Der Mythos Paul von Lettow-Vorbeck - Eine Spurensuche in seiner Geburtsstadt Saarlouis - Aktion 3. Welt Saar
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Der Mythos Paul von Lettow-Vorbeck Eine Spurensuche in seiner Geburtsstadt Saarlouis Von Roland Röder In Saarlouis hat man jahrzehntelang den deut- der aufständischen Herero und Nama be- schen Kolonialmilitär General Paul von Let- teiligt; einem organisierten Völkermord. Im tow-Vorbeck (1870-1964) verehrt. An seinem I. Weltkrieg »verteidigte« er Deutsch-Ostaf- Geburtshaus in der Silberherzstraße, die zur rika – in etwa das heutige Tanzania – gegen Fußgängerzone gehört, prangte bis Mitte 2010 britische Truppen. Dabei rekrutierte er ein- eine martialische Inschrift mit Verweis auf heimische Zwangsarbeiter (Askari), die sei- den ritterlichen und unbesiegten »Verteidiger« nen Truppen als Träger dienen mussten. Wer Deutsch-Ostafrikas im Weltkrieg 1914-1918. nicht wollte, wurde durch Waffengewalt ge- Nachdem die Proteste gegen diese Militari- fügig gemacht. sierung des Alltags zu viel Wirkung entfal- Vollends zum Mythos wurde er, als er am teten und dem Image der »weltoffenen Stadt« 2. März 1919, wenige Monate nach Ende des zu schaden drohten, begann man, ihn einfach I. Weltkrieges, hoch zu Ross und »im Felde aus dem Stadtbild auszuradieren – so, als wäre unbesiegt«, durch das Brandenburger Tor nie etwas gewesen. Auch auf der Internetsei- ritt. In der Folgezeit bekämpfte er die Wei- te findet sich Lettow-Vorbeck nur noch in marer Republik mit der Waffe in der Hand Spurenelementen wieder. Heute möchte man und schlug die so genannte »Sülzeunruhe« – nicht mehr an ihn erinnert werden. Beson- de facto war es ein Aufstand Hungernder – ders bitter: Nach einer jahrelangen Huldigung in Hamburg im Auftrag von Reichswehrmi- des Massenmörders verweigert man bis heute nister Gustav Noske (SPD) militärisch nieder. in Saarlouis den über hunderttausend Opfern Er schränkte die Meinungsfreiheit ein, ließ seiner Politik in Afrika und in Deutschland Gewerkschaftshäuser schließen, Reden von jedwede Erinnerung. Kommunisten durch Waffengewalt verhin- dern, setzte Kriegsgerichte ein und verhängte Todesstrafen. Im September 1919 meldete er Paul von Lettow-Vorbeck: seinen Auftrag als erfüllt. Wenige Monate spä- Kolonialmilitär, Demokratiefeind, ter, 1920, beteiligte er sich am ultrarechten Mörder Kapp-Lüttwitz Putsch – als Kommandeur der Reichswehrbrigade 9 in Schwerin. Bereits früh trommelte er in der Weimarer Republik pu- Der Kolonialmilitär, Feind der Demokratie blizistisch für die Wiedereroberung der Kolo- und hunderttausendfache Mörder von Men- nien, die Deutschland im Zuge des Versailler schen im heutigen Namibia (Deutsch-Süd- Vertrages »verlor«. Die wichtigste Propagan- westafrika) und im heutigen Tanzania daschrift war sein Jugendbuch »Heia Safari« (Deutsch-Ostafrika) wurde am 20. März von 1920 (vgl. Gertrud Selzer: Afrika-Bilder 1870 in Saarlouis geboren. In der kaiserlichen in Kinderbüchern, siehe S. 38). Armee machte er zügig Karriere. 1900 und Dem NS-Regime war er mit seiner regen 1901 war er als Adjutant an der Niederschla- Vortrags- und Publikationstätigkeit ein will- gung des Boxeraufstandes in China beteiligt kommener Kolonialpropagandist. Mit einem – unter anderem wurden dort gefangene Auf- »im Felde unbesiegten« deutschen General ließ ständische erschossen. Als Belohnung wurde sich massenwirksam gegen den Frieden von er zum Hauptmann befördert 1904 meldete Versailles agitieren. Als Dankeschön wurde er sich freiwillig und war in Namibia, als Ad- er 1939 von Hitler zum General z.b.V. (zur jutant des deutschen Befehlshabers, General besonderen Verwendung) ernannt. Dabei Lothar von Trotha, an der Ermordung von war er nie Mitglied der NSDAP, durch Kri- über 60.000 Männern, Frauen und Kindern tik oder Widerstand jedoch fiel er auch nicht Kolonialismus » 35
auf. Als bürgerlichem Deutschnationalen war als ein Mann in Erinnerung bleiben, der sich die NSDAP ihm schlichtweg zu prollig. Hin- in unwandelbarer Weise stets treu geblieben zu kam, dass die Nazis andere geographische ist, der heldenmütig, fair und großmütig war Kriegsziele hatten. Wie sehr ihm die Träger und deshalb auch von seinen Gegnern geach- des preußischen Militarismus noch in der tet wurde.« Kurios, aber historisch nicht wirk- BRD die Treue hielten, zeigte sich bei seinem lich überraschend, ist die aktive Beteiligung Tode 1964: Die Bundeswehr organisierte ein von Sozialdemokraten an den Ehrungen von Begräbnis mit militärischen Ehren, hielt die Lettow-Vorbeck, obwohl er selbige militä- Totenwache und ließ ihr Musikkorps aufspie- risch(!) bekämpft hatte. len. Verteidigungsminister Kai-Uwe von Has- Nachdem es seit den 1980ern immer wieder sel (CDU) hielt die Grabrede und nannte ihn vereinzelte Proteste gab – 1991 wurde die für »ein Leitbild für die jungen Generationen«. die Lettow-Vorbeck-Brücke neu erbaute Brü- cke nach Peter Neis (1908-1936 BM, Fraulau- tern) benannt – gelang es der Aktion 3. Welt Saarlouis – seine Geburtsstadt Saar e.V. ein breites Bündnis unter Einbezie- liegt ihm zu Füßen hung von parteinahen Stiftungen (Stiftung De- mokratie Saar, Heinrich Böll Stiftung Saar, Rosa Nach dem II. Weltkrieg begann sein medi- Luxemburg Stiftung Saarland) auf die Beine aler wie politischer Siegeszug in Saarlouis. Bis zu stellen und eine vierseitige Flugschrift in zu seinem Tode besuchte Lettow-Vorbeck sei- der Saarbrücker Zeitung und der taz zu vertei- ne Geburtsstadt meist jährlich, nach einem len. »Der Mythos Paul von Lettow-Vorbeck. Jagdausflug im Hunsrück. Man ernannte ihn Vom Kaiser geehrt, vom Führer geliebt - Ein 1956 zum Ehrenbürger und erfreute den Ge- Beitrag zur deutschen Kolonialgeschichte«, so neral bei Besuchen mit seinem Lieblingsge- der Titel der Flugschrift, war eingebettet in tränk, schwarzem Johannisbeersaft. Als die eine bundesweite Kampagne zum Thema Post- Stadt am 20. März 1970 den 100. Geburtstag kolonialismus. Die lokal prägenden Medien, Lettow-Vorbecks feierte, kamen 800 Gäste zu Saarländischer Rundfunk und Saarbrücker Zei- einer Feierstunde zusammen. Der damalige tung, berichteten journalistisch differenziert Bürgermeister Dr. Manfred Henrich (SPD) über die Proteste. Kaum jemand wollte sich sagte: »Uns Heutigen mag Lettow-Vorbeck noch öffentlich hinter Lettow-Vorbeck stellen. Die breiten wie professionellen Proteste gegen Lettow-Vorbeck ließen den Preis für seine wei- tere Glorifizierung, einen beträchtlichen Ima- geschaden nämlich, zu hoch werden. So wurde Mitte 2010, leise und diskret, die bis dato an seinem Geburtshaus prangende Tafel abgehängt. Sie trug die martialische In- schrift: »Der unbesiegte, ritterliche Verteidi- ger Deutsch-Ostafrikas im Weltkriege 1914- 1918 General Paul von Lettow-Vorbeck wurde am 20. März 1870 in diesem Hause geboren.« Unter einem eisernen Relief von Lettow-Vor- beck ist seitdem zu lesen: »Geburtshaus von / General Paul Lettow von Vorbeck / 1870 - 1964«. Ebenso still fand die Umbenennung der Paul von Lettow-Vorbeck-Straße statt. Sie wurde zweigeteilt in Walter-Bloch-Stra- ße (vor den Nazis emigriert, nach der Rück- kehr 1946-1949 Bürgermeister) und in Hu- bert-Schreiner-Straße. Unter selbigem Bür- germeister Schreiner wurde Lettow-Vorbeck 1956 zum Ehrenbürger ernannt. Ein bisschen Lettow-Vorbeck bleibt so doch erhalten – Ver- gangenheitsbewältigung à la Saarlouis. 36
Vorschläge für eine zeitgemäße Erinnerungskultur Auf der Grundlage eines humanistischen Jeder dieser Vorschläge bedeutet eine Abkehr Weltbildes drängen sich vier Forderungen auf: von der bisherigen »Politik«: Teppich hoch, 1. Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Let- Unangenehmes drunter kehren und mit Un- tow-Vorbecks durch die Stadt Saarlouis. schuldsmine verkünden: »Da war doch nichts. Auch wenn sie formal mit seinem Tode er- Wir wissen von nichts. Wir sind doch eine loschen sein mag, wäre dies ein politisches weltoffene und tolerante Stadt. Unseren Be- Bekenntnis des Stadtrates gegen den Mili- sucherInnen präsentieren wir eine historisch tarismus und die Demokratiefeindlichkeit widerspruchsfreie Kulisse.« Nun denn, eine eines Lettow-Vorbecks. ehrlich gemeinte und historisch seriöse Auf- 2. Anbringen einer Gedenktafel an seinem arbeitung der eigenen Geschichte, inklusive Geburtshaus, mit der seiner Opfer gedacht der eigenen Verstrickungen, sieht anders aus. wird. Auch Menschen in Afrika haben Na- men und Würde. Andernfalls würde führt das koloniale Klischee von unmündigen Lesetipp: AfrkanerInnen, die Statisten ihrer eigenen »Der Mythos Paul von Lettow-Vorbeck. Vom Kai- Geschichte sind und für die weiße Helden ser geehrt, vom Führer geliebt« Flugschrift der sprechen, fortgeführt. Aktion 3.Welt Saar e.V., eine kurze und knappe 3. Korrektur der städtischen Öffentlichkeits- Zusammenfassung. arbeit inklusive Webseite und Stadtfüh- rungen. 4. Einrichtung einer offenen und wissenschaft- Lettow-Vorbeck (rechts) als Manövergast im lich begleiteten Arbeitsgruppe mit dem städ- Kreise von Wehrmachtsgenerälen 1935 tischen Auftrag, Vorschläge für die päda- (Foto: Archiv Aktion 3. Welt Saar e.V.) Der »heldenhafte« und »unbesiegte, ritterliche gogische Aufarbeitung an Schulen zu erar- Verteidiger« Deutsch Ostafrikas beiten. (Foto: Bundesarchiv, Bild 183-H27605) Kolonialismus » 37
Afrikabilder in Kinderbüchern Warum Kinderbücher nie unpolitisch sind Von Gertrud Selzer Kinder- und Jugendbücher spielen eine we- Neubearbeitung im Jahr 2001, das Lied »Wie sentliche Rolle bei der Konstruktion und Re- oft sind wir geschritten« aus dem Jahr 1921 produktion von Weltbildern. Zwischen dem abgedruckt. Es spiegelt Lettow-Vorbecks ro- Ersten und Zweiten Weltkrieg hatten sie eine mantischen Kolonialmythos wider, inklusi- mobilisierende Funktion und sollten vor allem ve untergebener und treuer Askari. Der Text die männliche Jugend auf den bevorstehen- ist von H. A. Aschenborn und die Melodie den Zweiten Weltkrieg einstimmen. In die- von Robert Götz, der auch viele NS-Lieder sem Kontext ist auch das Jugendbuch »Heia komponierte. Im »Bettelmusikant« (Voggen- Safari« von General Paul von Lettow-Vorbeck reiter Verlag) ist das Lied auch 2006 noch anzusiedeln. abgedruckt, ebenso wie im »Liederbuch der Fallschirmjäger« (Hrsg. Bund deutscher Fall- schirmjäger, erschienen 1983 im Selbstverlag) Der ritterliche und abenteuerliche Krieg Werbung für die Wiedereroberung General Paul von Lettow-Vorbeck war von der Kolonien 1914 bis 1918 Kommandant der Deutschen Schutztruppe in Ostafrika. 1920 erschien sein Nach dem Verlust der Kolonien wird in den Buch »Heia Safari – Deutschlands Kampf in meisten Jugendbüchern versucht, die Erinne- Ostafrika; Der deutschen Jugend unter Mit- rung an die gewonnen Kämpfe in Afrika auf- wirkung seines Mitkämpfers Hauptmann von recht zu erhalten und damit die Niederlage Ruckteschell«. In erster Linie ist es ein Kriegs- des Ersten Weltkrieges zu kompensieren. Die bericht und eine Propagandaschrift gegen Kinderbücher warben für eine Wiederero- England. Er lobt in seinem Buch die treuen berung der Kolonien. Weit verbreitet waren und mutigen Askari (einheimische Zwangs- die »Wiete«-Bücher von Else Steup (Steup arbeiter der Lettow-Vorbeck-Truppe), die froh 1936; 1938). Im ersten Band erzählt sie von sind, auf Seiten der Deutschen zu kämpfen. einem Mädchen, das in einer deutschen Ko- »Die Deutschen haben strenge Worte, aber lonialschule ausgebildet wird, um im Ausland ein gutes Herz, die Engländer haben freund- Deutschland zu repräsentieren. In Band zwei liche Worte, aber ein schlechtes Herz«, legt er lebt Wiete dann bei Farmern in Deutsch-Süd- einem Askari in den Mund. Er beschreibt in west- und in Deutsch-Ostafrika. Das Buch dem Buch seitenlang, wie ritterlich und aben- wirbt, genau wie »Mädels im Tropenhelm« teuerlich ein Krieg doch sein könne – und (Diel 1942), für den deutschen kolonialen das nach der Erfahrung von Verdun und dem Gedanken. Die Bücher waren angesiedelt im Gaskrieg in Europa. Das Buch erschien bis national-rechten Milieu der Weimarer Repu- 1952 in neun Auflagen und wurde 1937 in blik, das den Versailler Vertrag und die dort die Grundliste für Schülerbüchereien aufge- festgelegte Rückgabe der Kolonien als natio- nommen. Insgesamt erschienen 281.000 Ex- nalen Verlust empfand. emplare. In dem 1953 erstmals veröffentlich- Diese Art Literatur war in der BRD bis in ten Liederbuch »Mundorgel« war, noch bis zur die 60er Jahre verbreitet (Anders in der DDR, 38
aber das führt hier zu weit). Die alten Expedi- Zu dieser staatlich gewünschten Kolonial- tionsberichte wurden immer wieder neu aufge- propaganda gehörten auch die sogenannten legt. Das Buch »Der Schatz des Halim Pascha« Heftchenromane sowie die kolonialen Wer- (Mader 1954) ist eine gekürzte Fassung des bebildchen, die damals extrem weit verbreitet Buches »Ophir« von 1911. Friedrich Wilhelm waren. Diese Kolonialsammelbildchen trugen Mader vermittelt die nationalistisch-imperia- zur Herausbildung von Bildstereotypen bei, listischen Ideen des deutschen Kaiserreiches die bis heute bestehen. (Mader 1961). Für die 50er Jahre ist Ilse Fried- rich zu nennen. In »Mädchen im Tropenhelm« schreibt sie noch 1953 von »Deutsch-Ostafri- Bilder im kollektiven Gedächtnis ka« (Friedrich 1953), während in »Alle Tage Afrika« drei weiße jugendliche Helden span- Diese kolonialistischen Bilder Afrikas haben, nende Jagden mit einem Großwildjäger erle- bewusst wie unbewusst, unser kollektives Ge- ben (Friedrich 1954). dächtnis geprägt und sind heute noch deu- tungs- und handlungsmächtig. Das zeigt sich in unserem Reden über Afrika oder auch in Rechtfertigung der Unterdrückung der Debatte um das Abenteuermuseum in Saarbrücken (2009), die von der Saarbrücker Dieser Einblick zeigt, dass sich die politischen Zeitung wie vom Saarländischen Rundfunk Verhältnisse im scheinbar unpolitischen Kin- dokumentiert ist. Die ernüchternde wie er- der- und Jugendbuch widerspiegeln und sich schütternde Aktualität eines Afrikabildes mit die Bilder, die von Afrika vermittelt wurden, seinem subtilen Rassismus und Überlegen- änderten; je nach politischer Großwetterlage heitsgebaren trat mal mehr, mal weniger of- und nationaler Politik. Die anfangs positiven fen zutage. Wahrnehmungen von AfrikanerInnen verän- derten sich mit Beginn des deutschen Kolo- nialstrebens. Die in den Jugendbüchern for- mulierten rassistischen Darstellungen dienten der Rechtfertigung des Kolonialismus und der Unterdrückung und Ausbeutung der Afrika- nerInnen. 1893 wehrten sich die Nama un- ter Hendrick Witbooi gegen die Herrschaft der Deutschen in Südwestafrika. Höhepunkt der Widerstandsbewegung ist der Herero-Be- freiungskampf unter Samuel Maharero (Mo- renga) 1904. Von etwa 80.000 Herero über- lebten nur knapp 15.000 die blutige deutsche Repression. Dieser gezielte Vernichtungskrieg wurde in Abenteuerbüchern glorifiziert: Der Jugendroman »Peter Moors Fahrt nach Süd- west« (Frenssen 1906) war eines der meistge- lesenen Jugendbücher der Kaiserzeit. Deutsch- land müsse sich in Afrika bewähren und gegen die anderen imperialistischen Mächte bewei- sen, so der Tenor. Diesem Roman gelang es, die unerfüllten Wünsche von Jugendlichen mit einer nationalen Utopie zu verknüpfen. Afrika war in den Siedlerromanen das Land der großen Abenteuer und Freiheit, insbeson- dere für deutsche Frauen. Es versprach eine Flucht aus dem engen sozialen und patriar- Afrika, das Land der Abenteuer und Freiheit: Kolonialschulen- und Literatur werben Frauen chalen Korsett in Europa. So warb koloniale für die Kolonien. Eine Illustration aus »Schwere Kinderliteratur Frauen und Mädchen für die Zeiten. Schicksale eines deutschen Mädchens in Kolonien. Südwestafrika« von Elise Bake. Kolonialismus » 39
Das Museum wurde 1980 von Heinz Rox- – neben den Tieren im Gondwana Park auf- Schulz gegründet, war lange im Saarbrücker zubauen, an die kolonialistischen Hagenbeck- vhs-Gebäude untergebracht und wurde 2004 schen Völkerschauen (1874 bis 1940). Immer- wegen Raumbedarf geschlossen. Rox-Schulz, hin zeigten CDU und Grüne zivilisatorische der sich als »Abenteurer« und »pazifistischer Einsicht und wollten die Exponate einem pro- Kosmopolit« sah, präsentierte dort u.a. eine fessionellen Museum zur Verfügung stellen, Mumie und mehrere Schrumpf köpfe. Er was die Möglichkeit geboten hätte, sie wis- wirkte wie ein netter und schrulliger Einzel- senschaftlich unter Einhaltung aktueller ethi- gänger, der es gut meinte und »uns« – darunter scher Standards aufzuarbeiten. Seitens der Ak- auch viele Schulklassen – »fremde Kulturen« tion 3.Welt Saar e.V. haben wir diese Idee da- nahebringen wollte. Dabei bediente er die mals begrüßt. Passiert ist bis heute nichts. kolonialen Klischees, die sich längst im deut- Noch am 15. Januar 2019 druckt die Saar- schen Alltagsbewusstsein und im kollektiven brücker Zeitung unkommentiert ein Foto aus Gedächtnis wohnlich eingerichtet hatten: der »Sammlung Rox-Schulz« von 1958 ab. Es Menschen im globalen Süden – Afrika, Süd- zeigt einen Einbaum, in dem zwei Menschen amerika, Asien – sind kulturell interessant und sitzen: Ein namenloser Indianer und – deut- haben den weißen Globetrotter zu bestaunen. lich erhöht – der weiße »Abenteurer« Rox- Vor allem, wenn er wie im Falle Rox-Schulz Schulz in kolonialistischer Pose. akrobatische Kunststücke vorführt. Eine eige- Wegen dieser offensichtlichen Hartnäckig- ne Stimme, Namen oder gar eine eigene Ge- keit kolonialer Weltbilder ist es wichtig, dass schichte haben sie jedoch nicht. Es fehlte jeg- Kinder und Jugendliche, aber auch Erwach- liche Einbettung der Exponate in einen kultu- sene, eine kritische Reflexion kolonialer Bil- rellen und historischen Zusammenhang. der erlernen. Die kommunale Debatte zur (Nicht-)Wei- terführung des Museums war nur mit Schmer- Lesetipp: zen zu ertragen. Während die SPD es überwie- »Afrika ist schwarz. Wirklich? AfrikaBilder in gend beibehalten wollte, erinnerte Die Linke Kinderbüchern – eine kritische Reflexion« Flug- mit ihrer Idee, das komplette Museum – also schrift der Aktion 3.Welt Saar e.V., 2014, u.a. als auch die Mumie und die Schrumpf köpfe Beilage in taz und Jungle World. 40
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