DAS NÄHRSTOFFWUNDER VON DER EIGENEN FENSTERBANK
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DAS NÄHRSTOFFWUNDER VON DER EIGENEN FENSTERBANK __________________________________________________ EINE BETRACHTUNG DES ERNÄHRUNGSPHYSIOLOGISCHEN POTENTIALS VON MIKROGEMÜSE UND PRAKTISCHE IMPLIKATIONEN FÜR DEIN EIGENANBAU Magdalena Rauter, BSc Januar 2022 Diplomarbeit im Rahmen der Ausbildung zur diplomierten ganzheitlichen Ernährungstrainerin
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ..............................................................................................................................3 2 Der Nährstoffgehalt unserer Nahrung ...................................................................................5 2.1 Nährstoffe in Lebensmitteln – früher und heute ...........................................................5 2.2 Der Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln ...............................................................6 3 Mikrogemüse .........................................................................................................................7 3.1 Sprossen und Microgreens ............................................................................................7 3.2 Die Lebensmittel mit der höchsten Nährstoffdichte .....................................................9 3.3 Der Keimprozess .........................................................................................................10 3.4 Bioverfügbarkeit der Nährstoffe für den menschlichen Körper ..................................14 4 Nähere Betrachtung ausgewählter Vitalstoffe in Mikrogemüse .........................................14 4.1 Chlorophyll – „Das gespeicherte Sonnenlicht“ ...........................................................14 4.1.1 "Das grüne Blut" .....................................................................................................15 4.1.2 Wirkungsweise im menschlichen Körper ...............................................................16 4.1.3 Vorkommen .............................................................................................................18 4.2 Sulforaphan .................................................................................................................18 4.2.1 Vorkommen .............................................................................................................19 4.2.2 Wirkungsweise im menschlichen Körper ...............................................................19 5 Der Anbau in der Praxis ......................................................................................................22 5.1 Persönlicher Hintergrund ............................................................................................22 5.2 Equipment ...................................................................................................................23 5.2.1 Sprossen ..................................................................................................................23 5.2.2 Mikrogrün................................................................................................................25 5.2.3 Exkurs: Saatgut .......................................................................................................28 5.3 Anbau und Pflege ........................................................................................................29 5.3.1 Mikrogrün................................................................................................................29 5.4 Ernte, Lagerung und Verwertung ................................................................................32 5.4.1 Sprossen ..................................................................................................................32 5.4.2 Mikrogrün................................................................................................................34 5.5 Vorstellung einiger ausgewählter Sorten ....................................................................38 5.5.1 Alfalfa......................................................................................................................38 5.5.2 Brokkoli ...................................................................................................................39 5.5.3 Erbse ........................................................................................................................40 5.5.4 Grünkohl..................................................................................................................42 5.5.5 Radieschen ..............................................................................................................43 5.5.6 Rotklee ....................................................................................................................44 5.5.7 Senf..........................................................................................................................45 6 Schlussworte und Ausblick .................................................................................................47 7 Literatur- und Quellenverzeichnis .......................................................................................48 8 Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................51 9 Tabellenverzeichnis .............................................................................................................51 S e i t e 2 | 51
1 Einleitung „Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel sein und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein.“1 Eine Vielzahl von Zivilisationserkrankungen des Westens lässt sich unmittelbar mit chronischer Über- oder Fehlernährung in Zusammenhang bringen. „Ernährungsabhängige Krankheiten sind in ihrer Entstehung sowie dem Verlauf – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung – durch Ernährung beeinflussbar.“2 Besonders die Entwicklung von Adipositas, Herz-Kreislauf- sowie Gefäß- und Krebserkrankungen oder Diabetes mellitus findet ihren Ursprung häufig in einer andauernden Missernährung. „Es gibt Belege, dass unsere Ernährung einer der wichtigsten Umweltfaktoren ist, die bestimmen, ob wir chronische Krankheiten entwickeln. […] Wie mittlerweile jedem […] Mensch klar sein sollte, kann unsere Ernährung uns vor Krankheiten schützen oder solche verursachen. Sie kann uns lebendige Energie schenken, die uns vor Krankheiten bewahrt.“3 Natürlich spielen auch andere Umwelteinflüsse und erbliche Faktoren eine nicht unwesentliche Rolle. Diese Arbeit konzentriert sich jedoch vorwiegend auf den Faktor „Ernährung“ als Einflussgröße auf eine Vielzahl von Zivilisationserkrankungen. Insbesondere hat diese Arbeit das Ziel auf den gesundheitlichen Nähr- und Mehrwert von sogenanntem Mikrogemüse aufmerksam zu machen, diesen auf Basis von wissenschaftlichen Arbeiten und – Ergebnissen zu veranschaulichen und eine praxisnahe Vermittlung der Möglichkeit zur Selbstherstellung und -versorgung von Mikrogemüse zu geben. Die Nahrungsmittel, welche wir täglich zu uns nehmen enthalten nachweislich nur noch einen Bruchteil jener Nährstoffe, welche sie dem menschlichen Körper noch vor einem Jahrhundert liefern konnten. Als Antwort auf das unzureichende Nährstoffangebot in unserer Nahrung verzeichnet der Markt für Nahrungsergänzungsmitteln in den letzten Jahren einen nahezu horrenden Umsatzanstieg, welcher durch globale Geschehnisse wie die COVID-19-Pandemie neuerlich verstärkt wird. Diese Arbeit versucht, veranlasst durch den Rückgang des Nährwerts von herkömmlichem Gemüse, Jungpflanzen in einem sehr frühen Stadium ihres Wachstums als einen alternativen Lösungszugang für eine vitalstoffreiche Ernährung darzustellen. Neben Mikrogemüse bietet uns 1 Hippokrates von Kos, 460 - etwa 377 v. Chr. 2 Univ.-Prof. Dr. Ekmekcioglu, 2018 3 Clement, 2015 S e i t e 3 | 51
die Natur eine Vielzahl faszinierender Lebensmittel mit unglaublichem Nähr- und Heilpotential, allen voran Getreidegräser und Wildkräuter, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Eine nähere Vorstellung dieser Themenbereiche würde den Rahmen dieser Diplomarbeit überschreiten und könnte aus diesem Grund nicht alle nennenswerten Aspekten der Einzelnen betrachten, daher konzentriert sich diese Arbeit ausschließlich auf Mikrogemüse. Der viel zitierten Äußerung von Hippokrates, dem sogenannten „Vater der Heilkunde“, sollte durch die Ausführungen dieser Arbeit Ausdruck in Bezug auf deren Gegenstand und dessen gesundheitlichen Potentials beigemessen werden. Neben den Ergebnissen aktueller Studien und Umfragen bedient sich diese Arbeit der Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen aus dem amerikanischen und dem deutschsprachigen Raum. Der Interessensgegenstand „Mikrogemüse“ wurde zum Teil aus dem Fachwerk dieses Gebiets „Sprossen und Mikrogrün“ von Expertin Angelika Fürstler, BA erarbeitet. Die praktischen Ausführungen des fünften Kapitels zum Thema Mikrogrün basieren auf persönlichen Erfahrungen und implizieren keinerlei Handlungsaufforderungen, sondern legen lediglich meinen persönlichen Zugang dar. Hinweis der Verfasserin: Zu Zwecken der vereinfachten Lesbarkeit wurde in manchen direkten Zitaten der Originaltext um ein Satzzeichen reduziert. Im Original wurden diese gesetzt, um eine korrekte Worttrennung bei Neubeginn einer Zeile zu markieren und sind bei einer Wiedergabe im Rahmen dieser Arbeit nicht erforderlich. Solche Stellen sind wie folgt markiert (*). Überdies wurde aus demselben Anlass in der vorliegenden Diplomarbeit auf eine männliche Sprachform bei Pronomen und personenbezogenen Substantiven zurückgegriffen. Diese Formulierung kann im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral verstanden werden und impliziert keinerlei Bevor- bzw. Benachteiligung eines Geschlechts. S e i t e 4 | 51
2 Der Nährstoffgehalt unserer Nahrung Nährstoffe, sowohl Makro- als auch Mikronährstoffe, bilden die Grundlage zur Erhaltung lebenswichtiger physischer und psychischer Funktionen unseres Körpers.4 Dem überwiegenden Teil der westlichen Bevölkerung ist bewusst, dass in den Nahrungsmitteln, welche heutzutage im Supermarkt erhältlich sind, nur mehr ein Bruchteil der Nährstoffe enthalten ist, welcher noch vor etwa 150 Jahren in selbigen vorhanden war. Während sich der Gesamtgehalt an Makronährstoffen, wie Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße kaum geändert hat, kann man beim Blick auf spezielle Mikronährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe leicht stutzig werden. 2.1 Nährstoffe in Lebensmitteln – früher und heute „Nehmen wir zum Beispiel Orangen. Sie können nur noch ein Achtel an Vitamin A bieten. Brokkoli kommt mit 80 % weniger Kupfer daher. Auch Weizen musste wesentlich zurückstecken. Wird der Zeitraum von 1842 bis in die Neuzeit betrachtet, verlor er die Hälfte an Mineralstoffen.“5 Abbildung 1: Nährstoffe in Lebensmitteln: Früher und heute (Dipl. Ges. Oec. Steinort, 2020)6 4 vgl. Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V., o.D. 5 Dipl. Ges. Oec. Steinort, 2020 6 Dipl. Ges. Oec. Steinort, 2020 S e i t e 5 | 51
Biochemiker Donald Davis verglich in seiner Studie aus dem Jahr 2004 die Daten von 13 verschiedenen Nährstoffen aus Obst und Gemüse. Er stellte dabei fest, dass es zu einem markanten Nährstoffrückgang diverserer Mikronährstoffe gekommen ist. Davis führt ebendiesen auf drei unterschiedliche Faktoren zurück, welche in Beziehung zueinander stehen. Einerseits sieht er ausgelaugte Böden als Verursacher der Nährstoffdezimierung. Diese entstehen zum einen durch den steigenden Ertragsdruck, welchem sie unterliegen und zum anderen durch eine Überdüngung. Satte Düngung und Bewässerung erzielt höhere Erträge. Pflanzen können diesem Tempo nicht standhalten und sind nicht in der Lage genügend Nährstoffe aufzunehmen oder herzustellen. Zudem konnte der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nachweislich mit einem Rückgang der Antioxidantien in Lebensmitteln in Verbindung gebracht werden. „Es konnte nachgewiesen werden, dass ökologisch angebautes Obst und Gemüse mehr von den sekundären Pflanzenstoffen enthalten. Forscher nehmen an, dass durch die fehlenden Pflanzenschutzmittel die Pflanze selbst mehr sekundäre Pflanzenstoffe bildet, um sich vor natürlichen Feinden zu schützen.“7 2.2 Der Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln In Anbetracht der sinkenden Nährwerte unserer Nahrung wird immer häufiger zu Nahrungsergänzungsmitteln gegriffen. So konnte diese Branche allein in Deutschland im Jahr 2020 einen Umsatz von 1,35 Milliarden Euro verzeichnen. Das entspricht einem Anstieg von 6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die COVID-19-Pandemie scheint diesen Trend nochmals verstärkt zu haben. Eine Studie des Marktforschungsunternehmens Mintel ergab, dass 14 Prozent der Teilnehmer infolge der Pandemie häufiger Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen, als noch zuvor.8 In Österreich wird der Umsatz 2022 gemäß Schätzungen im Segment Vitamine & Mineralstoffe etwa 110 Millionen Euro betragen. Rechnet man dieses Ergebnis auf die Bevölkerungsanzahl um entspricht das einem Pro Kopf Umsatz von 12,15 Euro. Eine Prognose für das Jahr 2025 rechnet mit einem Marktvolumen von 124 Millionen Euro. Dies entspricht einem jährlichen Umsatzwachstum von knapp vier Prozent.9 7 Dipl. Ges. Oec. Steinort, 2020 8 vgl. Deutscher Markt für Nahrungergänzungmittel, 2021 9 vgl. Consumer Markets: Vitamine & Mineralstoffe, o.D. S e i t e 6 | 51
Die folgenden Worte, wenngleich nicht immer in genau dieser Formulierung, zieren einen Großteil der mir bekannten Nahrungsergänzungsmittel: „Nahrungsergänzungsmittel stellen keinen Ersatz für eine abwechslungsreiche Ernährung dar. Eine ausgewogene und gesunde Lebensweise ist wichtig. […]“ Zweifelsfrei ist es angesichts des sinkenden Nährstoffgehalts in unserer Nahrung naheliegend und bis zu einem gewissen Grad auch zielführend dem Körper ergänzend Vitamine und Mineralstoffe zuzuführen. Diese Arbeit möchte jedoch auf eine Gruppe von Lebensmitteln aufmerksam machen, welche angesichts ihres ernährungsphysiologischen Mehrwerts eine wirkliche Alternative für viele Nahrungsergänzungsmittel darstellen kann. 3 Mikrogemüse Der Begriff Mikrogemüse wird in dieser Arbeit als Zusammenfassung der beiden Junggemüse- Stadien Sprossen und Mikrogrün verwendet. Zunächst erfolgt eine Abgrenzung der Begrifflichkeiten unter Veranschaulichung deren speziellen ernährungsphysiologischen Potentials. Es folgt eine nähere Vorstellung des Keimprozesses, welchen das Saatkorn auf seinem Wachstumsweg durchläuft. Abschließend wird im Kapitel 3.4 auf die hohe Bioverfügbarkeit der Nähr- und Vitalstoffe von Mikrogemüse für den menschlichen Körper hingewiesen. 3.1 Sprossen und Microgreens Sprossen & Microgreens sind junge Gemüse- und Kräuterpflanzen, welche ermöglichen sich ungeachtet der Jahreszeit mit „lebendigen Enzymen, Aminosäuren, Vitaminen, Biophotonen“ und weiteren wertvollen Inhaltsstoffen zu versorgen. In vielen Kulturen werden sie schon Jahrtausende genutzt, um den Nährwert der Ernährung zu erhöhen. Wenngleich es ein Begriff der Moderne ist, sind Sprossen und Keimlinge, wenn man so möchte, eines der ältesten bekannten „Superfoods“. „Gemeint sind damit Lebensmittel, die besonders reich an zellulär verfügbaren Vital- und Nährstoffen sowie an Lebensenergie sind.“10 Sogenannte Superfoods sind keine Erscheinung der Neuzeit. Verschiedenste, meist pflanzliche Lebensmittel werden schon seit langer Zeit überall auf der Welt zu Heilzwecken verwendet und geschätzt. Die Globalisierung des Handels ermöglicht die Verfügbarkeit von internationalen, als Superfood betrachteten, Lebensmitteln. Bei all dem überreichen Angebot scheint es, als wäre 10 Sprengel & Selzer, 2014, S. 7-9 S e i t e 7 | 51
eine uralte, schnelle und gleichermaßen effektive sowie kostengünstige Möglichkeit der Selbstversorgung mit vitalstoffreichen Lebensmitteln Großteils in Vergessenheit geraten. Sprossen und Keimlinge stellen eine kosten- und zeitarme Variante von Superfood dar, welche mit wenig Aufwand und Zubehör das ganze Jahr über einfach auf der eigenen Fensterbank angebaut werden kann und ein Maß an Erntefrische garantiert, mit welchem wohl kein im Supermarkt erhältliches Gemüse oder Superfood konkurrieren kann. Weicht man einen Samen in Wasser ein, so wird dieser „aktiviert“. Die erste Entwicklungsstufe des sich wandelnden Samenkorns bezeichnet man als Keimling. „Er enthält sowohl die oberirdischen Teile als auch die jungen Wurzeln“. Wächst der Keimling noch etwas weiter wird er zur Sprosse. Sprossen werden, anders als es bei Microgreens zumeist der Fall ist, als Ganzes mit Keimblättern, Stängel und Wurzeln verzehrt.11 Ein weiterer Unterschied liegt auch in der Dauer des Wachstums bzw. dem Erntezeitpunkt. Sprossen können, je nach Sorte, zumeist zwischen dem vierten und sechsten Tag ihres Wachstums geernten und verzehrt werden.12 Als Microgreens, zu Deutsch Mikrogrün und umgangssprachlich oft auch als Keimlinge, werden junge Gemüsepflanzen bezeichnet, welche sich im sogenannten Keimblattstadium ihres Wachstums befinden.13 In dieser Arbeit sind jene Begriffe als Synonyme zu betrachten. Sie werden geerntet nachdem sich die Keimblätter gebildet haben, jedoch noch vor der Bildung der richtigen Blätter. (Je nach Sorte zwischen sieben und 14 Tagen, manche Sorten benötigen auch länger) Studien zeigen, dass Gemüse in diesem Stadium des Wachstums ein Vielfaches der meisten Mineralstoffe, wie Kalium, Magnesium, Eisen, Zink, Selen und dergleichen, enthält als ihr ausgewachsenes Pendant. Gleichermaßen konnte festgestellt werden, dass Microgreens eine wesentlich geringere Nitratbelastung aufweisen als ausgewachsenes Gemüse.14 „Nitrate sind Stickstoffverbindungen, die von Natur aus im Boden vorkommen. Sie sind aber auch Bestandteil von Düngemitteln und gelangen auf diese Weise in den Boden.“15 11 vgl. Fürstler, 2016, S. 14 12 vgl. Jarolim, 2021 13 vgl. Delian et al., 2015 14 vgl. Pinto, et al., 2015 15 AGES, 2021 S e i t e 8 | 51
Synthetisch hergestellte Stoffe haben nicht dieselben Eigenschaften wie das Naturprodukt. Aus diesem Grund können sie auch nicht dieselbe synergetische Wirkung erzielen wie „die Substanzen, die im natürlichen Verbund der anderen Pflanzenstoffe vorliegen.“16 Mit wenigen Ausnahmen ist es immer daher vorteilhafter an notwendige Nährstoffe aus naturgegebenen Lebensmitteln zu gelangen als durch industriell hergestellte Tabletten.17 3.2 Die Lebensmittel mit der höchsten Nährstoffdichte Sprossen und Microgreens werden als lebendige Lebensmittel bezeichnet. All ihr Nähr- und Vitalstoffpotential liegt in lebendiger, roher und frischer Form vor. Ihre Lebendigkeit kann an ihrem Biophotongehalt gemessen werden.18 Biophotonen sind messbare Lichtquanten aus biologischen Systemen, die aus angeregten elektronischen Zuständen stammen und physiologische Bedeutung haben. Beispielsweise können Biophotonen kranke Zellen anregen und auf diese Weise Krankheitsbeschwerden lindern. Biologischen Lebensmitteln kann ein signifikant höherer Wert an Biophotonen nachgewiesen werden als Lebensmitteln aus konventioneller Erzeugung.19 Pflanzen verfügen im Keimstadium über eine besonders hohe Dichte an leicht verdaulichen Proteinen. Unser Körper benötigt Proteine zum Aufbau neuer Zellen. Die in Mikrogemüse enthaltete Form von Proteinen kann vom Körper fast zur Gänze aufgenommen und verwertet werden. Der hohe Proteingehalt sowie die hohe Bioverfügbarkeit macht Mikrogemüse insbesondere für Schwangere, Stillende, Kinder und Jugendliche sowie Sportler interessant.20 Das Ann Wigmore Institut in den USA, eine Gesundheitseinrichtung basierend auf den Erkenntnissen und Pratiken einer Pionierin auf dem Gebiet lebendiger Nahrung, Dr. Ann Wigmore21, konnte feststellen, dass Sprossen bis zum Hundertfachen der Menge an Enzymen enthalten, als frisches Gemüse. Kein anderes Lebensmittel enthält eine so hohe Dichte an Enzymen wie Sprossen. Enzyme beschleunigen gewisse biochemische Reaktionen und ermöglichen dem Körper zu entgiften. Sie haben einen negativen Einfluss auf Krankheitsherde 16 vgl. Clement, 2015, S.112 17 vgl. Evans, 2020, S. 21 18 vgl. Sprengel & Selzer, 2014, S. 12 19 vgl. Dr. Herbert, 2006 20 vgl. Sprengel & Selzer, 2014, S. 11 21 Ann Wigmore - Natural Health Institute, o.D. S e i t e 9 | 51
und hingegen einen positiven auf akute und chronische Krankheiten. „Alle Säugetiere brauchen Enzyme um zu überleben“.22 3.3 Der Keimprozess Das kleine Samenkorn enthält bereits alles was nötig ist damit daraus eine Pflanze entsteht. Kommt ein Samenkorn mit Feuchtigkeit, Wärme und Sauerstoff, sowie je nach Sorte auch Licht, in Kontakt kommt es zum Keimprozess. Die Keimung eines Saatkorns hat eine Reihe von Prozessen zur Folge, welche in einer Änderung der Inhaltsstoffe mündet. „Komplexe Kohlenhydrate werden zu Einfachzuckern abgebaut und können dadurch besser verwertet(*) werden. Gleiches gilt für das enthaltene Eiweiß. Fettsäuren(*) werden beim Ankeimen abgebaut, so dass sich der Kaloriengehalt(*) verringert. Parallel dazu steigt der Gehalt vieler Vitamine und Mineralstoffe um ein Vielfaches an. Enzyme und sekundäre Pflanzenstoffe werden aktiviert und können ihre gesundheitlichen Vorteile entfalten. Gleichzeitig werden unerwünschte Inhaltsstoffe, die die Pflanze vor vorzeitigem Keimen und Fressfeinden schützen, unseren Verdauungstrakt jedoch belasten können, abgebaut.“23 Zusammenfassend kommt es während der Keimung zu folgenden biochemischen Prozessen o Zerlegung von Proteinen in Aminosäuren o Umwandlung komplexer Kohlenhydrate zu Ein- und Zweifachzuckern o Umwandlung von Fetten in essentielle Fettsäuren o Abbau natürlich vorkommender Pflanzensäuren und -gifte o Anstieg des prozentualen Wassergehalts des Samens von 5-12 auf über 7024 Die nachstehende Grafik zeigt die Veränderung der bioaktiven Substanz Phytinsäure von Weizen- und Mungobohnenkeimlingen über einen Zeitraum von vier Tagen der Keimung. Phytinsäure kann bei Überverzehr gesundheitsschädliche Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben. Die Werte beziehen sich auf ein Ausgangsmaterial von 100g.25 22 vgl. Fürstler, 2016, S. 15 23 Sprengel & Selzer, 2014, S. 11 24 vgl. Fürstler, 2016, S. 14 25 .vgl. Schmidt, 2013 S e i t e 10 | 51
Abbildung 2: Phytinsäuregehalt in Weizen- und Mungobohnenkeimlingen26 Demgegenüber veranschaulichen die Abbildungen drei und vier den Gehalt der Vitamine B1, B2, B6 sowie Vitamin C bzw. E von Weizen- und Mungobohnensprossen über denselben Zeitraum. Auch hier beziehen sich die Werte auf 100g. Ausgangsmaterial. 26 Schmidt, 2013, S. 22 S e i t e 11 | 51
Abbildung 3: Vitamingehalt in Mungobohnen27 Abbildung 4: Vitamingehalt in Weizen28 Die Grafiken zeigen die zum Teil markant vorteilhafte Veränderung der enthaltenen Nährstoffe am Beispiel ausgewählter Mikronährstoffe. Die Spaltung der Stärke während des Keimvorgangs führt neben einer besseren Verdaulichkeit auch zu einer Reduktion des blähenden Anteils von Kohlenhydraten in Hülsenfrüchten. „Durch eine Neusynthese der Vitamine bei der Keimung 27 Schmidt, 2013, S. 24 28 Schmidt, 2013, S. 24 S e i t e 12 | 51
erhöht sich der Vitamingehalt. Laut Bänzinger erhöht sich der Vitamin A Gehalt der Mungobohnen um 208 %, Vitamin B1 um 285 %, Vitamin B2 um 515 %, Vitamin B3 um 256 % und Vitamin C sogar unbegrenzt. Sprießt Getreide erhöht sich der Vitamingehalt um 50 – 600 % […].“29 Samen werden auch als „konservierte Lebensenergie“ bezeichnet. Im Samenkorn liegen die Nähr- und Vitalstoffe in konservierter bzw. inaktiver Form vor. Durch das Ankeimen wird der Keimprozess in Gang gesetzt und eine Vielzahl unterschiedlicher Enzyme wird aktiviert. Diese Enzyme beginnen direkt nach deren Aktivierung mit der Produktion von Amino- und Fettsäuren, Vitaminen, Kohlenhydraten, Chlorophyll und anderen bioaktien Substanzen. Unter Zuhilfenahme von Wasser stellen die Enzyme aus den vorhandenen Baustoffen neue Nährstoffe her. „Es werden Werte von Nähr- und Vitalstoffen erreicht, die die Pflanze zu keinem späteren Zeitpunkt der Wachstumsphase(*) mehr besitzt. Weizen z. B. steigert seinen Vitamingehalt(*) nur durch den Keimprozess um 500-600 %.“30 Lebensmittel Kalzium in mg. Magnesium in mg. Eisen in mg. Eisbergsalat 20,0 11,0 0,5 Spinat 93,0 88,0 3,1 Endiviensalat 81,0 10,0 1,7 Alfalfasamen 1,4 3,6 10,0 Alfalfasprossen 210,0 440,0 12,0 Tabelle 1: Nährstoffverhältnis ausgewählter Mikronährstoffe31 Die Tabelle zeigt das Nährstoffverhältnis von Kalzium, Magnesium sowie Eisen, angegeben jeweils in Milligramm, dreier ausgewachsener Gemüsesorten im Vergleich zu Alfalfa im Wachstumsstadium der Sprosse. Im Verhältnis dazu verdeutlicht die Grafik den Gehalt derselben Mikronährstoffe im ungekeimten Zustand des Samens. Betrachtet man allein das Verhältnis vom Alfalfasamen zur -sprosse wird deutlich, welche Auswirkungen der Keimprozess auf den Nährstoffgehalt der Pflanze hat. 29 Schmidt, 2013, S. 23 30 Sprengel & Selzer, 2014, S. 10 31 nach Fürstler, 2016, S. 16 S e i t e 13 | 51
3.4 Bioverfügbarkeit der Nährstoffe für den menschlichen Körper Sprossen und Keimlinge sind für unseren Körper aufgrund der Struktur ihrer Inhaltsstoffe sehr gut verdaulich. Die rohen, lebendigen Nährstoffe können gut aufgenommen und von den Zellen verwertet werden. (vgl. Sprengel & Selzer, 2014, S. 9) „So nimmt […] die Verfügbarkeit von Vitamin C, Eisen, Riboflavin, Niacin und Phosphat zu, unerwünschte Stoffe wie Phyate, Tannine oder Oligosaccharide nehmen ab.“32 Man spricht in diesem Zusammenhang auch von hoher Bioverfügbarkeit. Pflanzen verfügen im Keimstadium über eine besonders hohe Dichte an leicht verdaulichen Proteinen. Unser Körper benötigt Proteine zum Aufbau neuer Zellen. Die in Mikrogemüse enthaltete Form von Proteinen kann vom Körper fast zur Gänze aufgenommen und verwertet werden. Der hohe Proteingehalt sowie die hohe Bioverfügbarkeit macht Mikrogemüse insbesondere für Schwangere, Stillende, Kinder und Jugendliche sowie Sportler interessant.33 Das folgende Kapitel widmet sich dem grünen Pflanzenfarbstoff Chlorophyll. Chlorophyll wird häufig als sekundärer Pflanzensoff bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich dabei jedoch um eine für die Pflanze lebensnotwendige Substanz. Sekundäre Pflanzenstoffe hingegen sind für die Pflanze nicht lebensnotwendig.34 Erst durch das Chlorphyll ist es Pflanzen möglich Photosynthese zu betreiben.35 4 Nähere Betrachtung ausgewählter Vitalstoffe in Mikrogemüse 4.1 Chlorophyll – „Das gespeicherte Sonnenlicht“ Chlorophyll entsteht durch die Umwandlung von Sonnenenergie in chemische Energie im Zuge der Fotosynthese von Pflanzen, Algen und einigen Bakterien.36 Das Sonnenlicht wird aufgenommen, die Lichtenergie innerhalb der Pflanze weitergeleitet und aus Kohlendioxid und Stärke wird Sauerstoff hergestellt. Die Pflanze kann dadurch wachsen, Blätter, Blüten und Früchte bilden.37 32 Schmidt, 2013, S. 21 33 vgl. Sprengel & Selzer, 2014, S. 11 34 vgl. Wikipedia, 2021 35 vgl. Rehberg & Dorschner, 2022 36 vgl. Simons, 2015, S. 5ff. 37 vgl. Rehberg & Dorschner, 2022 S e i t e 14 | 51
Die Ursprünge der Forschung zur Photosynthese reichen zurück bis ins Jahr 1771, als der englische Forscher Joseph Priestley erstmals auf den biochemischen Prozess aufmerksam wurde. Auf seinen Ergebnissen aufbauend wurden weitere Forschungen unternommen bis erkannt wurde, dass die chemische Struktur von Chlorophyll dem roten Farbstoff des menschlichen Blutes sehr ähnlich ist.38 4.1.1 "Das grüne Blut" Der chemische Aufbau von Chlorophyll und dem roten Blutfarbstoff Hämoglobin ist nahezu ident. Einzig das zentrale Atom unterscheidet die Moleküle voneinander. Hämoglobin trägt ein Eisenatom (Fe) in seinem Kern und Chlorophyll besitzt an dieser Stelle Magnesium (Mg). Letzteres ermöglicht es dem grünen Pflanzenfarbstoff das von Menschen und Tieren ausgeatmete Kohlendioxid (CO2) in lebensnotwenigen Sauerstoff (O2) umzuwandeln. Bereits seit der Entdeckung dieser Ähnlichkeit liegt die Vermutung nahe, dass Chlorophyll „ebenso für die menschliche Gesundheit von Bedeutung sein könnte.“ 39 Interessant ist auch, dass die Anwesenheit von Chlorophyll stimulierend auf die Blutbildung wirkt.40 Abbildung 5: Strukturformel - Hämoglobin & Chlorophyll41 38 vgl. Simons, 2015, S. 5ff. 39 vgl. Simons, 2015, S. 7 40 vgl. Jenny & Shead, 2016 41 Lipus, 2020 S e i t e 15 | 51
4.1.2 Wirkungsweise im menschlichen Körper Chlorophyll besitzt, wahrscheinlich auch gerade aufgrund seiner Ähnlichkeit zum menschlichen Blutfarbstoff, eine Vielzahl an gesundheitsfördernden Auswirkungen auf unseren Körper, auf welche nachstehend näher Bezug genommen werden soll. o Blutbildend und -reinigend Wie oben bereits erwähnt unterstützt Chlorophyll den Körper bei der Bildung des Blutfarbstoffs Hämoglobin, fördert das Wachstum neuer Blutzellen und den Sauerstoffgehalt in den Zellen.42 Überdies stimuliert es die roten Blutkörperchen was zur Reinigung des Blutes beiträgt.43 o Krebspräventiv und entgiftend In Studien konnte nachgewiesen werden, dass Chlorophyll „das Wachstum einiger Krebszellen verhindert“.44 Es wirkt krebsvorbeugend und -bekämpfend.45 Zellgifte und andere Gifte aus der Umwelt können dank des Pflanzenfarbstoffs „gebunden“ über den Darm ausgeschieden werden.46 Chlorophyll entgiftet den Körper.47 o Alkalisierend und darmreinigend Im Kapitel „Der Nährstoffgehalt unserer Nahrung“ wurde bereits auf die veränderte Vitalstoffkomposition in Nahrungsmitteln, besonders in Obst und Gemüse, aufmerksam gemacht. Nun ist es offenbar, dass sich auch die basischen Werte von Obst und Gemüse verändert haben. „Die hohen Abgase der Industrie führen zum bekannten »sauren Regen«, der die Produkte der Landwirtschaft beeinträchtigt und manche regelrecht versauert.(*)“48 Neben mangelnder körperlicher Betätigung, allgemein überhöhter Aufnahme von Lebensmitteln mit hohem Säuregehalt, kann auch dieser Aspekt als ein Grund angesehen werden, dass die Mehrheit der westlichen Bevölkerung an zum Teil stark ausgeprägter Übersäuerung leidet. Chlorophyll wirkt hingegen alkalisierend und hat eine positive Wirkung auf den Säure-Basen-Haushalt des Körpers.49 42 vgl. Simons, 2015, S. 16; vgl. Lipus, 2020 43 vgl. Lipus, 2020 44 vgl. Simons, 2015, S. 14 45 vgl. Fürstler, 2021 zitiert nach Fürstler & Bräutigam, Ganzheitliche Ernährungs-TrainerIn, 2019-2021, S. 16 46 vgl. Lipus, 2020 47 vgl. Simons, 2015, S. 15 48 vgl. Simons, 2015, S. 20 49 vgl. Simons, 2015, S. 20; vgl. Fürstler, 2021 zitiert nach Fürstler & Bräutigam, Ganzheitliche Ernährungs- TrainerIn, 2019-2021, S. 15; vgl. Lipus, 2020 S e i t e 16 | 51
Dem Pflanzenfarbstoff kann eine positive Wirkung auf den Darm nachgewiesen werden. Es wirkt reinigend auf den Verdauungstrakt50 und wirkt sich positiv auf die Darmflora aus.51 Außerdem kann es das Wachstum nützlicher Bakterien im Dickdarm fördern.52 o Anti-oxidativ Chlorophyll besitzt die Fähigkeit freie Radikale im Körper zu binden. „Freie Radikale sind Zwischenprodukte unseres Stoffwechsels, die ständig in jeder Zelle des menschlichen Körpers entstehen. Sie sind hochreaktive, sehr aggressive, chemische Sauerstoffmoleküle oder organische Verbindungen, die Sauerstoff enthalten […]“53 Freie Radikale greifen die körpereigenen Zellen an und mitverursachen dadurch eine Vielzahl von Erkrankungen. Freien Radikalen mangelt es an einem Elektron. Dieses versuchen sie von anderen Molekülen zu erlangen. Dieser Prozess findet permanent im menschlichen Körper statt und nennt sich Oxidation. „Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass jede einzelne Körperzelle täglich von über 10.000 freien Radikalen angegriffen wird.“54 Chlorophyll beugt durch die Fähigkeit freie Radikale zu binden frühzeitigem Altern vor.55 Man spricht in diesem Zusammenhang auch von seiner anti-oxidativen Wirkung.56 Weitere nachgewiesene positive Wirkungen von Chlorophyll 57 o antibakteriell, antiseptisch, desinfizierend, wundheildend o entzündungshemmend o unterstützend für den Fettzellenabbau58 o desodorierend59 50 vgl. Simons, 2015, S. 18; vgl. Fürstler, 2021 zitiert nach Fürstler & Bräutigam, Ganzheitliche Ernährungs- TrainerIn, 2019-2021, S. 15 51 vgl. Fürstler, 2021 zitiert nach Fürstler & Bräutigam, Ganzheitliche Ernährungs-TrainerIn, 2019-2021, S. 16 52 vgl. Lipus, 2020 53 vgl. Gesundheits-Lexikon, o.D. 54 vgl. Kageaki, 2013, S. 26 f. 55 vgl. Simons, 2015, S. 13 56 vgl. Fürstler, 2021 zitiert nach Fürstler & Bräutigam, Ganzheitliche Ernährungs-TrainerIn, 2019-2021, S. 15 57 vgl. Fürstler, 2016, S. 17 58 vgl. Simons, 2015, S. 22 59 vgl. Simons, 2015, S. 17 S e i t e 17 | 51
4.1.3 Vorkommen Chlorophyll wird in erster Linie von Pflanzen gebildet und kommt in fast allen Pflanzen natürlich vor. Die Konzentration des enthaltenen Pflanzenfarbstoffs unterscheidet sich jedoch erheblich.60 Besonders hoch ist dieser in grünem Gemüse wie o Grünkohl o Brennsessel o Petersilie o Spinat o Brokkoli o grüne Erbsen und Bohnen. Die meisten dieser Sorten können auch als Sprossen und Mikrogrün angebaut werden. Besonders positiv fällt in diesem Zusmmenhang Brokkoli auf. Dieser enthält nich nur hohe Mengen an Chlorophyll, sondern, aus der Familie der Kreuzblütler stammend, auch ein Anti-oxidans auf welches im folgenden Abschnitt dieser Arbeit näher eingegangen werden soll. 4.2 Sulforaphan Sulforaphan ist eines der bekanntesten Senföle und hinsichtlich seiner therapeutischen Wirkung wohl das am besten untersuchte. Senföle werden von den Pflanzen der Familie der Kreuzblütler, aber auch von (Meer-) Rettich, Raps, Kresse, Rucola, und Senf gebildet. Sie dienen der Pflanze als natürliche Abwehr von Fressfeinden, Pilzen, Bakterien und Viren. Während sie für viele pflanzenfressende Tiere giftig wirken und diese sogar daran sterben können, haben Senföle, in haushaltsüblichen Mengen genossen, eine gesundheitsfördernde Wirkung auf den menschlichen Körper. Die beiden Substanzen, Glukosinolate und das Enzym Myrosinase, liegen in der pflanzlichen Zelle getrennt vor. Erst die mechanische Verarbeitung in Form von Schneiden, Reiben, Kauen o.ä. sorgt dafür, dass diese aus ihrer räumlichen Trennung treten und sich vermischen. Erst dabei entsteht das Senföl und dessen typischer Geschmack. 60 vgl. Simons, 2015, S. 24 S e i t e 18 | 51
4.2.1 Vorkommen Schon im alten Rom, etwa 200 Jahre vor Christus, belegen alte Schriften die Kenntnis der Menschen über die gesundheitsfördernde Wirkung von Senfölen. So schrieb „Cato der Ältere“ (234 – 149 . Chr.): „Der schwarze Krebs, er stinkt und sondert fauligen Brand ab […]. Auf die Wunden dieser Art reibe man den Kohl; er wird sie heilen“. Auch heute noch weiß man um die Heilkraft des Pflanzenstoffes. „Experimentelle Studien belegen beispielsweise die infekthemmenden Eigenschaften von Meerrettich, Kapuziner- und Brunnenkresse, welche auch Viren, Pilze und Bakterien angreifen.“ Mittlerweile gibt es bereits sogenannte Phytotherapeutika, welche zur Infektabwehr und Behandlung akuter, entzündlicher Erkrankungen diverser Körpergebiete Einsatz finden. Über 150 Senfölglykoside sind bis dato bekannt und in Brokkoli, Blumenkohl sowie Rettich, Radieschen und weiteren Mitgliedern der Kreuzblütler-Familie weitestgehend isoliert. Die Ergebnisse zahlreicherer Studien zeigen, dass Gemüse der Kreuzblütler Familie ein hohes Präventionspotential besitzen. Eine 87 empirische Erhebungen umfassende Metastudie ergab ein um 67% verringertes Risiko gegenüber vieler Krebsarten bei häufigem Verzehr von Kreuzblütler-Gemüse. Folgendes ergab die Untersuchung im Detail: Gemüsesorte Risikoreduktion einer Erkrankung in % Kohl 70 Blumenkohl 67 Brokkoli 56 Rosenkohl 29 4.2.2 Wirkungsweise im menschlichen Körper Brokkoli wird seit der Darmkrebsdiagnose des ehemaligen US-Präsidenten Ronald Regan und der auf dem Kreuzblütler Gewächs basierenden Therapie gerne in der onkologischen Medizin eingesetzt. Die Wirkung der Therapie konnte den Tod Regans zwar nicht verhindern, aber ihm nach der Diagnose noch 19 weitere Lebensjahre schenken. Der Erfolg wird bis heute auf das Senföl Sulforaphan zurückgeführt. „In experimentellen Studien konnten 4,4 mg/kg/Tag Sulforaphan das Wachstum humaner Pankreaskarzinom-Xenografts61 auf Mäusen hemmen.“ 61 Ein Xenograft ist ein Transplantat, beim dem der Spender einer anderen biologischen Spezies angehört als der Empfänger. (vgl. Wikipedia, 2022) S e i t e 19 | 51
Bezogen auf einen Menschen entspricht dies etwa einer Menge von 0,36 mg. pro Kilogramm und Tag. Die Konzentration von Sulforaphan ist in Brokkolisprossen besonders hoch. Um die therapeutisch wirksame Dosierung feststellen zu können, wurden Brokkolisprossen bereits in Patientenstudien getestet. Eine Studie untersuchte die Wirkung des täglichen Verzehrs von Sprossen aus Brokkolisamen über einen Zeitraum von acht Wochen bei einer Stichprobengröße von 48 Personen, welche mit Helicobacter pylori62 infiziert waren. Der Gehalt an Sulforaphan aus 70g. Brokkoli entspricht etwa zwei bis drei Portionen Brokkoli. Vier und acht Wochen später wies die Testgruppe deutlich geringere Mengen an Makern für Helicobacter pylori auf, während bei der Kontrollgruppe mit Alfalfasprossen kein Rückgang festgestellt werden konnte. Nach Beendigung der Studie kehrten die Werte der Kontrollgruppe wieder auf ihre Ursprungshöhe zurück, was darauf schließen lässt, dass die Menge an Brokkolisprossen das Bakterium zwar erfolgreich unterdrücken, aber nicht heilen konnte. Wenngleich bei der oben angeführten Studie bei der verwendeten Menge über den untersuchten Zeitraum keine vollständige Heilung eingetreten ist, lässt sich die therapeutische Wirkung von Sulforaphan bestätigen. Sulforaphan besitzt überdies noch folgende studienbelegte Wirkungen auf den menschlichen Körper o anti-mikrobiell o anti-oxidativ o fördert die Entgiftung o verhindert die Bildung Karzinogen-induzierter-DNA-Addukte63 Außerdem konnte Sulforaphan in Laboruntersuchungen an Tieren eine krebsvorbeugende und - therapeutische Wirkung nachgewiesen werden. Neueste Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Senföl selbst bei sehr therapieresistenten Krebsstammzellen Erfolg zeigt.64 Am Universitätsklinikum Heidelberg konnte nachgewiesen werden, dass die Inhaltsstoffe aus Brokkoli und verwandtem Gemüse nicht nur das Krebswachstum hemmen, sondern auch die Wirkung von Chemotherapien verstärken. „Ingrid Herr entdeckte mit ihrem Team, dass Brokkoli-Inhaltsstoffe einen bestimmten Signalweg in besonders aggressiven Zellen des 62 Helicobacter pylori ist ein gramnegatives, mikroaerophiles Stäbchenbakterium, das den mensch- lichen Magen besiedeln kann. (vgl. Wikipedia, 2021) 63 werden bspw. durch Stoffe gebildet, welche beim Grillen, Braten oder Frittieren mit hohen Temperaturen entstehen und gelten als krebserregend 64 vgl. Herr, 2014 S e i t e 20 | 51
Bauchspeicheldrüsenkrebs blockieren und so deren Resistenz gegen die Chemotherapie unterdrücken. Die Daten decken sich mit den Ergebnissen einer kanadischen Ernährungsstudie: Bei Patienten mit Prostatakarzinom verringerte der wöchentliche Verzehr von Broccoli oder Blumenkohl die Streuung des Tumors um 50 Prozent"65 65 vgl. Tuffs, 2012 S e i t e 21 | 51
5 Der Anbau in der Praxis Das fünfte Kapitel dieser Arbeit beschäftigt sich mit dem Anbau von Sprossen und Keimlingen in der Praxis. Neben meinen persönlichen Erfahrungen möchte ich auf das bekannte Fachwerk „Sprossen & Mikrogrün“ von Angelika Fürstler in diesem Zusammenhang zurückgreifen. An dieser Stelle möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass meine Ausführungen keine Handlungsempfehlung darstellen, sondern lediglich meine persönlichen Erfahrungen abbilden. Da ich im Bereich Mikrogrün mehr Erfahrung habe als im Bereich Sprossen, stammen die Ausführungen zu Letzteren vorwiegend aus Angelika Fürstlers Arbeiten. Für eine umfassendere Auseinandersetzung mit diesem Interessensgebiet sind ihre Werke sehr zu empfehlen. 5.1 Persönlicher Hintergrund An dieser Stelle möchte ich meinen persönlichen Zugang und die Hintergründe, welche mich veranlasst haben meine Diplomarbeit diesem Themenbereich zu widmen, darlegen. Ich bin auf einem kleinen, generationsübergreifenden Familienbetrieb in den Kärntner Nockbergen aufgewachsen. Nach Abschluss des Studiums kam ich zwischen den Semestern nach Hause um die Familie am Betrieb zu unterstützen. Meine Schwester Sandra baut seit einigen Jahren aus Überzeugung und Faszination Bio- Mikrogrün für unsere Familie und Kunden an. Ich hatte das Glück, dass ich seit Beginn bei jedem Heimatbesuch mit den wohlschmeckenden, bunten Pflänzchen versorgt wurde. Die Arbeit mit der Familie, unseren Kunden und besonders mit den Keimlingen hat mich so begeistert, dass ich beschloss zu bleiben. Sandra hatte seit Beginn ihrere Arbeit mit den Jungpflanzen den Wunsch zu ermöglichen, dass sich jeder mit dem vitaminreichen Junggemüse selbst zu Hause versorgen kann. Seit meiner Rückkehr sprachen wir dann vermehrt näher über diesen Gedanken und meine persönliche Faszination und Überzeugung wurde immer stärker. Wir begannen zu recherchieren, zu planen und begaben und auf die Suche nach Partnern für die Umsetzung unseres Vorhabens. Als das Projekt immer deutlichere Züge annahm standen wir vor der Aufgabe unserem Herzensprojekt einen Namen zu geben. Sprossenliebe fasst für uns zusammen, was uns unser Herzensprojekt bedeutet. S e i t e 22 | 51
Die COVID-19-Pandemie stellte uns nicht nur betrieblich, sondern vor allem auch mit der Realisation von Sprossenliebe vor große Herausforderungen und Verzögerungen. Im Dezember 2021 war es letztlich so weit – wir konnten erstmals mit unserem Shop online gehen und unsere Sprossenliebe Produkte anbieten. Gemeinsam haben wir auf Basis der Erfahrungen im Anbau von Gemüsekeimlingen ein Anzuchtset für biologische Microgreens entwickelt, welches die Funktionalität eines Anzuchttrays mit einem dekorativen Aspekt verbindet. Es war uns besonders wichtig nachhaltige, langlebige Materialien zu verwenden, welche dem Kunden lange Freude bereiten sollen. Die Entwicklung war mit zahlreichen Anbau-Testläufen verbunden und so machte ich abseits des betrieblichen Anbaus meine ersten persönlichen Anbauerfahrungen. Seither ist mein Sprossengarten fester Bestandteil meiner Küchenausstattung und Ernährung. Nachdem ich für den Anbau von Mikrogrün ausschließlich unsere eigenen Sprossenliebe Produkte verwende, beschränken sich meine Ausführungen des Kapitels 5.2.2 auf diese. 5.2 Equipment Microgreens benötigen, anders als Sprossen, einen Untergrund, ein sogenanntes Pflanzsubstrat, auf dem sie wachsen und Wurzeln schlagen können. Im folgenden Abschnitt dieser Arbeit möchte ich einige Anbaumöglichkeiten und -arten vorstellen. 5.2.1 Sprossen In der Regel werden Sprossen in einem Sprossenglas angebaut. Dieses eigenet sich für alle Samen, außer für schleimbilende Sorten wie beispielsweise Chia, Rukola, Kresse und Leinsamen. Glas ist hierfür ein empfehlenswertes Material, da es frei von Schadstoffen ist welche aufgrund des dauerhaften Kontakts mit Wasser in das Lebensmittel übergehen könnten. Saatgut für Sprossen wird, anders als bei Mikrogrün*, unabhängig von der Sorte immer Eingewicht. Die Dauer des Einweichens kann je nach Sorte variieren. In einem späteren Abschnitt dieser Arbeit werden die Keimdaten einiger ausgewählter Sorten vorgestellt. Das Sprossenglas wird nach dem Einweichen und Ableeren, sowie nach jedem Spülen in eine Schräglage (etwa 45°) gebracht, damit überschüssiges Wasser abtropfen und Luft im Glas zirkulieren kann.66 Je nach Sorte werden die Samen täglich zwischen zwei und drei Mal mit frischem Wasser gespült. Sprossen 66 vgl. Fürstler, 2016, S. 23 S e i t e 23 | 51
können während der Keimung bis zum 15-fachen an Volumen gewinnen. Dieser Aspekt sollte bei der Wahl der Menge berücksichtigt werden.67 Für schleimbildende Samen eignet sich ein flaches Sieb, welches oft als Kressesieb bezeichnet wird. Das Kressesieb bietet die Möglichkeit sowohl Sprossen als auch Mikrogrün anzubauen.68 Abbildung 6: Sprossenglas mit Abtropfschale69 Abbildung 7: Kressesieb70 * Es gibt verschiedene Zugänge und Arten des Anbaus. Im Praxisteil dieser Arbeit, speziell in Hinblick auf den Themenbereich „Mikrogrün“, beschreibe ich meine persönliche Vorgehensweise. 67 vgl. Fürstler, 2016, S. 20 68 vgl. Fürstler, 2016, S. 23 69 Getreidemühle Reisinger, o.D. 70 Saemereien.ch, o.D. S e i t e 24 | 51
5.2.2 Mikrogrün Mikrogrün wird häufig auf Erde angebaut. Aufgrund der praktischen Handhabung eignen sich dafür besonders getrocknete und gepresste Tabs aus Kokoserde, welche ihr Volumen um ein Vielfaches erhöhen, wenn sie in Kontakt mit Wasser gebracht werden. Meines Wissens nach weniger häufig im privaten Anbau verwendet werden Matten aus verschiedenen Arten von Naturfaser. Wir arbeiten im stationären Anbau seit Beginn mit Naturfaservlies aus natürlicher Hanffaser. Diese sind vollständig biologisch abbaubar, nachhaltig und eignen sich unseres Erachtens nach auch sehr gut für den privaten Anbau. Außerdem sind sie, vor allem beim Einsatz in der Küche, hygienisch, leicht zu verstauen und hinterlassen weder beim Anbau noch bei der Ernte unangenehme Krümel auf den Pflanzen. Aufgrund unserer positiven Erfahrungen im Anbau mit Naturfaservlies haben wir uns entschieden auch bei unserem Anzuchset mit Naturfaservlies zu arbeiten. Im Kapitel „Der Keimvorgang“ wurde bereits festgehalten, dass das Samenkorn bereits alles enthält, was die Planze für ihr Wachstum benötigt. Kommt das Samenkorn mit Wasser, Sauerstoff, Wärme und bei manchen Sorten auch Licht in Berührung leitet sich der Keimprozess ein. Beim Anbau von Mikrogrün ist also kein zusätzlicher Dünger notwenig. Im gewerblichen Anbau kommt dieser dennoch häufig zum Einsatz um eine bessere Keimung, höhere Pflanzendichte und allgemein ein „adäquateres“ Erscheinungsbild für den Konsumenten zu erreichen. In unserem stationären Anbau nehmen wir aus Überzeugung Abstand vom Einsatz diverser Düngemittel. Die Möglichkeit zum Einsatz von Düngemitteln ist im Bio-Anbau grunsätzlich sehr limitiert, aber nicht ausgeschlossen. Dem Samen ist bereits alles geschenkt, was er für sein Wachstum benötigt. Ich persönlich setzte auch privat keinen Dünger ein, da ich es für nicht notwenig halte. Voraussetzend für den Keim- und Pflanzerfolg sehe ich persönlich vorangig die Qualität und die biologische Produktion des Keimsaatguts. Das folgende Unterkapitel bietet einen kurzen Exkurs zu dieser Thematik. Grundsätzlich sollte beim Kauf von Saatgut auf folgende Aspekte geachtet werden – das Saatgut sollte o biologisch erzeugt und unbehandelt sein o nach Möglichkeit speziell für die Sprossen- und Mikrogrünanzucht bestimmt sein und somit eine besonders hohe Keimfähigkeit aufweisen S e i t e 25 | 51
o trocken und dunkel gelagert werden71 5.2.2.1 Anzucht-Tray Abbildung 8: Anzucht-Tray von Sprossenliebe72 Mikrogrün kann grundsätzlich in allen Arten von Schalen, Töpfen u.dgl. angebaut werden. Ich verwende unser Sprossenliebe Anzucht-Tray aus Keramik. Die Schale hat am Boden Rillen damit sich das Wasser während des Gießens optimal verteilen kann, um so Schimmelbildung vorzubeugen. Besonders in den ersten Tagen der Keimung ist es wichtig darauf zu achten, dass die Samen nicht austrocknen. Um dem vorzubeugen kann die Anzuchtschale mit etwas abgedeckt werden. Hierfür kann Karton, ein Teller oder dergleichen verwendet werden. Zu diesem Zweck enthält unser Anzuchtset einen Deckel aus natürlichem Holz. 71 vgl. Fürstler 2016, S. 18 72 Sprossenliebe, 2021 S e i t e 26 | 51
Abbildung 9: Pflanzsubstrat aus natürlichen Hanffasern Abbildung 10: Bio-Keimsaatgut Mischung aus Alfalfa, Grün- kohl und Rukola Abbildung 11: Microgreens am dritten Tag nach Aussaat73 Etwa am dritten bis vierten Tag nach der Aussaat heben die Keimlinge den Deckel an und bahnen sich ihren Weg ans Sonnenlicht. 73 Sprossenliebe, 2021 S e i t e 27 | 51
5.2.3 Exkurs: Saatgut Handelsübliches Gemüse entstammt heutzutage in der Regel sogenanntem Hybridsaatgut. „Hybridsaatgut entsteht aus der Kreuzung der zwei auf Perfektion gezüchteten Elternlinien“, welche wiederholt zur Selbstbefruchtung verpflichtet werden mit dem Ziel diese über Generationen hinweg „reinerbig“ zu machen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass nur die besten Eigenschaften, wie beispielsweise Beständigkeit, hoher Ertrag, Aussehen und Form oder Resistenz gegenüber Schädlingen erhalten bleiben, während unerwünschte Eigenschaften „weggezüchtet“ werden können. Die dabei entstehende Filialgeneration trägt den Namen F1- Saatgut und bezeichnet dabei die erste Generation einer Kreuzung. Diese Vorgehensweise findet nicht nur im konventionellen Landbau statt. „Schätzungsweise wird im ökologischen Landbau, je nach Sorte, bereits zu 60 bis 100 Prozent auf Hybridsamen gesetzt.“74 Kosten und Nutzen Einerseits ergeben sich aus dem Einsatz von Hybridsaatgut klare Vorteile für die Landwirtschaft. Die Nachkommen der auf Perfektion getrimmten Elterngeneration weisen alle vorteilhaften Eigenschaften der Elternpflanzen auf. Die von Konsumenten gewünschte Einheitlichkeit in Hinblick auf Größe, Form und allgemeinen Phänotyp des Lebensmittels vereinen sich mit dem für den Landwirt erforderlichen hohen Ertrag, denn die Erträge von Hybridpflanzen sind „um einiges höher als die von Nicht-Hybriden“. Ein wichtiger Aspekt ist jedoch, dass Hybridpflanzen ihre mit hohem Aufwand erzüchteten Eigenschaften bereits in der zweiten Generation wieder verlieren. Für Nachzüchtungen ist das Hybridsaatgut also nicht geeignet. Allein in Bezug auf den Gemüseanbau stehen Landwirte so abermals vor einem Interessenskonflikt – während Verbraucher und Markt einerseits ein möglichst konformes Lebensmittel mit gleichbleibenden Eigenschaften fordern, stehen sie andererseits in Abhängigkeit großer Saatgutkonzerne und sind gezwungen jedes Jahr erneut Saatgut zu erwerben, um den Anforderungen des Konsumenten gerecht zu werden und ihr Produkt überhaupt vermarkten und absetzen zu können.75 Wenngleich das Bewusstsein der Konsumenten für diesen Zwiespalt in den letzten Jahren zugenommen hat, ist es mir ein Anliegen an dieser Stelle darauf aufmerksam zu machen, denn die Situation am globalen Saatgut-Markt spitzt sich weiterhin zu. 74 vgl. Hallwachs, 2020 75 vgl. u.a. Hallwachs, 2020 S e i t e 28 | 51
So legen diverse Berichte nahe, dass die Europäische Union die Regulation des Anbaus von Obst und Gemüse auf die nächste Stufe heben will. Das Ziel dieser Regulierung scheint klar: „Nur mehr amtlich zugelassenes Saatgut“ – nicht nur im Lebensmittelgeschäft, sondern auch im privaten Garten. Der Anlass dazu dürfte auch naheliegen, denn „Schließlich kann aus den alten Sorten stetig neues Saatgut gewonnen werden, welches in unveränderter Stärke keimt.“.76 Der Saatgut-Markt und damit verbunden auch die Lebensmittelproduktion wird bereits von einigen wenigen Konzernen kontrolliert. „Monsanto, Syngenta und DuPont beherrschen den Saatgut- Markt und schränken damit die Unabhängigkeit von Kleinbauern ein.“ Von freier Marktwirtschaft kann hier schon lange keiner Rede mehr sein, vielmehr handelt es sich wohl um eines der größten bekannten Kartelle in diesem Bereich.77 Während Hybridsamen durch die Kennzeichnung F1 identifiziert werden können, besteht bei sogenannten CMS-Hybriden keine Pflicht zur Kennzeichnung. Landwirte können also nicht nachvollziehen, ob das verwendete Saatgut ein CMS-Hybride ist. CMS steht für „cytoplasmatische Sterilität“ und bezeichnet die Manipulation des männlichen Teils der Elternlinie bei der Züchtung. Es wird dafür gesorgt, dass sich die beiden Elternlinien im letzten Schritt nicht mehr selbst befruchten. „Damit sie sterilisiert ist, wird die Pflanze also durch Zellfusion gentechnisch verändert.“78 5.3 Anbau und Pflege Sprossen und Mikrogrün unterscheiden sich in erster Linie durch den Zeitpunkt ihrer Ernte und die Art ihres Anbaus. Sie haben jedoch gemeinsam, dass sie Wasser, Sauerstoff und Wärme benötigen, um zu keimen und zu wachsen. Nachdem die Anbauweise von Sprossen bereits im Abschnitt 5.2.1 näher erläutert wurde, wird im Folgenden der Anbau von Mikrogrün beschrieben. 5.3.1 Mikrogrün Wie bereits erwähnt verwende ich für den Anbau von Mikrogrün Naturfaservlies aus natürlicher Hanffaser. Nachstehend wird der Ablauf vom Ansetzen der Keimlinge bildhaft in Schritten dargestellt. 76 vgl.Voralberg Online, 2013 77 vgl. Hallwachs, 2020; vgl. Voralberg Online, 2013 78 vgl. Hallwachs, 2020 S e i t e 29 | 51
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