoaktiven Substanzen Alkohol und Tabak sowie Hanfprodukte, wie z. B. Marihuana oder
Haschisch. 9 von 10 Befragten (n=467) gaben in den letzten 12 Monaten vor der Befragung an
mindestens einmal Alkohol konsumiert zu haben, bei Tabak rund 8 von 10 Befragten (n=409). Drei Viertel
aller Befragten (n=385) haben in den letzten 12 Monaten mindestens einmal Hanfprodukte konsumiert.
Für MDMA (Pulver/Kristalle und Pillen) sind es ebenfalls rund drei Viertel (n=398).
Bei weiteren illegalen psychoaktiven Substanzen wurden am häufigsten Kokain (44% aller Befragten),
Amphetamin (34%), LSD (29%) oder Ketamin (27%) konsumiert.

Abbildung 1: 12-Monats-Prävalenz, n=519

                                           Alkohol                                                                                    467
                                             Tabak                                                                            409
                      Hanfprodukte (Gras, Hasch)                                                                        385
                                   Kokain (Pulver)                                                  230
                          MDMA (Pulver/Kristalle)                                                 217
                                   MDMA (Pillen)                                            181
                              Amphetamin/Speed                                             174
                                               LSD                                   149
                                          Ketamin                                   139
                        Andere pflanzliche Drogen                             110
                            Psilocybinhaltige Pilze                         97
                                  Benzodiazepine                          83
                  Andere psychische Medikamente                      68
                                          Poppers                    65
                                              2-CB              48
                                           Andere             37
                                            Heroin            34
                                         GHB/GBL             30
                          Kokain (Crack/Freebase)           28
                       Synthetische Cannabinoide           24
                                Methamphetamin             21
                                 Synth. Cathinone         14
                                                      0     50        100       150        200     250    300   350    400      450    500

        30-Tages-Prävalenz und Konsumhäufigkeit

Bei der 30-Tages-Prävalenz zeigt sich ein analoges Bild. Am häufigsten konsumierten die Befragten in den
letzten 30 Tagen vor dem Zeitpunkt der Befragung die legalen Substanzen Alkohol und Tabak, gefolgt
von den illegalen Substanzen Hanfprodukte, Kokain, MDMA/Ecstasy oder Amphetamin. Insgesamt zeigt
sich, dass die hier erreichte Zielgruppe deutlich häufiger psychoaktive Substanzen (insbesondere illegale)
konsumiert als die Allgemeinbevölkerung. Die hohe Konsumfrequenz bei vielen illegalen Substanzen
bedeutet auch, dass diese Zielgruppe einem potentiell hohen Risiko ausgesetzt wäre, falls sich der
illegale Drogenmarkt massgeblich verändern sollte.

                                                                                                      COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 7
Abbildung 2: 30-Tages-Prävalenz und Konsumhäufigkeit (Anzahl Tage mit Konsum der jeweiligen Substanz), n=519

                                                                                    0                        50                100              150          200   250          300         350                400   450

                                                                 Alkohol (n=437)                             105                                       140                     98                        94
                                                                   Tabak (n=380)                        82                      36         34                            228
                                                          Hanfprodukte (n=338)                           97                           52              38                 151
                                                         Kokain (Pulver) (n=133)               55                       40       18   20
                                                           Amphetamin (n=108)                 49                   32        10 17
                                                 MDMA (Pulver/Kristalle) (n=96)                    63               14 5 14
                                                                       LSD (n=87)                  60               18 4 5
                                                                  Ketamin (n=75)              48              15 5 7
                                                           MDMA (Pillen) (n=70)               43             15 5 7
                                              Andere pflanzliche Drogen (n=67)               40          16 3 8
                                                                                                                                                                                          An 1 oder 2 Tagen
                                                          Benzodiazepine (n=61)         20         19 10 12
                                                                                                                                                                                            An 3 bis 9 Tagen
                                               Andere psychische Medikamente…            27        15 3 6
                                                   Psilocybinhaltige Pilze (n=36)        26        36                                                                                     An 10 bis 19 Tagen

                                                                  Poppers (n=32)        19 7 6                                                                                        An 20 oder mehr Tagen
                                                Kokain (Crack/ Freebase) (n=30)         15 5 3 7
                                                                   Heroin (n=28) 11 3 3 11
                                                       Methamphetamin (n=20) 9 4 3 4
                                                                 GHB/GBL (n=19) 12 5 1
                                              Synthetische Cannabinoide (n=19) 12 4 3
                                                                      2-CB (n=16) 13 2 1
                                                                Cathinone (n=13) 9 2 1 1

COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 8
Einfluss auf das Konsumverhalten

Für einen Grossteil der Befragten schien die COVID-19-Pandemie einen Einfluss auf ihr Konsumverhalten
zu haben. So gaben rund 70% aller Befragten an, dass sich durch Pandemie, bzw. durch die damit
zusammenhängenden Massnahmen und Einschränkungen, ihr Konsumverhalten verändern würde (vgl.
Abb. 3).

Abbildung 3: Einfluss der COVID-19-Pandemie auf das Konsumverhalten, n=494

                                                                                                                      349
                           Konsumveränderung

                                                                                    131
                          Keine Veränderungen

                                                                14
                   Weiss nicht/keine Angaben

                                                       0                  100               200           300               400

Fast die Hälfte der Befragten (n=228) gab dabei an, dass sie bestimmte Substanzen häufiger
konsumierten, als dies vor Ausbruch von COVID-19 in der Schweiz der Fall war. Ein Drittel der Befragten
(n=161) sagten aus, bestimmte Substanzen seit Ausbruch von COVID-19 seltener zu konsumieren. Rund
ein Viertel der Befragten gab an, häufiger alleine zu konsumieren. Andere Veränderungen des
Konsumverhaltens wurden vergleichsweise selten genannt (vgl. Abb. 4).

Abbildung 4: Einfluss der COVID-19-Pandemie auf Konsumverhalten, Mehrfachantworten möglich, n=494

          Ich konsumiere bestimmte Substanzen häufiger                                                                      228

          Ich konsumiere bestimmte Substanzen seltener                                                   161

                          Ich konsumiere häufiger alleine                                         130

             Ich konsumiere kleinere Mengen auf einmal                         54

             Ich konsumiere grössere Mengen auf einmal                         52

             Ich konsumiere andere Substanzen als üblich                  41

 Ich konsumiere auf andere Art und Weise (z.B. schnupfen             15
                     statt schlucken)

                                                            0             50          100          150          200           250

                                                                                              COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 9
Befragte, die mitteilten, dass sie bestimmte Substanzen seit Ausbruch von COVID-19 häufiger bzw.
seltener konsumieren würden, wurden zusätzlich gefragt, um welche Substanzen es sich dabei handelte.
Abb. 5. stellt die Tendenzen bzgl. Konsumhäufigkeit für die verschiedenen Substanzen dar. Es zeigt sich,
dass insbesondere Alkohol, Tabak und Hanfprodukte häufiger konsumiert wurden, während Stimulanzien
wie MDMA oder Kokain weniger häufig konsumiert wurden.

Abbildung 5: Relative Veränderung des Konsums verschiedener Substanzen

140 132
                   117
120
                                                                                           Häufigerer Konsum (n=227)
100      93 92                                                                             Seltenerer Konsum (n=313)
                          78   75
 80
              61
 60                                  54            51
                    49
                                                         36        37
 40
                                    25            21          22
                         14                             17                   16                            15
 20                            6              7                    7     10       8              66            10 9 12 6
                                          2                   3         3   1   2     34    14        13     5   5    3
   0

Diejenigen, die angaben, dass sich ihr Konsumverhalten verändert hatte, wurden zudem nach den
Gründen für die Veränderung gefragt. Am häufigsten wurde dabei genannt, dass durch den Wegfall von
beruflichen Verpflichtungen mehr Gelegenheiten zum Konsum vorhanden waren und deshalb mehr
konsumiert wurde. Am zweithäufigsten war die Nennung, dass infolge des Veranstaltungsverbots
weniger Konsumgelegenheiten (z. B. an einer Party) vorhanden waren und deshalb weniger konsumiert
wurde. Etwas weniger häufig wurden psychische oder soziale Belastungssituationen sowie ein
erschwerter Zugang zu den illegalen Substanzen als Gründe für eine Konsumveränderung genannt.

                                                                                       COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 10
Abbildung 6: Gründe für verändertes Konsumverhalten, Mehrfachantworten möglich, n=344

   Ich habe mehr Gelegenheiten zum Konsum (z. B weniger berufliche
                            Verpflichtungen)                                                                                                 178
       Ich habe weniger Gelegenheiten zum Konsum (z. B. keine Partys
                                    mehr)                                                                                              152
Ich fühle mich durch die aktuelle Situation psychisch belastet (Ängste,
                           Antriebslosigkeit)                                                                   79
 Ich fühle mich durch die aktuelle Situation sozial belastet (Jobverlust,
                Geldprobleme, fehlende Sozialkontakte)                                                          78
 Der Zugang zu meiner Quelle ist erschwert (Dealer, Bekanntenkreis)                                           71
                                                                Anderes                             41
                            Der Zugang zu meiner Quelle ist erleichtert                   18
  Ich habe Angst vor einer Infektion mit COVID-19 (durch Kontakt mit
                           Dealer/Substanz)                                               18
     Ich habe Angst vor zusätzlichen Risiken (neue Streckmittel, falsch
                         deklarierte Substanzen)                                          16

                                                                            0                       50               100         150               200

         Veränderungen des Kaufverhaltens

Die Teilnehmenden wurden gefragt, welchen Einfluss die COVID-19-Pandemie auf ihr Kaufverhalten und
den illegalen Drogenmarkt hat. In Bezug auf das Kaufverhalten gab fast jede zweite befragte Person an
(n=224), dass sich nichts verändert hat und die Substanzen weiterhin über dieselbe Quelle bezogen
werden. Fast jede vierte Person (n=106) berichtete, grössere Mengen auf einmal zu kaufen, als noch vor
dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie. Knapp jede/r fünfte Befragte (n=89) gab an, mehr illegale
Substanzen während der Pandemie über private Netzwerke zu kaufen, z. B. den Bekanntenkreis.

Abbildung 7: Veränderung des Kaufverhaltens, Mehrfachantworten möglich, n=469

                                              Keine Veränderungen                                                                            224

                             Ich kaufe grössere Mengen auf einmal                                               106

         Ich kaufe mehr über private Netzwerke (Bekanntenkreis)                                          89

                                        Weiss nicht/ keine Angaben                             47

 Ich lasse mir vermehrt Substanzen persönlich nach Hause liefern                          33

                      Ich kaufe mehr bei mir unbekannten Dealern                          31

                    Ich kaufe mehr über das Dark Web/ Deep Web                       20

              Ich lasse mir vermehrt Substanzen per Post zustellen               17

                  Ich produziere mehr selber/ baue mehr selber an                17

                             Ich kaufe kleinere Mengen auf einmal               13

                                Ich kaufe mehr über das Clear Web               11

                                                                       0                   50            100               150     200         250

                                                                                                               COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 11
5.5          Veränderungen auf dem illegalen Drogenmarkt

Die Teilnehmenden wurden weiter darüber befragt, ob es nach ihrer Einschätzung zu Veränderungen
bzgl. Preis und Qualität auf dem illegalen Drogenmarkt gekommen ist. Bei den Hanfprodukten
berichteten 94 Personen über einen Preisanstieg auf dem Schwarzmarkt. Beim Kokain stellten 37
Personen in den letzten 30 Tagen einen erhöhten Preis fest, beim Heroin 16 Befragte. Der grösste Teil
der Teilnehmenden nahm jedoch keine Preisveränderung wahr oder konnte dazu keine Angaben
machen.

Abbildung 8: Beobachtete Veränderung der Preise auf dem Schwarzmarkt

  300                                               Preis gestiegen (Anzahl Nennungen); n=454                                              281
                                                    Preis gesunken (Anzahl Nennungen); n=448
  250                                                                                                                                 221

  200
                                                                                                                                  150
  150
        94                                                                                                                     104
  100
                 37
   50
             9        2 11 2 13 3   7 1 13 1 12 1   2 3 12 1    80    50    21   9 2 16 1       71    21   41   41   30   38
    0

In Bezug auf die Qualität gibt es, gemäss Aussagen der Befragten, nur vereinzelt Veränderungen und
keine eindeutigen Tendenzen. Teilweise wird darüber berichtet, dass Hanfprodukte seit dem Ausbruch
von COVID-19 in der Wirkung schwächer, oder aber auch stärker geworden sind. Ebenfalls hatten 28
Personen den Eindruck, dass die Wirkung des Kokains schwächer bzw. die Substanz weniger rein war. Die
meisten Teilnehmenden stellten jedoch bezüglich der Qualität der Substanzen auf dem Schwarzmarkt
keine Veränderung fest oder konnten dazu keine Aussagen machen.

Abbildung 9: Beobachtete Veränderungen der Qualität der Substanzen auf dem Schwarzmarkt

  300                                                                                                                                265
                                                         Stärker/reiner: Anzahl Nennungen (n=443)                           267
  250                                                    Schwächer/weniger rein: Anzahl Nennungen (n=438)

  200
                                                                                                                               139
  150
                                                                                                                                 111
  100

   50     31   28
        22                                                                             9 12 1 2
             3    26          32    20   13   22    00    11    11    11    00   15                   11   01   10   00   34
    0

                                                                                                     COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 12
Zusätzlich wurde nach weiteren Veränderungen gefragt, welche von den Befragten auf dem illegalen
Drogenmarkt beobachtet wurden. Ein Drittel aller Befragten stellten keine Veränderungen fest (n=137).
Jede fünfte Person hatte den Eindruck, dass insgesamt weniger Substanzen auf dem Markt waren (n=93)
oder, dass die Auswahl kleiner geworden ist (z. B. nur noch eine bestimmte Grassorte beim Dealer,
(n=84).

Abbildung 10: Weitere beobachtete Veränderungen auf dem Drogenmarkt, Mehrfachnennungen möglich, n=426

                                Weiss nicht/ keine Angaben                                                   149

                                      Keine Veränderungen                                               137

      Es sind weniger Substanzen auf dem Markt vorhanden                                      93

       Die Auswahl ist kleiner geworden (z. B. nur noch eine                             84
        Grassorte, nur noch eine bestimmte Ecstasy-Pille)
 Mein Dealer/ meine Dealerin bietet mir andere Substanzen              23
                      an als üblich
         Beim Konsum treten vermehrt unerwünschte oder                 19
                   unerwartete Wirkungen auf

                          Die Auswahl ist grösser geworden         6

                                                               0             50           100           150           200

5.6  Veränderungsmotivation und Auswirkungen von COVID-19 auf das
Wohlbefinden

Abschliessend wurde gefragt, ob die Befragten in den nächsten Wochen nach der Befragung planen,
etwas an ihrem Konsumverhalten zu verändern. Rund 42% aller Antwortenden (n=176) gaben an, dass
sie keine Veränderungen planen. Knapp jede dritte Person (n=135) plante, in den nächsten Wochen
insgesamt weniger häufig zu konsumieren (n=424).

Abbildung 11: Veränderungsmotivation in Bezug auf Konsumverhalten in den nächsten Wochen, n=426

                      Nein, ich plane keine Veränderungen.                                                         176

               Ja, ich plane weniger häufig zu konsumieren.                                            135

                                                Weiss nicht                       53

                      Ja, ich plane den Konsum zu stoppen.                   36

         Ja, ich plane weniger grosse Mengen auf einmal zu
                                                                        26
                            konsumieren.

                     Ja, ich plane häufiger zu konsumieren.             24

  Ja, ich plane grössere Mengen auf einmal zu konsumieren.         7

                                                               0             50           100           150           200

                                                                                       COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 13
Etwas weniger als die Hälfte der Antwortenden (n=204) berichteten von einem negativen Einfluss der
aktuellen Situation auf ihr allgemeines Wohlbefinden; demgegenüber nahmen rund ein Viertel (n=117)
positive Auswirkungen auf ihr allgemeines Wohlbefinden wahr.

Abbildung 12: Einfluss der COVID-19-Pandemie auf das Wohlbefinden, n=479

    Positive Veränderung                           77                             23           17

    Negative Veränderung                         123                            52             29

      Keine Veränderung                                        158

                           0%            20%            40%           60%            80%            100%

           Keine Veränderung          schwach < 30%           Mittel 30%-50%         Stark >= 50%

6      Diskussion

Die Stichprobe weist die typischen Merkmale der Gruppe der Freizeitdrogenkonsumierenden auf: junges
bis mittleres Erwachsenenalter, deutlich grössere Konsumerfahrung mit illegalen psychoaktiven
Substanzen als die Allgemeinbevölkerung und deutlich höherer Konsum in den vergangenen 30 Tagen.
Das Konsumverhalten dieser Zielgruppe scheint durch die COVID-19-Pandemie massgeblich beeinflusst
zu werden. Das Veranstaltungsverbot und die massiven Einschränkungen von Sozialkontakten scheint
dazu geführt zu haben, dass Substanzen, die von Freizeitdrogenkonsumierenden im Partysetting oder
aufgrund ihres Wirkspektrums zumindest häufig in Gruppen konsumiert werden (z. B. MDMA/Ecstasy
oder Kokain), seltener konsumiert werden. Die gleichzeitige Zunahme des Konsums bei den legalen
Substanzen Alkohol und Tabak sowie bei Hanfprodukten könnte aber ein Indiz dafür sein, dass nicht
insgesamt weniger konsumiert wird, sondern lediglich eine Konsumverlagerung hin zu anderen
Substanzen stattfindet. Weniger berufliche oder schulische Verpflichtungen oder der Wegfall einer
sozialen Kontrolle (z. B. durch Arbeiten im Homeoffice) scheint den Konsum dieser Substanzen
tendenziell zu begünstigen. Psychische oder soziale Belastungen (etwa durch Vereinsamung, Stress oder
Angst um den Arbeitsplatz) könnten einen zusätzlichen Einfluss haben.

Der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf den illegalen Drogenmarkt scheint hingegen deutlich geringer
gewesen zu sein, als dies Mitte März befürchtet worden ist. Einige DealerInnen haben vermutlich
versucht, aus dem befürchteten Kollaps des illegalen Drogenmarktes Kapital zu schlagen und haben bei
einzelnen Substanzen (v. a. Hanfprodukte) die Preise erhöht. Weitere bisher verfügbare Datenquellen
stützen die These, dass die Auswirkungen der Krise auf den illegalen Drogenmarkt insgesamt als gering
einzuschätzen sind.7

7
https://www.infodrog.ch/files/content/corona/bulletin-marche-des-drogues-et-covid-no1_de.pdf

                                                                                         COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 14
Vereinzelt wurde darüber berichtet, dass illegale Hanfprodukte seit Ausbruch von COVID-19 stärker in
ihrer Wirkung geworden sind. Es ist denkbar, dass dies mit dem vermehrten Auftauchen von mit
synthetischen Cannabinoiden gestreckten, als klassische Cannabisprodukte verkaufte Substanzen,
zusammenhängt. In den letzten Wochen kam es in den Drug-Checking-Angeboten in der Schweiz zu
einer Häufung solcher Proben.
Einzelne Personen berichten auch davon, dass Kokain seit Ausbruch von COVID-19 schwächer geworden
ist. Erste Erkenntnisse aus den wiedereröffneten Drug-Checking-Angeboten stützen diese Einschätzung
allerdings nicht. Es ist folglich nicht auszuschliessen, dass ein Verzerrungseffekt aufgrund einer
veränderten Erwartungshaltung vorhanden ist. Wenn ich (als Konsumierende/r) davon ausgehe, dass der
Kokainmarkt austrocknet und die Substanz mehr gestreckt wird, erwarte ich beim Konsum auch eine
schwächere Wirkung. Die schwächere Wirkung empfinde ich nach dem Konsum womöglich tatsächlich,
obwohl sich der Reinheitsgrad des Kokains gar nicht verändert hat.

                                                                    COVID-19 und Freizeitdrogenkonsum • 15
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