Der Einfluss körperlicher Aktivität auf das Kortexvolumen - Ergebnisse einer Bevölkerungsstudie - Universität Greifswald
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Aus der Abteilung für Funktionelle Bildgebung (Leiter Univ.- Prof. Dr. med. Martin Lotze) des Instituts für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie (Direktor Univ.- Prof. Dr. med. Norbert Hosten) der Universitätsmedizin der Universität Greifswald Der Einfluss körperlicher Aktivität auf das Kortexvolumen – Ergebnisse einer Bevölkerungsstudie INAUGURALDISSERTATION zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Medizin (Dr. med.) der Universitätsmedizin der Universität Greifswald 2021 vorgelegt von Katharina Marieke Eyme geb. am 24.06.1993 in Hamburg
Wissenschaftlicher Vorstand / Dekan: Prof. Dr. med. Karlhans Endlich 1. Gutachter: Prof. Dr. med. Martin Lotze 2. Gutachter: Prof. Dr. med. Henning Boecker Ort, Raum: Präsentation via Zoom Tag der Disputation: 23.11.2021
Diese Dissertationsschrift baut auf folgender Publikation auf: Eyme KM, Domin M, Gerlach FH, Hosten N, Schmidt CO, Gaser C, Flöel A, Lotze M, 2019. Physically active life style is associated with increased grey matter brain volume in a medial parieto-frontal network. Behav. Brain Res. 359, 215–222.
I Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................... I Abbildungsverzeichnis .........................................................................................................III Tabellenverzeichnis .............................................................................................................III Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................... IV 1 Einleitung ...................................................................................................................... 5 1.1 Hintergrund.............................................................................................................5 1.2 Zusammenhang Training und Veränderungen in der grauen Substanz................6 1.3 Die vorliegende Studie .......................................................................................... 10 2 Material und Methoden............................................................................................... 12 2.1 Kohorte .................................................................................................................. 12 2.1.1 Die SHIP ..................................................................................................................................................... 12 2.1.2 Die Probandenauswahl ............................................................................................................................. 12 2.2 Erfassung der sportlichen Aktivität ...................................................................... 12 2.2.1 Strukturiertes Interview ............................................................................................................................. 12 2.2.2 Fragen zur sportlichen Aktivität .............................................................................................................. 13 2.3 Bildgebungsparameter .......................................................................................... 13 2.4 Visuelle Qualitätskontrolle und Ausschluss von Pathologien .............................. 13 2.5 Vorverarbeitung ..................................................................................................... 14 2.6 Statistische Analysen ............................................................................................. 14 3 Ergebnisse .................................................................................................................... 17 3.1 Vergleich der Scores der Gruppen unterschiedlicher sportlicher Aktivität .......... 17 3.2 Assoziation der Scores mit demographischen Faktoren ...................................... 18 3.3 GMV-Analyse ........................................................................................................ 18 3.3.1 Full factorial model .................................................................................................................................... 18 3.3.2 Zweistichproben-T-Test ........................................................................................................................... 18 4 Diskussion ................................................................................................................... 23 4.1 Hauptergebnisse ................................................................................................... 23 4.2 Einfluss körperlicher Aktivität auf das GMV in großen Netzwerken .................. 23
II 4.3 Das GMV im Alter ................................................................................................. 26 4.4 Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf das GMV bei jungen Probanden .. 26 4.5 Das GMV im Hippocampus in Abhängigkeit vom Lebensalter .......................... 27 4.6 Neurobiologische Ursachen.................................................................................. 28 4.7 Zusammenhänge von Bewegung, GMV und Kognition ...................................... 30 4.8 Limitationen .......................................................................................................... 31 5 Zusammenfassung ....................................................................................................... 33 6 Literaturverzeichnis..................................................................................................... 34 7 Anhang......................................................................................................................... 46
III Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Statistische Analyse: Das in SPM12/CAT12 genutzte statistische Design ................................... 15 Abbildung 2: Ergebnis des T-Tests und der linearen Regressionsanalyse ............................................................. 20 Abbildung 3: Illustration der Effekte von Sport auf den altersabhängigen GMV-Rückgang im superioren Parietallappen (SPL). Lineare Regression der Betas der GMV-Analyse assoziiert mit Alter ............. 21 Abbildung 4: Illustration der Effekte von Sport auf den altersabhängigen GMV-Rückgang im superioren Parietallappen (SPL). Lineare Regression der Betas der GMV-Analyse assoziiert mit der Häufigkeit der sportlichen Aktivität ................................................................................................................................ 22 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Demographische Charakteristika in Mittelwert ± Standardabweichung .............................................. 17 Tabelle 2: Zweistichproben-T-Test .............................................................................................................................. 18 Tabelle 3: Lineare Regressionanalyse .......................................................................................................................... 19
IV Abkürzungsverzeichnis ACC anterior cingulate cortex BA Brodmann-Areal BDNF brain-derived neurotrophic factor BMI Body-Mass-Index CAT Computational Anatomy Toolbox CBF cerebral blood flow CEN central executive network CNS central nervous system CSF cerebrospinal fluid DARTEL Diffeomorphic Anatomical Registration using Exponentiated Lie algebra DMN default mode network DNA deoxyribonucleic acid et al. et alii FWE Familywise Error GMV grey matter volume IGF-1 insulin-like growth factor IQR index of quality rating MMSE mini mental status exam MNI Montreal Neurological Institute MPRAGE magnetization prepared rapid acquisition gradient echo MRT Magnetresonanztomographie OFC orbitofrontal cortex PCC posterior cingulate cortex PFC prefrontal cortex PHQ-9 patient health questionnaire RNA ribonucleic acid ROI region of interest RSN resting state network SHIP Study of Health in Pomerania SN salience network SPL superior parietal lobe SPM12 Statistical Parametric Mapping 12 TIV total intracranial volume VBM voxel-based morphometry VEGF vascular endothelial growth factor
5 1 Einleitung Im Jahre 1964 wurde die Entdeckung gemacht, dass äußere Einflüsse das Gehirn in makroskopischen und biochemischen Ebenen beeinflussen können (Bennett et al., 1964). Seither wächst das Verständnis dafür, wie sich das Gehirn während des gesamten Lebens als Reaktion sowohl auf körperliche wie auch auf kognitive Aktivitäten verändern kann. Neurologische Bildgebung nimmt hier eine entscheidende Rolle ein, da funktionelle und morphologische Unterschiede der grauen Substanz als Resultat äußerer Einflüsse nichtinvasiv sichtbar gemacht werden können. Wegen der steigenden Bevölkerungszahlen älterer Menschen ist es sowohl für das Wohl des Einzelnen1 als auch für unsere Gesellschaft im Hinblick auf Gesundheitsversorgung wichtig, sich damit zu beschäftigen, wie gesundes Altern gefördert und im Laufe des Lebens Einfluss auf die Hirngesundheit genommen werden kann. Denn der Alterungsprozess führt zu einem Rückgang der grauen Substanz, welchem entsprechend durch körperliche Aktivität entgegengewirkt werden kann. Daher kann körperliche Aktivität älterer Menschen Areale schützen, welche besonders durch altersbedingten Abbau gefährdet sind (Erickson et al., 2014; Williams et al., 2017). In welcher Weise sich alltägliche körperliche Aktivität auf die graue Substanz auswirkt, ist noch nicht ausreichend untersucht. Das Ziel dieser Studie war es, Unterschiede der Gehirnstruktur in Abhängigkeit von sportlicher Aktivität, hier gemessen als die Dauer sportlicher Aktivität pro Woche, in einer großen, gut charakterisierten Kohorte zu untersuchen. 1.1 Hintergrund Menschen werden immer älter. Während die Lebenserwartung in Deutschland vor 50 Jahren noch 67,2 Jahre für Männer beziehungsweise 73,4 Jahre für Frauen betrug, war sie bei einem Kind, das 2020 geboren wurde, schon bereits mehr als 10 Jahre höher (79,1 beziehungsweise 84,1 Jahre, (Vdek., 2020)). Auch das Gehirn verändert sich im Verlauf des Lebens und damit einhergehend die kognitiven wie motorische Fähigkeiten. So gibt es im Prozess des ‚normalen‘ Alterns einen lebenslangen Rückgang kognitiver Funktionen wie der Verarbeitungsgeschwindigkeit, des Arbeitsgedächtnisses und der Fähigkeit, neue Funktionen 1 Die Dissertation verwendet zur besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum. Alle Geschlechtsidentitäten sind damit ausdrücklich mitgemeint.
6 in das episodische Gedächtnis aufzunehmen. Andere Fähigkeiten wie häufig durchgeführte Tätigkeiten, Kurzzeitgedächtnis, Vokabular und semantisches Wissen nehmen erst recht spät im Laufe des Lebens, im Gegenzug jedoch mit einem rasanteren Verlauf, ab. Wieder andere, wie das autobiographische Gedächtnis, emotionale Verarbeitung und implizites Gedächtnis verändern sich im Laufe des Lebens kaum (Review: Hedden and Gabrieli, 2004). Dieser Rückgang der kognitiven Funktionen im Alter hängt jüngeren Studien zufolge mit Veränderungen in der Struktur und Funktion des Gehirns zusammen. Ausgehend von diesem Befund wurde die Hypothese aufgestellt, dass körperliche Aktivität eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung der kognitiven Gesundheit bei älteren Erwachsenen spielen könnte (Hillman et al., 2006). Solche morphologischen Veränderungen können mithilfe von Bildgebung sichtbar gemacht und damit objektiver beurteilt werden. So kommt es im Alter zu einer allgemeinen Hirnvolumenminderung und einem Rückgang sowohl der grauen als auch der weißen Substanz (Resnick et al., 2003). Während der Gewebsverlust der weißen Substanz verhältnismäßig gleichmäßig über das gesamte Gehirn verteilt ist, ist die Abnahme der grauen Substanz nicht in allen Bereichen des Gehirns gleich stark ausgeprägt. Einige Regionen, wie der präfrontale Kortex (prefrontal cortex, PFC) und medial temporale Regionen, sind besonders stark betroffen, während andere Regionen wie der okzipitale Kortex, zu dem beispielsweise der primär visuelle Kortex gehört, relativ wenig betroffen sind (Hedden and Gabrieli, 2004). Angesichts der sich verändernden Bevölkerungsstruktur ist es auch im Hinblick auf die medizinische Versorgung wichtig herauszufinden, wie die Gesellschaft gesundes Altern fördern kann. Denn der Mensch ist nicht nur passiver Zuschauer: So wird das Gehirn beispielsweise auch im Laufe des Lebens durch unsere körperliche Aktivität verändert (Zilles, 1992). 1.2 Zusammenhang Training und Veränderungen in der grauen Substanz In Bezug auf ein intensives, gezieltes körperliches Training zeigen sich trainingsspezifische Veränderungen, die in einer kürzlich erschienenen Übersicht zusammengefasst sind (Lotze et al., 2019b). Es finden sich hierbei auch strukturelle Veränderungen der grauen Hirnsubstanz, und zwar vor allem für solche Strukturen, die während des Trainings repetitiv aktiv sind. Dies sind kortikale und subkortikale motorische Areale (Primärmotorischer Kortex und Basalganglien (Kleber et al., 2016)), sensorische Areale (Somatosensorischer Kortex (Kleber et al., 2016), auditorischer Kortex (Kleber et al., 2016; Schlaug et al., 1995),
7 visueller Kortex (Tseng et al., 2013)), sensomotorische Integrationsareale (Parietallappen (Tseng et al., 2013)) sowie weitere Areale, die für Bewegungskontrolle2 verantwortlich sind (Cerebellum (Tseng et al., 2013)). Angesichts der Tatsache, dass unterschiedliche Sportarten verschiedene funktionelle Anforderungen an das zentrale Nervensystem (central nervous system, CNS) stellen, ist es nicht überraschend, dass unterschiedliche Sportarten auch unterschiedliche Veränderungen des Volumens der grauen Substanz (grey matter volume, GMV) bedingen (Hänggi et al., 2015). Dieser Effekt konnte auch umgekehrt nachgewiesen werden: Entsprechend kann auch eine kurzfristige Immobilisation im Sinne einer Unterstimulation zu einer Abnahme der kortikalen Dicke in somatosensorischen und motorischen Arealen führen (Langer et al., 2012). Insgesamt handelt es sich bei der Darstellung trainingsbedingter Veränderung der grauen Substanz um spezifische Effekte einer umschriebenen Gruppe, in der Regel junger, vom Trainingszustand her sehr aktiver Menschen. Ein Modell, um die zugrundeliegenden Mechanismen für strukturelle Veränderungen auf dem Boden verschiedener Anforderungen an Bewegungsdurchführung und sensorischen Eindrücken zu erklären, hat Hebb bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts postuliert (Hebb, 1949). Demzufolge verändert kontinuierliches Training diejenigen Bereiche des Gehirns, die spezifisch mit den Anforderungen der repetitiven Trainingsaufgabe aktiviert werden (Draganski et al., 2004). Im Hinblick auf die molekularen Mechanismen, welche die graue Substanz morphologisch verändern, konnte in Tiermodellen gezeigt werden, dass Ausdauer-Training mit Veränderungen der Angio- und Synaptogenese vergesellschaftet ist (Adkins et al., 2006). Im Hinblick auf ältere Bevölkerungsanteile zeigt sich, dass Training nicht nur spezifisch auf diejenigen Areale Einfluss nimmt, die direkt motorisch oder sensorisch in die Bewegung 2 Bei der Bewegungskontrolle wird zwischen dem ‚Feedforward-System‘, also vorwärts gerichteten neuronalen Netzwerken, und dem ‚Feedback-System‘, also rückmeldungsbasierten Systemen unterschieden. Grob vereinfacht gilt die Vorstellung, dass gröbere Bewegungen (grobe Zielstrukturen) tendenziell eher über Feedforward-Netzwerke gesteuert werden, während bei feineren Bewegungsabläufen (kleinere Zielstrukturen) das Feedback-System eine größere Rolle spielt. Unterschiedliche Autoren fanden für diese Systeme unterschiedliche Regionen: Während Winstein et al. 1997 das Cerebellum, okzipitale Regionen und den prämotorischen Kortex bei gröberen Bewegungsabläufen und okzipitale, parietale, motorische sowie suplementärmotorische Kortexareale bei komplexeren Bewegungsabläufen fanden, ordneten Seidler et al. gröbere Bewegungsabläufe dem primären Motorkortex, dem prämotorischen Kortex und den Basalganglien sowie komplexere Bewegungen den sensomotorischen Kortexarealen, cerebellären Regionen und dem Thalamus zu. Eine strikte Trennung der Systeme ist nicht möglich, vielmehr scheint es sich um ein Kontinuum von Feedforward- und Feedback-Kontrolle zu handeln, auf dem einzelne Bewegungsabläufe abhängig von ihrer Komplexität zu verorten sind (Seidler et al., 2004; Winstein et al., 1997).
8 einbezogen werden. Vielmehr mildert körperliche Aktivität den altersabhängigen Abbau der grauen Substanz (Colcombe et al., 2006; Erickson et al., 2009; Gordon et al., 2008; Niemann et al., 2014) und vermindert sogar den kognitiven Abbau, der mit Alter und Pathologien einhergeht (Erickson et al., 2011; Kulmala et al., 2014). Areale, die vulnerabel für altersabhängigen Abbau sind, wie mediale präfrontale, superior parietale und temporale Areale, könnten durch körperliche Aktivität von älteren Menschen bevorzugt verändert werden (Erickson et al., 2014; Williams et al., 2017). Hierbei scheint wiederum die Art des Trainings einen Einfluss zu haben: Aerobes Training könnte besonders nützlich für exekutive Funktionen3 von gesunden älteren Probanden sein (Colcombe and Kramer, 2003). Williams et al. (2017) berichten in einer Studie mit 35 älteren Erwachsenen von einem Zusammenhang zwischen kardiopulmonaler Fitness und kortikalem Volumen in parietalen (z.B. posteriorer cingulärer Kortex (PCC), Precuneus, Cuneus), präfrontalen (z.B. orbitofrontaler Kortex (OFC), superiorer frontaler Kortex) und temporalen Hirnarealen. Aber auch in Studien, die keine objektiven Messungen vornahmen, sondern selbst-berichtete Aktivität als Einflussgröße nutzten, zeigten sich Effekte: In einer Studie mit einem voxelbasierten Analysevefahren (voxel-based morphometry, VBM) mit 331 älteren Probanden (Alter der Probanden zum Untersuchungszeitpunkt 75 Jahre) war das GMV des Precuneus und Cuneus mit selbst-berichteter körperlicher Aktivität assoziiert (Benedict et al., 2013). Sportliche Freizeitaktivität und objektive Messungen der körperlichen Fitness sind einigen Studien zufolge stark assoziiert (Løchen and Rasmussen, 1992), was jedoch kontrovers diskutiert wird (Sallis and Saelens, 2000). Ob solche Effekte nur kurz- oder auch langfristig sichtbar sind, untersuchten Boraxbekk et al. (2016) in einer Kohortenstudie, wo sowohl aktuelle als auch akkumulierte körperliche 3 Der Begriff der exekutiven Funktionen wurde 1982 von Muriel Lezak eingeführt. Die exekutiven Funktionen (oder auch Exekutivfunktionen) umfassen diejenigen mentalen Fähigkeiten, die für die Formulierung von Zielen, die Planung ihrer Verwirklichung und die effektive Durchführung dieser Pläne erforderlich sind (Lezak, 1982). Diese Fähigkeit, zielgerichtetes Verhalten zu steuern, wurde mit Aktivität des Frontallappens assoziiert (Etnier and Chang, 2009).
9 Aktivität, GMV, Perfusion4 und Resting State Connectivity5 von 308 gesunden Probanden von 35-80 Jahren getestet wurden. Sie fanden Anstiege von Perfusion, GMV und Resting State Connectivity im PCC, die insbesondere mit aktueller und schwächer mit kumulierter körperlicher Aktivität assoziiert waren. Neben vielen Querschnittsstudien gibt es auch eine Interventionsstudie zur Thematik, welche den Effekt von Nordic Walking gegenüber Gymnastik und gegenüber einer Kontrollgruppe bei insgesamt 62 gesunden, älteren Erwachsenen untersuchte (Ruscheweyh et al., 2011). Dort wurde im Rahmen der Interventionsgruppe eine Zunahme des GMV im Cingulum (Brodmann-Areal (BA) 23, 24, 30–32), superioren Parietallappen (BA 7), dorsomedialen präfrontalen Lappen (BA 6, 8–10) und striatalen visuellen Kortex (BA 17– 19) beobachtet. Bei der Untersuchung von Effekten regulärer (‚alltäglicher‘) körperlicher Aktivität sind allerdings kleinere Effekte zu erwarten als bei gezieltem Training. In beiden Fällen ist der Einfluss externer Faktoren auf das GMV nicht ausgeschlossen. Zu diesen zählen als relevante Einflussfaktoren Geschlecht (m/w)6 (Lotze et al., 2019a; Ruigrok et al., 2014), Alter (Ziegler et al., 2012), body mass index (BMI) (Janowitz et al., 2015), Bildung (Noble et al., 2012) sowie der Alkohol- und Nikotinkonsum (Fritz et al., 2014). Diese externen Einflüsse gilt es mit statistischer Hilfe zu minimieren. Nach Kenntnisstand der Autoren der dieser Arbeit zugrundeliegenden Publikation (Eyme et al., 2019) gab es bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung keine andere Studie, die den Zusammenhang von weniger gegenüber mehr körperlicher Aktivität und GMV im Laufe des Lebens in einer so großen Bevölkerungsstudie untersucht hat und gleichzeitig so umfangreich weitere Risikofaktoren ermittelt hat. Insbesondere vor dem Hintergrund der umfangreichen Evaluation der Studienteilnehmer im Hinblick auf andere Risikofaktoren, die sich auf das Gehirn auswirken können, konnten diese 4 Perfusion beschreibt in diesem Zusammenhang die Passage von Blut durch das Gefäßsystem des Gehirns (Petrella and Provenzale, 2000). Diese kann beispielsweise bei einem Schlaganfall erniedrigt und bei Tumorerkrankungen, Epilepsie und neurodegenerativen Erkrankungen (Alsop et al., 2015) erhöht sein, aber auch im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität konnten Perfusionsunterschiede nachgewiesen werden (Burdette et al., 2010). 5 Bei Resting-State-Analysen werden Aktivierungen in Abwesenheit einer konkreten Aufgabe gemessen. Hier lassen sich bestimmte Netzwerke, resting state networks (RSNs), darstellen (Barkhof et al., 2014). 6 Die hier genannten Studien sowie die der Dissertation zugrundeliegende Studie haben die Geschlechtszugehörigkeit binär erfasst; weitere Geschlechter wurden als Geschlechtsidentität nicht zur Auswahl gestellt.
10 Störfaktoren mitberücksichtigt und in der hier präsentierten Analyse mit Sorgfalt als konfundierende Variablen ausgeschlossen werden. 1.3 Die vorliegende Studie Die hier untersuchte Kohorte umfasst diejenigen Probanden (967 Individuen) aus einer ursprünglich repräsentativen Kohorte (4308 Probanden), welche nach zehn Jahren noch bereit war, an Follow-up-Untersuchungen der Studie teilzunehmen und deren erhobene Daten verschiedene Kriterien hinsichtlich Güte der MRT-Bilder des Kopfes und der zusätzlichen Erkrankungen aufwiesen (siehe Methode). Bei diesen Probanden wurde das GMV in einem region of interest (ROI)-basierten Ansatz untersucht. Hierbei wurden mithilfe eines voxelbasierten Analysevefahrens (voxel-based morphometry (VBM), Computational Anatomy Toolbox (CAT) 12) diejenigen Probanden mit mehr, gegenüber denen mit weniger körperlicher Aktivität verglichen (Median Split). Zudem wurden in einer linearen Regression die Assoziationen zwischen GMV und sportlicher Aktivität berechnet. Eine Korrektur im Hinblick auf andere Faktoren, von welchen bekannt ist, dass sie das GMV beeinflussen (Geschlecht, Alter, gesamtes intrakranielles Volumen (total intracranial volume (TIV))7, Bildung, Tabakkonsum, Alkoholkonsum und BMI wurde vorgenommen. Außerdem wurden weitere Pathologien ausgeschlossen (psychiatrische oder neurologische Erkrankungen; visuelle Inspektion der Scans). Zuletzt erfolgte eine Untersuchung der Interaktion Alter*Sport mittels eines 2x2 Full Factorial Designs. Das Interesse galt insbesondere den Regionen, von denen bereits eine Assoziation zu körperlicher Aktivität in Kohortenstudien bekannt war (Benedict et al., 2013; Boraxbekk et al., 2016) beziehungsweise im Zusammenhang mit moderatem Training in longitudinalen Studien an älteren Probanden (Ruscheweyh et al., 2011) gefunden wurden. Die folgenden Areale wurden als ROIs aus im Referenzmaßstab vorliegender Gehirnatlanten genommen (wie etwa dem automatized anatomic labelling (AAL) Atlas (Tzourio-Mazoyer et al., 2002)): dorsomedialer präfrontaler Kortex (BA 6, 8–10), superiorer parietaler Lappen (BA 7), Precuneus/Cuneus, Cingulum (BA 24, 30, 31, 32), Hippocampus, Inselkortex, Caudatum und Occipitallappen (BA 17–19). Den Begrifflichkeiten Sport, Training und körperliche Aktivität liegt in der Literatur keine einheitliche Nomenklatur zugrunde. Körperliche Aktivität (‚physical activity‘) ist im Grunde definiert als „jede körperliche Bewegung, hervorgerufen durch die Kontraktion eines 7 Das TIV setzt sich zusammen aus den Kompartimenten graue Substanz, weiße Substanz und Liquor (cerebrospinal fluid (CSF)).
11 skelettalen Muskels, die den Energieverbrauch über ein basales Level hebt“, während Training (‚exercise‘) als eine Subkategorie klassifiziert wird und „geplant, strukturiert, repetitiv und zielgerichtet ist in dem Sinne, dass eine Verbesserung oder ein Beibehalten einer oder mehrerer Bestandteile körperlicher Fitness das Ziel sind“ (Physical Activity Guidelines Advisory Committee, 2009, Übers. d. Verf.). Die Begriffe Training (‚exercise‘), körperliche Aktivität (‚physical activity‘), und Sport (‚sports‘) werden in der Literatur uneinheitlich genutzt. Der Fragebogen der Gesamtstudie enthielt unter anderem Fragen zu ‚Sport‘. Dieser Begriff wurde nicht weiter klassifiziert und es liegen entsprechend keine weiteren Informationen über die Art der Aktivität vor. Deshalb wird in der folgenden Darstellung der Analyse der recht allgemeine Begriff sportliche Aktivität genutzt, da die Teilnehmer mit ‚Sport‘ mutmaßlich gezieltere Tätigkeiten als eine allgemeine alltägliche ‚körperliche Bewegung‘ verbinden; Sport jedoch mehr sein kann als ein spezifisches Training.
12 2 Material und Methoden 2.1 Kohorte Der Studie liegt die Untersuchung von 1182 Probanden aus der SHIP-2-Kohorte der SHIP (Study of Health in Pomerania) zugrunde. Bei der SHIP handelt es sich um eine populationsbasierte Kohortenstudie mit Beginn im Jahr 1998 (Hegenscheid et al., 2009; Völzke et al., 2011). Die Kohorte war repräsentativ für die Population zu Studienstart (SHIP- 0). Das Studienprotokoll wurde vom Ethikkomitee der Universitätsmedizin Greifswald genehmigt. 2.1.1 Die SHIP Die SHIP ist eine Bevölkerungsstudie mit dem Ziel, die Prävalenz und Inzidenz relevanter Risikofaktoren und (subklinischer) Auffälligkeiten/Erkrankungen sowie deren Zusammenhänge zu untersuchen. Sie beschränkt sich dabei nicht auf konkrete Risikofaktoren oder Krankheitsbilder, sondern erhebt Daten mit dem „weitmöglichsten Fokus“ wie beispielsweise soziale und berufliche Lebensumstände und Verhaltensweisen (Völzke, 2012; Völzke et al., 2011). 2.1.2 Die Probandenauswahl Die Stichprobengewinnung (SHIP-0) erfolgte von 1997 bis 2001 aus drei Regionen in Mecklenburg-Vorpommern (Stralsund + ehemaliger Landkreis, Greifswald + ehemaliger Landkreis, Anklam + ehemaliger Landkreis) in zwei Schritten: Zunächst wurden aus den genannten Regionen die Orte mit über 1500 Einwohnern eingeschlossen; aus den kleineren Gemeinden erfolgte eine Zufallsziehung. In einem weiteren Schritt wurden dann aus dieser Stichprobe Einwohner proportional zur Größe jeder Gemeinde gestaffelt nach Alter und Geschlecht ausgewählt. Die Daten, die dieser Auswertung zugrunde liegen, stammen aus dem 11-Jahres-Follow-Up (SHIP-2, 2008-2012) dieser Kohorte (John et al., 2001). 2.2 Erfassung der sportlichen Aktivität 2.2.1 Strukturiertes Interview Die Erhebung der Daten erfolgte computerassistiert mittels persönlicher Interviews durch trainierte und zertifizierte Interviewer. Während der Datenerhebungsphase wurden die
13 Daten halbjährlich überprüft, um eine Interviewer-Bias auszuschließen. Zudem finden im Verlauf der SHIP regelmäßig stichprobenartige Überprüfungen der Daten durch unabhängige Prüfer statt (Völzke et al., 2011). 2.2.2 Fragen zur sportlichen Aktivität Die Probanden füllten einen Fragebogen aus, der einen Hinweis auf die körperliche Aktivität in Sommer und Winter gibt. Die Fragen waren wie folgt formuliert: • „Wie oft treiben Sie im Winter Sport?“ • „Wie oft treiben Sie im Sommer Sport?“ Die Antwortmöglichkeiten waren nominalskaliert und lauteten: • „Regelmäßig mehr als 2 Stunden pro Woche“ (= 1) • „Regelmäßig 1 bis 2 Stunden pro Woche“ (= 2) • „Weniger als eine Stunde in der Woche“ (= 3) • „Keine sportliche Betätigung“ (= 4) Die Scores von Sommer und Winter waren hoch positiv assoziiert (r = 0,72; p < 0,0001). 2.3 Bildgebungsparameter Hochaufgelöste Magnetresonanztomographie (MRT)-Bilder wurden mit einem 1.5-T Siemens MR-Bildgebungsscanner (Magnetom Avanto; Siemens Medical Systems, Erlangen) mit einer T1-gewichteten magnetisierungsvorbereiteten schnellen Gradientenecho (magnetization prepared rapid acquisition gradient echo (MPRAGE))-Sequenz und den folgenden Parametern aufgenommen: 176 Schichten, Matrix = 256x176 Pixel, Voxelgröße = 1,0 mm isotrop, Schichtdicke = 1,0 mm, Repetitionszeit = 1900 ms, Echozeit = 3,37 ms, Kippwinkel = 15°. 2.4 Visuelle Qualitätskontrolle und Ausschluss von Pathologien Alle MRT-Bilder wurden visuell inspiziert im Hinblick auf Bildartefakte und klinische Auffälligkeiten. Alle Bilder mit Hinweisen auf einen Schlaganfall, Multiple Sklerose, Epilepsie, Parkinson, Demenz, Hirntumoren, intrakranielle Zysten oder Hydrozephalus wurden von der Auswertung ausgeschlossen, sodass 1081 Bildsätze übrigblieben. Außerdem wurden Probanden mit dokumentierter Einnahme von Anxiolytika oder Opioiden und mit Werten größer 14 im PHQ-9-Fragebogen (patient health questionaire)
14 ausgeschlossen (Löwe et al., 2004), woraufhin 1037 Bildsätze blieben. Zuletzt wurden alle Datensätze ausgeschlossen, in denen Daten zu möglichen Störfaktoren (z.B. Geschlecht, Alter, Bildungsjahre, Nikotinkonsum, Alkoholkonsum, BMI) fehlten oder inkomplett waren. Die finale Stichprobe beinhaltete 967 Probanden. 2.5 Vorverarbeitung Die T1-gewichteten Bilder wurden mithilfe der Software Statistical Parametric Mapping 12 (SPM12; Wellcome Department of Cognitive Neurology, University of London, UK) und der Toolbox CAT12 (Computational Anatomy Toolbox8, Structural Brain Mapping Group, Universitätsklinikum Jena) in MATLAB (The MathWorks, Natick, MA, USA) vorverarbeitet. Es wurden die Standardparameter der Toolbox genutzt. Die Bilder wurden zunächst für Magnetfeldinhomogenitäten korrigiert und in weiße Substanz, graue Substanz und Liquor segmentiert. Im Segmentierungsprozess wurde ein verstecktes Markov Random Field Model angewandt und dabei partielle Volumeneffekte berücksichtigt. Schlussendlich wurden die segmentierten Bilder mithilfe des DARTEL-Algorithmus (Diffeomorphic Anatomical Registration using Exponentiated Lie algebra (Ashburner, 2007)) räumlich normalisiert, gefolgt von einer Gaußschen Glättung mit 8 mm (full width at half maximum; FWHM). Außerdem durchliefen alle Scans ein automatisiertes Protokoll zur Qualitätskontrolle, welches den IQR (index of quality rating) als Qualitätsscore erzeugte. Dieser wurde später als Kovariate in dem statistischen Modell (Abbildung 1) genutzt. Schließlich wurde zudem das totale intrakranielle Volumen (total intracranial volume, TIV) berechnet, welches später auch als Kovariate diente. 2.6 Statistische Analysen Für die sportliche Aktivität im Sommer und Winter wurde der Mittelwert ermittelt, welcher für die Regressionsanalyse Verwendung fand. Außerdem wurde aus Probanden mit einem Mittelwert £ 2 (mehr als eine Stunde Sport pro Woche) die ‚mehr Sport‘-Gruppe und aus Probanden mit einem Mittelwert > 2,5 (weniger als eine Stunde Sport pro Woche) die ‚weniger Sport‘-Gruppe gebildet. Hierfür wurde ein T-Test für unabhängige Stichproben zur Bewertung der hypothetischen Unterschiede des GMV genutzt. Die folgenden Störfaktoren, von denen bekannt ist, dass sie Einfluss auf das GMV nehmen, wurden in die Analyse eingeschlossen: Geschlecht (m/w, Ruigrok et al., 2014), Alter (Ziegler et al., 2012), BMI (Janowitz et al., 2015), Bildung (Noble et al., 2012) sowie Alkohol- und Nikotinkonsum (Fritz 8 http://www.neuro.uni-jena.de/cat
15 et al., 2014). Zusätzlich erfolgte eine Korrektur für das totale intrakranielle Volumen (TIV) und die Qualität der Bilder mithilfe eines Index (index of quality rating, ICQ), welcher mittels CAT12 während der Vorverarbeitung ermittelt wurde. Die Design-Matrix des T-Test- Designs ist in Abbildung 1 links dargestellt, die der linearen Regression ist in Abbildung 1 rechts dargestellt. Hierbei wurde ein Durchschnitt der saisonalen sportlichen Aktivität als Hauptregressor und die gleichen Störvariablen wie im Gruppenvergleich genutzt. Da viele der bis zum Zeitpunkt der hier vorliegenden Studie durchgeführten Studien den Effekt von Bewegung in einer älteren Population untersuchten (Erickson et al.: n = 299, durchschnittliches Alter 78 Jahre; Gow et al.: n = 691, durchschnittliches Alter 73 Jahre; Ho et al.: n = 226, durchschnittliches Alter 78 Jahre (Erickson et al., 2009; Gow et al., 2012; Ho et al., 2011)), wurde auch die Interaktion Alter*Sport mittels eines 2x2 Full Factorial Designs (Sport: weniger Sport/mehr Sport; Alter: jünger/älter) getestet. Für diese Analyse wurden die Gruppen der Älteren und Jüngeren anhand des Medians aufgeteilt: 475 Probanden waren jünger als 55,5 Jahre (Durchschnitt: 44,9 Jahre, Spanne: 31-55 Jahre) und 492 Probanden älter als 55,5 Jahre (Durchschnitt: 65,8 Jahre, Spanne: 56-90 Jahre). Abbildung 1: Statistische Analyse: die Design-Matrix, die in SPM12/CAT12 genutzt wurde Links: Median split T-Test; Abkürzungen: ‚Group 1‘ = sportliche Aktivität > 1h/Woche; ‚Group 2‘ = sportliche Aktivität < 1h/Woche; TIV = total intracranial volume, IQR = index of quality rating, Alcohol = Alkoholkonsum; Cigarettes = Zigarettenkonsum, BMI = body mass index Rechts: Lineare Regressionsanalyse für sportliche Aktivität pro Woche, die Störfaktoren sind dieselben wie im T-Test Abbildung aus: (Eyme et al., 2019)
16 Die statistischen Analysen wurden auf diejenigen Bereiche des Gehirns beschränkt, von denen bekannt ist, dass sie im Rahmen von körperlicher Aktivität von älteren Probanden einen Anstieg des GMV zeigen (Boraxbekk et al., 2016; Ruscheweyh et al., 2011). Diese beinhalteten den dorsomedialen präfrontalen Lappen (BA 6, 8–10), den superioren parietalen Lappen (BA 7), den Precuneus und Cuneus, den Gyrus cinguli (BA 24, 30–32), den Hippocampus, die Insel, den Nucleus Caudatus und den okzipitalen Kortex (V1-V3, BA 17– 19), deren ROIs aus dem ANATOMY Atlas (Version 2.2b) entnommen wurden. Für die Differenzierung der Insel nutzen wir Neuromorphometrics (Neuromorphometrics, Inc., Somerville, MA, USA), welches als externe Toolbox unter SPM12 integriert wird. Die Effektstärken wurden für die T-Werte der am höchsten aktivierten Voxel pro ROI mithilfe der folgenden Formel berechnet: (" $ %&'()*+) Cohen‘s d = √./0
17 3 Ergebnisse 3.1 Vergleich der Scores der Gruppen unterschiedlicher sportlicher Aktivität Für das Gesamtgehirnvolumen und das Volumen der drei Segmente (graue Substanz, weiße Substanz und Liquor (cerebrospinal fluid, CSF)) ergab sich kein Unterschied zwischen den Gruppen. Insgesamt waren die Probanden in der Gruppe, die mehr Sport betrieb, im arithmetischen Mittel 1,6 Jahre älter, hatten mehr Bildungsjahre, hatten einen besseren Punktwert im Mini Mental Status Test (mini mental status exam, MMSE), rauchten seltener und hatten tendenziell einen niedrigeren BMI (siehe Tabelle 1). Diese Unterschiede unterstreichen die Wichtigkeit, diese Variablen als Störvariablen in die Analyse einzubeziehen. MEHR WENIGER UNTERSCHIED SPORTLICHE SPORTLICHE ZWISCHEN DEN AKTIVITÄT AKTIVITÄT GRUPPEN STUDIENTEILNEHMER 551 (300) 416 (206) chi-squarea: 0,73; n.s.b (WEIBLICH) GMV [ML] 614,17 (66,67) 613,28 (68,24) t = 0,21; n.s. ALTER [JAHRE] 56,26 (12,33) 54,62 (12,37) t = 2,04; p = 0,042 ALKOHOL [G]* 9,97 (12,42) 10,64 (14,45) t = 0,78; n.s. RAUCHEN [ZIG./TAG]** 6,56 (9,44) 8,75 (11,25) t = 3,28; p < 0,001 BILDUNG [JAHRE] 12,89 (2,54) 12,25 (2,40) t = 4,01; p < 0,001 PHQ9*** 3,1 (3,09) 3,38 (3,02) t = 1,33; n.s. BMI 27,40 (4,24) 27,96 (4,59) t = 1,95; n.s. (p = 0,051) MMSE*** 28,69 (1,49) 28,33 (1,66) t = 2,22; p = 0,027 Tabelle 1: Demographische Charakteristika im Mittelwert ± Standardabweichung a Geschlechterverteilung der Stichprobe b n.s.: nicht signifikant (p ³ 0,05) * Absolute Menge Alkohol [g] für jeden Tag, gemittelt über die letzten 30 Tage ** maximale Anzahl gerauchter Zigaretten pro Tag im Zeitraum eines Jahres (Korrelation mit Pack Years hochsignifikant) *** Frage wurde nicht von jedem Studienteilnehmer beantwortet Tabelle aus: Eyme et al., 2019
18 3.2 Assoziation der Scores mit demographischen Faktoren Mehr Sport zu treiben war positiv assoziiert mit Alter (r = 0,065; p = 0,045) und negativ assoziiert mit Rauchen (r = -0,14; p < 0,001). Diejenigen, die mehr Sport trieben, hatten mehr Jahre mit Schul- und Berufsbildung verbracht (r = 0,15; p < 0,001). 3.3 GMV-Analyse 3.3.1 Full factorial model Obwohl Alter und Sport als einzelne Faktoren signifikante Effekte zeigten, war die Interaktion der beiden nicht signifikant (maximaler F-Wert9 12,98 für BA 6; signifikant ab einem F ³ 18,67). 3.3.2 Zweistichproben-T-Test REGION HEMI- T-WERT EFFEKT- CLUSTER- MNI KOORDINATEN SPHÄRE STÄRKE1 GRÖSSE x y z SPL (BA 7; R 4,36 0,28 330* 0 -69 32 PRECUNEUS) CUNEUS 4,01 0,26 101 0 -70 30 INSEL R 3,76 0,24 25 46 -9 4 (POSTERIOR) BA 8 R 3,68 0,24 63 8 27 52 R 3,57 0,23 101 24 22 54 POST. L 3,42 0,22 17 -3 -58 30 CINGULÄRER GYRUS (BA 32) NUCLEUS R 3,37 0,22 72 8 10 4 CAUDATUS Tabelle 2: Zwei Stichproben T-Test 1 Effektstärke: Cohen‘s d * Ergebnisse auch signifikant für FWE (Familywise Error) p < 0.05 Cluster-Korrektion über das gesamte Gehirn Tabelle aus: Eyme et al., 2019 9 Der F-Test ist ein Verfahren der Varianzanalyse und prüft die Signifikanz von Mittelwertsunterschieden (Mikula, 2020).
19 Die beiden ‚mehr Sport‘- und ‚weniger Sport‘-Gruppen wurden im Hinblick auf Unterschiede des GMV in selektierten Regionen verglichen. Signifikante Effekte des Vergleiches werden in Tabelle 2 und Abbildung 2 dargestellt. Es zeigte sich mehr GMV in der ‚mehr Sport‘-Gruppe in einem großen, medialen Cluster, welches den SPL, den Precuneus, den Cuneus und den posterioren cingulären Cortex umfasste. Außerdem zeigten die rechte hintere Inselregion und BA 8 rechts ein höheres GMV in der sportlicheren Gruppe. Die Effektstärken dieser Unterschiede (Cohen’s d) waren klein (< 0,5). REGION HEMI- T-WERT EFFEKT- CLUSTER- MNI KOORDINATEN SPHÄRE STÄRKE1 GRÖSSE x y z BA 8 R 3,57 0,23 157 24 22 54 SPL (BA 7; R 3,86 0,25 130 0 -69 32 PRECUNEUS) CUNEUS R 3,71 0,24 62 0 -70 30 L 3,70 0,24 68 -6 -92 14 VISUELLER L 3,76 0,24 241 -3 -92 12 CORTEX (V1) HIPPOCAMPUS L 3,35 0,22 9 -18 -4 -12 NUCLEUS R 3,51 0,23 72 6 10 3 CAUDATUS Tabelle 3: Lineare Regressionanalyse (alle Areale mit Schwellenwert korrigiert für ROI mit p
20 Abbildung 2: Ergebnis des T-Tests (blau) und der linearen Regressionsanalyse (rot). Die Farbcodierungen sind am Boden der Abbildungen als T-Wert dargestellt. Der fronto-parietale Cluster zeigt starke Übereinstimmung, während das okzipitale Cluster sich nur in der Regressionsanalyse zeigte. Die statistische Karte wurde zu Illustrationszwecken mit einem Schwellenwert von p < 0.001 erstellt. Das segmentierte hochaufgelöste MNI-Gehirn (Collins Brain) wurde genutzt, um die funktionellen auf strukturelle Daten zu legen. Der Schnitt wurde dem Maximum der okzipitalen Aktivierung angepasst (x = -3, z = 12). Abbildung aus: Eyme et al., 2019 Die Alter*Sport Interaktion war im Full Factorial Design nicht signifikant. Jedoch wurden die Betas10 der Assoziation von GMV mit Alter (Abbildung 3) und GMV/Alterseffekt assoziiert mit sportlicher Aktivität (Abbildung 4), aus illustrativen Gründen für den SPL- 10 Betas sind standardisierte Vorhersagekoeffizienten der Regressionsgleichung (Wirtz, 2020).
21 Voxel mit der höchsten Effektstärke (MNI-Koordinate: 0, -69, 32), aufgetragen. Die Steigung des Effektes der körperlichen Aktivität im Hinblick auf Abnahme des GMV war bei den älteren Probanden steiler als bei den jüngeren. Unter den älteren Probanden hatte Sport also einen größeren Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Alter und GMV. Außerdem hatte das Alter unter denjenigen, die mehr Sport trieben, einen geringeren Einfluss auf das GMV. Hierbei war der altersentsprechende Rückgang des GMV in der Sport-Gruppe geringer, die Studienteilnehmer hatten entsprechend mehr GMV trotz höheren Alters. Mehr Sport SPL Weniger Sport SPL Beta*100 für den SPL [arbiträre Einheit] 5 5 y = -0,156 y = -0,179 R2 = 0,6173 R2 = 0,5958 0 0 -5 -5 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Alter [Jahre] Alter [Jahre] Abbildung 3: Illustration der Effekte von Sport auf den altersabhängigen GMV-Rückgang im superioren Parietallappen (SPL); lineare Regression der Betas der GMV-Analyse assoziiert mit Alter. y = Regressionskoeffizient; R2 = Determinationskoeffizient In der linken Graphik sind die Effektstärken für die Gruppe aufgetragen, die mehr Sport treibt (Mittelwert £ 2 (mehr als eine Stunde Sport pro Woche)), in der rechten Graphik für die Gruppe, die weniger Sport treibt (Mittelwert >2,5 (weniger als eine Stunde Sport pro Woche)). Diejenigen Studienteilnehmer, die pro Woche öfter sportlich aktiv waren (links, y = -0,156), hatten eine geringere Abnahme des GMV im SPL (MNI-Koordinaten: 0, -69, 32) als diejenigen Probanden, die sportlich weniger aktiv waren (rechts, y = -0,179). Abbildung aus: Eyme et al., 2019
22 Jüngere Probanden beta SPL Ältere Probanden beta SPL Beta*100 des Assoziationseffektes des GMV mit dem Alter [arbiträre Einheit] y = -0,406 y = -0,615 1 R2 = 0,9197 1 R2 = 0,9622 0 0 -1 -1 1 2 3 4 1 2 3 4 Sportliche Aktivität [inverser Score für Stunden Sportliche Aktivität [inverser Score für Stunden pro Woche] pro Woche] Abbildung 4: Illustration der Effekte von Sport auf den altersabhängigen GMV-Rückgang im superioren Parietallappen (SPL); lineare Regression der Betas der GMV-Analyse assoziiert mit der Häufigkeit der sportlichen Aktivität. y = Regressionskoeffizient; R2 = Determinationskoeffizient In der linken Abbildung sind die Werte für die jüngeren Studienteilnehmer aufgetragen, in der rechten Abbildung diejenigen für die älteren Studienteilnehmer. Die Gruppe der jüngeren Studienteilnehmer (links, y = -0,406) zeigte einen geringeren Einfluss der sportlichen Aktivität auf den Rückgang des GMV als die Gruppe der älteren Probanden (rechts, y = - 0,615). In der Gruppe der älteren Probanden war ohne sportliche Aktivität der Zusammenhang zwischen Alter und GMV am negativsten, hier sank also das GMV am stärksten mit steigendem Alter. Abbildung aus: Eyme et al., 2019
23 4 Diskussion 4.1 Hauptergebnisse Die vorliegende Studie hatte zum Ziel, die Beziehung zwischen körperlicher Aktivität, die hier als Dauer der wöchentlichen sportlichen Aktivität gemessen wurde, und Unterschieden in der Gehirnstruktur in einer großen, gut charakterisierten Kohorte zu untersuchen. Im Vergleich der hinsichtlich der Sportaktivität unterschiedlichen Gruppen zeigten sich Unterschiede im SPL (BA 7, Precuneus/Cuneus), dem PCC, der hinteren Insel, im dorsomedialen präfrontalen Kortex (prefrontal cortex, PFC; BA 8) und im Nucleus Caudatus. Eine voxelbasierte lineare Regressionsanaylse bestätigte die Ergebnisse der Gruppenanalyse, zeigte jedoch zusätzlich auch eine Assoziation von Sport mit dem GMV im Hippocampus und visuellen Kortex. Beide Analysen zeigten größtenteils übereinstimmende Ergebnisse. Die Assoziation von GMV und Sport war stärker für die älteren Probanden (durchschnittliches Alter: 66 Jahre, Spanne: 56–90 Jahre) als für die jüngeren Probanden (durchschnittliches Alter: 45 Jahre, Spanne: 31–55 Jahre), obwohl eine direkte Interaktion ohne Signifikanz blieb. 4.2 Einfluss körperlicher Aktivität auf das GMV in großen Netzwerken Während man früher davon ausging, dass einzelne Hirnregionen verantwortlich für bestimmte Funktionen sind, geht man heutzutage davon aus, dass bestimmte Netzwerke Mediatoren dieser Funktionen sind (Bressler and Menon, 2010). Netzwerke bestehen aus verschiedenen Einheiten, die über Verbindungen miteinander (wechsel)wirken. Neuronale Netzwetzwerke11 sind Verbände von Neuronen, die über Synapsen miteinander verbunden sind und Reize koordiniert verarbeiten (Palm, 2000). Von besonderer Bedeutung sind an dieser Stelle drei große Netzwerke: das zentrale Exekutivnetzwerk (central executive network, CEN), welches für hohe kognitive Funktionen (darunter beispielsweise Planung, Entscheidungsfindung, Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis) zuständig ist, das ‚Default Mode‘ Netzwerk (default mode network, DMN), welches für selbstbezogene kognitive Fähigkeiten (autobiographische, selbstüberwachende, 11 Abzugrenzen hiervon sind hier mathematisch modellierte künstliche neuronale Netzwerke, die natürlichen neuronalen Netzwerken nachempfunden sind (Palm, 2000).
24 soziale Funktionen) verantwortlich ist und das Salienz-Netzwerk (salience network, SN), das auf die Erkennung markanter äußerer sowie innerer Reize ausgerichtet ist. Bei der Verarbeitung von und Reaktion auf äußere Reize werden das SN sowie CEN in der Regel aktiviert, während das DMN in seiner Aktivität supprimiert wird. Gemeinsam bilden diese drei ein ‘dreifach-Netzwerk‘ (triple network), welches herangezogen wird zur Erforschung eingeschränkter kognitiver Funktionen verschiedenster neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen, darunter unter anderem Depression, Schizophrenie, Alzheimer Demenz und fronto-temporaler Demenz (Menon, 2011). Unsere Ergebnisse sind vor diesem Hintergrund relevant und decken sich weitestgehend mit den Erkenntnissen aus ähnlichen Studien, die den Zusammenhang von GMV oder Aktivität in den genannten Hirnregionen und Bewegung untersucht haben. Das auffälligste Ergebnis unserer Studie war ein medio-parietales Cluster, welches den Precuneus/Cuneus und den PCC beinhaltete. Dieses Cluster war – ohne vorherige Hypothese – statistisch hochsignifikant. Der Gyrus Cinguli12 wurde in diesem Zusammenhang bereits in Kohortenstudien (Boraxbekk et al., 2016) und Interventionsstudien (Ruscheweyh et al., 2011) beschrieben, wo sich ein höheres GMV in dieser Region in Abhängigkeit von Bewegung zeigte. Unsere Ergebnisse bestätigen außerdem auch die Ergebnisse anderer Studien, welche, wie in der vorliegenden Studie, als Querschnittsstudie auf der Basis von selbst berichteter Fitness (Benedict et al., 2013) beziehungsweise kardiopulmonalen Fitnessmessungen (Williams et al., 2017) durchgeführt wurden. Auch unsere Ergebnisse zu Precuneus und Cuneus fügen sich in die bisher im Rahmen von Kohortenstudien untersuchten Zusammenhängen ein. So wurde in einer prospektiven Kohortenstudien eine Assoziation von zerebralem Blutfluss (cerebral blood flow, CBF) und GMV im Precuneus, Cuneus und Parietallappen mit sportlicher Aktivität beschrieben (Boraxbekk et al., 2016). In dieser Studie wurden das RSN, Perfusionsbildgebung und GMV von 308 Teilnehmern in Alter von 35 bis 80 Jahren untersucht. Außerdem wurde sowohl kumulative körperliche Aktivität über die letzte Dekade als auch aktuelle körperliche Aktivität dokumentiert. Insbesondere das GMV im PCC war mit der kumulierten Aktivität assoziiert. Außerdem war in den Resting State Daten der posteriore Teil des DMN (anteriorer Anteil des PCC) sowohl für kumulierte (MNI-Koordinaten -6; -32; 26) als auch für aktuelle körperliche Aktivität (MNI-Koordinaten: -8, -36, 26) sensibel. Diese 12 beinhaltet den anterioren (anterior cingulate cortex, ACC) und posterioren cingulären Kortex (posterior cingulate cortex, PCC)
25 Koordinaten lagen innerhalb unseres PPC-Clusters, in welchem GMV mit sportlicher Aktivität assoziiert war. Die Autoren diskutierten ihre Ergebnisse im Hinblick auf aktivitätsinduzierte Genexpression, welche Neurogenese stimuliert und zu Resistenz gengenüber Ischämien führt (Dishman et al., 2006). Precuneus/Cuneus sowie PCC sind Teil des DMN, welches unter anderem in der Selbstwahrnehmung und Gedächtnisfunktion eine Rolle spielt. Das DMN ist vor allem während aufgabenfreier Paradigmen aktiv und ist mit nach innen gerichteten mentalen Zuständen assoziiert. Bei Aufgaben, die direkte Aufmerksamkeit benötigen, wird es mit zunehmender Schwierigkeit der Aufgabe mehr unterdrückt (Andrews-Hanna et al., 2007; Mak et al., 2017; Raichle et al., 2001; Singh and Fawcett, 2008). Im Laufe des Alterungsprozesses nimmt die funktionale Konnektivität im DMN ab, parallel dazu nimmt auch das GMV ab (Voss et al., 2016). Auf der Netzwerkebene wurde eine positive Assoziation der funktionalen Konnektivität von PCC und mittlerem frontalen Gyrus mit aerober Fitness bei jungen und alten gesunden Freiwilligen beschrieben (Voss et al., 2010a). Dieselben Autoren postulierten später (Voss et al., 2016), dass Fitness/körperliche Aktivität protektiv gegenüber den nachteiligen Effekten des Alters auf die funktionale Konnektivität wirken kann. Veränderungen des DMN in Ruhe könnten auch in diesen Bereichen mit dem GMV assoziiert sein. Niedrigere funktionale Konnektivität wurde bei älteren Probanden auch bereits in einem frontalen exekutiven Kontrollnetzwerk (präfrontaler Lappen) und SN (Insel) beschrieben (Voss et al., 2010b). In der hier präsentierten Studie zeigten nur ältere Probanden relevante positive GMV Modulationen in diesen Bereichen durch Sport. Sport scheint dementsprechend altersbedingtem Abbau des GMV in Gebieten des DMN, des dorsomedialen präfrontalen Kortex und der Insel vorzubeugen. Eine Reihe von Querschnittsstudien zeigt auch Evidenz für die positive Assoziation von kardiopulmonalen Fitnesslevels (V02max) und GMV in präfrontalen Arealen bei älteren Probanden (Alosco et al., 2013; Bugg and Head, 2011; Colcombe and Kramer, 2003; Erickson et al., 2009, 2007; Honea et al., 2009; Verstynen et al., 2012; Weinstein et al., 2012). Die positiven Effekte der Bewegung auf das GMV könnte mit den Effekten von Training auf die kognitiven Funktionen (insbesondere exekutive Funktionen) älterer Menschen zusammenhängen (Colcombe and Kramer, 2003).
26 4.3 Das GMV im Alter Der altersabhängige Abbau des GMV wird durch körperliche Aktivität reduziert (Colcombe et al., 2006; Erickson et al., 2009; Gordon et al., 2008; Kulmala et al., 2014). Kognitive, soziale und physische Anforderungen haben einen mildernden Effekt auf den kognitiven Abbau, der mit Alter oder Pathologie einhergeht (Erickson et al., 2011; Kulmala et al., 2014). Entsprechend könnten Areale, die sensibel für einen mit dem Alter einhergehenden Abbau sind, durch körperliche Aktivität im Alter geschützt werden (Erickson et al., 2014; Williams et al., 2017). Die vorliegende Studie stützt entsprechend bereits bestehende Erkenntnisse aus Kohorten- (Boraxbekk et al., 2016) und Interventionsstudien (Ruscheweyh et al., 2011), welche zeigten, dass Areale, in denen das GMV von körperlicher Aktivität der Probanden profitierte, solche Gebiete beinhaltet, welche anfällig für altersbedingte Atrophie sind. Eine kürzlich veröffentlichte systematische Übersichtsarbeit zu gesunden Personen über 60 Jahre zeigte, dass interventionsbedingte Veränderungen in der Gehirnstruktur und -funktion von der Dosis der Bewegungsintervention abhängen, wobei die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen den Studien aufgrund der Heterogenität der Studienmethodik eingeschränkt ist (Chen et al., 2020). Eine weitere Übersichtsarbeit zu alltagsnahen Interventionen (‚real-world‘ interventions) konnte aufzeigen, dass in diesem Zusammenhang körperliche Aktivität einen größeren Einfluss auf kognitive Funktionen hat als kognitive Aktivitäten (Vaportzis et al., 2019). Insgesamt gibt es für ältere Erwachsene (> 50 Jahre) in Übersichtsartikeln moderate Evidenz dafür, dass eine kurz- wie auch langfristige körperliche Aktivität sowohl die Gehirnstruktur und -funktion als auch die Kognition stärken kann (Erickson et al., 2019). 4.4 Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf das GMV bei jungen Probanden Entsprechend der Ergebnisse bei älteren Probanden wurden auch bei jüngeren Erwachsenen positive Assoziationen von körperlicher Fitness und kognitiven Leistungen gefunden (Überblick: Hillman et al., 2008); dies vor allem im Hinblick auf exekutive Funktionen. Dem entgegengesetzt zeigte eine Studie (Williams et al., 2017) geringere kortikale Dichte bei Probanden mit besserer kardiopulmonaler Fitness in einer Gruppe von 32 jüngeren Probanden (Durchschnittsalter 21 Jahre). Ebenfalls interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Studien zufolge eine kortikale Verdünnung im Kindesalter mit einem höheren IQ assoziiert ist – diese Beobachtung kehrt sich mit Anfang 20 Jahren um, sodass mit Anfang 40 Jahren ein höherer IQ mit einer größeren kortikalen Dicke assoziiert ist
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