Grenzen der klassischen Physik - 1.1 Historische Situation der Physik

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Grenzen der klassischen Physik - 1.1 Historische Situation der Physik
1 Grenzen der klassischen Physik
1.1 Historische Situation der Physik                         sten davon ausgingen, dass dies durch kleine Korrek-
    um 1900                                                  turen eingepasst werden könne, gab es auch schon
                                                             einige, welche dies als Andeutung von großen Än-
                                                             derungen verstanden.
Die bisher diskutierte Physik wurde zu wesentlichen
Teilen im Laufe des 19. Jahrhunderts entdeckt. Die           Die wichtigsten dieser Abweichungen sollen hier
enormen Fortschritte, welche die Physiker in dieser          diskutiert werden.
Zeit beobachteten, erweckten allgemeine Bewunde-
rung und führten dazu, dass man der Ansicht war,
dass alle wichtigen Grundlagen bekannt seien. Mi-            1.2 Strahlungsgesetze
chelson schrieb “Die wichtigsten Grundgesetze und
Grundtatsachen der Physik sind alle schon entdeckt;
                                                             1.2.1 Schwarzer Körper
und diese haben sich bis jetzt so fest bewährt, dass
die Möglichkeit, sie wegen neuer Entdeckungen bei-
                                                             Ein wichtiger Punkt war die spektrale Verteilung der
seite zu schieben, außerordentlich fern zu liegen
                                                             elektromagnetischen Strahlung, welche im Gleich-
scheint. .. Unsere zukünftigen Entdeckungen müs-
                                                             gewicht mit einem materiellen Körper ist. Wenn die-
sen wir in den 6. Dezimalstellen suchen.”
                                                             ser Körper die gesamte auf ihn einfallende Strah-
Einstein formulierte das so:                                 lung, unabhängig von der Wellenlänge, vollständig
                                                             absorbiert, spricht man von einem “schwarzen Kör-
“Bei aller Fruchtbarkeit im einzelnen herrschte in
                                                             per”. Der Begriff “schwarzer Körper” wurde 1862
prinzipiellen Dingen dogmatische Starrheit: Am
                                                             von Gustav Kirchhoff geprägt. Ein gutes Modell ei-
Anfang (wenn es einen solchen gab) schuf Gott
                                                             nes schwarzen Körpers ist ein Hohlraum, der innen
Newton’s Bewegungsgesetze samt den notwendigen
                                                             schwarz gestrichten ist. Befindet sich in dieser Au-
Massen und Kräften. Dies ist alles: das Weitere er-
                                                             ßenwand ein kleines Loch, so wird alles Licht, was
gibt die Ausbildung geeigneter mathematischer Me-
                                                             dort hineinfällt, vollständig absorbiert.
thoden durch Deduktion. Was das 19. Jahrhundert
fußend auf dieser Basis geleistet hat, insbesonde-           Würde der Körper die Strahlung nur absorbieren,
re durch die Anwendung dcr partiellen Differenzi-            so würde er sich kontinuierlich aufheizen. Aus der
algleichungen, musste die Bewunderung jedes emp-             Thermodynamik war aber bekannt, dass sich die
fänglichen Menschen erwecken."                               Temperatur von verschiedenen Körpern, die mitein-
                                                             ander in Kontakt sind (auch nur über Wärmestrah-
Als Max Planck 1874 sein Abitur bestanden hat-
                                                             lung) angleicht.
te, informierte er sich beim Münchner Physikpro-
fessor Philipp von Jolly, über die Möglichkeit, Phy-         Somit muss ein Körper, welche alle Wellenlängen
sik zu studieren. Dieser antwortete mit der Bemer-           absorbiert, auch alle Wellenlängen abstrahlen, und
kung, dass in dieser Wissenschaft schon fast alles er-       zwar umso stärker, je höher die Temperatur ist. Ein
forscht sei, und es nur noch gelte, einige unbedeu-          Körper, der bei einer bestimmten Wellenlänge gut
tende Lücken zu schließen.                                   absorbiert, emittiert somit auch stark.
Allerdings fehlten zu diesem Gesamtbild noch eini-           Dies wurde z.B. beim amerikanischen Aufklärungs-
ge Punkte, welche scheinbar nicht mit den vorhan-            flugzeug SR-71 verwendet: damit die bei hoher Ge-
denen Modellen übereinstimmten. Während die mei-             schwindigkeit durch Luftreibung erzeugt Wärme ab-

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Grenzen der klassischen Physik - 1.1 Historische Situation der Physik
1 Grenzen der klassischen Physik

Abbildung 1.1: Fast idealer Absorber aus stehen-            Abbildung 1.3: Das amerikanische Aufklärungs-
               den Kohlenstoff-Nanoröhren (PNAS                            flugzeug SR-71 “Blackbird”.
               106, 6044 (2009)).

                      Spiegel

                      Spiegel
                                                            Abbildung 1.4: Spektralanalyse der Schwarzkör-
                                                                           perstrahlung.
Abbildung 1.2: Gleichgewicht zwischen        thermi-
               schen Strahlern.
                                                            Temperatur abhängt.
                                                            Die Verteilung geht für hohe und niedrige Wellen-
geführt werden konnte, wurde es (fast) schwarz ge-
                                                            längen gegen Null. Das Maximum verschiebt sich
strichen. Es erhielt deshalb den Namen “Blackbird”.
                                                            mit zunehmdener Temperatur gegen kürzere Wellen-
Ein realer Körper absorbiert Strahlung, die auf ihn         längen.
einfällt, nicht vollständig, sondern nur zu einem
Bruchteil 0 < ε < 1. Dieser Anteil wird als Ab-
sorptivität bezeichnet. Die Emissivität gibt an, wie        1.2.2 Das Stefan-Boltzmann Gesetz
stark ein Körper abstrahlt im Vergleich zum idea-
len schwarzen Körper. Diese beiden Größen müs-              Integriert man die spektrale Leistungsdichte, so er-
sen identisch sein, da sonst der zweite Hauptsatz der       hält man die gesamte Strahlungsleistung eines Kör-
Thermodynamik verletzt werden könnte. Kirchoff              pers,
formulierte dies 1859 als “Strahlungsgesetz”: Die                              � ∞
Absorptivität eines Körpers ist proportional zu sei-            Iges (T ) =          I(ω, T )dω.
                                                                                0
ner Emissivität, unabhängig von Temperatur, Rich-
tung oder Wellenlänge.                                      1879 analysierte Josef Stefan experimentelle Mes-
Wir definieren die spektrale Leistungsdichte I(ω) als       sungen der Strahlungsleistung von Tyndall und fand,
die Intensität der Strahlung im Frequenzbereich zwi-        dass die gesamte Strahlungsleistung proportional zur
schen ω und ω + dω. Misst man diese Intensitäts-            vierten Potenz der Temperatur zunimmt,
verteilung, so findet man, dass ein idealer schwarzer
Körper eine Strahlung emittiert, welche nur von der             Iges ∝ T 4 .

                                                        8
Grenzen der klassischen Physik - 1.1 Historische Situation der Physik
1 Grenzen der klassischen Physik

                                                                  wobei die Integrationskonstante a an dieser Stelle
                                                                  nicht bekannt ist. Dieses Gesetz ist seither als Stefan-
                                                                  Boltzmann’sches Strahlungsgesetz bekannt.

                                                                  1.2.3 Wien’sches Verschiebungsgesetz

                                                                  Wie qualitativ in Abb. 1.5 gezeigt, verschiebt sich
                                                                  das Intensitätsmaximum als Funktion der Tempe-
                                                                  ratur zu kürzeren Wellenlängen, resp. höheren Fre-
                           Wellenlänge / µm
                                                                  quenzen. Dabei handelt es sich um eine Proportio-
                                                                  nalität. Man kann die Wellenlänge schreiben als
Abbildung 1.5: Spektrale Verteilung der Wärme-
               strahlung als Funktion der Tem-                                  2897.8
                                                                       λmax =          µm K.
               peratur.                                                           T

                                                                  Schreibt man die Intensität als Funktion der Fre-
Insgesamt kann die Strahlungsleistung eines Kör-                  quenz, so nimmt die maximale Frequenz proportio-
pers geschrieben werden als                                       nal zur Temperatur zu,

     Iges = εσ AT 4 .                                                                               Hz
                                                                       νmax = 5.878933 · 1010 · T      .
                                                                                                    K
Hier ist 0 < ε < 1 der Emissionsgrad, welcher an-
gibt, wie effizient der Körper abstrahlt, respektive              Wien leitete diese Proportionalität 1895 her, in-
absorbiert. Er liegt bei einem perfekt reflektierenden            dem er einen Hohlraum diskutierte, der durch einen
Körper bei 0, bei einem idealen schwarzen Strahler                beweglichen Kolben abgeschlossen war. Verringert
bei 1. σ ist die universelle Stefan-Boltzmann Kon-                man das Volumen des Hohlraums durch Verschie-
stante, A die Oberfläche des Körpers und T die ab-                ben des Kolbens adiabatisch, so steigen Temperatur
solute Temperatur.                                                und Energiedichte. Gleichzeitig verschiebt der Kol-
                                                                  ben die Wellenlänge der Strahlung über den Dopp-
1884 lieferte Lodwig Boltzmann eine theoretische                  lereffekt.
Begründung für diese Abhängigkeit. Er verwendete
dafür die bekannten thermodynamischen Grundglei-                  Aus dem Maximum der Emission kann man somit
chungen und die Maxwell’sche Theorie der Elektro-                 die Temperatur des Körpers berechnen, der diese
dynamik. Aus der Thermodynamik ist bekannt, dass                  Strahlung emittiert. Bei der Sonne ist die sichtba-
                                                                  re Oberfläche die Fotosphäre. Das Emissionsmaxi-
     �        �            �        �                             mum liegt bei 3.4 · 1014 Hz, was einer Temperatur
         ∂U                    ∂p
                      =T                − p.                      von 5800 K entspricht. Flüssiger Stahl oder Mag-
         ∂V       T            ∂T   V
                                                                  ma mit einer Temperatur von 2000 K erreichen das
Maxwell hatte 1873 gezeigt, dass ein elektromagne-                Emissionsmaximum bei 1.2 · 1014 Hz, also im Infra-
tisches Feld der Energiedichte uV einen Druck                     roten. Im sichtbaren Bereich des Spektrums ist dann
                                                                  die Intensität von rotem Licht deutlich höher als von
        1     1U                                                  blauem. Schwarze, selbstleuchtende Körper mit ei-
     p = uV =
        3     3V                                                  ner Temperatur < 5800 K erscheinen uns deshalb rot.

erzeugt. Setzt man dies ein und integriert, so erhält             Wien konnte darüber hinaus zeigen, dass die spek-
man                                                               trale Energiedichte die Form
                                                                                      �ω �
     uV = a T 4 ,                                                      I(ω) = ω 3 F
                                                                                       T

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1 Grenzen der klassischen Physik

haben müsse. Die Funktion F war nicht be-                     Berücksichtigen wir die beiden orthogonalen Polari-
kannt, aber er vermutete einen Zusammenhang mit               sationszustände, so verdoppelt sich diese Zahl.
der Maxwell’schen Geschwindigkeitsverteilung und
                                                              Gemäß dem Äquipartitionsgesetz der Thermodyna-
schlug deshalb vor
                                                              mik ist die Energiedichte gegeben als

     I(ω) = αω 3 e−β ω/T .                                         E = kB T,

Diese Abhängigkeit beschreibt das Verhalten bei ho-           wobei jeweils die Hälfte kinetische und potenziel-
hen Frequenzen recht gut, weicht aber bei niedri-             le Energie sind. Wir identifizieren die beiden Aus-
gen Frequenzen stark ab. Dies zeigten insbesondere            drücke und erhalten
Messungen, die im Jahre 1900 durchgeführt wurden.
                                                                                                                                 dZ        ω2
                                                                   I(ω)dω =                                                         kB T = 2 3 kB T dω.                                       (1.1)
                                                                                                                                 V        π c
1.2.4 Das Rayleigh-Jeans Gesetz
                                                              Dies ist als Rayleigh-Jeans Gesetz bekannt. Wich-
Rayleigh berechnete 1890 die frequenzabhängige                tig ist hier vor allem die Proportionalität der abge-
Strahlungsleistung, indem er die Modendichte in ei-           strahlten Energiedichte zu ω 2 . Dies passt für niedri-
nem Hohlraumresonator bestimmten. Seine Theorie               ge Frequenzen recht gut, für hohe Frequenzen aber
wurde später von James Jeans modifiziert und ist              sehr schlecht. Integriert man die Energie über alle
seither als Rayleigh-Jeans Gesetz bekannt. Wie in             Frequenzen, so geht sie wegen der hohen Frequen-
PIII diskutiert, findet man für einen kubischen Hohl-         zen gegen unendlich. Die Divergenz der Energie-
raum mit Kantenlänge a und ideal leitenden Wänden             dichte bei hohen Frequenzen wird als Ultraviolett-
stehende Wellen mit Frequenzen                                Katastrophe bezeichnet.              http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/72/RWP-comparison.svg                              12.2.11 13:10

                   cπ � 2
                                                                                                                         1e-23

     ωnx ny nz   =     nx + n2y + n2z .                                                                                               Rayleigh-Jeans
                                                                   Strahlungsleistung [J/(m2sr)]

                    a
                                                                                                                                      Wien
                                                                                                                         1e-24         Planck                              T = 8 mK
                                                                                                                         1e-25

Betrachten wir die Werte nx,y,z als Koordinaten in ei-
nem kartesischen Raum, so sind die Frequenzen ω
                                                                                                     Radiance [Jm sr ]
                                                                                                    -2 -1

                                                                                                                         1e-26

in diesem Raum gleichmäßig verteilt. Die Zahl der                                                                        1e-27

Moden mit einer Frequenz im Bereich von 0 . . . ω ist
                                                                                                                         1e-28

somit
                                                                                                                         1e-29

        1 4π � aω �3  a3 ω 3
     Z=              = 2 3.                                                                                              1e-30

        8 3 πc
                                                                                                                                                     1e+08                            1e+09
                      6π c                                                                                                                            Frequenz / Hz
                                                                                                                                                               Frequency [Hz]

Differenziell sind dies
                                                              Abbildung 1.6: Spektrale Verteilung der Energie-
                 a3 ω 2                                                      dichte nach Rayleigh-Jeans, Wien
     dZ =                 dω.                                                und Planck.
             2π 2 c3

Wir identifizieren a3 = V und erhalten für die Zahl           Einen ersten Ausweg zeigte Wien: er nahm an, dass
der Moden in einem Volumen V im Frequenzinter-                die Zustände nicht gleich stark besetzt seien, sondern
vall (ω, ω + dω)                                              nach der Maxwell-Boltzmann Verteilung. Damit er-
                                                              hielt er eine Abhängigkeit
     dZ   ω2                                                                                                                                                                                             Page 1 of 1

     V
        = 2 3 dω.
         2π c                                                      IWien (ω) = c1 ω 3 e−c2 ω/kB T .

                                                         10
Grenzen der klassischen Physik - 1.1 Historische Situation der Physik
1 Grenzen der klassischen Physik

Dieser Ausdruck stimmt für große Frequenzen recht           Die Konstante h̄ wird als Planck’sches Wirkungs-
gut, für kleine aber schlecht.                              quantum bezeichnet; sie ist eine universelle Natur-
                                                            konstante. Sie wurde experimentell bestimmt zu
Damit waren 2 Grenzfälle bekannt: für kleine Fre-
quenzen (große Wellenlängen) gab das Rayleigh-                          h
Jeans Gesetz eine gute Beschreibung, für große Fre-             h̄ =      = 1.0546 · 10−34 Js.
                                                                       2π
quenzen (kleine Wellenlängen) das Wien’sche Strah-
lungsgsetz. Eine Beschreibung, die über alle Fre-           Um ein Strahlungsgesetz zu erhalten, berechnen wir
quenzen korrekt ist, lieferte Planck um 1900.               jetzt analog zur Herleitung des Rayleigh-Jeans Ge-
                                                            setzes die mittlere Energie E aller Oszillatoren:

1.2.5 Das Planck’sche Strahlungsgesetz                                 Etot  ∑∞ En e−En /kB T
                                                                E=          = n=0             .
                                                                       Ntot   ∑∞
                                                                               n=0 e
                                                                                    −En /kB T
Im Jahre 1900 existierten somit zwei Strahlungsge-
setze, welche jeweils für einen bestimmten Grenz-           Wir substituieren
fall in guter Übereinstimmung mit den experimentel-
len Fakten waren. Planck gelang es, zwischen diesen                    h̄ω
                                                                x=
beiden Spezialfällen korrekt zu interpolieren. Da-                     kB T
zu ergänzte er das Rayleigh-Jeans Modell um einen
wichtigen Punkt: er nahm an, dass ein Oszillator der        und erhalten
Frequenz ω Energie nur in diskreten Paketen der                        h̄ω ∑∞     −nx
                                                                            n=0 ne
Größe h̄ω emittieren oder absobieren kann. Er be-               E=                    .
                                                                          ∑∞
                                                                           n=0 e
                                                                                −nx
sitzt somit diskrete Energiezustände
                                                            Wir schreiben dies als
    En = 0, h̄ω, 2h̄ω, 3h̄ω . . .
                                                                                d
                                                                              − dx  ∑∞
                                                                                     n=0 e
                                                                                           −nx
                                                                E = h̄ω                        .
Energien zwischen diesen Zuständen sind nicht                                   ∑∞ n=0 e
                                                                                        −nx

möglich.
                                                            Die geometrischen Reihen können aufsummiert wer-
          Energienievaus            # Oszillatoren          den:
                                                                 ∞                ∞
                                                                                                   1           1
                                                                 ∑ e−nx =        ∑ yn = 1 − y = 1 − e−x .
                                                                n=0              n=0

                                                            Damit erhalten wir
Abbildung 1.7: Erlaubte Energien und Anzahl der
               Oszillatoren mit der entsprechenden                                                     −2 −x
                                                                                  − (1 − e−x )           e          h̄ω
               Energie.                                         E = h̄ω                                        =
                                                                                       (1 − e−x )−1                ex − 1
In diesem Modell gehen die Oszillatoren bei der                                    h̄ω
                                                                       =                       .
Emission von Energie durch einen diskreten Sprung                             eh̄ω/kB T   −1
aus einem höheren Zustand in einen niedrigeren
über. Die Zahl Nn der Oszillatoren mit der Energie          Wenn wir diesen Ausdruck in der Herleitung von
En ist im thermischen Gleichgewicht gegeben durch           Rayleigh-Jeans verwenden, erhalten wir
die Maxwell-Boltzmann Verteilung
                                                                                 dZ           h̄ω 3
                                                                I(ω)dω =            E = 2 3 � h̄ω/k T   � dω.
    Nn = N0 e−En /kB T ,   En = nh̄ω.                                            V     π c e       B −1

                                                       11
Grenzen der klassischen Physik - 1.1 Historische Situation der Physik
1 Grenzen der klassischen Physik

                                                                                              wobei für die letzten Schritte die Eigenschaften
                                      6000 K
                                                                                              der Riemann’schen Zeta-Funktion verwendet wur-
                                                                   2 h c2    1                den. Somit ist die integrierte Strahlungsleistung ei-
Leistung

                                                         P~           5   hc
                                                                     h e kTh -1               nes Körpers der Fläche A

                                  5000 K                                                           P = σ A T 4.

                                                                                              Die Stefan-Boltzmann Konstante σ ist gegeben
                                          4000 K
                                                                                              durch
           0               0.5                     1                 1.5            2
                                                                                                         2π 5 kB4               W
                                          h                                                        σ=             = 5.67 · 10−8 2 4 .
                                                                                                         15h3 c2               m K
Abbildung 1.8: Strahlungsleistung nach Planck für
                                                                                              Aus der Lage des Intensitätsmaximums erhält man
               verschiedene Temperaturen.
                                                                                              das Wien’sche Verschiebungsgsetz. Wir bestimmen
                                                                                              das Maximum aus
Dies ist das Planck’sche Strahlungsgesetz. Es be-
                                                                                                   dI                 2π h̄c
hebt die UV-Katastrophe, indem die Intensität für                                                     = 0 → λmax T =          .
hohe Frequenzen gegen Null geht, und es ist in                                                     dλ                4.965 kB
ausgezeochneter Übereinstimmung mit dem Expe-
                                                                                              Das Rayleigh-Jeans Gesetz erhält man aus dem
riment. Dies ist historisch die erste quantenmecha-
                                                                                              Grenzfall kleiner Frequenzen, h̄ω � kB T . Wir kön-
nische Formel, d.h. das erste Gesetz, das unter der
                                                                                              nen dann die Exponentialfunktion entwickeln,
Annahme einer diskreten Energiverteilung hergelei-
tet wurde.                                                                                                           h̄ω
                                                                                                   eh̄ω/kB T ≈ 1 +
                                                                                                                     kB T
1.2.6 Grenzfälle                                                                              und erhalten für die Intensität

Aus dem Planck’schen Strahlungsgesetz kann man                                                                    h̄ω 3         ω 2 kB T
                                                                                                   I(ω)dω ≈                dω =          dω,
auch die anderen Strahlungsgesetze herleiten. Wir                                                              π 2 c3 kh̄ω       π 2 c3
                                                                                                                        BT
berechnen die gesamte emittierte Strahlung als
                                                                                              in Übereinstimmung mit dem Rayleigh-Jeans Gesetz
                                 � ∞                         � ∞
                                                                        h̄ω 3                 (1.1).
               U(T ) =                 I(ω)dω =                                     dω
                                  0                           0    π 2 c3 eh̄ω/kB T
                                         � ∞
                                          4
                                                                                              Das Wein’sche Strahlungsgesetz erhalten wir im um-
                                 (kB T )                 x3                                   gekehrten Grenzfall, h̄ω � kB T aus
                        =                                         dx.
                                 π 2 c3 h̄3    0       ex − 1
                                                                                                   eh̄ω/kB T � 1.
Wir berechnen das Integral als
                                                                                              Dann ist
               � ∞                            � ∞                    ∞
                      x3
                              dx =                     dx x3 e−x ∑ e−nx                                        h̄ω 3 −h̄ω/kB T
                0    ex − 1                    0                    n=0                            I(ω)dω ≈           e        dω,
                                               ∞       � ∞                                                     π 2 c3
                                      =       ∑              dx x3 e−nx
                                              n=1 0                                           in Übereinstimmung mit dem Wien’schen Gesetz,
                                                ∞ � ∞
                                                              1    π4                         und mit den dort phänomenologischen Konstanten
                                      = 6∑                       =    ,
                                               n=1 0          n4   90                         berechnet.

                                                                                         12
Grenzen der klassischen Physik - 1.1 Historische Situation der Physik
1 Grenzen der klassischen Physik

                                                             Abbildung 1.10: Messungen der Hintegrundsttrah-
                                                                             lung von Penzias und Wilson 1965.

Abbildung 1.9: Das expandierende Universum als
               thermischer Strahler.

1.2.7 Bestätigung und Bewertung

Die von Planck vorhergesagte Verteilung stimmte
mit den damals bekannten Messdaten überein und               Abbildung 1.11: Verschiebung des Emissionsmaxi-
wurde seither mehrfach bestätigt.                                            mums mit der Temperatur.
Eines der besten Beispiele für einen thermischen
Strahler ist das Universum: abgesehen von den Ster-          findlich ist, kann deshalb verwendet werden, um die
nen und leuchtenden Nebeln ist es mit einer ther-            Temperatur eines Körpers berührungsfrei zu messen.
mischen “Hintergrundstrahlung” angefüllt, welche
                                                             Planck hatte das Konzept der Quantisierung als
beim “big bang” entstanden ist. Durch die Ausdeh-
                                                             rein mathematisches Hilfsmittel in seine Betrach-
nung des Universums seither hat es sich stark abge-
                                                             tungen eingeführt. Erst später zeigte sich, dass dies
kühlt: die Temperatur der Hintergrundstrahlung be-
                                                             auch wirklich durch Beobachtungen erhärtet werden
trägt noch 2.73 K.
                                                             kann. So ist es heute relativ leicht, einzelne Fotonen
Präzise Messungen von Penzias und Wilson haben               zu messen. Man verwendet dazu den Fotoeffekt, den
dies bereits 1965 bestätigt; seither gibt es noch we-        wir im folgenden Abschnitt diskutieren werden.
sentlich präzisere Messungen.
Betrachtet man das Emissionsmaximum bei unter-
schiedlichen Temperaturen, so findet man, dass es            1.3 Fotoeffekt
sich bei der Temperatur der Sonne im sichtbaren Be-
reich des Spektrums, also bei ≈ 0.5 µm befindet. Bei         1.3.1 Phänomenologie
niedrigeren Temperaturen verschiebt es sich zu län-
geren Wellenlängen: bei Raumtemperatur erreicht es
                                                             Werden Metalloberflächen, insbesondere Alkalime-
rund 10 µm.
                                                             talle, mit Licht bestrahlt, so werden Elektronen frei-
Eine Kamera, welche bei diesen Wellenlängen emp-             gesetzt, die sich mit einer bestimmten Geschwindig-

                                                        13
Grenzen der klassischen Physik - 1.1 Historische Situation der Physik
1 Grenzen der klassischen Physik

                                                           Abbildung 1.15: Gemessener Fotostrom als Funkti-
                                                                           on der Gegenspannung für unter-
                                                                           schiedliche Intensitäten.

                                                           Elektronen gebremst werden, so treffen irgendwann
Abbildung 1.12: Wärmebild       eines     Menschen
                                                           keine mehr auf dem Messdraht auf und der gemes-
                (NASA).
                                                           sene Strom geht gegen Null. Wenn wir den Foto-
            hi                                             strom als Funktion der angelegten Spannung mes-
                           e-                              sen, finden wir, dass er unterhalb einer gewissen
                                                           Sperrspannung V0 verschwindet. Für größere (posi-
                                                           tivere) Spannungen wächst er, bis er praktisch kon-
                           Photokathode
                                                           stant wird. Die Messung der Sperrspannung erlaubt
                                                           die Bestimmung der kinetischen Energie der emit-
                                                           tierten Elektronen:
           Abbildung 1.13: Fotoeffekt.
                                                                Ekin = eV0 .
keit von der Oberfläche weg bewegen, also eine ki-
netische Energie besitzen. Diesen Effekt bezeichnet        Exp: Fotoeffekt
man als Fotoeffekt.
                                                                                                      Photozelle

                                                           Spektral-            Prisma
                                                           lampe

                                                           Abbildung 1.16: Anordnung zur Messung der Ab-
                                                                           hängigkeit von der Lichtwellen-
                                                                           länge.

                                                           Wir benutzen diesen Messaufbau nun, um die Ab-
                                                           hängigkeit der kinetischen Energie von der Wel-
                                                           lenlänge des Lichtes zu messen. Die vorhandene
Abbildung 1.14: Messung der kinetischen Energie            Lichtquelle erzeugt Licht bei verschiedenen diskre-
                der Fotoelektronen.                        ten Wellenlängen, welche wir einzeln auf die Probe
                                                           fallen lassen.
Die kinetische Energie der freigesetzten Elektronen        Erste Messungen der kinetischen Energie als Funkti-
kann gemessen werden, wenn man bestimmt, wie               on von Wellenlänge und Intensität des Lichtes wur-
gross eine Spannung sein kann oder muss, damit             den im 19. JHd von Hallwach durchgeführt. Man fin-
die Elektronen gegen das äußere Potential einen be-        det experimentell, dass der gemessene Strom, d.h.
stimmten Punkt erreichen können.                           die Anzahl Elektronen pro Zeiteinheit in guter Nähe-
Wenn man also die Spannung erhöht, mit der die             rung proportional ist zur einfallenden Lichtleistung.

                                                      14
Grenzen der klassischen Physik - 1.1 Historische Situation der Physik
1 Grenzen der klassischen Physik

                                                                              dass die Elektronen schon sehr schnell erscheinen.
                                 1.0                                          Diese Beschreibung würde außerdem voraussagen,
       kinetische Energie / eV

                                                                              dass die kinetische Energie der Elektronen propor-
                                                                              tional zur Intensität des Lichtes sein sollte, und man
                                                                              würde Emission für alle Frequenzen vorhersagen.

                                                                              1.3.2 Einstein’s Erklärung
                                  0
                                       4   5   6       7        8             Einstein erhielt ein konsistentes Bild, indem er an-
                                               i/1014 Hz                      nahm, dass das Licht, welches auf die Metalloberflä-
                                                                              che trifft, aus diskreten Pakten besteht. Diese werden
Abbildung 1.17: Gemessene kinetische Energien als                             als “Quanten” oder “Fotonen” bezeichnet und besit-
                Funktion der Lichtfrequenz.                                   zen die Energie h̄ω = hν.

Wenn wir die gemessenen Spannungen gegen die
Frequenz des einfallenden Lichtes auftragen, so fin-                                    Licht                     Detektor
den wir, dass für Frequenzen unterhalb eines be-
stimmten Grenzwertes ω0 keine Elektronen austre-                                      Photonen
ten. Oberhalb dieses Grenzwertes steigt die Ener-
gie der Elektronen linear an. Die kinetische Energie
kann somit geschrieben werden als
                                                                                                                       Zeit
    Ekin = h̄(ω − ω0 ) = h̄ω − A.
                                                                               Abbildung 1.18: Licht als Abfolge von Fotonen.
Zu den experimentell bekannten Tatsachen gehören
  • Der Effekt setzt nach ≈ 1 ns nach Auftreffen                              Die Frequenz ν liegt für sichtbares Licht im Bereich
    der Strahlung ein.
  • Die Metalle emittieren Elektronen nur dann,                                         c          m
                                                                                   ν=     = 3 · 108 /0.5 µm = 6 · 1014 Hz,
    wenn die Frequenz ω des Lichtes oberhalb                                            λ          s
    einer bestimmten Schwellenfrequenz ω0 liegt.
    Diese Schwellenfrequenz ist unterschiedlich                               also typischerweise etwas unterhalb von 1015 Hz.
    für unterschiedliche Metalle.                                             Die Energie der einzelnen Pakete liegt somit für
                                                                              sichtbares Licht bei
  • Bei gegebener Frequenz ω ist der Strom pro-
    portional zur Intensität, ie ∝ I.
                                                                                   E = 6.6256 · 10−34 · 6 · 1014 J ≈ 4 · 10−19 J.
  • Die kinetische Energie der Elektronen ist eine
    lineare Funktion der Frequenz,
           e−   me 2                                                          Für unsere Begriffe ist dies eine relativ kleine Ener-
         Ekin =    v = a + bω,                                                gie, was erklärt, weshalb wir sie meistens nicht be-
                 2
    unabhängig von der Lichtintensität.                                       obachten.
Im Rahmen der klassischen Elektrodynamik kann                                 Diese Energiepakete, welche man heute als Fotonen
man die Existenz des Fotoeffektes so erklären, dass                           bezeichnet, kann man heute ohne weiteres direkt be-
durch die elektromagnetische Strahlung die Elektro-                           obachten. Man benutzt dazu z.B. einen sog. Foto-
nen langsam beschleunigt werden und deshalb aus-                              multiplier. In diesem Gerät werden die Fotonen in
treten. Die widerspricht jedoch der Beobachtung,                              elektronische Impulse umgewandelt.

                                                                         15
Grenzen der klassischen Physik - 1.1 Historische Situation der Physik
1 Grenzen der klassischen Physik

Exp. 96a: Nachweis einzelner Fotonen                          Die experimentellen Messungen bestätigen, dass die
                                                              Konstante h̄ die gleiche ist wie bei der Planck’schen
Wenn wir die Lichtmenge, die pro Zeiteinheit auf              Theorie.
diesen Detektor fällt, genügend klein halten, ist es
möglich, einzelne Fotonen zu beobachten, welche
jeweils einen Spannungsimpuls erzeugen. Die Foto-             1.3.3 Austrittsarbeit
nen gelangen in unregelmäßigen, nicht voraussagba-
ren Abständen auf den Detektor. Erst wenn wir die             Man interpretiert dieses Verhalten so, dass die Ener-
Anzahl der Fotonen über einen Zeitraum mitteln, der           gie des Lichtes paketweise absorbiert wird, wobei je-
lang ist im Vergleich zum mittleren Abstand, erhal-           weils ein Foton ein einzelnes Elektron herausschlägt.
ten wir einen konstanten Wert. Die mittlere Fotonen-          Jedes Elektron besitzt also nur die Energie, die ihm
zahl pro Zeiteinheit multipliziert mit der Energie der        ein einzelnes Foton übergeben kann. Ein Teil der
Fotonen ergibt die auf den Detektor einfallende Lei-          Energie wird benötigt, um das Elektron aus dem Me-
stung.                                                        tall herauszulösen. Diese sogenannte Austrittsarbeit
                                                              erhalten wir aus dem Achsenabschnitt in Abb. 1.17.
Wenn wir die Leistung erhöhen, so nimmt der mitt-
                                                              Sie ist eine Materialkonstante und beträgt für Kali-
lere Abstand zwischen zwei Fotonen ab.
                                                              um:
In diesem Bild absorbiert ein Metall ein Foton der
Energie h̄ω. Dieser Prozess kann instantan, also ver-              A = 4.5 · 1014 s−1 h = 3 · 10−19 J = 1.9 eV.
zögerungsfrei ablaufen. Die Energie des Fotons er-
höht die kinetische Energie des Elektrons um den              Meistens verwendet man hier als Einheit aber nicht
entsprechenden Betrag und erlaubt es diesem, das              J, sondern eV, Elektronenvolt, wobei
Metall zu verlassen. Dabei muss es jedoch eine po-
tenzielle Energie überwinden, welche das Elektron
                                                                   1 eV = 1.6 · 10−19 J
im Metall hält, und somit wird die kinetische Ener-
gie wieder um den Betrag der Austrittsarbeit A redu-
ziert. Die Energie des ausgetretenen Elektrons wird           gerade derjenigen Energie entspricht, die ein Elek-
somit                                                         tron beim Durchlaufen einer Spannungsdifferenz
                                                              von 1 V erhält. Bei anderen Materialien beträgt die
      e−
     Ekin = h̄ω − A.                                          Austrittsarbeit

In Abb. 1.17 können wir aus der Steigung der Gera-                             Material    A / eV
den die Planck’sche Konstante bestimmen. Wir be-                                 Cs         1.90
nutzen z.B. den Unterschied zwischen der kineti-                                 Ba         2.50
schen Energie bei rotem und violettem Licht. Diese                              Ag          4.74
beträgt                                                                         Au          4.92

     ∆E = (1.176 − 0.078)eV = 1.098 eV                        Diese Werte sind als ungefähre Werte zu betrachten,
                         −19
           = 1.76 · 10         J.                             wie diese Tabelle zeigt.

Die entsprechende Frequenzdifferenz beträgt

     ∆ν = (7.35 − 4.81) · 1014 Hz = 2.54 · 1014 Hz.

Daraus erhalten wir für die Planck’sche Konstante
                                                              Abbildung 1.19: Funktionsprinzip eines Fotomulti-
        ∆E   1.76 · 10−19 J
     h=    =                = 6.9 · 10−34 Js.                                 pliers.
        ∆ν   2.54 · 1014 Hz

                                                         16
1 Grenzen der klassischen Physik

Der Fotoeffekt wird u.a. im Fotomultiplier verwen-           Erde gemssen hat: 1960 haben R. V. Pound und
det, wo die Fotonen zunächst aus einer Alkaliober-           G. A. Rebka gezeigt, dass die Frequenz eines γ-
fläche Elektronen herausschlagen. Man wandelt al-            Lichtquants um den Faktor 5 · 10−15 geringer wird,
so sozusagen Fotonen in Elektronen um. Diese wer-            wenn es sich im Schwerefeld der Erde um 45 m nach
den anschliessend in einem elektrischen Feld be-             oben bewegt. Es verliert dabei also die Energie
schleunigt und treffen auf weitere Metalloberflä-
chen. Durch die Beschleunigungsspannung ist ihre                                              hν
Energie so gross geworden, dass sie weitere Elek-                          hν · 5 · 10−15 =      gh,
                                                                                              c2
tronen aus dem Metall herausschlagen können. In
einem mehrstufigen Prozess wird so durch jedes
                                                             wobei g die Erdbeschleunigung und h die Höhendif-
eintreffende Foton eine Lawine von Elektronen er-
                                                             ferenz darstellt.
zeugt, welche als Spannungspuls nachgewiesen wer-
den können.

                                                             1.4 Der Compton Effekt
1.3.4 Fotonen

Die Einstein’sche Theorie des Fotoeffektes kann, al-         1.4.1 Phänomenologie
ternativ zur Planck’schen Strahlungstheorie, als Ge-
burtsstunde der Quantenmechanik verstanden wer-
den. Dies ist die relevante Theorie für die Erklärung                                h
aller Phänomene auf kleinen Maßstäben, aber auch
unverzichtbar für das Verständnis des Aufbaus der                          Röntgenlicht                h!"
                                                                                                                 q
Materie.                                                                                                   h'
                                                                                                                     De
                                                                                                                       t
Eine Glühlampe mit einer elektrischen Leistung von
100 W emittiert, bei einem typischen Wirkungsgrad
von 4%, etwa 4 Watt an Lichtleistung. Die entspricht         Abbildung 1.20: Geometrie des Streuexperimentes.
einer Fotonenzahl
                                                             Streut man Röntgenlicht an freien (d.h. schwach ge-
          Popt λ                                             bundenen) Elektronen, so stellt man fest, dass das
     Nγ =        .
           hc                                                gestreute Licht neben der Wellenlänge des einfallen-
                                                             den Lichtes auch Licht einer anderen Wellenlänge
Wir setzen für die mittlere Wellenlänge λ = 500 nm,          enthält. Die Verteilung ist nicht kontinuierlich, son-
so dass                                                      dern das gestreute Licht enthält neben der ursprüng-
                                                             lichen Wellenlänge nur eine weitere Wellenlänge.
                4 5 · 10−7
     Nγ =                        ≈ 1019 Quanten/s.           Diese ist größer, d.h. die entsprechende Frequenz ist
            6.63 · 10−34 3 · 108                             niedriger.
Diese große Zahl ist der Grund dafür, dass wir das
normalerweise nicht beobachten können.
                                                              Intensität

Fotonen haben auch eine Masse, gemäß der Ein-
stein’schen Beziehung
                                                                                              Wellenlänge / pm
        E  hν
     m= 2 = 2.
       c    c                                                Abbildung 1.21: Spektren der gestreuten Rönt-
Dies konnte man z.B. messen, indem man die Fre-                              genstrahlung für unterschiedliche
quenzverschiebung von Fotonen im Schwerefeld der                             Streuwinkel.

                                                        17
1 Grenzen der klassischen Physik

Diese zweite Wellenlänge ist eine Funktion des               Man geht also davon aus, dass jedes Foton einzeln an
Streuwinkels θ :                                             einem Elektron gestreut wird. Für jeden dieser Streu-
                                                             prozesse gilt Energieerhaltung:
      ∆λ = λ − λ � = λC (1 − cos θ )
                                                                  hν + m0 c2 = hν � + mc2 .
mit
                                                             Hier stellt m0 die Ruhemasse des Elektrons dar und

      λC = 2.4 pm.                                                     m0
                                                                  m= �
                                                                            2
                                                                      1 − vc2
Am Größten ist der Wellenlängenunterschied somit
in Rückwärtsstreuung, also für θ = π. Der Effekt ist         die relativistische Masse.
unabhängig vom verwendeten Probenmaterial. Die-
                                                             Außerdem gilt ein Erhaltungsgesetz für den Impuls.
se Messungen wurden erstmals 1923 von Arthur
                                                             Der Impuls des Fotons beträgt
Compton durchgeführt.
                                                                           h
                                                                  pPh =      .
                                                                           λ
1.4.2 Interpretation
                                                             Die x−Komponente des Gesamtimpulses ist somit
Der Effekt kann im Rahmen der Wellentheorie der
Röntgenstrahlung nicht interpretiert werden. Man                  h   h
                                                                    = � cos θ + mv cos ϕ
erhält diesen Befund jedoch als Resultat einer einfa-             λ  λ
chen Rechnung, sofern man dem Röntgenlicht Teil-
chencharakter zuschreibt, d.h. indem man es als              und die y-Komponente
einen Strom von Fotonen behandelt, deren Energie
durch die Planck’sche Beziehung E = hν gegeben                         h
                                                                  0=      sin θ − mv sin ϕ.
ist. Da die Frequenz abnimmt, geben diese Foto-                        λ�
nen offenbar einen Teil ihrer Energie ab. Da die
                                                             Die drei Gleichungen können nach λ � aufgelöst wer-
Art der Atome keinen Einfluss auf den Streuprozess
                                                             den:
hat, kann man davon ausgehen, dass die Fotonen an
den Elektronen gestreut werden. Diese müssen somit                                  h
nach dem Streuprozess eine höhere Energie haben,                  ∆λ = λ − λ � =        (1 − cos θ ) = λC (1 − cos θ ).
                                                                                   m0 c
also eine größere Geschwindigkeit.
                                                             Hier stellt

                                                                  λC = 2.426 · 10−12 m

                                                             die Compton-Wellenlänge dar. Sie enthält nur Natur-
                                                             konstanten, d.h. sie hängt nicht vom Material oder
                                                             von der Wellenlänge des Röntgenlichtes ab. Da sie
                                                             im Picometerbereich liegt, muss man Licht mit einer
                                                             vergleichbaren Wellenlänge, also Röntgenlicht, ver-
                                                             wenden, um den Effekt beobachten zu können.
Abbildung 1.22: Spektren der gestreuten Rönt-                Die Verschiebung um eine feste Wellenlängediffe-
                genstrahlung für unterschiedliche            renz impliziert, dass je nach Energie des Fotons ein
                Streuwinkel.                                 sehr unterschiedlicher Teil seiner Energie auf das

                                                        18
1 Grenzen der klassischen Physik

Elektron übertragen wird: Fotonen mit hoher Ener-              1910 vom amerikanischen Physiker Robert Millikan
gie haben kurze Wellenlängen, eine Verschiebung                durchgeführt.
um 2.4 pm führt zu einer großen Änderung, während
sie z.B. bei sichtbaren Fotonen (λ ≈ 500 nm = 5 · 105          Um die Elementarladung zu messen benötigte er
pm) praktisch nicht messbar ist.                               elektrisch geladene Teilchen, die direkt beobachtbar
                                                               sind. Elektronen oder Protonen sind dafür nicht ge-
Wir berechnen zur Illustration den maximalen Ener-
                                                               eignet. Andererseits mussten die Teilchen klein ge-
gieübertrag, d.h. θ = π (Rückwärtsstreuung). Hat
                                                               nug sein, dass eine winzige elektrische Ladung einen
das einfallende Foton eine Energie von E0 = 1 keV,
                                                               messbaren Einfluß auf ihre Bewegung ausübte.
so ist die Energie des gestreuten Fotons Eπ = 0.996
keV, d.h. die Streuung ist beinahe elastisch, der Ener-
gieverlust beträgt nur 0.4%. Für Fotonen mit einer
Anfangsenergie von E0 = 1 MeV hingegen ist die
Energie des gestreuten Fotons Eπ = 0.2 MeV, d.h.
80% seiner Energie werden auf das Elektron über-
tragen.

1.5 Ladungsquantisierung                                       Abbildung 1.23: Millikans Messanordnung zur Be-
                                                                               stimmung der Elementarladung.
1.5.1 Die Elementarladung (Versuch von
      Millikan)
                                                               Was Millikan fand war, dass kleine (≈ 0.5 µm)
Der größte Unterschied zwischen Elementarteilchen              Öltröpfchen dafür gut geeignet waren. Diese kön-
und makroskopischen oder mikroskopischen Mate-                 nen relativ klein gemacht werden, sind aber in einem
riestücken liegt darin, dass Elementarteilchen prin-           Mikroskop mit geeigneten Techniken gut erkennbar.
zipiell ununterscheidbar sind. Reiskörner oder Sand-           Werden sie mit ultraviolettem Licht oder Röntgen-
körner hingegen sind zum mindesten im Prinzip un-              strahlen bestrahlt, so werden einzelne Elektronen aus
terscheidbar und damit nicht identisch.                        den Fettmolekülen hinausgeschlagen - die Öltröpf-
                                                               chen sind damit positiv geladen. Aufgrund der Ober-
Identisch zu sein bedeutet z.B., dass alle messbaren
                                                               flächenspannung versucht das Öltröpfchen die Ober-
Eigenschaften identisch sind, also z.B. die Ladung
                                                               fläche möglichst klein zu machen, es nimmt deshalb
oder die Masse. Ladung kann deshalb auch nur in
                                                               automatisch eine kugelförmige Gestalt an. Der ein-
Vielfachen einer Ladungseinheit auftreten - der Ele-
                                                               zige freie Parameter, mit dem die Form des Tröpf-
mentarladung. Geladene Elementarteilchen besitzen
                                                               chens vollständig beschrieben werden kann ist damit
Ladungen, die entweder einer negativen oder einer
                                                               der Kugelradius.
positiven Elementarladung entspricht. Bei zusam-
mengesetzten Teilchen treten auch Vielfache davon              Diese Tröpfchen werden in das homogene Feld ei-
auf.                                                           nes Plattenkondensators gebracht. An die Konden-
Dass Elektronen und Protonen exakt entgegenge-                 satorplatten wird eine Spannung angelegt, so dass
setzte Ladungen aufweisen, wird unter anderem dar-             das homogene elektrische Feld im Plattenkonden-
aus ersichtlich, dass Atome, die ja aus Elektronen,            sator auf die geladenen Tröpfchen eine elektrische
Protonen, und ungeladenen Neutronen bestehen, ins-             Kraft ausübt. Mit Hilfe eines Mikroskops wird die
gesamt elektrisch neutral sind. Diese Ladungsneu-              Geschwindigkeit gemessen, mit der sich die Tröpf-
tralität und damit die Identität der Elementarladung           chen nach unten oder oben bewegen. Diese hängt
für verschiedene Teilchen ist bis auf viele Größen-            von der Schwerkraft und von der elektrischen Kraft
ordnungen verifiziert. Die erste Messung der Ele-              des geladenen Teilchens im elektrischen Feld des
mentarladung wurde in einem berühmten Versuch                  Plattenkondensators ab, sowie vom Luftwiderstand.

                                                          19
1 Grenzen der klassischen Physik

1.5.2 Bewegung der Öltröpfchen im Feld                          Hier stellt qi die Ladung des Tröpfchens dar. Wir
                                                                eliminieren den Schwerkraftterm mit Hilfe von Gl.
Wir betrachten zunächst nur die nicht elektrischen              (1.2) und finden für die Ladung
Beiträge, was man experimentell z.B. durch Aus-
schalten des elektrischen Feldes erreichen kann. Wir                                              v0 − vi
schreiben das Newton’sche Gesetz als                                                 qi = 6πηr            .
                                                                                                     E
                  dv 4π 3      dv
     F = m           =   r ρÖl .                               Die Ladung wird also bestimmt über die Differenz
                  dt   3       dt
                                                                der Gleichgewichtsgeschwindigkeit im Feld gegen-
Hier bezeichnet m die Masse und r den Radius                    über dem feldfreien Wert.
des Öltröpfchens, v seine Geschwindigkeit und ρ
                                                                Das Experiment ist keineswegs trivial. Bei sorgfälti-
die Dichte des Öls. Die Kraft ist eine Summe aus
                                                                ger Durchführung findet man aber, dass nicht belie-
Schwerkraft, Auftrieb und Reibungskraft:
                                                                bige, sondern nur bestimmte diskrete Werte gemes-
                                                                sen werden.
                4π 3
     F =           r (ρÖl − ρLu f t )g − 6πηrv.
                 3
                                                                                      8 5e
                                                                                                                                    ~1.6
Das Öltröpfchen erreicht deshalb nach kurzer Zeit
                                                                                        4e
eine konstante Geschwindigkeit v0 , in der sich die                                   6
                                                                  Ladung / 10-19 C

                                                                                                                                    ~1.6
Schwerebeschleunigung und die Reibung gerade                                              3e
aufheben.                                                                             4                                             ~1.6
                                                                                          2e
     4π 3
        r (ρÖl − ρLu f t )g = 6πηrv0              (1.2)                              2
                                                                                                                                    ~1.6
      3                                                                                       e
                                                                                                                                    ~1.6
und damit                                                                             0
                                                                                          0                   5             10
         2                    g                                                                           Radius / 100 nm
     v0 = r2 (ρÖl − ρLu f t ) .
         9                    η
                                                                Abbildung 1.24: Millikans                                   Messresultate
Die einzige Variable in dieser Gleichung ist der Ra-                            (schematisch).
dius des Öltröpfchens. Er kann somit aus der gemes-
senen Endgeschwindigkeit bestimmt werden:
                                                                Man kann diese Resultat erklären, wenn man po-
            �                                                   stuliert, dass elektrische Ladung nicht kontinuierlich
                       ηv0
     r=3                            .                           ist, sondern dass die Ladung jedes Tröpfchens ein
                2(ρÖl − ρLu f t )g
                                                                Vielfaches der Elementarladung
Wird nun ein elektrisches Feld angelegt, welches
eine Kraft auf das elektrisch geladene Öltröpf-                                      e = 1.6 · 10−19 C
chen ausübt, so wird eine andere Gleichgewichtsge-
schwindigkeit vi gemessen; i ist der Index des ausge-           ist.
wählten Tröpfchens. Wir betrachten hier nur den sta-
tionären Fall, also den Fall, dass das Tröpfchen eine           Das Verhältnis von Ladung zu Masse des Elek-
konstante Endgeschwindigkeit vi erreicht hat. Diese             trons ist eine experimentell relativ einfach zugäng-
ist bestimmt durch das neue Gleichgewicht                       lich Größe. Man erhält daraus die Masse

              4π 3
     qi E =      r (ρÖl − ρLu f t )g − 6πηrvi .                                     me = 9.1 · 10−31 kg.
               3

                                                           20
1 Grenzen der klassischen Physik

1.6 Spezifische Wärme von
    Festkörpern

1.6.1 Phänomenologie

Aus der Theorie des idealen Gases erwartet man,
dass die innere Energie eines Materials durch das
Äquipartitionsprinzip bestimmt ist: Pro Freiheits-
grad beträgt die Energie kB T /2. Bei idealen Gasen
ist der Energieinhalt damit 3 kB T /2 pro Atom und           Abbildung 1.26: Temperaturabhängigkeit der Wär-
die Wärmekapazität (spezifische Wärme)                                       mekapazität von Festkörpern.

        cV  3           J
           ≈ R ≈ 12.5       ,
        Mol 2         K Mol                                  kurz, was dies bedeutet: Die spezifische Wärme ist
                                                             ja gegeben durch die Energie, die benötigt wird, um
resp.
                                                             die Temperatur des Materials um einen bestimmten
        cP  5             J                                  Betrag zu ändern. Wenn sie klein ist, genügt wenig
           ≈ R ≈ 20.786       .
        Mol 2           K Mol                                Energie, um die Temperatur stark zu ändern. Anders
                                                             ausgedrückt kann das Material wenig Energie spei-
Ein gutes Beispiel für dieses Verhalten ist Helium.
                                                             chern. Bei tiefen Temperaturen können Festkörper
                                                             also Energie weniger gut speichern als ein Gas, oder
                                                             ihr Energieinhalt ist kleiner als man erwarten würde.
                                                             Die Energie wird aber in beiden Fällen in der Form
                                                             von Bewegungsenergie der Atome gespeichert.

                                                             1.6.2 Einstein’s Theorie
Abbildung 1.25: Schwingung      von     Atomen    im
                Festkörper.                                  Einstein konnte diesen Befund 1907 erklären, indem
                                                             er annahm, dass die von Planck postulierte Quan-
In Festkörpern sind die Atome nicht mehr frei be-            telung der Energie auch für Schwingungen gelten
weglich, sondern an feste Gitterplätze gebunden. Ih-         sollte: Die Energie der Schwingungen der Atome
re Bewegung ist deshalb nicht mehr die eines frei-           sollte jeweils nh̄ω betragen. Wenn man als einfach-
en Atoms, sondern sie besitzen neben der kineti-             sten Fall annimmt, dass sämtliche Schwingungen die
schen Energie auch potenzielle Energie. Aus der              gleiche Frequenz ω0 besitzen und die Anregungs-
Theorie des harmonischen Oszillators wissen wir,             wahrscheinlichkeit durch das Boltzmann Gesetz ge-
dass die kinetische und potenzielle Energie im zeit-         geben sei, so beträgt die Energie pro Atom
lichen Mittel gleich groß sind. Damit erhält man,
dass die Energie der atomaren Bewegung im Fest-                               3h̄ω0
körper gleich 3RT pro Mol und die Wärmekapazität                  Ea =                 .
                                                                         e 0 /kB T − 1
                                                                          h̄ω
3R ≈ 25 J Mol−1 K−1 sein sollte. Dies wird als Gesetz
von Dulong und Petit bezeichnet.                             Pro Mol finden wir damit eine Energie
Dieses “Gesetz” ist für viele Festkörper bei hohen
Temperaturen eine gute Näherung - eigentlich er-                  E0 = NA Ea .
staunlich, wenn man die Vielfalt der Materialen be-
trachtet. Bei niedrigen Temperaturen geht die spezi-         Die spezifische Wärme ergibt sich als Ableitung
fische Wärme jedoch gegen Null. Überlegen wir uns            nach der Temperatur. Wir vereinfachen die Schreib-

                                                        21
1 Grenzen der klassischen Physik

weise, indem wir setzen                                                           6
                                                                                             3R
                                                                                  5
          h̄ω0

                                                                 Wärmekapazität
                                                                                             D
     x=        .                                                                  4
                                                                                                             0    0,1       0,2 T/ΘD
          kB T                                                                                       1,5
                                                                                                    Cυ
                                                                                  3                  1,0
Damit erhalten wir für die Wärmekapazität                                                    E
                                                                                  2                  0,5         D
                          �            �                                                                                E
            dE0       d 3NA h̄ω0                                                  1                      0
     cV   =       =                                                                                          0   0,1 0,2 T/Θ E
             dT      dT ex − 1
                     �              �                                             0
                        x     ex                                                   0   0,2   0,4   0,6           0,8         1,0
          = 3NA h̄ω0
                        T (ex − 1)2                                                    Normierte Temperatur
                  �           �
                2       ex
          = 3Rx                  .                            Abbildung 1.27: Wärmekapazität bei tiefen Tempe-
                    (ex − 1)2                                                 raturen. Vergleich von experimen-
                                                                              tellen Daten mit den theoretischen
Wir betrachten jetzt die Grenzfälle hoher und niedri-                         Vorhersagen von Debye und Ein-
ger Temperatur,                                                               stein. Die Skalierung der Tempe-
                                                                              raturachse ist in den beiden Fäl-
           h̄ω0               h̄ω0
     T�            und T �         .                                          len unterschiedlich, deshalb tau-
            kB                 kB                                             chen die Messdaten an unterschied-
                                                                              liche Stelle auf.
Dies entspricht

     x�1      und x � 1.                                      Die Übereinstimmung mit den experimentell be-
                                                              stimmten Werten ist bei tiefen Temperaturen nicht
Für hohe Temperaturen, x � 1, können wir die Ex-              mehr perfekt. Der Grund liegt in Einstein’s Annah-
ponentialfunktion entwickeln, ex ≈ 1+x. Damit geht            me, dass alle Oszillatoren die gleiche Schwingungs-
der Nenner gegen x2 und der gesamte Ausdruck da-              periode haben. Eine Verbesserung der Theorie wur-
mit wie im Fall des Gases gegen 3R. Bei tiefen Tem-           de von Debye erreicht. In seinem Modell, das in der
peraturen, x � 1, können wir die Eins gegenüber der           Einführung in die Festkörperphysik behandelt wird,
Exponentialfunktion vernachlässigen, ex � 1. Damit            steigt die Wärmekapazität ∝ T 3 an.
wird

     cV ≈ 3Rx2 e−x ,                                          1.7 Wellencharakter der Materie
d.h. sie geht gegen Null, in qualitativer Übereinstim-        1.7.1 Licht und Materie
mung mit den experimentellen Werten. Der Über-
gang zwischen den beiden Bereichen geschieht bei              Licht besitzt sowohl Teilchen- wie auch Wellencha-
der Temperatur                                                rakter: Bei der Diskussion des Strahlungsgesetzes
                                                              hatten wir gesehen, dass es einen Teilchencharakter
          h̄ω0
     T≈        .                                              aufweist, ebenso beim Photoeffekt.
           kB
                                                              Allgemein tritt der Teilchencharakter bei der Wech-
Hier ist die Schwingungsfrequenz ω0 der materi-               selwirkung mit Materie in den Vordergrund. An-
alspezifische Parameter. Bei harten Materialien mit           dererseits hatten wir im Zusammenhang mit der
leichten Atomen ist die Frequenz hoch und damit               Ausbreitung, insbesondere bei Interferenz und Beu-
auch die Übergangstemperatur.                                 gung sowie bei der Polarisation deutliche Zeichen

                                                         22
1 Grenzen der klassischen Physik

                                                                              Licht      Materie
                                                                             m0 = 0      m0 > 0
                                                                            Photonen     Elektron
                                                                                         Neutron
                                                                                          Proton
                                                                                          Atom
                                                                                         Molekül
                                                                                          Planet

Abbildung 1.28: Typische Eigenschaften von Wel-             Tabelle 1.2: Typische Beispiele für Licht vs. Materie
                len und Teilchen.

des Wellencharakters kennengelernt. Die Beziehung
zwischen den Wellen- und den Teilcheneigenschaf-
ten wird durch die Beziehungen

      E = hν = h̄ω

und

                  h
      p = h̄k =                                             Abbildung 1.29: Interferenzmuster hinter einem
                  λ
                                                                            Doppelspalt als Folge von einzel-
hergestellt, welche die Energie und den Impuls ei-                          nen Fotonen, die auf dem Schirm
nes Teilchens in Beziehung setzen zu den Wellenei-                          eintreffen.
genschaften Frequenz und Wellenlänge, resp. Wel-
lenvektor:
                                                            das Muster I2 . Sind beide Spalten geöffnet, so ist das
               “Welle”         “Teilchen”                   Muster nicht die Summe I1 + I2 , sondern ein grund-
       ν, ω    Frequenz        Energie E                    sätzlich anderes Muster I12 , wie wir in der Optik dis-
       λ,k    Wellenlänge       Impuls p                    kutiert hatten. Dieser Unterschied ist durch die In-
              Ausbreitung    Wechselwirkung                 terferenz, also eine typische Welleneigenschaft ge-
                                                            geben.
  Tabelle 1.1: Wellen- vs. Teilcheneigenschaften            Allerdings beobachtet man auf einem Schirm immer
                                                            einzelne Photonen, also Teilchen. Das Interessante
Die Frequenz der Welle entspricht der Energie des           an diesem Experiment ist, dass es die Teilchen- und
Teilchens, die Wellenlänge seinem Impuls.                   Wellenaspekte im gleichen Experiment aufzeigt. So
Beim Licht können beide Aspekte beobachtet wer-             messen wir die Ankunft jedes Teilchens auf dem
den. Die Ausbreitung kann weitgehend über sei-              Schirm z.B. mit einem Zähler, der für jedes Teil-
ne Welleneigenschaften beschrieben werden, bei der          chen einen Ort und eine Zeit des Auftreffens liefert.
Wechselwirkung mit Materie treten seine Teilchen-           Dieser Teil entspricht somit dem Teilchencharakter.
eigenschaften in den Vordergrund. So kann man               Andererseits können wir von den einzelnen Teilchen
Licht durch einen Doppelspalt schicken und die In-          nicht sagen, ob sie durch den unteren oder oberen
terferenz beobachten, also eine typische Wellenei-          Spalt durchgetreten sind. Diese Information wäre bei
genschaft. Wenn nur ein Spalt geöffnet ist, so fin-         einem klassischen Teilchen verfügbar.
det man das Intensitätsmuster I1 , beim andern Spalt        Genauso wie für Licht findet man auch bei Mate-

                                                       23
1 Grenzen der klassischen Physik

rie beide Aspekte. Mit Materie sind hierbei Teilchen         1.7.3 Beispiel: Elektronenwellen
gemeint, die eine nicht verschwindende Ruhemas-
se aufweisen, wie z.B. Elektronen, Neutronen, Ato-           Die Wellenlänge der Materiewellen sollt damit in-
me, Planeten, .... . Dafür verwenden wir üblicherwei-        vers proportional zum Impuls des Teilchens sein,
se den Begriff “Teilchen”. Wie wir aber im folgen-           seine Frequenz proportional zur Energie. Aufgrund
den sehen werden, besitzt gewöhnliche Materie nicht          der Kleinheit der Planck’schen Konstante sehen wir
nur einen Teilchencharakter, sondern ebenso Welle-           leicht, dass die Frequenz sehr groß sein wird, die
neigenschaften. Allerdings treten die Welleneigen-           Wellenlänge sehr klein. Um sie überhaupt beobach-
schaften weniger häufig zu Tage als der Teilchen-            ten zu können, müssen wir deshalb möglichst leichte
charakter. Einen spekulativen Hinweis darauf, dass           Teilchen verwenden. Das leichteste stabile Teilchen
Materie ebenfalls Teilchencharakter aufweisen, gibt          ist das Elektron, welches auch leicht zu erzeugen ist.
auch eine gewisse Ähnlichkeit der formalen Struk-            Die Frequenz wird dafür
tur der klassischen Optik mit der analytischen Me-
chanik: beide können mit Hilfe von Extremalprinzi-
                                                                        E     me c2 + me v2 /2 me c2
pien wie dem Hamilton’schen Prinzip der Mechanik                  ν =       =                    ≈
und dem Fermat’schen Prinzip der Optik. Im Falle                        h              h             h
                                                                                     9 · 10 16
des Fermat’schen Prinzip hatten wir gesehen, dass                     = 9 · 10−31 ·            s−1 ≈ 1020 s−1 ,
das Extremalprinzip als Interferenzeffekt verstanden                                6 · 10−34
werden kann.
                                                             also eine Frequenz, die sehr viel höher ist als alle
                                                             Frequenzen, die wir bisher diskutiert hatten. Sie wird
1.7.2 Die Hypothese von de Broglie                           deshalb nie direkt beobachtet und wird uns im Fol-
                                                             genden nicht weiter interessieren. Allgemein misst
Die Möglichkeit, dass auch Materie Welleneigen-              man bei solchen Teilchen nicht die Frequenz, son-
schaften aufweisen könnte, wurde erstmals von                dern die Energie, resp. Masse.
Louis de Broglie 1923 geäussert. Er spekulierte, auf-
grund des Fermat’schen Prinzips der Optik und des            Für die Berechnung der Wellenlänge benötigen wir
Hamilton’schen Prinzips der Mechanik, dass auch              zunächst die Geschwindigkeit. Wir betrachten Elek-
ein Teilchen Welleneigenschaften haben könnte, wo-           tronen mit einer kinetischen Energie, wie sie z.B. in
bei die Wellenlänge λ = h/p und die Frequenz ω =             einem Röhrenbildschirm auftreten, also z.B.
E/h oder ν = E/h sein sollte. Dem Teilchen ent-
spricht somit eine Welle, die wir als                             Ekin = 100 eV = 1.6 · 10−17 J.

                  �
     Ψ = A ei(ωt−k·�r)                                       Sie ist damit noch weit unterhalb der Lichtgeschwin-
                                                             digkeit. Damit ist die nichtrelativistische Rechnung
schreiben können.                                            erlaubt.
                                                             Für die Wellenlänge erhalten wir

                                                                        h     h     6 · 10−34
                                                                  λ   =   =      =
                                                                        p me v 9 · 10−31 · 6 · 106
          Abbildung 1.30: Wellengruppe.                               ≈ 10−10 m,

Genauer gesagt sollten wir uns dies als Wellengrup-          also etwa 1 Angström. Diese Wellenlänge ist sehr
pe vorstellen, welche in der Nähe der klassischen Po-        klein im Vergleich zu makroskopischen Distanzen,
sition des Teilchens lokalisiert ist.                        aber sie ist vergleichbar mit atomaren Distanzen.

                                                        24
1 Grenzen der klassischen Physik

1.7.4 Ausbreitung und Dispersion                                       also immer größer als die Lichtgeschwindigkeit. Ihre
                                                                       physikalische Bedeutung ist aber gering.
Wir überprüfen, ob diese Annahme sinnvoll ist. Ins-
                                                                       Interessant in diesem Zusammenhang ist der Ver-
besondere würden wir erwarten, dass sie in der Nä-
                                                                       gleich zur Ausbreitung elektromagnetischer Wellen
he des Teilchens lokalisiert bleibt, wenn sich dieses
                                                                       in einem Hohlleiter. In beiden Fällen fanden wir,
bewegt. Wir betrachten somit ein bewegtes Teilchen
                                                                       dass die Phasengeschwindigkeit größer ist als die
mit Masse m und Geschwindigkeit v. Seine gesamte
                                                                       Lichtgeschwindigkeit, und dass das Produkt von
Energie ist dann in nichtrelativistischer (v � c) Nä-
                                                                       Phasen- und Gruppengeschwindigkeit
herung

             m                                                              vP vG = c2
     E = mc + v2 .
              2
             2
                                                                       gerade gleich dem Quadrat der Lichtgeschwindig-
Damit wird die Kreisfrequenz                                           keit ist. Man kann das so interpretieren, dass die
                                                                       Photonen im Hohlleiter ein endliche Ruhemasse er-
            E    mc2 + mv2 /2                                          halten, aufgrund der Wechselwirkung mit der Umge-
     ω=        =
            h̄        h̄                                               bung. Ähnliche Phänomene findet man in der Fest-
                                                                       körperphysik, wo die Elektronen im Kristall sich be-
und der Wellenvektor                                                   wegen wie freie Teilchen, außer dass ihre Masse von
                                                                       der Elektronenmasse abweicht, die wir für freie Teil-
          p mv
     k=      =    .                                                    chen gefunden hatten. Man spricht hier von einer ef-
          h̄   h̄                                                      fektiven Masse.
Wir lösen auf nach der Geschwindigkeit
                                                                       1.7.5 Elektronenbeugung
        h̄k
     v=
        m                                                              Wie oben gezeigt, ist die Wellenlänge einer Mate-
                                                                       riewelle sehr klein, und sie nimmt mit zunehmen-
und eliminieren diese aus dem Ausdruck für ω:                          der Masse ab. Um sie erfolgreich messen zu kön-
                                                                       nen, benutzte man zunächst die leichtesten zur Ver-
            mc2 h̄k2
     ω=         +    .                                                 fügung stehenden Teilchen, d.h. Elektronen. Mit Be-
             h̄   2m                                                   schleunigungsspannungen unterhalb von 100 V er-
                                                                       hält man Wellenlängen, die im Bereich von atomaren
Die Geschwindigkeit der Wellengruppe sollte nun
                                                                       Distanzen liegen. Eine Bestätigung der Wellenhypo-
gegeben sein als
                                                                       these kann somit erreicht werden, wenn man zei-
                                                                       gen kann, dass periodische Anordnungen von Ato-
            dω   h̄k
     vG =      =     = v.                                              men Beugungseffekte erzeugen. Diese Möglichkeit
            dk   m
                                                                       wurde 1925 von Elsasser vorgeschagen. Eine Vor-
Somit ist sichergestellt, dass sich die Wellengruppe                   aussetzung dafür ist, dass Elektronen elastisch ge-
mit der gleichen Geschwindigkeit wie das klassische                    streut werden, so dass die reflektierte Welle eine fe-
Teilchen bewegt.                                                       ste Wellenlänge aufweist.

Die Phasengeschwindigkeit ist dabei (im nichtrelati-                   Die erste experimentelle Bestätigung für de Bro-
vistischen Grenzfall)                                                  glie’s Vermutung wurde 1927 von Davisson und
                                                                       Germer publiziert. Sie benutzten Streuung von Elek-
                  �                  �                                 tronen an einer Kristalloberfläche. Davisson hat da-
                      mc2        2
            ω          h̄   + h̄k
                              2m             c2                        für 1937 den Nobelpreis erhalten. Seine Rede anläs-
     vP =     =             mv           ≈      ,
            k               h̄               v                         slich der Preisverleihung ist u.a. deshalb interessant

                                                                  25
1 Grenzen der klassischen Physik

                                                            Abbildung 1.32: Elektronenmikroskop und elektro-
                                                                            nenmikroskopische Aufnahme ei-
Abbildung 1.31: Beugung von Elektronenwellen an                             nes Halbleiter-Quantenpunktes.
                einem Ni Einkristall.

                                                            1.7.6 Neutronen
weil sie zeigt, wie Forschung wirklich abläuft, d.h.
nicht immer so geradlinig wie es beim Studium von           Ein anderes wichtiges Beispiel sind Neutronen, wel-
Lehrbüchern teilweise erscheint, sondern u.a. durch         che ebenfalls für Srukturuntersuchungen verwendet
eher zufällige Begegnungen, Diskussionen und ex-            werden. Insbesondere werden sogenannte thermi-
perimentelle oder technische Randbedingungen dik-           sche Neutronen verwendet, d.h. Neutronen, deren ki-
tiert.                                                      netische Energie der mittleren thermischen Energie
Unabhängig davon fand G.P. Thomson das glei-                bei Raumtemperatur entspricht
che Resultat mittels Transmission eines Elektronen-
strahls durch einen dünnen Kristall.                                     p2  3
                                                                  E=        = kB T
                                                                        2mN  2
Sie fanden experimentell, dass die Elektronen, die
mit einer bestimmten kinetischen Energie unter ei-          für T = 300 K. Diese Energie entspricht einem Im-
nem definierten Winkel auf die Kristalloberfläche           puls, welche wir aus der kinetischen Energie
auftreffen, genau dann reflektiert wurden, wenn die
sog. Bragg-Bedingung erfüllt ist:                                        p2
                                                                  E=
                                                                        2mN
                     nh
    a sin θ = nλ =        n = 1, 2, 3, ....
                      p                                     als
                                                                       �
Typische Distanzen a zwischen Atomlagen liegen                    p=       3kB T mN
im Bereich von einigen Angström, also 10−10 m.
Ein typisches experimentelles Resultat war Gitter-          berechnen. Damit wird die Wellenlänge
periode a = 2.15 Å, Beschleunigungsspannung E =
54V, Beugungswinkel (n=1) θ = 50◦ . Aus dem Beu-                         h           h
                                                                  λ    =   =√
gungswinkel und dem Gitterabstand erhält man eine                        p       3kB T mN
Wellenlänge von 1.65Å, während de Broglie’s Vor-                                       6 · 10−34
aussage 1.67 Å ergibt.                                                 = √                                     m
                                                                           3 · 1.4 · 10−23 · 300 · 1.7 · 10−27
Genauso wie bei einem Lichtmikroskop kann man                          ≈ 10−10 m,
bei einem Elektronenmikroskop die Fokussierung
der Elektronenstrahlen mit Hilfe der Wellenoptik            also wiederum etwa ein Angström. Für höherener-
verstehen.                                                  getische Neutronen, z.B. mit einer Energie von 100

                                                       26
1 Grenzen der klassischen Physik

eV (wie die Elektronen im ersten Beispiel) wird der
Impuls
          �
     p=2      m Ekin

um den Faktor
    �
        mN √                                                Abbildung 1.34: Doppelspalt-Interferometer für He-
           ≈ 1836 ≈ 43
        me                                                                  Atome.

größer als bei den Elektronen und die Wellenlänge           Der nächste Schritt ist von Atomen zu Molekülen.
deshalb um den gleichen Faktor kleiner.                     Auch dieser Schritt wurde bereits von Estermann
                                                            und Stern durchgeführt, welche neben He auch die
                                                            Beugung von molekularem Wasserstoff, H2 , unter-
1.7.7 Schwerere und zusammengesetzte
                                                            suchten.
      Teilchen

Allgemein gilt: mit zunehmender Masse wird die de
Broglie Wellenlänge kürzer. Prinzipiell bleibt aber
die Beziehung gültig, auch bei zusammengesetzten
Teilchen wie Atomen.

                                                            Abbildung 1.35: Interferometer für die Messung der
                                                                            Beugung von Molekülen.

                                                            Inzwischen wurden auch an größeren Molekülen In-
                                                            terferenzerscheinungen untersucht.
                                                            Abb. 1.36 zeigt zwei größere Moleküle und die da-
 Abbildung 1.33: Beugungsmuster von He und H2 .
                                                            mit gemessenen Interferenzmuster. Werden aber die
                                                            Massen grösser, so werden die Wellenlängen extrem
Erste Versuche dazu wurden 1930 von Estermann               kurz. Bei einer Kugel mit eine Masse von 1 kg und
und Stern mit Helium durchgeführt. Ref: I. Ester-           eine Geschwindigkeit von 1 m/s wird die de Broglie
mann and O. Stern, Z. Phys. 61 (1930) 95.                   Wellenlänge
Ein Heliumatom hat eine Masse von 6.7 · 10−27 kg,
also ähnlich wie ein Neutron (x4), und damit bei                     h
                                                                λ=     = 6 · 10−34 m.
thermischen Geschwindigkeiten eine ähnliche Wel-                     p
lenlänge (1/2).
                                                            Bei der Diskussion der Optik hatten wir gefunden,
In den letzten Jahren wurde auf diesem Gebiet inten-        dass wir die Welleneigenschaften eines Teilchens
siv geforscht. So wurde gezeigt, dass man für Atome         nicht beobachten können wenn die Dimensionen des
Interferometer bauen kann, z.B. ein Doppelspaltex-          Apparates groß sind im Vergleich mit der Wellenlän-
periment.                                                   ge. Diese Voraussetzung ist offensichtlich für eine

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