Grenzen der klassischen Physik - 1.1 Historische Situation der Physik
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1 Grenzen der klassischen Physik 1.1 Historische Situation der Physik sten davon ausgingen, dass dies durch kleine Korrek- um 1900 turen eingepasst werden könne, gab es auch schon einige, welche dies als Andeutung von großen Än- derungen verstanden. Die bisher diskutierte Physik wurde zu wesentlichen Teilen im Laufe des 19. Jahrhunderts entdeckt. Die Die wichtigsten dieser Abweichungen sollen hier enormen Fortschritte, welche die Physiker in dieser diskutiert werden. Zeit beobachteten, erweckten allgemeine Bewunde- rung und führten dazu, dass man der Ansicht war, dass alle wichtigen Grundlagen bekannt seien. Mi- 1.2 Strahlungsgesetze chelson schrieb “Die wichtigsten Grundgesetze und Grundtatsachen der Physik sind alle schon entdeckt; 1.2.1 Schwarzer Körper und diese haben sich bis jetzt so fest bewährt, dass die Möglichkeit, sie wegen neuer Entdeckungen bei- Ein wichtiger Punkt war die spektrale Verteilung der seite zu schieben, außerordentlich fern zu liegen elektromagnetischen Strahlung, welche im Gleich- scheint. .. Unsere zukünftigen Entdeckungen müs- gewicht mit einem materiellen Körper ist. Wenn die- sen wir in den 6. Dezimalstellen suchen.” ser Körper die gesamte auf ihn einfallende Strah- Einstein formulierte das so: lung, unabhängig von der Wellenlänge, vollständig absorbiert, spricht man von einem “schwarzen Kör- “Bei aller Fruchtbarkeit im einzelnen herrschte in per”. Der Begriff “schwarzer Körper” wurde 1862 prinzipiellen Dingen dogmatische Starrheit: Am von Gustav Kirchhoff geprägt. Ein gutes Modell ei- Anfang (wenn es einen solchen gab) schuf Gott nes schwarzen Körpers ist ein Hohlraum, der innen Newton’s Bewegungsgesetze samt den notwendigen schwarz gestrichten ist. Befindet sich in dieser Au- Massen und Kräften. Dies ist alles: das Weitere er- ßenwand ein kleines Loch, so wird alles Licht, was gibt die Ausbildung geeigneter mathematischer Me- dort hineinfällt, vollständig absorbiert. thoden durch Deduktion. Was das 19. Jahrhundert fußend auf dieser Basis geleistet hat, insbesonde- Würde der Körper die Strahlung nur absorbieren, re durch die Anwendung dcr partiellen Differenzi- so würde er sich kontinuierlich aufheizen. Aus der algleichungen, musste die Bewunderung jedes emp- Thermodynamik war aber bekannt, dass sich die fänglichen Menschen erwecken." Temperatur von verschiedenen Körpern, die mitein- ander in Kontakt sind (auch nur über Wärmestrah- Als Max Planck 1874 sein Abitur bestanden hat- lung) angleicht. te, informierte er sich beim Münchner Physikpro- fessor Philipp von Jolly, über die Möglichkeit, Phy- Somit muss ein Körper, welche alle Wellenlängen sik zu studieren. Dieser antwortete mit der Bemer- absorbiert, auch alle Wellenlängen abstrahlen, und kung, dass in dieser Wissenschaft schon fast alles er- zwar umso stärker, je höher die Temperatur ist. Ein forscht sei, und es nur noch gelte, einige unbedeu- Körper, der bei einer bestimmten Wellenlänge gut tende Lücken zu schließen. absorbiert, emittiert somit auch stark. Allerdings fehlten zu diesem Gesamtbild noch eini- Dies wurde z.B. beim amerikanischen Aufklärungs- ge Punkte, welche scheinbar nicht mit den vorhan- flugzeug SR-71 verwendet: damit die bei hoher Ge- denen Modellen übereinstimmten. Während die mei- schwindigkeit durch Luftreibung erzeugt Wärme ab- 7
1 Grenzen der klassischen Physik Abbildung 1.1: Fast idealer Absorber aus stehen- Abbildung 1.3: Das amerikanische Aufklärungs- den Kohlenstoff-Nanoröhren (PNAS flugzeug SR-71 “Blackbird”. 106, 6044 (2009)). Spiegel Spiegel Abbildung 1.4: Spektralanalyse der Schwarzkör- perstrahlung. Abbildung 1.2: Gleichgewicht zwischen thermi- schen Strahlern. Temperatur abhängt. Die Verteilung geht für hohe und niedrige Wellen- geführt werden konnte, wurde es (fast) schwarz ge- längen gegen Null. Das Maximum verschiebt sich strichen. Es erhielt deshalb den Namen “Blackbird”. mit zunehmdener Temperatur gegen kürzere Wellen- Ein realer Körper absorbiert Strahlung, die auf ihn längen. einfällt, nicht vollständig, sondern nur zu einem Bruchteil 0 < ε < 1. Dieser Anteil wird als Ab- sorptivität bezeichnet. Die Emissivität gibt an, wie 1.2.2 Das Stefan-Boltzmann Gesetz stark ein Körper abstrahlt im Vergleich zum idea- len schwarzen Körper. Diese beiden Größen müs- Integriert man die spektrale Leistungsdichte, so er- sen identisch sein, da sonst der zweite Hauptsatz der hält man die gesamte Strahlungsleistung eines Kör- Thermodynamik verletzt werden könnte. Kirchoff pers, formulierte dies 1859 als “Strahlungsgesetz”: Die � ∞ Absorptivität eines Körpers ist proportional zu sei- Iges (T ) = I(ω, T )dω. 0 ner Emissivität, unabhängig von Temperatur, Rich- tung oder Wellenlänge. 1879 analysierte Josef Stefan experimentelle Mes- Wir definieren die spektrale Leistungsdichte I(ω) als sungen der Strahlungsleistung von Tyndall und fand, die Intensität der Strahlung im Frequenzbereich zwi- dass die gesamte Strahlungsleistung proportional zur schen ω und ω + dω. Misst man diese Intensitäts- vierten Potenz der Temperatur zunimmt, verteilung, so findet man, dass ein idealer schwarzer Körper eine Strahlung emittiert, welche nur von der Iges ∝ T 4 . 8
1 Grenzen der klassischen Physik wobei die Integrationskonstante a an dieser Stelle nicht bekannt ist. Dieses Gesetz ist seither als Stefan- Boltzmann’sches Strahlungsgesetz bekannt. 1.2.3 Wien’sches Verschiebungsgesetz Wie qualitativ in Abb. 1.5 gezeigt, verschiebt sich das Intensitätsmaximum als Funktion der Tempe- ratur zu kürzeren Wellenlängen, resp. höheren Fre- Wellenlänge / µm quenzen. Dabei handelt es sich um eine Proportio- nalität. Man kann die Wellenlänge schreiben als Abbildung 1.5: Spektrale Verteilung der Wärme- strahlung als Funktion der Tem- 2897.8 λmax = µm K. peratur. T Schreibt man die Intensität als Funktion der Fre- Insgesamt kann die Strahlungsleistung eines Kör- quenz, so nimmt die maximale Frequenz proportio- pers geschrieben werden als nal zur Temperatur zu, Iges = εσ AT 4 . Hz νmax = 5.878933 · 1010 · T . K Hier ist 0 < ε < 1 der Emissionsgrad, welcher an- gibt, wie effizient der Körper abstrahlt, respektive Wien leitete diese Proportionalität 1895 her, in- absorbiert. Er liegt bei einem perfekt reflektierenden dem er einen Hohlraum diskutierte, der durch einen Körper bei 0, bei einem idealen schwarzen Strahler beweglichen Kolben abgeschlossen war. Verringert bei 1. σ ist die universelle Stefan-Boltzmann Kon- man das Volumen des Hohlraums durch Verschie- stante, A die Oberfläche des Körpers und T die ab- ben des Kolbens adiabatisch, so steigen Temperatur solute Temperatur. und Energiedichte. Gleichzeitig verschiebt der Kol- ben die Wellenlänge der Strahlung über den Dopp- 1884 lieferte Lodwig Boltzmann eine theoretische lereffekt. Begründung für diese Abhängigkeit. Er verwendete dafür die bekannten thermodynamischen Grundglei- Aus dem Maximum der Emission kann man somit chungen und die Maxwell’sche Theorie der Elektro- die Temperatur des Körpers berechnen, der diese dynamik. Aus der Thermodynamik ist bekannt, dass Strahlung emittiert. Bei der Sonne ist die sichtba- re Oberfläche die Fotosphäre. Das Emissionsmaxi- � � � � mum liegt bei 3.4 · 1014 Hz, was einer Temperatur ∂U ∂p =T − p. von 5800 K entspricht. Flüssiger Stahl oder Mag- ∂V T ∂T V ma mit einer Temperatur von 2000 K erreichen das Maxwell hatte 1873 gezeigt, dass ein elektromagne- Emissionsmaximum bei 1.2 · 1014 Hz, also im Infra- tisches Feld der Energiedichte uV einen Druck roten. Im sichtbaren Bereich des Spektrums ist dann die Intensität von rotem Licht deutlich höher als von 1 1U blauem. Schwarze, selbstleuchtende Körper mit ei- p = uV = 3 3V ner Temperatur < 5800 K erscheinen uns deshalb rot. erzeugt. Setzt man dies ein und integriert, so erhält Wien konnte darüber hinaus zeigen, dass die spek- man trale Energiedichte die Form �ω � uV = a T 4 , I(ω) = ω 3 F T 9
1 Grenzen der klassischen Physik haben müsse. Die Funktion F war nicht be- Berücksichtigen wir die beiden orthogonalen Polari- kannt, aber er vermutete einen Zusammenhang mit sationszustände, so verdoppelt sich diese Zahl. der Maxwell’schen Geschwindigkeitsverteilung und Gemäß dem Äquipartitionsgesetz der Thermodyna- schlug deshalb vor mik ist die Energiedichte gegeben als I(ω) = αω 3 e−β ω/T . E = kB T, Diese Abhängigkeit beschreibt das Verhalten bei ho- wobei jeweils die Hälfte kinetische und potenziel- hen Frequenzen recht gut, weicht aber bei niedri- le Energie sind. Wir identifizieren die beiden Aus- gen Frequenzen stark ab. Dies zeigten insbesondere drücke und erhalten Messungen, die im Jahre 1900 durchgeführt wurden. dZ ω2 I(ω)dω = kB T = 2 3 kB T dω. (1.1) V π c 1.2.4 Das Rayleigh-Jeans Gesetz Dies ist als Rayleigh-Jeans Gesetz bekannt. Wich- Rayleigh berechnete 1890 die frequenzabhängige tig ist hier vor allem die Proportionalität der abge- Strahlungsleistung, indem er die Modendichte in ei- strahlten Energiedichte zu ω 2 . Dies passt für niedri- nem Hohlraumresonator bestimmten. Seine Theorie ge Frequenzen recht gut, für hohe Frequenzen aber wurde später von James Jeans modifiziert und ist sehr schlecht. Integriert man die Energie über alle seither als Rayleigh-Jeans Gesetz bekannt. Wie in Frequenzen, so geht sie wegen der hohen Frequen- PIII diskutiert, findet man für einen kubischen Hohl- zen gegen unendlich. Die Divergenz der Energie- raum mit Kantenlänge a und ideal leitenden Wänden dichte bei hohen Frequenzen wird als Ultraviolett- stehende Wellen mit Frequenzen Katastrophe bezeichnet. http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/72/RWP-comparison.svg 12.2.11 13:10 cπ � 2 1e-23 ωnx ny nz = nx + n2y + n2z . Rayleigh-Jeans Strahlungsleistung [J/(m2sr)] a Wien 1e-24 Planck T = 8 mK 1e-25 Betrachten wir die Werte nx,y,z als Koordinaten in ei- nem kartesischen Raum, so sind die Frequenzen ω Radiance [Jm sr ] -2 -1 1e-26 in diesem Raum gleichmäßig verteilt. Die Zahl der 1e-27 Moden mit einer Frequenz im Bereich von 0 . . . ω ist 1e-28 somit 1e-29 1 4π � aω �3 a3 ω 3 Z= = 2 3. 1e-30 8 3 πc 1e+08 1e+09 6π c Frequenz / Hz Frequency [Hz] Differenziell sind dies Abbildung 1.6: Spektrale Verteilung der Energie- a3 ω 2 dichte nach Rayleigh-Jeans, Wien dZ = dω. und Planck. 2π 2 c3 Wir identifizieren a3 = V und erhalten für die Zahl Einen ersten Ausweg zeigte Wien: er nahm an, dass der Moden in einem Volumen V im Frequenzinter- die Zustände nicht gleich stark besetzt seien, sondern vall (ω, ω + dω) nach der Maxwell-Boltzmann Verteilung. Damit er- hielt er eine Abhängigkeit dZ ω2 Page 1 of 1 V = 2 3 dω. 2π c IWien (ω) = c1 ω 3 e−c2 ω/kB T . 10
1 Grenzen der klassischen Physik Dieser Ausdruck stimmt für große Frequenzen recht Die Konstante h̄ wird als Planck’sches Wirkungs- gut, für kleine aber schlecht. quantum bezeichnet; sie ist eine universelle Natur- konstante. Sie wurde experimentell bestimmt zu Damit waren 2 Grenzfälle bekannt: für kleine Fre- quenzen (große Wellenlängen) gab das Rayleigh- h Jeans Gesetz eine gute Beschreibung, für große Fre- h̄ = = 1.0546 · 10−34 Js. 2π quenzen (kleine Wellenlängen) das Wien’sche Strah- lungsgsetz. Eine Beschreibung, die über alle Fre- Um ein Strahlungsgesetz zu erhalten, berechnen wir quenzen korrekt ist, lieferte Planck um 1900. jetzt analog zur Herleitung des Rayleigh-Jeans Ge- setzes die mittlere Energie E aller Oszillatoren: 1.2.5 Das Planck’sche Strahlungsgesetz Etot ∑∞ En e−En /kB T E= = n=0 . Ntot ∑∞ n=0 e −En /kB T Im Jahre 1900 existierten somit zwei Strahlungsge- setze, welche jeweils für einen bestimmten Grenz- Wir substituieren fall in guter Übereinstimmung mit den experimentel- len Fakten waren. Planck gelang es, zwischen diesen h̄ω x= beiden Spezialfällen korrekt zu interpolieren. Da- kB T zu ergänzte er das Rayleigh-Jeans Modell um einen wichtigen Punkt: er nahm an, dass ein Oszillator der und erhalten Frequenz ω Energie nur in diskreten Paketen der h̄ω ∑∞ −nx n=0 ne Größe h̄ω emittieren oder absobieren kann. Er be- E= . ∑∞ n=0 e −nx sitzt somit diskrete Energiezustände Wir schreiben dies als En = 0, h̄ω, 2h̄ω, 3h̄ω . . . d − dx ∑∞ n=0 e −nx E = h̄ω . Energien zwischen diesen Zuständen sind nicht ∑∞ n=0 e −nx möglich. Die geometrischen Reihen können aufsummiert wer- Energienievaus # Oszillatoren den: ∞ ∞ 1 1 ∑ e−nx = ∑ yn = 1 − y = 1 − e−x . n=0 n=0 Damit erhalten wir Abbildung 1.7: Erlaubte Energien und Anzahl der Oszillatoren mit der entsprechenden −2 −x − (1 − e−x ) e h̄ω Energie. E = h̄ω = (1 − e−x )−1 ex − 1 In diesem Modell gehen die Oszillatoren bei der h̄ω = . Emission von Energie durch einen diskreten Sprung eh̄ω/kB T −1 aus einem höheren Zustand in einen niedrigeren über. Die Zahl Nn der Oszillatoren mit der Energie Wenn wir diesen Ausdruck in der Herleitung von En ist im thermischen Gleichgewicht gegeben durch Rayleigh-Jeans verwenden, erhalten wir die Maxwell-Boltzmann Verteilung dZ h̄ω 3 I(ω)dω = E = 2 3 � h̄ω/k T � dω. Nn = N0 e−En /kB T , En = nh̄ω. V π c e B −1 11
1 Grenzen der klassischen Physik wobei für die letzten Schritte die Eigenschaften 6000 K der Riemann’schen Zeta-Funktion verwendet wur- 2 h c2 1 den. Somit ist die integrierte Strahlungsleistung ei- Leistung P~ 5 hc h e kTh -1 nes Körpers der Fläche A 5000 K P = σ A T 4. Die Stefan-Boltzmann Konstante σ ist gegeben 4000 K durch 0 0.5 1 1.5 2 2π 5 kB4 W h σ= = 5.67 · 10−8 2 4 . 15h3 c2 m K Abbildung 1.8: Strahlungsleistung nach Planck für Aus der Lage des Intensitätsmaximums erhält man verschiedene Temperaturen. das Wien’sche Verschiebungsgsetz. Wir bestimmen das Maximum aus Dies ist das Planck’sche Strahlungsgesetz. Es be- dI 2π h̄c hebt die UV-Katastrophe, indem die Intensität für = 0 → λmax T = . hohe Frequenzen gegen Null geht, und es ist in dλ 4.965 kB ausgezeochneter Übereinstimmung mit dem Expe- Das Rayleigh-Jeans Gesetz erhält man aus dem riment. Dies ist historisch die erste quantenmecha- Grenzfall kleiner Frequenzen, h̄ω � kB T . Wir kön- nische Formel, d.h. das erste Gesetz, das unter der nen dann die Exponentialfunktion entwickeln, Annahme einer diskreten Energiverteilung hergelei- tet wurde. h̄ω eh̄ω/kB T ≈ 1 + kB T 1.2.6 Grenzfälle und erhalten für die Intensität Aus dem Planck’schen Strahlungsgesetz kann man h̄ω 3 ω 2 kB T I(ω)dω ≈ dω = dω, auch die anderen Strahlungsgesetze herleiten. Wir π 2 c3 kh̄ω π 2 c3 BT berechnen die gesamte emittierte Strahlung als in Übereinstimmung mit dem Rayleigh-Jeans Gesetz � ∞ � ∞ h̄ω 3 (1.1). U(T ) = I(ω)dω = dω 0 0 π 2 c3 eh̄ω/kB T � ∞ 4 Das Wein’sche Strahlungsgesetz erhalten wir im um- (kB T ) x3 gekehrten Grenzfall, h̄ω � kB T aus = dx. π 2 c3 h̄3 0 ex − 1 eh̄ω/kB T � 1. Wir berechnen das Integral als Dann ist � ∞ � ∞ ∞ x3 dx = dx x3 e−x ∑ e−nx h̄ω 3 −h̄ω/kB T 0 ex − 1 0 n=0 I(ω)dω ≈ e dω, ∞ � ∞ π 2 c3 = ∑ dx x3 e−nx n=1 0 in Übereinstimmung mit dem Wien’schen Gesetz, ∞ � ∞ 1 π4 und mit den dort phänomenologischen Konstanten = 6∑ = , n=1 0 n4 90 berechnet. 12
1 Grenzen der klassischen Physik Abbildung 1.10: Messungen der Hintegrundsttrah- lung von Penzias und Wilson 1965. Abbildung 1.9: Das expandierende Universum als thermischer Strahler. 1.2.7 Bestätigung und Bewertung Die von Planck vorhergesagte Verteilung stimmte mit den damals bekannten Messdaten überein und Abbildung 1.11: Verschiebung des Emissionsmaxi- wurde seither mehrfach bestätigt. mums mit der Temperatur. Eines der besten Beispiele für einen thermischen Strahler ist das Universum: abgesehen von den Ster- findlich ist, kann deshalb verwendet werden, um die nen und leuchtenden Nebeln ist es mit einer ther- Temperatur eines Körpers berührungsfrei zu messen. mischen “Hintergrundstrahlung” angefüllt, welche Planck hatte das Konzept der Quantisierung als beim “big bang” entstanden ist. Durch die Ausdeh- rein mathematisches Hilfsmittel in seine Betrach- nung des Universums seither hat es sich stark abge- tungen eingeführt. Erst später zeigte sich, dass dies kühlt: die Temperatur der Hintergrundstrahlung be- auch wirklich durch Beobachtungen erhärtet werden trägt noch 2.73 K. kann. So ist es heute relativ leicht, einzelne Fotonen Präzise Messungen von Penzias und Wilson haben zu messen. Man verwendet dazu den Fotoeffekt, den dies bereits 1965 bestätigt; seither gibt es noch we- wir im folgenden Abschnitt diskutieren werden. sentlich präzisere Messungen. Betrachtet man das Emissionsmaximum bei unter- schiedlichen Temperaturen, so findet man, dass es 1.3 Fotoeffekt sich bei der Temperatur der Sonne im sichtbaren Be- reich des Spektrums, also bei ≈ 0.5 µm befindet. Bei 1.3.1 Phänomenologie niedrigeren Temperaturen verschiebt es sich zu län- geren Wellenlängen: bei Raumtemperatur erreicht es Werden Metalloberflächen, insbesondere Alkalime- rund 10 µm. talle, mit Licht bestrahlt, so werden Elektronen frei- Eine Kamera, welche bei diesen Wellenlängen emp- gesetzt, die sich mit einer bestimmten Geschwindig- 13
1 Grenzen der klassischen Physik Abbildung 1.15: Gemessener Fotostrom als Funkti- on der Gegenspannung für unter- schiedliche Intensitäten. Elektronen gebremst werden, so treffen irgendwann Abbildung 1.12: Wärmebild eines Menschen keine mehr auf dem Messdraht auf und der gemes- (NASA). sene Strom geht gegen Null. Wenn wir den Foto- hi strom als Funktion der angelegten Spannung mes- e- sen, finden wir, dass er unterhalb einer gewissen Sperrspannung V0 verschwindet. Für größere (posi- tivere) Spannungen wächst er, bis er praktisch kon- Photokathode stant wird. Die Messung der Sperrspannung erlaubt die Bestimmung der kinetischen Energie der emit- tierten Elektronen: Abbildung 1.13: Fotoeffekt. Ekin = eV0 . keit von der Oberfläche weg bewegen, also eine ki- netische Energie besitzen. Diesen Effekt bezeichnet Exp: Fotoeffekt man als Fotoeffekt. Photozelle Spektral- Prisma lampe Abbildung 1.16: Anordnung zur Messung der Ab- hängigkeit von der Lichtwellen- länge. Wir benutzen diesen Messaufbau nun, um die Ab- hängigkeit der kinetischen Energie von der Wel- lenlänge des Lichtes zu messen. Die vorhandene Abbildung 1.14: Messung der kinetischen Energie Lichtquelle erzeugt Licht bei verschiedenen diskre- der Fotoelektronen. ten Wellenlängen, welche wir einzeln auf die Probe fallen lassen. Die kinetische Energie der freigesetzten Elektronen Erste Messungen der kinetischen Energie als Funkti- kann gemessen werden, wenn man bestimmt, wie on von Wellenlänge und Intensität des Lichtes wur- gross eine Spannung sein kann oder muss, damit den im 19. JHd von Hallwach durchgeführt. Man fin- die Elektronen gegen das äußere Potential einen be- det experimentell, dass der gemessene Strom, d.h. stimmten Punkt erreichen können. die Anzahl Elektronen pro Zeiteinheit in guter Nähe- Wenn man also die Spannung erhöht, mit der die rung proportional ist zur einfallenden Lichtleistung. 14
1 Grenzen der klassischen Physik dass die Elektronen schon sehr schnell erscheinen. 1.0 Diese Beschreibung würde außerdem voraussagen, kinetische Energie / eV dass die kinetische Energie der Elektronen propor- tional zur Intensität des Lichtes sein sollte, und man würde Emission für alle Frequenzen vorhersagen. 1.3.2 Einstein’s Erklärung 0 4 5 6 7 8 Einstein erhielt ein konsistentes Bild, indem er an- i/1014 Hz nahm, dass das Licht, welches auf die Metalloberflä- che trifft, aus diskreten Pakten besteht. Diese werden Abbildung 1.17: Gemessene kinetische Energien als als “Quanten” oder “Fotonen” bezeichnet und besit- Funktion der Lichtfrequenz. zen die Energie h̄ω = hν. Wenn wir die gemessenen Spannungen gegen die Frequenz des einfallenden Lichtes auftragen, so fin- Licht Detektor den wir, dass für Frequenzen unterhalb eines be- stimmten Grenzwertes ω0 keine Elektronen austre- Photonen ten. Oberhalb dieses Grenzwertes steigt die Ener- gie der Elektronen linear an. Die kinetische Energie kann somit geschrieben werden als Zeit Ekin = h̄(ω − ω0 ) = h̄ω − A. Abbildung 1.18: Licht als Abfolge von Fotonen. Zu den experimentell bekannten Tatsachen gehören • Der Effekt setzt nach ≈ 1 ns nach Auftreffen Die Frequenz ν liegt für sichtbares Licht im Bereich der Strahlung ein. • Die Metalle emittieren Elektronen nur dann, c m ν= = 3 · 108 /0.5 µm = 6 · 1014 Hz, wenn die Frequenz ω des Lichtes oberhalb λ s einer bestimmten Schwellenfrequenz ω0 liegt. Diese Schwellenfrequenz ist unterschiedlich also typischerweise etwas unterhalb von 1015 Hz. für unterschiedliche Metalle. Die Energie der einzelnen Pakete liegt somit für sichtbares Licht bei • Bei gegebener Frequenz ω ist der Strom pro- portional zur Intensität, ie ∝ I. E = 6.6256 · 10−34 · 6 · 1014 J ≈ 4 · 10−19 J. • Die kinetische Energie der Elektronen ist eine lineare Funktion der Frequenz, e− me 2 Für unsere Begriffe ist dies eine relativ kleine Ener- Ekin = v = a + bω, gie, was erklärt, weshalb wir sie meistens nicht be- 2 unabhängig von der Lichtintensität. obachten. Im Rahmen der klassischen Elektrodynamik kann Diese Energiepakete, welche man heute als Fotonen man die Existenz des Fotoeffektes so erklären, dass bezeichnet, kann man heute ohne weiteres direkt be- durch die elektromagnetische Strahlung die Elektro- obachten. Man benutzt dazu z.B. einen sog. Foto- nen langsam beschleunigt werden und deshalb aus- multiplier. In diesem Gerät werden die Fotonen in treten. Die widerspricht jedoch der Beobachtung, elektronische Impulse umgewandelt. 15
1 Grenzen der klassischen Physik Exp. 96a: Nachweis einzelner Fotonen Die experimentellen Messungen bestätigen, dass die Konstante h̄ die gleiche ist wie bei der Planck’schen Wenn wir die Lichtmenge, die pro Zeiteinheit auf Theorie. diesen Detektor fällt, genügend klein halten, ist es möglich, einzelne Fotonen zu beobachten, welche jeweils einen Spannungsimpuls erzeugen. Die Foto- 1.3.3 Austrittsarbeit nen gelangen in unregelmäßigen, nicht voraussagba- ren Abständen auf den Detektor. Erst wenn wir die Man interpretiert dieses Verhalten so, dass die Ener- Anzahl der Fotonen über einen Zeitraum mitteln, der gie des Lichtes paketweise absorbiert wird, wobei je- lang ist im Vergleich zum mittleren Abstand, erhal- weils ein Foton ein einzelnes Elektron herausschlägt. ten wir einen konstanten Wert. Die mittlere Fotonen- Jedes Elektron besitzt also nur die Energie, die ihm zahl pro Zeiteinheit multipliziert mit der Energie der ein einzelnes Foton übergeben kann. Ein Teil der Fotonen ergibt die auf den Detektor einfallende Lei- Energie wird benötigt, um das Elektron aus dem Me- stung. tall herauszulösen. Diese sogenannte Austrittsarbeit erhalten wir aus dem Achsenabschnitt in Abb. 1.17. Wenn wir die Leistung erhöhen, so nimmt der mitt- Sie ist eine Materialkonstante und beträgt für Kali- lere Abstand zwischen zwei Fotonen ab. um: In diesem Bild absorbiert ein Metall ein Foton der Energie h̄ω. Dieser Prozess kann instantan, also ver- A = 4.5 · 1014 s−1 h = 3 · 10−19 J = 1.9 eV. zögerungsfrei ablaufen. Die Energie des Fotons er- höht die kinetische Energie des Elektrons um den Meistens verwendet man hier als Einheit aber nicht entsprechenden Betrag und erlaubt es diesem, das J, sondern eV, Elektronenvolt, wobei Metall zu verlassen. Dabei muss es jedoch eine po- tenzielle Energie überwinden, welche das Elektron 1 eV = 1.6 · 10−19 J im Metall hält, und somit wird die kinetische Ener- gie wieder um den Betrag der Austrittsarbeit A redu- ziert. Die Energie des ausgetretenen Elektrons wird gerade derjenigen Energie entspricht, die ein Elek- somit tron beim Durchlaufen einer Spannungsdifferenz von 1 V erhält. Bei anderen Materialien beträgt die e− Ekin = h̄ω − A. Austrittsarbeit In Abb. 1.17 können wir aus der Steigung der Gera- Material A / eV den die Planck’sche Konstante bestimmen. Wir be- Cs 1.90 nutzen z.B. den Unterschied zwischen der kineti- Ba 2.50 schen Energie bei rotem und violettem Licht. Diese Ag 4.74 beträgt Au 4.92 ∆E = (1.176 − 0.078)eV = 1.098 eV Diese Werte sind als ungefähre Werte zu betrachten, −19 = 1.76 · 10 J. wie diese Tabelle zeigt. Die entsprechende Frequenzdifferenz beträgt ∆ν = (7.35 − 4.81) · 1014 Hz = 2.54 · 1014 Hz. Daraus erhalten wir für die Planck’sche Konstante Abbildung 1.19: Funktionsprinzip eines Fotomulti- ∆E 1.76 · 10−19 J h= = = 6.9 · 10−34 Js. pliers. ∆ν 2.54 · 1014 Hz 16
1 Grenzen der klassischen Physik Der Fotoeffekt wird u.a. im Fotomultiplier verwen- Erde gemssen hat: 1960 haben R. V. Pound und det, wo die Fotonen zunächst aus einer Alkaliober- G. A. Rebka gezeigt, dass die Frequenz eines γ- fläche Elektronen herausschlagen. Man wandelt al- Lichtquants um den Faktor 5 · 10−15 geringer wird, so sozusagen Fotonen in Elektronen um. Diese wer- wenn es sich im Schwerefeld der Erde um 45 m nach den anschliessend in einem elektrischen Feld be- oben bewegt. Es verliert dabei also die Energie schleunigt und treffen auf weitere Metalloberflä- chen. Durch die Beschleunigungsspannung ist ihre hν Energie so gross geworden, dass sie weitere Elek- hν · 5 · 10−15 = gh, c2 tronen aus dem Metall herausschlagen können. In einem mehrstufigen Prozess wird so durch jedes wobei g die Erdbeschleunigung und h die Höhendif- eintreffende Foton eine Lawine von Elektronen er- ferenz darstellt. zeugt, welche als Spannungspuls nachgewiesen wer- den können. 1.4 Der Compton Effekt 1.3.4 Fotonen Die Einstein’sche Theorie des Fotoeffektes kann, al- 1.4.1 Phänomenologie ternativ zur Planck’schen Strahlungstheorie, als Ge- burtsstunde der Quantenmechanik verstanden wer- den. Dies ist die relevante Theorie für die Erklärung h aller Phänomene auf kleinen Maßstäben, aber auch unverzichtbar für das Verständnis des Aufbaus der Röntgenlicht h!" q Materie. h' De t Eine Glühlampe mit einer elektrischen Leistung von 100 W emittiert, bei einem typischen Wirkungsgrad von 4%, etwa 4 Watt an Lichtleistung. Die entspricht Abbildung 1.20: Geometrie des Streuexperimentes. einer Fotonenzahl Streut man Röntgenlicht an freien (d.h. schwach ge- Popt λ bundenen) Elektronen, so stellt man fest, dass das Nγ = . hc gestreute Licht neben der Wellenlänge des einfallen- den Lichtes auch Licht einer anderen Wellenlänge Wir setzen für die mittlere Wellenlänge λ = 500 nm, enthält. Die Verteilung ist nicht kontinuierlich, son- so dass dern das gestreute Licht enthält neben der ursprüng- lichen Wellenlänge nur eine weitere Wellenlänge. 4 5 · 10−7 Nγ = ≈ 1019 Quanten/s. Diese ist größer, d.h. die entsprechende Frequenz ist 6.63 · 10−34 3 · 108 niedriger. Diese große Zahl ist der Grund dafür, dass wir das normalerweise nicht beobachten können. Intensität Fotonen haben auch eine Masse, gemäß der Ein- stein’schen Beziehung Wellenlänge / pm E hν m= 2 = 2. c c Abbildung 1.21: Spektren der gestreuten Rönt- Dies konnte man z.B. messen, indem man die Fre- genstrahlung für unterschiedliche quenzverschiebung von Fotonen im Schwerefeld der Streuwinkel. 17
1 Grenzen der klassischen Physik Diese zweite Wellenlänge ist eine Funktion des Man geht also davon aus, dass jedes Foton einzeln an Streuwinkels θ : einem Elektron gestreut wird. Für jeden dieser Streu- prozesse gilt Energieerhaltung: ∆λ = λ − λ � = λC (1 − cos θ ) hν + m0 c2 = hν � + mc2 . mit Hier stellt m0 die Ruhemasse des Elektrons dar und λC = 2.4 pm. m0 m= � 2 1 − vc2 Am Größten ist der Wellenlängenunterschied somit in Rückwärtsstreuung, also für θ = π. Der Effekt ist die relativistische Masse. unabhängig vom verwendeten Probenmaterial. Die- Außerdem gilt ein Erhaltungsgesetz für den Impuls. se Messungen wurden erstmals 1923 von Arthur Der Impuls des Fotons beträgt Compton durchgeführt. h pPh = . λ 1.4.2 Interpretation Die x−Komponente des Gesamtimpulses ist somit Der Effekt kann im Rahmen der Wellentheorie der Röntgenstrahlung nicht interpretiert werden. Man h h = � cos θ + mv cos ϕ erhält diesen Befund jedoch als Resultat einer einfa- λ λ chen Rechnung, sofern man dem Röntgenlicht Teil- chencharakter zuschreibt, d.h. indem man es als und die y-Komponente einen Strom von Fotonen behandelt, deren Energie durch die Planck’sche Beziehung E = hν gegeben h 0= sin θ − mv sin ϕ. ist. Da die Frequenz abnimmt, geben diese Foto- λ� nen offenbar einen Teil ihrer Energie ab. Da die Die drei Gleichungen können nach λ � aufgelöst wer- Art der Atome keinen Einfluss auf den Streuprozess den: hat, kann man davon ausgehen, dass die Fotonen an den Elektronen gestreut werden. Diese müssen somit h nach dem Streuprozess eine höhere Energie haben, ∆λ = λ − λ � = (1 − cos θ ) = λC (1 − cos θ ). m0 c also eine größere Geschwindigkeit. Hier stellt λC = 2.426 · 10−12 m die Compton-Wellenlänge dar. Sie enthält nur Natur- konstanten, d.h. sie hängt nicht vom Material oder von der Wellenlänge des Röntgenlichtes ab. Da sie im Picometerbereich liegt, muss man Licht mit einer vergleichbaren Wellenlänge, also Röntgenlicht, ver- wenden, um den Effekt beobachten zu können. Abbildung 1.22: Spektren der gestreuten Rönt- Die Verschiebung um eine feste Wellenlängediffe- genstrahlung für unterschiedliche renz impliziert, dass je nach Energie des Fotons ein Streuwinkel. sehr unterschiedlicher Teil seiner Energie auf das 18
1 Grenzen der klassischen Physik Elektron übertragen wird: Fotonen mit hoher Ener- 1910 vom amerikanischen Physiker Robert Millikan gie haben kurze Wellenlängen, eine Verschiebung durchgeführt. um 2.4 pm führt zu einer großen Änderung, während sie z.B. bei sichtbaren Fotonen (λ ≈ 500 nm = 5 · 105 Um die Elementarladung zu messen benötigte er pm) praktisch nicht messbar ist. elektrisch geladene Teilchen, die direkt beobachtbar sind. Elektronen oder Protonen sind dafür nicht ge- Wir berechnen zur Illustration den maximalen Ener- eignet. Andererseits mussten die Teilchen klein ge- gieübertrag, d.h. θ = π (Rückwärtsstreuung). Hat nug sein, dass eine winzige elektrische Ladung einen das einfallende Foton eine Energie von E0 = 1 keV, messbaren Einfluß auf ihre Bewegung ausübte. so ist die Energie des gestreuten Fotons Eπ = 0.996 keV, d.h. die Streuung ist beinahe elastisch, der Ener- gieverlust beträgt nur 0.4%. Für Fotonen mit einer Anfangsenergie von E0 = 1 MeV hingegen ist die Energie des gestreuten Fotons Eπ = 0.2 MeV, d.h. 80% seiner Energie werden auf das Elektron über- tragen. 1.5 Ladungsquantisierung Abbildung 1.23: Millikans Messanordnung zur Be- stimmung der Elementarladung. 1.5.1 Die Elementarladung (Versuch von Millikan) Was Millikan fand war, dass kleine (≈ 0.5 µm) Der größte Unterschied zwischen Elementarteilchen Öltröpfchen dafür gut geeignet waren. Diese kön- und makroskopischen oder mikroskopischen Mate- nen relativ klein gemacht werden, sind aber in einem riestücken liegt darin, dass Elementarteilchen prin- Mikroskop mit geeigneten Techniken gut erkennbar. zipiell ununterscheidbar sind. Reiskörner oder Sand- Werden sie mit ultraviolettem Licht oder Röntgen- körner hingegen sind zum mindesten im Prinzip un- strahlen bestrahlt, so werden einzelne Elektronen aus terscheidbar und damit nicht identisch. den Fettmolekülen hinausgeschlagen - die Öltröpf- chen sind damit positiv geladen. Aufgrund der Ober- Identisch zu sein bedeutet z.B., dass alle messbaren flächenspannung versucht das Öltröpfchen die Ober- Eigenschaften identisch sind, also z.B. die Ladung fläche möglichst klein zu machen, es nimmt deshalb oder die Masse. Ladung kann deshalb auch nur in automatisch eine kugelförmige Gestalt an. Der ein- Vielfachen einer Ladungseinheit auftreten - der Ele- zige freie Parameter, mit dem die Form des Tröpf- mentarladung. Geladene Elementarteilchen besitzen chens vollständig beschrieben werden kann ist damit Ladungen, die entweder einer negativen oder einer der Kugelradius. positiven Elementarladung entspricht. Bei zusam- mengesetzten Teilchen treten auch Vielfache davon Diese Tröpfchen werden in das homogene Feld ei- auf. nes Plattenkondensators gebracht. An die Konden- Dass Elektronen und Protonen exakt entgegenge- satorplatten wird eine Spannung angelegt, so dass setzte Ladungen aufweisen, wird unter anderem dar- das homogene elektrische Feld im Plattenkonden- aus ersichtlich, dass Atome, die ja aus Elektronen, sator auf die geladenen Tröpfchen eine elektrische Protonen, und ungeladenen Neutronen bestehen, ins- Kraft ausübt. Mit Hilfe eines Mikroskops wird die gesamt elektrisch neutral sind. Diese Ladungsneu- Geschwindigkeit gemessen, mit der sich die Tröpf- tralität und damit die Identität der Elementarladung chen nach unten oder oben bewegen. Diese hängt für verschiedene Teilchen ist bis auf viele Größen- von der Schwerkraft und von der elektrischen Kraft ordnungen verifiziert. Die erste Messung der Ele- des geladenen Teilchens im elektrischen Feld des mentarladung wurde in einem berühmten Versuch Plattenkondensators ab, sowie vom Luftwiderstand. 19
1 Grenzen der klassischen Physik 1.5.2 Bewegung der Öltröpfchen im Feld Hier stellt qi die Ladung des Tröpfchens dar. Wir eliminieren den Schwerkraftterm mit Hilfe von Gl. Wir betrachten zunächst nur die nicht elektrischen (1.2) und finden für die Ladung Beiträge, was man experimentell z.B. durch Aus- schalten des elektrischen Feldes erreichen kann. Wir v0 − vi schreiben das Newton’sche Gesetz als qi = 6πηr . E dv 4π 3 dv F = m = r ρÖl . Die Ladung wird also bestimmt über die Differenz dt 3 dt der Gleichgewichtsgeschwindigkeit im Feld gegen- Hier bezeichnet m die Masse und r den Radius über dem feldfreien Wert. des Öltröpfchens, v seine Geschwindigkeit und ρ Das Experiment ist keineswegs trivial. Bei sorgfälti- die Dichte des Öls. Die Kraft ist eine Summe aus ger Durchführung findet man aber, dass nicht belie- Schwerkraft, Auftrieb und Reibungskraft: bige, sondern nur bestimmte diskrete Werte gemes- sen werden. 4π 3 F = r (ρÖl − ρLu f t )g − 6πηrv. 3 8 5e ~1.6 Das Öltröpfchen erreicht deshalb nach kurzer Zeit 4e eine konstante Geschwindigkeit v0 , in der sich die 6 Ladung / 10-19 C ~1.6 Schwerebeschleunigung und die Reibung gerade 3e aufheben. 4 ~1.6 2e 4π 3 r (ρÖl − ρLu f t )g = 6πηrv0 (1.2) 2 ~1.6 3 e ~1.6 und damit 0 0 5 10 2 g Radius / 100 nm v0 = r2 (ρÖl − ρLu f t ) . 9 η Abbildung 1.24: Millikans Messresultate Die einzige Variable in dieser Gleichung ist der Ra- (schematisch). dius des Öltröpfchens. Er kann somit aus der gemes- senen Endgeschwindigkeit bestimmt werden: Man kann diese Resultat erklären, wenn man po- � stuliert, dass elektrische Ladung nicht kontinuierlich ηv0 r=3 . ist, sondern dass die Ladung jedes Tröpfchens ein 2(ρÖl − ρLu f t )g Vielfaches der Elementarladung Wird nun ein elektrisches Feld angelegt, welches eine Kraft auf das elektrisch geladene Öltröpf- e = 1.6 · 10−19 C chen ausübt, so wird eine andere Gleichgewichtsge- schwindigkeit vi gemessen; i ist der Index des ausge- ist. wählten Tröpfchens. Wir betrachten hier nur den sta- tionären Fall, also den Fall, dass das Tröpfchen eine Das Verhältnis von Ladung zu Masse des Elek- konstante Endgeschwindigkeit vi erreicht hat. Diese trons ist eine experimentell relativ einfach zugäng- ist bestimmt durch das neue Gleichgewicht lich Größe. Man erhält daraus die Masse 4π 3 qi E = r (ρÖl − ρLu f t )g − 6πηrvi . me = 9.1 · 10−31 kg. 3 20
1 Grenzen der klassischen Physik 1.6 Spezifische Wärme von Festkörpern 1.6.1 Phänomenologie Aus der Theorie des idealen Gases erwartet man, dass die innere Energie eines Materials durch das Äquipartitionsprinzip bestimmt ist: Pro Freiheits- grad beträgt die Energie kB T /2. Bei idealen Gasen ist der Energieinhalt damit 3 kB T /2 pro Atom und Abbildung 1.26: Temperaturabhängigkeit der Wär- die Wärmekapazität (spezifische Wärme) mekapazität von Festkörpern. cV 3 J ≈ R ≈ 12.5 , Mol 2 K Mol kurz, was dies bedeutet: Die spezifische Wärme ist ja gegeben durch die Energie, die benötigt wird, um resp. die Temperatur des Materials um einen bestimmten cP 5 J Betrag zu ändern. Wenn sie klein ist, genügt wenig ≈ R ≈ 20.786 . Mol 2 K Mol Energie, um die Temperatur stark zu ändern. Anders ausgedrückt kann das Material wenig Energie spei- Ein gutes Beispiel für dieses Verhalten ist Helium. chern. Bei tiefen Temperaturen können Festkörper also Energie weniger gut speichern als ein Gas, oder ihr Energieinhalt ist kleiner als man erwarten würde. Die Energie wird aber in beiden Fällen in der Form von Bewegungsenergie der Atome gespeichert. 1.6.2 Einstein’s Theorie Abbildung 1.25: Schwingung von Atomen im Festkörper. Einstein konnte diesen Befund 1907 erklären, indem er annahm, dass die von Planck postulierte Quan- In Festkörpern sind die Atome nicht mehr frei be- telung der Energie auch für Schwingungen gelten weglich, sondern an feste Gitterplätze gebunden. Ih- sollte: Die Energie der Schwingungen der Atome re Bewegung ist deshalb nicht mehr die eines frei- sollte jeweils nh̄ω betragen. Wenn man als einfach- en Atoms, sondern sie besitzen neben der kineti- sten Fall annimmt, dass sämtliche Schwingungen die schen Energie auch potenzielle Energie. Aus der gleiche Frequenz ω0 besitzen und die Anregungs- Theorie des harmonischen Oszillators wissen wir, wahrscheinlichkeit durch das Boltzmann Gesetz ge- dass die kinetische und potenzielle Energie im zeit- geben sei, so beträgt die Energie pro Atom lichen Mittel gleich groß sind. Damit erhält man, dass die Energie der atomaren Bewegung im Fest- 3h̄ω0 körper gleich 3RT pro Mol und die Wärmekapazität Ea = . e 0 /kB T − 1 h̄ω 3R ≈ 25 J Mol−1 K−1 sein sollte. Dies wird als Gesetz von Dulong und Petit bezeichnet. Pro Mol finden wir damit eine Energie Dieses “Gesetz” ist für viele Festkörper bei hohen Temperaturen eine gute Näherung - eigentlich er- E0 = NA Ea . staunlich, wenn man die Vielfalt der Materialen be- trachtet. Bei niedrigen Temperaturen geht die spezi- Die spezifische Wärme ergibt sich als Ableitung fische Wärme jedoch gegen Null. Überlegen wir uns nach der Temperatur. Wir vereinfachen die Schreib- 21
1 Grenzen der klassischen Physik weise, indem wir setzen 6 3R 5 h̄ω0 Wärmekapazität D x= . 4 0 0,1 0,2 T/ΘD kB T 1,5 Cυ 3 1,0 Damit erhalten wir für die Wärmekapazität E 2 0,5 D � � E dE0 d 3NA h̄ω0 1 0 cV = = 0 0,1 0,2 T/Θ E dT dT ex − 1 � � 0 x ex 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 = 3NA h̄ω0 T (ex − 1)2 Normierte Temperatur � � 2 ex = 3Rx . Abbildung 1.27: Wärmekapazität bei tiefen Tempe- (ex − 1)2 raturen. Vergleich von experimen- tellen Daten mit den theoretischen Wir betrachten jetzt die Grenzfälle hoher und niedri- Vorhersagen von Debye und Ein- ger Temperatur, stein. Die Skalierung der Tempe- raturachse ist in den beiden Fäl- h̄ω0 h̄ω0 T� und T � . len unterschiedlich, deshalb tau- kB kB chen die Messdaten an unterschied- liche Stelle auf. Dies entspricht x�1 und x � 1. Die Übereinstimmung mit den experimentell be- stimmten Werten ist bei tiefen Temperaturen nicht Für hohe Temperaturen, x � 1, können wir die Ex- mehr perfekt. Der Grund liegt in Einstein’s Annah- ponentialfunktion entwickeln, ex ≈ 1+x. Damit geht me, dass alle Oszillatoren die gleiche Schwingungs- der Nenner gegen x2 und der gesamte Ausdruck da- periode haben. Eine Verbesserung der Theorie wur- mit wie im Fall des Gases gegen 3R. Bei tiefen Tem- de von Debye erreicht. In seinem Modell, das in der peraturen, x � 1, können wir die Eins gegenüber der Einführung in die Festkörperphysik behandelt wird, Exponentialfunktion vernachlässigen, ex � 1. Damit steigt die Wärmekapazität ∝ T 3 an. wird cV ≈ 3Rx2 e−x , 1.7 Wellencharakter der Materie d.h. sie geht gegen Null, in qualitativer Übereinstim- 1.7.1 Licht und Materie mung mit den experimentellen Werten. Der Über- gang zwischen den beiden Bereichen geschieht bei Licht besitzt sowohl Teilchen- wie auch Wellencha- der Temperatur rakter: Bei der Diskussion des Strahlungsgesetzes hatten wir gesehen, dass es einen Teilchencharakter h̄ω0 T≈ . aufweist, ebenso beim Photoeffekt. kB Allgemein tritt der Teilchencharakter bei der Wech- Hier ist die Schwingungsfrequenz ω0 der materi- selwirkung mit Materie in den Vordergrund. An- alspezifische Parameter. Bei harten Materialien mit dererseits hatten wir im Zusammenhang mit der leichten Atomen ist die Frequenz hoch und damit Ausbreitung, insbesondere bei Interferenz und Beu- auch die Übergangstemperatur. gung sowie bei der Polarisation deutliche Zeichen 22
1 Grenzen der klassischen Physik Licht Materie m0 = 0 m0 > 0 Photonen Elektron Neutron Proton Atom Molekül Planet Abbildung 1.28: Typische Eigenschaften von Wel- Tabelle 1.2: Typische Beispiele für Licht vs. Materie len und Teilchen. des Wellencharakters kennengelernt. Die Beziehung zwischen den Wellen- und den Teilcheneigenschaf- ten wird durch die Beziehungen E = hν = h̄ω und h p = h̄k = Abbildung 1.29: Interferenzmuster hinter einem λ Doppelspalt als Folge von einzel- hergestellt, welche die Energie und den Impuls ei- nen Fotonen, die auf dem Schirm nes Teilchens in Beziehung setzen zu den Wellenei- eintreffen. genschaften Frequenz und Wellenlänge, resp. Wel- lenvektor: das Muster I2 . Sind beide Spalten geöffnet, so ist das “Welle” “Teilchen” Muster nicht die Summe I1 + I2 , sondern ein grund- ν, ω Frequenz Energie E sätzlich anderes Muster I12 , wie wir in der Optik dis- λ,k Wellenlänge Impuls p kutiert hatten. Dieser Unterschied ist durch die In- Ausbreitung Wechselwirkung terferenz, also eine typische Welleneigenschaft ge- geben. Tabelle 1.1: Wellen- vs. Teilcheneigenschaften Allerdings beobachtet man auf einem Schirm immer einzelne Photonen, also Teilchen. Das Interessante Die Frequenz der Welle entspricht der Energie des an diesem Experiment ist, dass es die Teilchen- und Teilchens, die Wellenlänge seinem Impuls. Wellenaspekte im gleichen Experiment aufzeigt. So Beim Licht können beide Aspekte beobachtet wer- messen wir die Ankunft jedes Teilchens auf dem den. Die Ausbreitung kann weitgehend über sei- Schirm z.B. mit einem Zähler, der für jedes Teil- ne Welleneigenschaften beschrieben werden, bei der chen einen Ort und eine Zeit des Auftreffens liefert. Wechselwirkung mit Materie treten seine Teilchen- Dieser Teil entspricht somit dem Teilchencharakter. eigenschaften in den Vordergrund. So kann man Andererseits können wir von den einzelnen Teilchen Licht durch einen Doppelspalt schicken und die In- nicht sagen, ob sie durch den unteren oder oberen terferenz beobachten, also eine typische Wellenei- Spalt durchgetreten sind. Diese Information wäre bei genschaft. Wenn nur ein Spalt geöffnet ist, so fin- einem klassischen Teilchen verfügbar. det man das Intensitätsmuster I1 , beim andern Spalt Genauso wie für Licht findet man auch bei Mate- 23
1 Grenzen der klassischen Physik rie beide Aspekte. Mit Materie sind hierbei Teilchen 1.7.3 Beispiel: Elektronenwellen gemeint, die eine nicht verschwindende Ruhemas- se aufweisen, wie z.B. Elektronen, Neutronen, Ato- Die Wellenlänge der Materiewellen sollt damit in- me, Planeten, .... . Dafür verwenden wir üblicherwei- vers proportional zum Impuls des Teilchens sein, se den Begriff “Teilchen”. Wie wir aber im folgen- seine Frequenz proportional zur Energie. Aufgrund den sehen werden, besitzt gewöhnliche Materie nicht der Kleinheit der Planck’schen Konstante sehen wir nur einen Teilchencharakter, sondern ebenso Welle- leicht, dass die Frequenz sehr groß sein wird, die neigenschaften. Allerdings treten die Welleneigen- Wellenlänge sehr klein. Um sie überhaupt beobach- schaften weniger häufig zu Tage als der Teilchen- ten zu können, müssen wir deshalb möglichst leichte charakter. Einen spekulativen Hinweis darauf, dass Teilchen verwenden. Das leichteste stabile Teilchen Materie ebenfalls Teilchencharakter aufweisen, gibt ist das Elektron, welches auch leicht zu erzeugen ist. auch eine gewisse Ähnlichkeit der formalen Struk- Die Frequenz wird dafür tur der klassischen Optik mit der analytischen Me- chanik: beide können mit Hilfe von Extremalprinzi- E me c2 + me v2 /2 me c2 pien wie dem Hamilton’schen Prinzip der Mechanik ν = = ≈ und dem Fermat’schen Prinzip der Optik. Im Falle h h h 9 · 10 16 des Fermat’schen Prinzip hatten wir gesehen, dass = 9 · 10−31 · s−1 ≈ 1020 s−1 , das Extremalprinzip als Interferenzeffekt verstanden 6 · 10−34 werden kann. also eine Frequenz, die sehr viel höher ist als alle Frequenzen, die wir bisher diskutiert hatten. Sie wird 1.7.2 Die Hypothese von de Broglie deshalb nie direkt beobachtet und wird uns im Fol- genden nicht weiter interessieren. Allgemein misst Die Möglichkeit, dass auch Materie Welleneigen- man bei solchen Teilchen nicht die Frequenz, son- schaften aufweisen könnte, wurde erstmals von dern die Energie, resp. Masse. Louis de Broglie 1923 geäussert. Er spekulierte, auf- grund des Fermat’schen Prinzips der Optik und des Für die Berechnung der Wellenlänge benötigen wir Hamilton’schen Prinzips der Mechanik, dass auch zunächst die Geschwindigkeit. Wir betrachten Elek- ein Teilchen Welleneigenschaften haben könnte, wo- tronen mit einer kinetischen Energie, wie sie z.B. in bei die Wellenlänge λ = h/p und die Frequenz ω = einem Röhrenbildschirm auftreten, also z.B. E/h oder ν = E/h sein sollte. Dem Teilchen ent- spricht somit eine Welle, die wir als Ekin = 100 eV = 1.6 · 10−17 J. � Ψ = A ei(ωt−k·�r) Sie ist damit noch weit unterhalb der Lichtgeschwin- digkeit. Damit ist die nichtrelativistische Rechnung schreiben können. erlaubt. Für die Wellenlänge erhalten wir h h 6 · 10−34 λ = = = p me v 9 · 10−31 · 6 · 106 Abbildung 1.30: Wellengruppe. ≈ 10−10 m, Genauer gesagt sollten wir uns dies als Wellengrup- also etwa 1 Angström. Diese Wellenlänge ist sehr pe vorstellen, welche in der Nähe der klassischen Po- klein im Vergleich zu makroskopischen Distanzen, sition des Teilchens lokalisiert ist. aber sie ist vergleichbar mit atomaren Distanzen. 24
1 Grenzen der klassischen Physik 1.7.4 Ausbreitung und Dispersion also immer größer als die Lichtgeschwindigkeit. Ihre physikalische Bedeutung ist aber gering. Wir überprüfen, ob diese Annahme sinnvoll ist. Ins- Interessant in diesem Zusammenhang ist der Ver- besondere würden wir erwarten, dass sie in der Nä- gleich zur Ausbreitung elektromagnetischer Wellen he des Teilchens lokalisiert bleibt, wenn sich dieses in einem Hohlleiter. In beiden Fällen fanden wir, bewegt. Wir betrachten somit ein bewegtes Teilchen dass die Phasengeschwindigkeit größer ist als die mit Masse m und Geschwindigkeit v. Seine gesamte Lichtgeschwindigkeit, und dass das Produkt von Energie ist dann in nichtrelativistischer (v � c) Nä- Phasen- und Gruppengeschwindigkeit herung m vP vG = c2 E = mc + v2 . 2 2 gerade gleich dem Quadrat der Lichtgeschwindig- Damit wird die Kreisfrequenz keit ist. Man kann das so interpretieren, dass die Photonen im Hohlleiter ein endliche Ruhemasse er- E mc2 + mv2 /2 halten, aufgrund der Wechselwirkung mit der Umge- ω= = h̄ h̄ bung. Ähnliche Phänomene findet man in der Fest- körperphysik, wo die Elektronen im Kristall sich be- und der Wellenvektor wegen wie freie Teilchen, außer dass ihre Masse von der Elektronenmasse abweicht, die wir für freie Teil- p mv k= = . chen gefunden hatten. Man spricht hier von einer ef- h̄ h̄ fektiven Masse. Wir lösen auf nach der Geschwindigkeit 1.7.5 Elektronenbeugung h̄k v= m Wie oben gezeigt, ist die Wellenlänge einer Mate- riewelle sehr klein, und sie nimmt mit zunehmen- und eliminieren diese aus dem Ausdruck für ω: der Masse ab. Um sie erfolgreich messen zu kön- nen, benutzte man zunächst die leichtesten zur Ver- mc2 h̄k2 ω= + . fügung stehenden Teilchen, d.h. Elektronen. Mit Be- h̄ 2m schleunigungsspannungen unterhalb von 100 V er- hält man Wellenlängen, die im Bereich von atomaren Die Geschwindigkeit der Wellengruppe sollte nun Distanzen liegen. Eine Bestätigung der Wellenhypo- gegeben sein als these kann somit erreicht werden, wenn man zei- gen kann, dass periodische Anordnungen von Ato- dω h̄k vG = = = v. men Beugungseffekte erzeugen. Diese Möglichkeit dk m wurde 1925 von Elsasser vorgeschagen. Eine Vor- Somit ist sichergestellt, dass sich die Wellengruppe aussetzung dafür ist, dass Elektronen elastisch ge- mit der gleichen Geschwindigkeit wie das klassische streut werden, so dass die reflektierte Welle eine fe- Teilchen bewegt. ste Wellenlänge aufweist. Die Phasengeschwindigkeit ist dabei (im nichtrelati- Die erste experimentelle Bestätigung für de Bro- vistischen Grenzfall) glie’s Vermutung wurde 1927 von Davisson und Germer publiziert. Sie benutzten Streuung von Elek- � � tronen an einer Kristalloberfläche. Davisson hat da- mc2 2 ω h̄ + h̄k 2m c2 für 1937 den Nobelpreis erhalten. Seine Rede anläs- vP = = mv ≈ , k h̄ v slich der Preisverleihung ist u.a. deshalb interessant 25
1 Grenzen der klassischen Physik Abbildung 1.32: Elektronenmikroskop und elektro- nenmikroskopische Aufnahme ei- Abbildung 1.31: Beugung von Elektronenwellen an nes Halbleiter-Quantenpunktes. einem Ni Einkristall. 1.7.6 Neutronen weil sie zeigt, wie Forschung wirklich abläuft, d.h. nicht immer so geradlinig wie es beim Studium von Ein anderes wichtiges Beispiel sind Neutronen, wel- Lehrbüchern teilweise erscheint, sondern u.a. durch che ebenfalls für Srukturuntersuchungen verwendet eher zufällige Begegnungen, Diskussionen und ex- werden. Insbesondere werden sogenannte thermi- perimentelle oder technische Randbedingungen dik- sche Neutronen verwendet, d.h. Neutronen, deren ki- tiert. netische Energie der mittleren thermischen Energie Unabhängig davon fand G.P. Thomson das glei- bei Raumtemperatur entspricht che Resultat mittels Transmission eines Elektronen- strahls durch einen dünnen Kristall. p2 3 E= = kB T 2mN 2 Sie fanden experimentell, dass die Elektronen, die mit einer bestimmten kinetischen Energie unter ei- für T = 300 K. Diese Energie entspricht einem Im- nem definierten Winkel auf die Kristalloberfläche puls, welche wir aus der kinetischen Energie auftreffen, genau dann reflektiert wurden, wenn die sog. Bragg-Bedingung erfüllt ist: p2 E= 2mN nh a sin θ = nλ = n = 1, 2, 3, .... p als � Typische Distanzen a zwischen Atomlagen liegen p= 3kB T mN im Bereich von einigen Angström, also 10−10 m. Ein typisches experimentelles Resultat war Gitter- berechnen. Damit wird die Wellenlänge periode a = 2.15 Å, Beschleunigungsspannung E = 54V, Beugungswinkel (n=1) θ = 50◦ . Aus dem Beu- h h λ = =√ gungswinkel und dem Gitterabstand erhält man eine p 3kB T mN Wellenlänge von 1.65Å, während de Broglie’s Vor- 6 · 10−34 aussage 1.67 Å ergibt. = √ m 3 · 1.4 · 10−23 · 300 · 1.7 · 10−27 Genauso wie bei einem Lichtmikroskop kann man ≈ 10−10 m, bei einem Elektronenmikroskop die Fokussierung der Elektronenstrahlen mit Hilfe der Wellenoptik also wiederum etwa ein Angström. Für höherener- verstehen. getische Neutronen, z.B. mit einer Energie von 100 26
1 Grenzen der klassischen Physik eV (wie die Elektronen im ersten Beispiel) wird der Impuls � p=2 m Ekin um den Faktor � mN √ Abbildung 1.34: Doppelspalt-Interferometer für He- ≈ 1836 ≈ 43 me Atome. größer als bei den Elektronen und die Wellenlänge Der nächste Schritt ist von Atomen zu Molekülen. deshalb um den gleichen Faktor kleiner. Auch dieser Schritt wurde bereits von Estermann und Stern durchgeführt, welche neben He auch die Beugung von molekularem Wasserstoff, H2 , unter- 1.7.7 Schwerere und zusammengesetzte suchten. Teilchen Allgemein gilt: mit zunehmender Masse wird die de Broglie Wellenlänge kürzer. Prinzipiell bleibt aber die Beziehung gültig, auch bei zusammengesetzten Teilchen wie Atomen. Abbildung 1.35: Interferometer für die Messung der Beugung von Molekülen. Inzwischen wurden auch an größeren Molekülen In- terferenzerscheinungen untersucht. Abb. 1.36 zeigt zwei größere Moleküle und die da- Abbildung 1.33: Beugungsmuster von He und H2 . mit gemessenen Interferenzmuster. Werden aber die Massen grösser, so werden die Wellenlängen extrem Erste Versuche dazu wurden 1930 von Estermann kurz. Bei einer Kugel mit eine Masse von 1 kg und und Stern mit Helium durchgeführt. Ref: I. Ester- eine Geschwindigkeit von 1 m/s wird die de Broglie mann and O. Stern, Z. Phys. 61 (1930) 95. Wellenlänge Ein Heliumatom hat eine Masse von 6.7 · 10−27 kg, also ähnlich wie ein Neutron (x4), und damit bei h λ= = 6 · 10−34 m. thermischen Geschwindigkeiten eine ähnliche Wel- p lenlänge (1/2). Bei der Diskussion der Optik hatten wir gefunden, In den letzten Jahren wurde auf diesem Gebiet inten- dass wir die Welleneigenschaften eines Teilchens siv geforscht. So wurde gezeigt, dass man für Atome nicht beobachten können wenn die Dimensionen des Interferometer bauen kann, z.B. ein Doppelspaltex- Apparates groß sind im Vergleich mit der Wellenlän- periment. ge. Diese Voraussetzung ist offensichtlich für eine 27
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