DIGITALE INKLUSION - Arbeiterkammer Wien

Die Seite wird erstellt Stephan Kretschmer
 
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Juni 2021

                             DIGITALE INKLUSION
                             n Der Zugang zu Internet und zuverlässiger Hardware ist ungleich verteilt. Hohe Anforderungen an
                               Nutzer*innen und fehlende Basisbildung führen zu digitaler Scheu unter marginalisierten Gruppen.
                             n Digitale Ungleichheit spaltet sich auf in den „First Digital Divide“ mit fehlendem Zugang zu Infra-
                               struktur und den „Second Digital Divide“ mit Bezug zu Nutzungs- und Anwendungskompetenzen.
                             n Grundlegend für Inklusion sind die Infrastruktur für Informations- und Kommunikationstechnik (IKT),
                               Zeit und Raum, aktive Unterstützungsangebote sowie Aufbau und Nutzer*innenorientierung.

  AUF EINEN BLICK            Kommunikation, soziale Kontakte, Konsum,              besonders häufig von Exklusion im digitalen
                             Erwerbsarbeit – Digitalisierung findet in fast        Bereich betroffen, dazu zählen insbesondere
   Digitale Kompetenzen
                             allen Lebensbereichen statt. Die Pandemie             Ältere (65+), Menschen mit niedriger formaler
und eine entsprechende
  Geräteausstattung gel-     hat 2020 und 2021 diese Entwicklungen be-             Bildung sowie Haushalte mit geringem Ein-
      ten mittlerweile als   schleunigt. Für die Gesellschaft bringt das           kommen. Ebenfalls eine Rolle spielt die Art
Grundvoraussetzung zur       vielfältige Inklusionschancen, aber auch neue         des Internetzugangs: Menschen, die das In-
    Teilhabe am sozialen,    Exklusionsgefahren mit sich. Eigenständige            ternet nur auf ihrem Mobiltelefon nutzen (kön-
  politischen und berufli-   und selbstbewusste Internetnutzung sowie              nen), weisen geringere digitale Teilhabe auf als
   chen Leben. Um diese
                             der Besitz der notwendigen Hardware sind zur          alle anderen Gruppen (Thomas et al. 2019).
   Teilhabe auch allen zu
ermöglichen, braucht es      Voraussetzung von sozialer, politischer und
 Zugang zu entscheiden-      beruflicher Teilhabe geworden. Das bedeutet           Aktuelle Studien belegen diese Zusammen-
  den Informationen und      im Umkehrschluss, dass viele Menschen von             hänge auch für Österreich: Beispielsweise
 Kompetenzen, Räumen,        diesen Teilhabemöglichkeiten ausgeschlos-             haben zwar nur 8 Prozent der Bevölkerung
 Bildungsangeboten und       sen sind, weil sie nicht über die notwendigen         über 16 Jahre noch nie das Internet benutzt,
      auch nutzer*innen-
                             Fähigkeiten oder nicht über eine ausreichende         aber bei älteren Menschen und Frauen ist die-
              freundliche
           Anwendungen.      Infrastruktur verfügen. Manche Gruppen sind           ser Anteil deutlich höher: Fast 40 Prozent der
                                                                                   Frauen über 65 Jahren nutzen das Internet
                             AutorInnen: Christian Berger(AK Wien), Elisabeth      nicht. Während der Corona-Pandemie funkti-
                             Lechner (AK Wien), Clara Moder (arbeit plus)          oniert gesellschaftliche Teilhabe bzw. Kri- 
Seite 2 | Digitale Inklusion

                          senbewältigung über weite Strecken digital                  Menschen, die das Internet nur auf
                          (Schöggl und Berger 2021). Dementspre-                      ihrem Mobiltelefon nutzen (können),
                          chend ist digitale Teilhabe für alle Menschen               weisen geringere digitale Teilhabe auf
                          wesentlich, doch auch in Österreich entwi-                  als alle anderen Gruppen.
                          ckeln sich etwa digitale Kompetenzen un-
                          gleich entlang der Dimensionen soziale Her-         vs. Land/Globaler Norden vs. Globaler
                          kunft, Geschlecht und stereotyper Rollen            Süden), Bildung, sozioökonomischer Status
                          ­(Zilian & Zilian 2020).                            sowie Behinderung (Rudolph 2019, 152-170).
                                                                              Da sich ein binäres Verständnis von Zugang
                          „Digitale Inklusion“ – was ist das?                 zum Internet als online oder offline über die
                          Der Begriffslogik entsprechend versteht sich        Jahre nicht mehr als produktiv erwiesen hat,
                          Inklusion als Antwort auf Exklusion, also eine      wird in der Forschung nun von einem „Zu-
                          Antwort auf den Ausschluss von Individuen           gangsregenbogen“ gesprochen, der „Zugang
                          oder Gruppen von deren Teilhabe am Leben,           und Nutzung des Internets als mehrdimensio-
                          analog wie digital. In einer immer stärker digi-    nal konzipiert und damit verschieden gela-
                          talisierten Gesellschaft bedeutet der Aus-          gerte Barrieren hervorhebt“ (Rudolph 2019,
                          schluss vom Digitalen weniger Möglichkeiten         131). Aus der binären „Digital Divide“ wurde
  Benachteiligungen       zur politischen und demokratischen Teilhabe,        auch im deutschsprachigem Raum digitale
ergeben sich anhand       schwierigere oder in manchen Fällen unmög-          Ungleichheit.
   Geschlecht, Alter,     liche bürokratische Wege und schlechtere
Ethnizität, regionale     Chancen am Arbeitsmarkt.                            Das Konzept Digital Inequality adressiert
  Herkunft, Bildung,                                                          dementsprechend in fünf Ungleichheitsdi-
 sozioökonomischer        Benachteiligungen ergeben sich anhand fol-          mensionen:
        Status sowie      gender Merkmale: Geschlecht, Alter/Genera-
       Behinderung.       tion, Race/Ethnizität, regionale Herkunft (Stadt    1. neben technischen Zugangsdebatten            

      Wer sind die Offliner?
      Wer in Österreich das Internet nicht nutzt

                                       Internetnutzer                                               Offliner
      100                                                                             100

      80                                                                              80

                90 %
                                                                                                                                  Quelle: Statistik Austria, IKT-Einsatz in Haushalten 2020

      60                    80 %                                                      60
                                                         90 %      80 %
                                                          mit      ohne
      40                                                Matura    Matura              40
                                                                                                25 %       45 %
                                                                                                          über 70
      20                                                                              20       60-69       Jahre
                                                                                               Jahre

        Internetnutzung nach Geschlecht      Internetnutzung nach Bildungsabschluss       Internetnutzung nach Alter
        90 % der Männer, aber nur 80 % der     90 % mit Matura und 80 % ohne Matura   25 % der 60- bis 69-Jährigen und 45 %
            Frauen nutzen das Internet.                 nutzen das Internet.            der über 70-Jährigen sind Offliner.
Seite 3 | Digitale Inklusion

                      2. auch Fragen nach räumlichen Möglichkei-                           Die Fähigkeiten das Internet „­ sinnvoll“
                      ten, Kontrollmechanismen und Überwachung                             zu nutzen, führt auch zu Kostennach­
                                                                                           teilen, da Preisvergleiche viel schwieri­
                      3. sowie nach den unterschiedlichen „Fähig-                          ger oder gar nicht möglich sind.
                      keiten das Internet und internetbasierte
                      Dienste sinnvoll zu verwenden“ (Rudolph                     verbessern, dienen andere nur der Erholung
                      2019, 138). Letzteres Feld lässt sich wohl am               und Entspannung.
                      besten mit den Begriffen „digitale Kompeten-
                      zen“ und „Medienkompetenz“ fassen. Zu den                   Zusammenfassend stellt Rudolph (2019, 151)
                      Auswirkungen dieser Dimension könnte man                    fest: „Vielfach gilt dabei, dass sich insbeson-
                      auch Kostennachteile von Nicht-Internet-Nut-                dere Ungleichheiten bezüglich der ,First Digi-
                      zer*innen zählen, die sich daraus ergeben,                  tal Divide‘ im zeitlichen Verlauf mit der Durch-
                      dass Preisvergleiche offline viel schwieriger/              setzung der digitalen Medien verringert haben,
                      nicht möglich sind (Eichmann et al. 2019, 110-              jedoch mit Blick auf die ,Second Digital Divide‘
                      113).                                                       weiterhin Ungleichheiten in der Internetnut-
                                                                                  zung vorhanden sind.“ Im Sinne eines inter-
                      4. Eine vierte Dimension beleuchtet „Un-                    sektionalen Zugangs zu Inklusion ist es hier
                      gleichheiten hinsichtlich des spezifischen So-              wichtig festzuhalten, dass verschiedene Un-
                      zialkapitals, welches zur Unterstützung und                 gleichheit generierende Strukturen wie Sexis-
                      Erweiterung eigener Fähigkeiten aufgerufen                  mus, Rassismus, Behindertenfeindlichkeit,
                      werden kann“ (Rudolph 2019, 138), also                      migrantische Positioniertheit oder Klassismus
                      bspw. technische und emotionale Unterstüt-                  voneinander abhängig und sich gegenseitig
                      zung aus dem Familien- und Freundeskreis.                   beeinflussend verstanden werden müssen
                                                                                  (Peterlini und Donlic 2020, daraus besonders
                      5. In einer fünften und letzten Dimension wird              empfehlenswert Bojadžijev 15-28 und Fried-
                      auch die „unterschiedliche Verwendung des                   richs-Liesenkötter et al. 65-84).
                      Internets für verschiedene Zwecke“ (Rudolph
                      2019, 138) angesprochen. Während manche                     Problematischerweise wird unter dem Deck-
                      Verwendungsarten die eigene soziale Stellung                mantel der Inklusionsarbeit oder des   

                         BEST PRACTICE: NETZWERK SOZIALER ­UNTERNEHMEN ARBEIT PLUS
                         Soziale Unternehmen und die Sozialwirt-                   #diginclusion: Workshopreihe mit dem Ziel,
                         schaft nehmen eine zentrale Rolle ein, die                innovative Lösungen zur besseren Nutzung
                         Exklusionsgefahren durch die Digitalisierung              digitaler Angebote gemeinsam mit Nutzer*in-
                         für ihre Zielgruppen zu erkennen und diesen               nen zu entwickeln
                         entgegenzuwirken. Das Netzwerk sozialer
                                                                                   arbeitplus.at/diginclusion
                         ­Unternehmen arbeit plus nimmt diese Rolle
                          aktiv wahr und hat in den vergangenen
                                                                                   #digitour: Beratung und Unterstützung direkt
                          ­Jahren zwei Projekte rund um das Thema
                                                                                   an öffentlichen Orten in Wien per Info-Bus
                           digitale Exklusion und Förderung digitaler
                           Kompetenzen durchgeführt:                               diginclusion.at

                         Die #digitour wurde mit Unterstützung des Digitalisierungsfonds
                         Arbeit 4.0 der AK Wien ermöglicht.
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                            Diversity Management manchmal versucht,                     Normkritische Inklusion ist nicht
                            Menschen zwecks Effizienzsteigerung und                     Selbstzweck oder Business-Chance,
                            Profitmaximierung durch Inklusion in vorgefer-              sondern Modell für gesellschaftliche
                            tigte Normkategorien zu pressen. Carola Kuh-                Teilhabe mit tiefgreifendem Ver­
                            lmann meint: „Ob Inklusion als Chance oder                  änderungspotenzial.
                            Gefahr zu sehen ist, hängt […] im Wesentli-
                            chen davon ab, in welches System und unter
                            welchen Bedingungen ein Mensch ,inkludiert‘         einen Beitrag dazu leisten, diese günstigen
                            wird“ (Kuhlmann 2012, 52). Die Autor*innen          Umstände herbeizuführen.
                            dieses Papers verfolgen einen kämpferischen,
                            norm­kritischen (Christensen 2021) Inklusions-      Grundvoraussetzungen für Digitale Inklusion
                            gedanken: Marginalisierten Menschen(grup-
                            pen) sollte strukturell die Teilhabe an allen ge-   n Gute Internetverbindung und Geräte
                            sellschaftlichen Prozessen ermöglicht wer-             (Technische Infrastruktur)
                            den, damit eben diese Normen brüchig und            Für digitale Teilhabe braucht es eine stabile
                            unsere Gesellschaften generell inklusiver           Internetverbindung und die notwendige tech-
                            werden. Normen sind nämlich nur so „nor-            nische Infrastruktur bzw. geeignete Endge-
                            mal“, stabil und unveränderlich wie die Men-        räte. Doch diese Grundvoraussetzungen sind
                            schen, die sie tagtäglich aufs Neue erschaffen      oftmals nicht erfüllt, wie auch die Erfahrungen
                            und verfestigen. Normkritische Inklusion ist        in der Corona-Pandemie sehr deutlich gezeigt
                            damit nicht Selbstzweck oder Busi-                  haben. Viele Menschen aus der Zielgruppe
                            ness-Chance, sondern Modell für gesell-             der Sozialen Unternehmen waren – gerade im
                            schaftliche Teilhabe mit tiefgreifendem Verän-      ersten Lockdown – nicht mehr erreichbar.
                            derungspotenzial.                                   Kurzfristige Lösungsansätze dafür waren tele-
                                                                                fonischer Kontakt oder auch das Übermitteln
     Abseits vom techni­    Was braucht es also, um in der digitalen Welt       von Lernunterlagen per Post. Die Situation hat
      schen Zugang zum      teilhaben zu können? Wir leben in einer Infor-      allerdings verdeutlicht, dass der „First Digital
     Internet braucht es    mationsgesellschaft, in der Informationen,          Divide“ weiterhin besteht und es nachhaltige
     auch individuell auf   Wissen und Kompetenzen zunehmend als er-            Lösungsansätze braucht.
     die Bedürfnisse der    strebenswertes soziales Gut gelten. Abseits
User*innen abgestimm­       vom technischen Zugang zum Internet                 n Digitales Lernen braucht Raum
 te Fortbildungsmodelle     braucht es auch individuell auf die Bedürf-           ­(Räumliche Infrastruktur)
 zur Erlangung digitaler    nisse der User*innen abgestimmte Fortbil-           Digitales Lernen, das Ausprobieren von neuen
          Kompetenzen.      dungsmodelle zur Erlangung digitaler Kompe-         Tools und das Erwerben von Grundkompeten-
                            tenzen. Diese müssen wirklich allen zugäng-         zen sind zeitintensiv und brauchen Ruhe und
                            lich sein. Der technische Fortschritt alleine er-   Unterstützung. Vielen Menschen aus margina-
                            möglich noch nicht den Zugang zu entschei-          lisierten Gruppen fehlt aber genau das: Sie
                            denden Informationen und Kompetenzen.               sind mit herausfordernden Lebenssituationen
                            „Ein zentrales Element der Herstellung von          aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Diskrimi-
                            Informationsgerechtigkeit ist die Schaffung         nierung konfrontiert, leben häufig in beengten
                            von Umständen, die die Mitglieder einer Ge-         Wohnverhältnissen und finden in ihrem Um-
                            sellschaft de facto in den Stand setzen, die        feld nicht die notwendige Unterstützung vor.
                            verfügbaren Güter für ihre (grundlegenden           Um trotzdem digitale Teilhabe zu ermöglichen,
                            Lebens-)Ziele zu nutzen“ (Schüller-Zwierlein &      braucht es daher ruhige, niederschwellig nutz-
                            Zillien 2013, 6). Es braucht dafür Rahmenbe-        bare Räume mit der entsprechenden techni-
                            dingungen und Vorgaben der Politik, aber            schen Infrastruktur. Viele Beratungseinrich-
                            auch NPOs und soziale Unternehmen können            tungen haben bereits einen „offenen Raum“
Seite 5 | Digitale Inklusion

                          für ihre Klient*innen etabliert, in dem diese sich   ist insofern problematisch, als Nutzer*innen
                          treffen und austauschen können. Eine Ergän-          nicht auf Alternativangebote ausweichen kön-
                          zung dieser Räume um technische und digi-            nen bzw. auf die erfolgreiche Anwendung der
                          tale Infrastruktur könnte Zutrittsbarrieren zu       Tools angewiesen sind. Notwendig wäre es
                          digitaler Teilhabe für benachteiligte Menschen       daher, ein „Backup“ einzubauen, beispiels-
                          vermindern.                                          weise durch einen telefonischen Support, falls
                                                                               Nutzer*innen es über den digitalen Weg nicht
                          n Digitales Lernen braucht Unterstützung             schaffen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die
                          Eine wesentliche Voraussetzung für gelin-            sprachliche Anpassung an die Zielgruppe. So-
                          gende digitale Teilhabe ist schnelle, nieder-        ziale Unternehmen können hier unterstützen
                          schwellige und professionelle Hilfe. Oft sind es     und mit Vorzeigebeispielen vorangehen, bei-
                          leicht lösbare Probleme, die Menschen frust-         spielsweise wien work oder atempo.
                          rieren und demotivieren, es weiter zu versu-
                          chen – ein übersehenes Feld beim Ausfüllen           n Digitale Inklusion verändert
                          eines Fragebogens, eine schwer navigierbare            Organisationen
                          Website, ein fehlender Anschluss am Gerät.           Digitale Inklusion erfordert auch neue Pro-
                          Manche Soziale Unternehmen bieten bereits            zesse und Strukturen innerhalb von Organisa-
                          solche Hilfestellungen für Privatpersonen an,        tionen. Das gilt nicht nur für die Sozialen Un-
                          beispielsweise 4everyoung in Kärnten.                ternehmen und die Sozialwirtschaft, sondern
                                                                               insbesondere auch für die öffentliche Verwal-
     Viele Klient*innen   n Digitale Kompetenzen sind vielfältig               tung. Diese hat ihre Entscheidungsprozesse
haben wichtige digitale   Viele Klient*innen haben wichtige digitale           und Rahmenbedingungen in der Corona-­
   Kompetenzen, wenn      Kompetenzen, wenn es um die Nutzung von              Pandemie teilweise erst zeitverzögert ange-
    es um die Nutzung     Apps wie TikTok oder willhaben.at geht, kön-         passt. Die Digitalisierung erfordert aber flexib-
   von Apps wie TikTok    nen diese aber nicht auf andere, etwa arbeits-       lere Strukturen und leichtere Anpassung an
     oder willhaben.at    relevante Anwendungen übertragen, wie zum            neue Gegebenheiten.
    geht, kön­nen diese   Beispiel eAMS. Hier ist nicht nur gezielte Un-
 aber nicht auf andere,   terstützung, sondern auch Wertschätzung der          Digital braucht analog
 etwa arbeits­relevante   bereits vorhandenen Kompetenzen wesent-              Digitales Lernen braucht analoges Zusam-
     Anwendungen wie      lich. Für die Vermittlung digitaler Kompetenzen      mensein. Es ist nicht möglich, digitale Grund-
    zum Beispiel eAMS     ist zudem eine praxisorientierte Einordnung          kompetenzen nur digital zu vermitteln.
           übertragen.    von unbedingt notwendigen Basiskompeten-             Gleichzeitig können Prozesse mithilfe von
                          zen (z.B. Anlegen einer E-Mail-Adresse) und          Online-Tools besser und flexibler gestaltet
                          weiteren, berufsspezifischen Kompetenzen             und die Möglichkeiten der Digitalisierung für
                          hilfreich.                                           Inklusion genutzt werden. Dafür ist es not-
                                                                               wendig, die Nutzer*innen in die Entwicklung
                          n Digitale Tools müssen nutzer*innen-                von Lösungen als Expert*innen einzubinden.
                            freundlich sein                                    Die Chancen der Digitalisierung sind enorm:
                          In der öffentlichen Verwaltung ist die Digitali-     Sie erleichtert Amtswege, ermöglicht neue
                          sierung noch nicht so weit fortgeschritten wie       Formen der politischen Partizipation und eine
                          in anderen Bereichen. Dementsprechend set-           Neuorganisation der Erwerbsarbeitswelt.
                          zen die dort eingesetzten digitalen Tools oft        Umso wichtiger ist es, sie aktiv und im Sinne
                          viel Wissen voraus, sind wenig intuitiv und          von allen Menschen zu gestalten, zugänglich
                          insgesamt wenig nutzer*innenfreundlich. Das          und nutzbar zu machen.                     o

                                                                                                                             
Seite 6 | Digitale Inklusion

                      EMPFEHLUNGEN
                      Digitalisierung bietet viele Chancen für die      Internetnutzung und der Umgang mit
                      Beseitigung von Exklusionsmechanismen.            digitalen Lernplattformen und Tools im
                      Für eine praktische Wirksamkeit braucht es        Aus- und Weiterbildungsbereich zentral.
                      Gestaltung in folgenden Bereichen:                Jetzt hat sich Lernen vielfach als Ganzes
                                                                        in den digitalen Raum verlagert. Für
                       Erwerbsarbeit und Arbeitsmarktintegra-          den Umgang braucht es jedoch analoge
                        tion: Digitalisierung bringt neue Möglich-      Vorarbeiten und Unterstützung. Hier
                        keiten, aber auch neue Zugangshürden zu         besteht Investitionsbedarf. Die Arbei-
                        Erwerbsarbeit; neue Anforderungen an die        terkammer schlägt etwa eine gerechte
                        Arbeitenden (ortsunabhängiges Arbeiten,         Schulfinanzierung nach AK Chancenindex
                        Entgrenzung und „Selbst-Management”,            sowie konkret eine Ausweitung des ange-
                        Notwendigkeit zur ständigen Weiterbil-          kündigten Chancenindex-Pilotprojektes
                        dung und Adaption neuer Technologien),          der Bundesregierung auf mind. 500
                        das ist gerade für Menschen mit geringer        Schulen mit transparenter Schulauswahl
                        formaler Bildung oder Ältere eine große         als Corona-­Soforthilfe vor.
                        Herausforderung. Hier braucht es sozial       Strukturwandel und Transfer: Durch wirt-
                        und digital inklusive Rahmenbedingungen        schaftliche und technologische Entwick-
                        und Förderprogramme.                           lungen ergeben sich permanent Ab- und
                                                                       Aufwertungen von bestehenden Qualifi-
                       Öffentliche Dienstleistungen und Amts-
                                                                       kationen und Fähigkeiten. Wirtschafts-,
                        wege: Die Digitalisierung der öffentlichen
                                                                       Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik stehen
                        Verwaltung braucht einen ko-kreativen
                                                                       vor der Herausforderung, niederschwellige
                        Prozess mit Einbindung aller relevanten
                                                                       Zugänge zu Ausbildungs-, Qualifizierungs-,
                        Zielgruppen und Betroffenen. Dieser
                                                                       und Schulungsmaßnahmen zu schaffen.
                        Prozess muss begleitet von laufenden
                                                                       Zum größtmöglichen Nutzen von Beschäf-
                        Evaluierungen und norm­kritischen
                                                                       tigten, Arbeitslosen und benachteiligten
                        Anpassungen stattfinden.
                                                                       Gruppen müssen Antidiskriminierung und
                       Aus- und Weiterbildung: Bereits vor der        Inklusion in diesen Transferprozessen
                        Corona-Pandemie waren eigenständige            leitende Prinzipien sein..

                                                                                                                
Seite 7 | Digitale Inklusion

                      Weiterführende Literatur und Links

                      Bojadžijev, Manuela (2020): Migration und Digitalisierung: Umrisse eines emergenten Forschungsfeldes. In: Peterlini,
                      Hans Karl/Donlic, Jasmin (Hg.), Jahrbuch Migration und Gesellschaft 2019/2020. Schwerpunkt „Digitale Medien“.
                      Transcript Verlag, S. 15-28.
                      Christensen, Jannick Friis (2021): Weird Way of Normalizing. Queering Diversity Research through Norm Critique. In:
                      Nørholm, Just Sine/Risberg, Annette und Florence Villesèche (Hg.), The Routledge Companion to Organizational
                      Diversity Research Methods. Routledge, S. 59-72.
                      Clement, Andrew/Shade, Leslie R. (2000): The Access Rainbow: Conceptualizing Universal Access to the Information/
                      Communications Infrastructure. In: Gurstein, Michael (Hg.), Community Informatics. Enabling Communities with
                      Information and Communications Technologies. IGI Publishing, S. 32–51.
                      DiMaggio, Paul/Hargittai, Eszter (2001): From the ›Digital Divide‹ to ›Digital Inequality‹. Studying Internet Use as
                      Penetration Increases. Center for Arts and Cultural Policy Studies. Working Paper Nr 15. Princeton UP.
                      Eichmann, Hubert/Schönauer, Annika/Schörpf, Philip und Jatic Ademir (2019): Soziale Risiken von
                      Digitalisierungsprozessen. Trendanalysen im Erwerbs- und Privatleben mit Fokus auf Wien. FORBA Forschungs- und
                      Beratungsstelle Arbeitswelt. Standpunkte Nr. 30.
                      Friedrichs-Liesenkötter, Henrike/Hüttmann, Jana und Freya-Maria Müller (2020): Teilhabe von geflüchteten
                      Jugendlichen im Kontext digitaler Medien. In: Peterlini, Hans Karl/Donlic, Jasmin (Hg.), Jahrbuch Migration und
                      Gesellschaft 2019/2020. Schwerpunkt„Digitale Medien". Transcript Verlag, S. 65-84.
                      Hargittai, Eszter (2002): Second-Level Digital Divide: Differences in People’s Online Skills. First Monday Vol. 7, No. 4.
                      Kuhlmann, Carola (2012): Der Begriff der Inklusion im Armuts- und Menschenrechtsdiskurs der Theorien Sozialer
                      Arbeit – eine historisch-kritische Annäherung. In: Balz, Hans-Jürgen/Benz, Benjamin und Carola Kuhlmann (Hg.),
                      Soziale Inklusion. Grundlagen, Strategien und Projekte in der sozialen Arbeit. Springer VS, S. 35-57.
                      Norris, Pippa (2001): Digital Divide. Civic Engagement, Information Poverty, and the Internet Worldwide.
                      Cambridge UP.
                      Peterlini, Hans Karl/Donlic, Jasmin (Hg.) (2020): Jahrbuch Migration und Gesellschaft 2019/2020.
                      Schwerpunkt„Digitale Medien“. Transcript Verlag.
                      Rudolph, Steffen (2019): Digitale Medien, Partizipation und Ungleichheit. Eine Studie zum sozialen Gebrauch des
                      Internets. Springer VS.
                      Schöggl, Astrid/Berger, Christian (2021): Digitaler Wandel darf nicht zu digitaler Krise werden. Arbeit & Wirtschaft-
                      Blog. Online: https://awblog.at/digitaler-wandel-darf-nicht-zu-digitaler-krise-werden/ (Zugriff: 2.3.2021).
                      Schüller-Zwierlein, André und Nicole Zillien (2013): Informationsgerechtigkeit. Theorie und Praxis der
                      gesellschaftlichen Informationsversorgung. De Gruyter.
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                      Thomas, Julian/Barraket, Jo/Wilson, Chris K./Rennie, Ellie/Ewing, Scott/MacDonald, Trent. (2019). Measuring
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                      the-index-report/report/ (Zugriff: 2.3. 2021).
                      Zilian, Stella/Zilian, Laura (2020): Digitale Ungleichheit in Österreich. Arbeit & Wirtschaft-Blog. Online: https://awblog.
                      at/digitale-ungleichheit-in-oesterreich/ (Zugriff: 2.3.2021).
                      Zilian, Stella/Zilian, Laura (2020): Digital Inequality in Austria: Empirical Evidence from the Survey of the
                      OECD„Programme for the International Assessment of Adult Competencies“. Technology in Society Vol. 63, S. 1-14.

                      IMPRESSUM:
                      Herausgeberin und Medieninhaberin Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, 1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22 · Redaktion Büro für Digitale
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                      ort Wien · Offenlegung gem § 25 des Mediengesetzes siehe wien.arbeiterkammer.at/offenlegung · Blattlinie: Die Meinungen der AutorInnen
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