"Der Gemeinde-Dresscode der Liebe" (Kolosser 3,12-17) - EKG Durmersheim

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Dirk Hasselbeck, Pfarrer Durmersheim

                                       Predigt 15.05.2022
                          Ev. Kirchengemeinde Durmersheim
                      „Der Gemeinde-Dresscode der Liebe“
                                       (Kolosser 3,12-17)

KANZELGRUß
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft
des Heiligen Geistes sei mit euch allen! (2.Kor.13,13)

PREDIGTTEXT
Kolosser 3,12-17 (Basisbibel)
12 Gott hat euch als seine Heiligen erwählt, denen er seine Liebe schenkt.
Darum legt nun das neue Gewand an.
Es besteht aus herzlichem Erbarmen, Güte, Demut, Freundlichkeit und Geduld.
13 Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas
vorwirft.
Wie der Herr euch vergeben hat, so sollt auch ihr vergeben!
14 Vor allem aber bekleidet euch mit der Liebe.
Sie ist das Band, das euch zu vollkommener Einheit zusammenschließt.
15 Und der Friede, den Christus schenkt, lenke eure Herzen.
Dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes.
Und dafür sollt ihr dankbar sein!
16 Das Wort, in dem Christus gegenwärtig ist, wohne in reichem Maß bei euch.
Lehrt einander und ermahnt euch gegenseitig.
Tut das in aller Weisheit.
Singt Gott aus vollem Herzen Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder.
Denn er hat euch Gnade geschenkt.
17 Alles, was ihr sagt und tut, soll im Namen des Herrn Jesus geschehen.
Dankt dabei Gott, dem Vater, durch ihn.

PREDIGT
Witz: Ein Mann holt seinen Maßanzug in der Schneiderei ab. Beim Anprobieren fällt
auf, dass der linke Ärmel zu kurz geraten ist. „Ziehen Sie einfach die linke Schulter
etwas nach oben“ rät der Schneider. „Aber dann sitzt die Jacke doch ganz schief“

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Dirk Hasselbeck, Pfarrer Durmersheim

wendet der Kunde ein. „Kein Problem, ziehen sie die rechte Schulter einfach auch
hoch und beugen Sie sich dann ein bisschen nach vorn, dann sitzt die Jacke perfekt.“
Auf dem Nachhauseweg wird er von zwei Passanten gesehen. „Schau mal, der arme
Mann da vorne, der kann nur ganz krumm gehen“, meint der eine. „Ja“, meint der
andere voller Bewunderung, „aber einen exzellenten Schneider hat er!“

Die Gewohnheiten, wie wir uns kleiden, wandeln sich. Das war schon immer so. Ein
Blick in die Geschichte zeigt das deutlich. Männer tragen keine Hüte mehr und
Frauen tragen selbstverständlich Hosen, in Tunika oder im Bärenfell oder mit
Lendenschurz taucht man höchstens noch auf der Faschingsparty oder der
Filmleinwand auf. Wie jede Generation empfinden wir uns als besonders
revolutionär. Die Krawatte verschwindet aus den Chefetagen der Konzerne und
insgesamt wird alles legerer und individueller. Aber der Schein trügt. Schauen sie
sich einmal auf Hochzeiten um. Der Bräutigam in kurzer Hose und T-Shirt und die
Braut in Jeans und Lummelpullover – das ist eher selten anzutreffen. Und so leger
man sich gibt, wir alle wissen, was wir dem Brautpaar gegenüber zum Ausdruck
bringen, wenn wir direkt von der Firma im Blaumann zur Feier erscheinen würden.
Die Polizei hat auf Uniformen auch noch nicht verzichtet. Und erstaunlicher Weise
sind die Nachfahren der Birkenstocksandalen tragenden und im Strickpullover im
Bundestag einziehenden Grünen so als Minister nicht mehr zu sehen. Was wäre das
für ein unpassendes Bild – eine Annalena Baerbock, die sich im Hippiekleid die
Kriegsverbrechen in der Ukraine zeigen lässt. Und wenn die Sache mit der Kleidung
so einfach wäre, dann wäre das Leben vieler Mütter von Mädchen zum Beginn des
Teeniealters unendlich viel leichter.
Gott hat euch als seine Heiligen erwählt, denen er seine Liebe schenkt.
Darum legt nun das neue Gewand an.
Paulus spricht in diesem Text davon, dass wir durch unseren Glauben an Christus
und die Taufe ein neuer Mensch geworden sind. Wir gehören jetzt zu Jesus Christus.
Dem König aller Könige. Das ist eine Verpflichtung. Wir sind jetzt Diplomaten und
Botschaftern Seines Reiches in dieser Welt. Die alten Lumpen – Zorn, Bosheit, Lüge,
über andere lästern, sich einfach seinen Begierden hingeben, verschwenderischer
Umgang mit Geld – all diese hässlichen Lumpen sind ausgezogen. Wie verlauste,
juckende, stinkende Klamotten verbrannt und entsorgt. Und – wie ein Taufkleid,
rein, weiß, schön – ziehen wir den neuen Menschen an. Gott hilft uns hinein in ein
maßgeschneidertes Brautkleid oder einen herrlichen Anzug. Die alten Lumpen

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Dirk Hasselbeck, Pfarrer Durmersheim

passen nicht mehr. Queen Elizabeth ist geradezu das Sinnbild von Anmut, Haltung
und stilsicherer Kleiderwahl. Immer mit dem schicken Handtäschchen, immer mit
dem passenden Hut. Und niemand will ein Bild vom Papst in Badehose beim
Schwimmen sehen. In all diesen Fällen ist die Kleidung Ausdruck der inneren Würde,
der Bedeutung, die ein Amtsträger oder ein Mensch hat.
In der Taufe findet ein Kleiderwechsel statt. In dem wunderschönen Buch für kleine
und große Leute – einer sehr ansprechenden symbolischen Erzählung über das
Christwerden und Leben als Christ – es heißt „Nicht wie bei Räubers…“ von Ursula
Marc. In diesem Büchlein findet sich eine anschauliche Beschreibung der Taufe. Der
kleine, dreckige Räuberjunge Tom wird vom König in ein schönes Bad geführt.
„Das Wasser lockte. Gar zu gerne wollte Tom da hinein – aber seine Kleider
hergeben? Er hatte sich so an sie gewöhnt. Stimmt, die Hosen waren schon lange zu
eng und kurz geworden, und das Hemd hatte fast mehr Loch als Stoff. Ja, sehr viel
war nicht mehr dran, Und der Geruch war wohl auch nicht sehr fein. Aber trotzdem,
nur nichts hergeben! Das hatte er gelernt. Bei Räubers.
Erst als ihn seine Flöhe ganz gewaltig bissen und er mit Kratzen nicht nachkam, sah
er ein, dass nur ein Sprung ins Wasser da abhelfen könnte. Hastig warf er die Sachen
ab. Als er die schmutzigen Fetzen am Boden sah, merkte er, dass sie wirklich nicht
hierher [in den schönen Königspalast] passten. Und er hatte nichts dagegen, dass der
[König] sie packte und ins Feuer warf. Wie herrlich war dieses Wasser!“1
Immer wieder finden wir bei Paulus in seinen Briefen diese Aufforderung: „lebt, was
ihr seid“ „ihr seid Kinder Gottes, also lebt auch so“ „ihr seid erwählt und heilig, nun
handelt auch so“. Gott erneuert uns in der Taufe und durch den Glauben. Der Heilige
Geist lebt in uns. Das ist eine Tatsache. Und nun: lebt so! Ihr seid einer neuer
Mensch. Also lebt, handelt, denkt, redet, führt Euer Leben so: als dieser neue
Mensch, der ganz zu Gott gehört. In unserem heutigen Wahn, in allem authentisch
sein zu müssen, vermuten wir gleich Heuchelei. Als würden Christen nur so tun, als
ob. Tut Queen Elizabeth nur so, als ob sie Königin wäre, weil sie es nicht schafft, alle
in der Familie zusammen zuhalten? Würde man ihr die Königinnenwürde
aberkennen, weil sie ein Fleck auf ihrem Kleid hat? Sollte sie wegen ihrer Mängel und
Fehler lieber auf die Krone verzichten und ihre Hüte und ihre Handtasche
einmotten? So ein Quatsch. Sie ist Königin.
Und Du? Was bist Du? Du bist getauft? Du glaubst an Jesus Christus?

1
 Ursula Marc: Nicht wie bei Räubers… Vierzehn Abenteuer für große und kleine Leute. Immanuel Verlag
Ravensburg, Seite 6

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Dirk Hasselbeck, Pfarrer Durmersheim

Dann bist Du ein Kind Gottes. Wie Tom. In dem Buch geht es weiter – Tom wird viele
fürchterliche Fehler machen in seinen neuen weißen Kleidern als Königskind. Ändert
das etwas daran, dass der König ihn angenommen hat? Ändert das seinen
Rechtsstatus? Nicht im Entferntesten. Genauso wenig wird Deine Taufe ungültig,
weil Du Mist baust. Ein authentischer Christ ist einer, der als begnadigter Sünder
sein weißes Taufgewand angezogen hat und stolz trägt. Stolz auf den König – nicht
auf sich selbst. Und der feststellt: die alten Kleider passen gar nicht in den Palast
meines Vaters. Sie wirken so hässlich und dreckig. Und ich heuchle nicht, wenn ich
auf die Nase falle und dann wieder Vergebung erbitte und mit aller Kraft so lebe, wie
es mir als Tochter oder Sohn des Königs entspricht.
Also jetzt, wie lebt ein Christ? Welches Gewand ist für ein Königskind angemessen?
Es besteht aus herzlichem Erbarmen, Güte, Demut, Freundlichkeit und Geduld.
Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas
vorwirft. Wie der Herr euch vergeben hat, so sollt auch ihr vergeben!
Schau mal an Dir runter. Schau Dich mal im Spiegel an. Entdeckst Du noch Lumpen?
Groll? Verletztheit? Du kannst das nicht vergeben? Das steht zwischen Euch? Du
wirst es immer und immer wieder erzählen und die Wunden lecken? Dem anderen
immer und immer wieder vorhalten? Dein Leben ist von der Schuld des anderen
deformiert? In Deinen Rachegedanken wünschst Du dem anderen Unglück? Du
könntest Ihn in Gedanken umbringen?
Kannst Du so ehrlich zu Dir sein, dass Du es siehst? Einen kurzen Moment – wer fällt
Dir gerade ein, wenn Du das alles hörst?
    -   Stille –
Willst Du damit weiter herumlaufen? Beißen Dich die Flöhe denn nicht? Merkst Du,
wie deine Unversöhnlichkeit so gar nicht in den Palast der Liebe und der Vergebung
passt? Wie sie stinkt?
Du kannst mit Jesus darüber reden – aber Du kannst Dir auch Hilfe suchen – einen
Seelsorger, der mit Dir einen Weg geht, damit Du diese Lumpen loswirst.
Vor allem aber bekleidet euch mit der Liebe.
Sie ist das Band, das euch zu vollkommener Einheit zusammenschließt.
Es gibt nachgemachte Markenklamotten. In Asien hergestellte T-Shirts mit dem
schönen Lacoste-Krokodil drauf, schönes Krokodil, Null Qualität. Schuhe mit dem
schwungvollen Nike-Emblem. Schönes Emblem. Null Qualität.
Bei der Liebe kommt alles auf die Qualität an. Wenig schadet uns als Gemeinde mehr,
als wenn Markenklamotten nachgemacht werden.

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Dirk Hasselbeck, Pfarrer Durmersheim

Das nette „Wir haben uns alle so lieb“-Lächeln, sobald man die Kirche betritt. Und
schon auf dem Nachhauseweg ist mir der andere egal. Das engagierte Nicken, wenn
von Nächstenliebe gesprochen wird – und wenn mich jemand braucht, ist mein
Terminkalender voll. Die Krokodile und Nike-Embleme gehen schnell ab und das
billige Imitat wird erkennbar. Welches Gewand passt in den Palast des Königs, der
sein eigenes Leben für Dich am Kreuz hingab? Nur das Original. Mit allem anderen
machst Du Deinen König unglaubwürdig. Wenn Du tausendmal auf die Nase fällst
und wenn Du kautzig, grummelig, wortkarg, schüchtern bist. Das macht nichts. Aber
wenn Du Liebe vortäuschst, dann ziehst Du die Ehre Deines Retters in den Dreck!
Ohne echte Liebe ist alles nichts. Sie ist das Weiß in Deinem Kleid. Sie ist der Stoff,
aus dem es gewebt wurde. Ohne Liebe bist Du nackt im Königspalast. Und Liebe
heißt: Tat, Anpacken, Barmherzigkeit, Dich nicht enttäuschen lassen, den anderen
sehen, Dienen, nicht nach Deinem Auskommen fragen, Hingabe. Wenn es ein
Qualitätsmerkmal für echten Glauben gibt, eine Qualität, die eine lebendige von einer
vorgetäuschten Gemeinde mit nachgemachten Markenklamotten unterscheidet –
dann ist es die tätige, ernsthafte, verlässliche Liebe.
Zieh mal ein wenig an Deinem Krokodils-Aufkleber. Na? Noch dran? Wenn er ab ist,
geh noch mal zum Anfang. Zur Taufe. Und hol Dir die original Klamotten ab. Die
Liebe, mit der Jesus Dich am Kreuz rettet und die Dir in der Taufe gilt, wird Dir wie
von selbst das richtige Gewand geben. Zieh es an und lebe es! Wenn Du am Ende nur
das hast: Liebe – so hast Du alles! Wer wird einmal geehrt werden im Himmelreich?
Genau, die, die liebten. Wenn Du aus Liebe heilig lebst – bravo! Wenn Du aus Liebe
die Bibel studierst und andere darin unterweist – bravo! Wenn Du aus Liebe anderen
hilfst und Dich für Gerechtigkeit einsetzt – bravo! Wenn Du aus Liebe Deine
musikalische      Gabe      oder       Deine   Technikbegeisterung   oder   handwerklichen
Fähigkeiten für Jesus und für andere einsetzt – bravo!
Alles, was ihr sagt und tut, soll im Namen des Herrn Jesus geschehen.
Dankt dabei Gott, dem Vater, durch ihn.
Das heißt nichts anderes – ich sage und tue alles aus der Liebe zu Gott und zum
anderen Menschen.
Deine Liebe macht Dich im Palast des Königs ehrenwert.
Darum musst Du aus der Taufe leben – von der Quelle der Liebe. Das ist Paulus
wichtig:
Das Wort, in dem Christus gegenwärtig ist, wohne in reichem Maß bei euch.
Lehrt einander und ermahnt euch gegenseitig. Tut das in aller Weisheit.

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Dirk Hasselbeck, Pfarrer Durmersheim

Singt Gott aus vollem Herzen Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder.
Darin erfährst Du immer neu, wer Du bist und wie sehr Du geliebt bist.
Es ist faszinierend, aber es gibt einen Handlungsplot, der sich in erfolgreichen
Büchern und Filmen durchzieht. Achten Sie einmal darauf. Ob es Harry Potter, ob es
die Bücher um die Halbgötter von Rick Riordan, ab es Luke oder Ray Skywalker sind
oder viele andere: Jemand wächst einfach und ahnungslos auf und entdeckt dann
seine besondere Herkunft. Dass seine Geschichte in dieser Welt eine verändernde
Rolle spielt. Dass es auf sie oder ihn absolut ankommt. Plötzlich ist man mitten drin.
Im Zentrum. Plötzlich ist der Räuberjunge Tum ein Kind des Königs. Die Taufe ist
genau das. Du erkennst, wer Du wirklich bist. Und nun: lebe so! Nimm die
Herausforderung und Berufung an! Entscheide Dich für den Kleidungsstil, der
Deiner Position angemessen ist und verzichte auf Nachgemachtes.
Du bist ein Kind der Liebe – darum liebe! Denn (1. Johannes 4,16) Gott ist Liebe; und
wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.
Amen.

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