Die Geschlechter-Dimension der Nachhaltigkeitspolitiken und ihre Evaluation1

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Die Geschlechter-Dimension der Nachhaltigkeitspolitiken
                      und ihre Evaluation1
                                        (Online) Workshop

                           Donnerstag, 14.10.2021 13.15-17.15h

Das Schlagwort Nachhaltigkeit ist inzwischen in (fast) aller Munde, nicht zuletzt wegen der
2015 in Paris von der UN verabschiedeten Sustainable Development Goals
(https://www.un.org/sustainabledevelopment/ ). Seither ist die Politik verstärkt
aufgefordert, sich an den 17 Leitzielen zu orientieren. Die meisten dieser Ziele sind
unmittelbar mit geschlechter- und gleichstellungpolitischen Themen verknüpft. Um die
zentralen zu nennen: allen voran Ziel 5 „Geschlechtergleichstellung“ sowie Ziel 8
„Menschwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ wie auch Ziel 4 „Hochwertige Bildung“,
„Kein Hunger“ und „Keine Armut“ (Ziele 1 und 2) und Ziel 10 „Weniger Ungleichheiten“. Trotz
vieler politischer Proklamationen schreiten die Implementierung und ihre Evaluierung dieser
Ziele aber höchst langsam voran. Dies gilt auch für ihre geschlechterpolitische Dimension, die
- nimmt man die SDGs ernst – unabdingbar zu berücksichtigen ist, wenn es um die
Realisierung nachhaltiger Politiken geht; noch einmal mehr aufgrund der sozio-ökonomischen
Folgen der Corona-Pandemie.

Der Workshop befasst sich mit den Fragen, wie es um die Implementierung und Evaluierung
der geschlechterpolitischen Dimension der Nachhaltigkeitspolitik bestellt ist.          Die
Vortragenden aus Deutschland und Österreich thematisieren – nicht nur bezogen auf diese
Länder – inwiefern und wie Geschlechterpolitik und Nachhaltigkeitspolitik verknüpft werden;
aber auch warum sie vielfach separiert werden.

Anmeldung unter: zukuenfte.der.nachhaltigkeit@uni-hamburg.de , damit der Zoom-link für
die Teilnahme verschickt werden kann.

1
 Organisation und Konzeption: Beate Littig, Fellow der DFG-Kolleg-Forschungsgruppe "Zukünfte der
Nachhaltigkeit", Hamburg sowie am Institut für Höhere Studien, Wien
Programm

13.15-13.30 Sighard Neckel (Leitung Kolleg, Hamburg): Begrüßung
13.30-13.45   Beate Littig (Fellow Hamburg/Wien): Begrüßung und Einführung

13.45-14.15   Christine Bauhardt (HU Berlin): Nachhaltigkeit – was heißt das aus
              feministischer Perspektive? Die Beispiele Verkehr und Ernährung
14.15-14.45   Thomas Barth (LMU München) und Beate Littig: Nachhaltige Arbeit – auch für
              Frauen?
14.45-15.00   Pause

15.00-15.30   Angela Wroblewski (IHS Wien): Evaluation der Genderdimension im Kontext
              der SDGs: zwischen Datenverfügbarkeit und politischer Ambition

15.30-16.00   Brigitte Ratzer (TU Wien):          Politikberatung   der   österreichischen
              Bundesregierung und SDG 5
16.00-16.15   Pause
16.15-16.45   Arn Sauer (UBA Berlin): Ambitionierter Klimaschutz braucht
              Genderperspektiven. Neue Perspektiven in Folgeabschätzungen in Klimaschutz
              und Klimaanpassung
16.45-17.15   Resümee und Abschlussdiskussion

Moderation: Irina Zielinska (IHS Wien)

                                  Abstracts und Kurz-Bios

Bauhardt, Christine:

Nachhaltigkeit – was heißt das aus feministischer Perspektive? Die Beispiele Verkehr und
Ernährung

Abstract

Das Plastikwort „Nachhaltigkeit“ soll mit dem feministischen Konzept von Sustainable
livelihoods konfrontiert werden, um nochmals auf den kritischen Impetus der Debatte zurück
zu kommen. Sustainable livelihoods betonen die Bedeutung lokaler Machtverhältnisse und
die Notwendigkeit dezentraler Entscheidungsfindung. Die Beispiele der Verkehrspolitik, die
nach wie vor weitgehend immun ist gegen feministische Einsprüche und der Ernährung, wo
sich globale Bewegungen für mehr lokale Politiken unter Berücksichtigung feministischer
Erkenntnisse    stark     machen,    werden       die     Implementationsprobleme        von
Nachhaltigkeitspolitiken beleuchten.

Bio

Christine Bauhardt, Leiterin des Fachgebiets Gender und Globalisierung an der Humboldt-
Universität zu Berlin. Politikwissenschaftlerin und Raumplanerin mit Arbeitsschwerpunkten
in feministischer Ökonomiekritik, Postwachstum und Gender, globale Umwelt- und
Nachhaltigkeitsdebatten, Infrastrukturpolitiken.

Thomas Barth und Beate Littig:

Nachhaltige Arbeit – auch für Frauen?

Abstract

In Bezug auf den Klimawandel, als derzeit prominentestem Ausdruck der Krise
gesellschaftlicher Naturverhältnisse, werden vor allem zwei unterschiedliche Ansätze zur
Transformation der Arbeitsgesellschaften diskutiert: die Schaffung von grünen Ökonomien
und Vollerwerbsgesellschaften einerseits und von sozial-ökologisch nachhaltigen
Postwachstumsgesellschaften andererseits. Letztere basieren auf einem erweiterten
Arbeitsbegriff, der nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch Care, Eigenarbeit und
zivilgesellschaftliches Engagement umfasst, der Neubewertung und Umverteilung von Arbeit,
auch zwischen den Geschlechtern. Als Voraussetzungen dafür werden unter anderem eine
neue Vollerwerbsarbeitszeit (20-30 Stunden) für alle sowie eine sozial-ökologische
Steuerreform angeführt. Was diese Konzepte für Frauen bedeuten, wird zumeist eher am
Rande diskutiert. In der grünen Ökonomie geht es aus geschlechterpolitischer Sicht vor allem
darum, Frauen die Teilhabe an den guten, grünen Arbeitsplätzen insbesondere im
technologischen Bereich überhaupt zu ermöglichen (z.B. durch Ausbildung, Kinderbetreuung
etc.). Auch in Postwachstumsgesellschaften wird sich eine gerechte Aufteilung der Care-
Arbeit sowie der Erwerbsarbeit nicht automatisch einstellen. Sie muss systematisch gefördert
werden. Der Beitrag reflektiert diese Konzepte aus geschlechterpolitischer Sicht und vor dem
Hintergrund der gegenwärtigen multiplen Krise, die im Zuge der Corona-Pandemie noch
schärfer hervortritt.

Bios

Thomas Barth ist akademischer Rat auf Zeit am Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-
Universität München. Seine Arbeitsschwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in den
Bereichen Arbeit und Nachhaltigkeit, Politische Ökologie und Soziologie sowie Demokratie
und Kapitalismus.
Beate Littig ist habilitierte Soziologin und Fellow am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien
sowie bei der DFG-Kolleg-Forschungsgruppe "Zukünfte der Nachhaltigkeit", Hamburg. Ihre
langjährigen Arbeitsschwerpunkte sind sozial-ökologische Transformationsforschung,
nachhaltige Entwicklung und Arbeit(sgesellschaften), nachhaltige Praktiken und qualitative
Forschungsmethoden.

Ratzer, Brigitte:

Politikberatung der österreichischen Bundesregierung und SDG 5

Abstract

Im Großprojekt „UniNEtZ“ (Universitäten und Nachhaltige EntwicklungsZiele) haben sich 16
österreichische Universitäten zusammengeschlossen, um einen wesentlichen Beitrag zur
nachhaltigen Entwicklung in Österreich zu leisten. Das Projekt soll Optionen identifizieren,
entwickeln und evaluieren, wie Österreich der Verpflichtung der Umsetzung der UN Agenda
2030 nachkommen kann. Optionen sind dabei Bündel konkreter Maßnahmen, die auf
aktuellen, interdisziplinär erarbeiteten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Dabei wird
die Agenda 2030 als Wegbeschreibung für die Transformation im Sinne der
Nachhaltigkeitsziele in den Grenzen des Systems Erde verstanden. Ein umfassender
Optionenbericht wird im Dezember 2021 an die österreichische Bundesregierung übergeben.
Der Vortrag geht auf die Zielsetzungen des SDG 5, aber auch das Thema „Gender als
Querschnittsmaterie“ ein und diskutiert die Optionen im Spannungsfeld zwischen
schrittweiser „Modernisierung“ und radikaler Transformation.

Bio

Brigitte Ratzer, Leiterin Abteilung Genderkompetenz an der TU Wien. Studium der
Technischen Chemie, Promotion im Fach Wissenschaftssoziologie. Aktuell u.a. Koordinatorin
des H2020 Projektes „GEECCO – Gender Equality in Engineering through Communication and
Commitment“ und des SDG 5 im Projekt UniNeTZ – Universitäten und Nachhaltige
Entwicklungsziele.

Sauer, Arn

Ambitionierter Klimaschutz braucht Genderperspektiven.               Neue    Perspektiven    in
Folgeabschätzungen in Klimaschutz und Klimaanpassung

Abstract

Die zunehmende Bedeutung von Geschlechterperspektiven für eine wirksamere Klimapolitik
ist im Pariser Klimaschutzabkommen und dessen Gender Action Plan abgebildet. Um diese
Beschlüsse auf nationaler Ebene umzusetzen, hat das UBA 2016-2019 ein Forschungsprojekt
zu interdependenten Genderaspekten im Klimaschutz in Auftrag gegeben. Seit 2020 liegt der
Abschlussbericht vor, in dem u.a. Genderdimensionen zur Untersuchung der strukturell
ungleichen Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern sowie ihrer Ausprägungen in
verschiedenen Lebensbereichen aus klimarelevanter Forschung abgeleitet wurden. Mit Hilfe
der Genderdimensionen können potenzielle Wirkungen von Maßnahmen auf die
Geschlechterverhältnisse identifiziert und klimapolitische Handlungsmöglichkeiten justiert
werden. Sie sind als analytische Kategorien in die Weiterentwicklung der
gleichstellungsorientierten Folgenabschätzung (Gender Impact Assessment - GIA)
eingeflossen. Das GIA-Instrument wurde auf Klimaanpassung und- schutz zugeschnitten
sowie um einen intersektionalen Gender+ Ansatz erweitert. In dem Vortrag stellt Arn Sauer
die klima-/praxisorientierte GIA-Arbeitshilfe vor und gibt Einblick in die Ergebnisse der
Testings. Zur Diskussion steht, inwiefern die neue GIA Arbeitshilfe dazu beitragen kann,
intersektionale Genderperspektiven stärker im Klimaschutz zu verankern, um diesen
ambitionierter, zielgruppenspezifischer und effektiver auszurichten.

Bio

Dr. phil. Arn Sauer arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Gender Mainstreaming bei
der Gleichstellungsbeauftragten des UBA. Er hat zu Instrumenten der
gleichstellungsorientierten Folgenabschätzung am Zentrum für transdisziplinäre
Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert.

Wroblewski, Angela:

Evaluation der Genderdimension im Kontext der SDGs: zwischen Datenverfügbarkeit und
politischer Ambition

Abstract

Die Berücksichtigung der Geschlechter-Dimension im Kontext von Evaluationen ist generell
durch das Spannungsfeld zwischen theoretischem bzw. politischem Anspruch und
Datenverfügbarkeit geprägt. Auch wenn in der Konzeption von Politiken auf ein
intersektionales oder non-binary Verständnis von Geschlecht abgestellt wird, wird in
verfügbaren Datengrundlagen häufig nur zwischen Frauen und Männern unterschieden. Vor
allem wenn es darum geht, geschlechterbezogene Wirkungen zu erfassen, wird auf ein
dichotomes Verständnis von Geschlecht abgestellt. Da Wirkungsindikatoren häufig auch als
Steuerungsinstrumente herangezogen werden, wirkt sich dies auch auf die Umsetzung von
Politiken aus. Der Beitrag beschreibt das Spannungsfeld anhand konkreter Beispiele und
plädiert für eine verstärke Evaluation der Wirkungsmechanismen anstelle der Wirkungen, um
die Geschlechter-Dimension adäquat abbilden zu können und aussagekräftige Ergebnisse zu
erhalten.
Bio

Dr.in Angela Wroblewski ist Senior Researcher am Institut für höhere Studien, Wien. Ihr
Arbeitsschwerpunkt ist die Evaluation von Gleichstellungspolitiken in Wissenschaft und
Forschung auf institutioneller und nationaler Ebene wie auch im internationalen Vergleich. In
diesem Kontext setzt sie sich mit der Entwicklung von Indikatoren und der Nutzung von
Indikatoren als Steuerungsinstrument von Gleichstellungspolitik auseinander.
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