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GESA HEINBACH, SUSAN PULHAM, ROLAND BRÜNKEN · 45

Von der Kooperation zur kooperativen Praxis
Der Entwicklungsprozess eines hochschulübergreifenden
Weiterbildungszentrums im Saarland
GESA HEINBACH
SUSAN PULHAM
ROLAND BRÜNKEN

    Kurz zusammengefasst …                                                  Mit zunehmender Geschwindigkeit wird die Etablierung der
                                                                            wissenschaftlichen Weiterbildung in einer eigenen Struktur
    Die Einrichtung eines Zentrums für die wissenschaftliche                realisiert. Die Phase der kulturellen Integration hat begon-
    Weiterbildung im Saarland, wird als hochschulübergreifen-               nen, deren Ziel „eine organisationsweite Akzeptanz“ (ebd., S.
    de Kooperation zwischen der Universität des Saarlandes und              27) der wissenschaftlichen Weiterbildung darstellt. Parallel
    der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes                dazu wird die Etablierungsphase vorbereitet, an deren Ende
    realisiert. Ausgehend von Empfehlungen des Wissenschaftsra-             die „gefestigte Organisationsform“ als anerkannter Bestand-
    tes und politischen Entscheidungen wird im laufenden Grün-              teil der Hochschulstrategie (ebd.) stehen soll.1
    dungsprozess sichtbar, wie diese Rahmenbedingungen mit der
    konkreten Zusammenarbeit der beteiligten Akteure vor Ort                Hochschulübergreifende Kooperationen sind immer auf-
    zusammenwirken. Die spezifischen Voraussetzungen eines                  wändig und ressourcenintensiv, weil viele Akteur*innen da-
    kleinen Flächenlandes sind dabei genauso zu beachten, wie               bei berücksichtigt werden müssen und der Wille zur Zusam-
    die unterschiedlichen Startvoraussetzungen der Partner, die             menarbeit sehr ausgeprägt sein muss, um erfolgreich zu sein.
    institutionellen Veränderungsnotwendigkeiten und schließ-               Warum also solch ein Zusammenschluss? Unter welchen Vor-
    lich die persönliche Ebene vertrauensvoller Zusammenarbeit              aussetzungen und für welche strategischen Ziele lohnt es sich,
    im Prozess. Die Einrichtung des CEC Saar wird als Entwick-              eine Weiterbildungskooperation zwischen zwei Hochschu-
    lung auf all diesen Ebenen beschrieben, die Schwierigkeiten             len in der gleichen Region aber mit sehr unterschiedlichen
    und die positiven Erfahrungen dargestellt.                              Profilen einzugehen?

                                                                            Der vorliegende Text beschreibt die gemeinsamen Ziele die-
Einleitung                                                                  ser Partnerschaft, die spezifischen Rahmenbedingungen,
Im Saarland etabliert sich derzeit eine Einrichtung der                     die Engstellen in der Praxis und schließlich die gemeinsa-
wissenschaftlichen Weiterbildung, deren Ziel es ist, wei-                   men Erkenntnisse, wie die Kooperation gelingen kann.
terbildende Studienangebote hochschulübergreifend zu or-
ganisieren. Als gemeinsame Einrichtung der Universität
des Saarlandes (UdS) und der Hochschule für Technik und                     Der Kooperationsbeginn: gemeinsame Ziele
Wirtschaft des Saarlandes (htw saar) wurde Ende 2016 per                    Die Initiative zur Einrichtung des CEC Saar entstand aus
Kooperationsvertrag, das Continuing Education Center Saar                   drei wichtigen Impulsen: (1) Von außen wurde diese Idee
(CEC Saar) auf den Weg gebracht. Heute arbeitet es mit zwei                 an die saarländischen Hochschulen herangetragen, als der
Standbeinen, jeweils eingebunden in die Prozesse und Vorga-                 Wissenschaftsrat 2014 eine landesweite Konzeption für die
ben der einen oder der anderen Hochschule und verbunden                     wissenschaftliche Weiterbildung empfahl. (2) Seitens der
über gemeinsame Arbeitsgruppen und einen Beirat. Das                        Politik wurde diese Empfehlung aufgegriffen und das Ziel
CEC Saar befindet sich somit am Ende der Strukturaufbau-                    betont, wissenschaftliche Weiterbildung als Kernaufgabe
Phase (Feld & Südekum, 2019).                                               der Hochschulen zu begreifen und auszubauen. (3) Die UdS

1
     Insofern zeigt der Praxisfall im Saarland, dass die Vermutung von Feld und Südekum, die benannten Phasen würden sich „zugunsten der notwendigen
     Strukturflexibilität überlagern und wiederholen“ (ebd., S. 30) durchaus zutrifft.

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und die htw saar selbst entwickelten ein Interesse an neuen                  die einen formalen Abschluss nachholen möchten. Zwei-
Tätigkeitsfeldern durch das weiterbildende Studium.                          tens sind Berufstätige ohne formale Hochschulzugangsbe-
                                                                             rechtigung als Zielgruppe definiert worden, die z.B. für den
In diesem Dreieck aus unterschiedlichen strategischen und                    nächsten Karriereschritt einen Hochschulabschluss benö-
politischen Interessen am Ausbau der saarländischen Hoch-                    tigen. Ihre Zugangsmöglichkeiten waren im erst kürzlich
schulen zu Playern auf dem Weiterbildungsmarkt, entstand                     aktualisierten saarländischen Hochschulgesetz (§ 61) präzise
eine Konstellation, in der es allen Akteur*innen für ihre                    geregelt und werden bereits umgesetzt. Und drittens werden
jeweiligen Ziele nützlich erschien, ein gemeinsames Weiter-                  Studienangebote entwickelt oder bereits angeboten, die sich
bildungszentrum aufzubauen. Da die beiden beteiligten                        explizit am Bedarf der Wirtschaft bzw. der öffentlichen Da-
Hochschulen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen                       seinsvorsorge orientieren, um das Angebot an Arbeitskräften
starteten, war von Beginn an klar, dass die Zusammenarbeit                   für das Saarland weiterzuentwickeln. Dazu gehören gleicher-
ein langer Weg sein würde – gleichzeitig aber auch, dass man                 maßen Angebote für Selbstständige wie auch für frühkind-
voneinander würde profitieren können. Gerahmt wurde und                      liche Pädagogik oder das Gesundheitswesen. Mit diesem
wird dieser Weg von den Anforderungen des Landes, die in                     Zielgruppenfokus entspricht das CEC Saar im Wesentlichen
den Zielvereinbarungen mit den Hochschulen ausformuliert                     der Ausrichtung von wissenschaftlicher Weiterbildung in
sind.                                                                        Deutschland (Schwikal & Neureuther, 2020).

Zwischen 2014 und 2016 hatte auf Landesebene in mehreren                     Auch über die Formatvielfalt der Weiterbildungsangebote
Arbeitsgruppen eine Auswertung der Empfehlungen des                          gab es keine Differenzen: sowohl Bachelor- als auch Mas-
Wissenschaftsrates stattgefunden – u.a. auch für den Weiter-                 terstudiengänge, als auch Zertifikate wurden und werden
bildungsbereich. Auf den Vorarbeiten dieser Arbeitsgruppe                    angeboten.2 Die Einrichtung von Zertifikaten, wie sie der
beruhend, wurde 2016 ein Kooperationsvertrag zwischen                        Wissenschaftsrat empfiehlt (2019, S. 75), hatte zum Grün-
Universität und Hochschule geschlossen, mit dem das CEC                      dungszeitpunkt des CEC Saar in beiden Hochschulen schon
Saar entstand. Es steht unter der gemeinsamen Verantwor-                     begonnen und wird inzwischen verstärkt verfolgt. Die damit
tung der Präsidenten von UdS und htw saar. Es wird auf ope-                  verbundenen Vor- und Nachteile werden zwischen der UdS
rativer Ebene gemeinsam von je einer wissenschaftlich lei-                   und der htw saar ebenso kritisch diskutiert, wie in der Er-
tenden Person aus beiden Hochschulen geführt. Allerdings                     wachsenenbildung auch (Christmann, 2019).
ist das CEC Saar seit seiner Gründung weitgehend durch die
Kooperation zweier Institutionen definiert: Strukturen, Stu-                 Diese und weitere Übereinstimmungen erwiesen sich in der
diengänge, Personal und Finanzen sind bis heute in beiden                    alltäglichen Arbeit als solide Basis, die den Umgang mit Dif-
Hochschulen verankert und noch nicht zusammengeführt.                        ferenzen und praktischen Hürden deutlich erleichterte.

Davon unabhängig – und in gewisser Weise auch entlastet von
dem Anspruch, eine gemeinsame Einrichtung in kurzer Zeit                     Stakeholder: die Rahmenbedingungen
zu realisieren – begann die gemeinsame Arbeit. Der Koope-                    nutzbar machen
rationsvertrag wurde durch eine Geschäftsordnung ergänzt,                    Das Saarland bietet die Chance zu kurzen Wegen, die zwi-
die etwa die Einrichtung des CEC-Saar-Beirats vorsah. Die                    schen der Politik, den Hochschulen und verschiedenen Ar-
Zusammenarbeit im Weiterbildungsbereich von Universität                      beitgebern bestehen – ebenso aber auch zwischen den am CEC
und Hochschule wurde in gemeinsamen Präsidiumssitzun-                        Saar beteiligten Hochschulen selbst. Somit können Bedarfe
gen gestärkt. Hier wurde an vielfältige andere Kooperationen                 und Probleme schnell artikuliert und weitergegeben werden,
angeknüpft, die die beiden Hochschulen seit langem verbin-                   um dem Bildungsauftrag des Landes nachzukommen, den
den. Die wissenschaftlichen Leitungen der zwei CEC-Stand-                    die Hochschulen erfüllen sollen. Eine bereits bestehende
beine richteten einen gemeinsamen Jour Fixe ein, um mit                      gute Vernetzung der Hochschulen mit vielen Akteur*innen
ihren Mitarbeiterinnen die praktische Arbeit zu beginnen.                    des Arbeitsmarktes kann für die Weiterentwicklung des Wei-
                                                                             terbildungsbereichs genutzt werden. Das CEC Saar sichert die
 Über die Zielgruppen der wissenschaftlichen Weiterbildung                   wissenschaftliche Qualität seiner Angebote dadurch, dass
 bestand dabei Einigkeit: einerseits sollen Zielgruppen er-                  deren enge Anbindung an die Fakultäten sehr hohe Priorität
 schlossen werden, die bereits Studienerfahrung haben und                    genießt. Gleichzeitig ist offen, wie stark es sich den Bedarfen
 nach Unterbrechungen der Erwerbsbiografie ihr Wissen ak-                    des Arbeitsmarktes explizit zuwendet, bzw. wo genau sich die
 tualisieren oder neue Schwerpunkte hinzugewinnen wollen                     Balance zwischen einer angebots- und einer nachfrageorien-
– Berufsrückkehrer*innen etwa nach einer Familienphase                       tierten Entwicklung von Studiengängen und Zertifikaten
 oder Arbeitslosigkeit, aber auch Studienabbrecher*innen,                    einpendeln wird.

2
    Im Saarländischen Hochschulgesetzes (SHSG) wurde 2016 die Möglichkeit eines weiterbildenden Bachelors eingeführt (§61, Abs. 3). Das Saarland gehört
    damit neben Baden-Württemberg und Thüringen zu den wenigen Bundesländern, in denen nicht nur berufsintegrierte, sondern auch weiterbildende
    Bachelorstudiengänge überhaupt möglich sind.

                                             ZHWB · Zeitschrift Hochschule und Weiterbildung · 2021 (1)
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Innerhalb des Saarlandes sind die beiden Hochschulen, in-            strategische und inhaltliche „Entwicklungsstände“ (Feld &
zwischen auch das CEC Saar selbst, gut mit den relevanten In-        Südekum, 2019, S. 20) auf dem Weg zu einer stabil implemen-
stitutionen vernetzt. Der Bekanntheitsgrad und das Ansehen           tierten Weiterbildungseinrichtung berücksichtigt werden.
des CEC Saar sind bei diesen Akteur*innen schon sehr hoch,           Alle vier Ebenen – Struktur, Kultur, Strategie, Inhalte – sind
und auch einzelne kooperative Studiengänge mit externen              im Entwicklungsprozess miteinander verzahnt und müssen,
Partnern sind bereits etabliert. Die Herausforderung der Zu-         angesichts der vorliegenden Kooperationskonstellation, im-
kunft wird es sein, die Kooperationsbeziehungen und Prozes-          mer an drei Stellen beachtet werden: in der UdS, in der htw saar
se soweit zu verstetigen, dass eine fruchtbare und reibungslo-       und im CEC Saar.
se Zusammenarbeit mit den Praxispartnern möglich ist.
                                                                     Auf der strategischen Ebene wurde beispielsweise überein-
Gelingende Kooperationen sind voraussetzungsvoll hin-                stimmend entschieden, gemeinsame Studiengänge zu ent-
sichtlich „Abstimmung, Verstetigung, gemeinsame[r] Nut-              wickeln, also Weiterbildungsangebote zu schaffen, die in je
zengenerierung“ (Seitter et al., 2014, S. 35). Im Falle des CEC      einer Fakultät der beiden Hochschulen angebunden sind und
Saar betrifft dies sowohl den Umgang mit Dritten als auch            im gemeinsamen Weiterbildungszentrum verwaltet werden.
den Umgang zwischen den beiden beteiligten Hochschulen.              Obwohl dies von der Politik, den Hochschulleitungen und
Diese Doppelstruktur von Kooperationen bedarf einerseits             den Mitarbeiter*innen des Weiterbildungsbereichs gleicher-
einer guten Kommunikationsstrategie in der Einrichtung,              maßen gewünscht war, ist die Umsetzung eine große Heraus-
um einen gemeinsamen Wissenstand zu pflegen. Ebenso                  forderung – und zwar insbesondere auf der Struktur-Ebene,
bedeutsam aber wird es sein, einander Kontakte und Erfolge           durchaus aber auch hinsichtlich der Inhalte dieser Angebote.
zu gönnen und die Aktivitäten des jeweils anderen Partners
nicht misstrauisch zu betrachten.                                    Die unterschiedlichen Traditionen und Erfahrungen in der
                                                                     Zusammenarbeit mit Praxispartnern sind typisch für (Fach-)
Dies ist insbesondere dann schwierig, wenn nicht nur das             Hochschulen und Universitäten. In der Aufgabe, ein gemein-
CEC Saar als explizit gemeinsam geführte Einrichtung in Er-          sames Studienprogramm zu erstellen, wie es im CEC Saar
scheinung tritt, sondern beispielsweise einzelne Professuren         forciert wird, spiegelt sich dies auf Ebene der Curricula wider:
oder Untereinheiten der Hochschulen in Netzwerken aktiv              Die Vorstellungen darüber, wie nah ein Weiterbildungsange-
sind und die Bezüge zum gemeinsamen Weiterbildungsbe-                bot an der Wissenschaft und wie nah es an der Berufspraxis
reich übergehen. In großen Einrichtungen mit hoher Selbst-           sein muss, sind unterschiedlich. Der naheliegende Idealfall,
ständigkeit der dezentralen Einheiten (Fakultäten/Lehr-              beide Perspektiven würden sich ergänzen, ist zwar das er-
stühle) muss man solche Konstellationen erwarten, denn eine          klärte Ziel dieser Kooperationen, aber in der Realität funk-
zentrale Steuerung ist immer nur bedingt möglich (Böckel-            tioniert dies nur, wenn die konkret beteiligten Professuren
mann, 2017). Somit ist der Weiterbildungsbereich letztlich           sich darauf einlassen und die Kompetenzen der je anderen
darauf angewiesen, die kulturelle Ebene (Feld & Südekum,             Seite anerkennen können. Dazu gibt es in den Fächern unter-
2019) zu stärken – d.h. eine Akzeptanz der Weiterbildung in          schiedliche Traditionen und Erfahrungen – positive wie ne-
den Hochschulen zu erreichen, die es für alle Akteur*innen           gative Beispiele finden sich auch in der Zusammenarbeit von
erstrebenswert macht, sich positiv darauf zu beziehen.               htw saar und UdS. Für das neu entstehende Weiterbildungs-
                                                                     zentrum ist es daher wichtig, die ersten gemeinsamen Stu-
Wenn ein gemeinsamer Umgang mit Dritten gelingt, erzeugt             diengänge dort anzusiedeln, wo die Kooperation der beiden
dies Stärke (etwa in politischen Aushandlungsprozessen), Aner-       Hochschulen schon auf positive Erfahrungen miteinander
kennung (z.B. durch Arbeitgeber*innen in der Region) und kann        zurückgreifen kann und die beteiligten Akteur*innen Wei-
im Idealfall als Vorbild für andere Kooperationsfelder der betei-    terbildungserfahrungen mitbringen. So wird der neu zuge-
ligten Hochschulen dienen. Denn Kooperationen zum Ausbau             hende Schritt möglichst klein gehalten.
der wissenschaftlichen Weiterbildung unterstützen Hochschu-
len in ihrem Flexibilisierungsgrad (Sweers, 2020) und tragen da-     In der Entwicklung hochschulübergreifender Studiengänge
mit zur Hochschulentwicklung insgesamt bei. Voraussetzung            zeigt sich, wie eng die wissenschaftliche Weiterbildung mit
aber bleibt, dass das Selbstverständnis als gemeinsam agierende      der Struktur der jeweiligen „Mutterhochschule“ verbunden
Weiterbildungseinrichtung unter den Mitarbeiter*innen und            ist. Neue Studienangebote für die Weiterbildung zu etab-
der Leitung gepflegt wird, sodass Stresstests sowohl seitens der     lieren ist zunächst eine Herausforderung auf der Struk-
beteiligten Hochschulen wie auch durch externe Kooperations-         turebene. Im Falle eines gemeinsamen Angebots zweier
partner abgefedert werden können und nicht etwa neue Kon-            Hochschulen entsteht aber wiederum eine Verdopplung des
fliktfelder innerhalb der Einrichtung erzeugen.                      Problems, weil zwei unabhängig voneinander bestehende
                                                                     Hochschulen Strukturvorgaben machen: Jede Kooperation
                                                                     auf diesem Feld braucht letztlich entweder eine Harmonisie-
Kooperationsmethodik: Engstellen sehen                               rung zahlloser Verwaltungsabläufe zwischen den Kooperati-
Die Vorstellung das CEC Saar nur strukturell anbinden zu             onspartnern oder die Bereitschaft beider Verwaltungen, Aus-
müssen, würde eindeutig zu kurz greifen. Daneben müssen              nahmen einzuführen. So oder so bedarf es der Unterstützung
die schon erwähnte (organisations-)kulturelle Ebene sowie            vieler Kolleg*innen aus unterschiedlichen Bereichen der

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Hochschulverwaltung, die aus ihrer jeweiligen Perspektive        Innerhalb der Hochschulen werden, wie überall, wo wissen-
nicht notwendigerweise ein Interesse an Veränderung oder         schaftliche Weiterbildung etabliert wird, große personelle
Sonderregelungen haben.                                          Ressourcen benötigt, um die rechtlichen Regularien und
                                                                 Verwaltungsstrukturen einer öffentlichen, nicht kommer-
Zu behaupten, es gäbe keine Bereitschaft Lösungen zu fin-        ziellen Hochschule auf diese neuen wirtschaftlichen An-
den, wäre hingegen schlicht falsch: Die Fortentwicklung von      gebote anzuwenden. Dies verlängert die Phasen der Ange-
Hochschulen wird typischerweise auch von der Verwaltungs-        botsentwicklungen bis zur Marktreife und „kannibalisiert“
ebene getragen und Initiativen werden dort aufgegriffen –        stellenweise die vorhandenen Serviceangebote für Weiterbil-
auch wenn in der praktischen Arbeit skeptische Äußerungen        dungsstudierende, wenn deren Betreuung von den gleichen
präsenter erscheinen. Aber große Institutionen sind schwere      Personen geleistet werden soll, die für die Strukturentwick-
Tanker, deren Funktionalität davon abhängt, dass Prozesse        lung der Weiterbildung insgesamt zuständig sind.
klar beschrieben sind und Ausnahmen überschaubar bleiben.
In Zeiten digitaler Hochschulorganisation über Campus-Ma-         Dies ist im Hinblick auf die hohe Konkurrenz durch öffent-
nagement-Systeme gilt das umso mehr, die Widerstände sind         liche und private Anbieter von wissenschaftlicher Weiter-
dementsprechend erwartbar.                                        bildung problematisch. Solange die Kooperation der beiden
                                                                  Hochschulen im CEC Saar erst ausgebaut wird, also mehr
Für Implementierungsvorhaben neuer Studienmodelle oder            Ressourcen verbraucht als freigesetzt werden, ist ihr Ertrag
Studiengänge sollte deshalb, wo immer möglich, nach dem           nicht sichtbar und ihre Legitimation immer in Gefahr. Diese
Grundsatz gehandelt werden, die Anliegen anderer Stellen in       kritische Phase wird im CEC Saar u.a. dadurch begleitet, dass
der eigenen Organisation ernst zu nehmen und bei eigenen          die strategischen, inhaltlichen, kulturellen und strukturellen
Veränderungswünschen möglichst deren Motive zu adressie-          Entwicklungen möglichst parallel vorangetrieben werden.
ren – etwa den Wunsch, Mehraufwand zu vermeiden (Schro-
de & Hemmer-Schanze, 2017). Die sehr spezifischen Anfor-
derungen der wissenschaftlichen Weiterbildung stoßen hier         Kooperationspraxis: voneinander profitieren
immer wieder an Grenzen, manchmal gelingt aber auch ein           und voneinander lernen
übergreifender Nutzen. So kann beispielsweise die Qualitäts-      Im Falle des CEC Saar besteht eine zentrale Reibungsfläche da-
sicherung für Zertifikate durchaus für die Hochschule als         rin, dass an der Hochschule für Technik und Wirtschaft eine
Ganze entwickelt werden, um sie dann für Weiterbildungs-          etablierte Weiterbildungsstruktur bestand, bevor die Koope-
zertifikate ebenso wie für interne Fortbildungen oder Gast-       ration begann. An der Universität des Saarlandes hingegen
hörer-Zertifikate zu verwenden.                                   liefen Weiterbildungsangebote ohne zentrale Struktur. Die
                                                                  Universität konnte auf der anderen Seite von Anfang an auf
Wissenschaftliche Weiterbildungsangebote liegen den-              die Kompetenz der Bildungswissenschaften zurückgreifen
noch unübersehbar in vielerlei Hinsicht quer zu regulären         und eine hochqualifizierte didaktische Beratung spezifisch
Strukturen der Hochschule (beispielsweise hinsichtlich der        für den Weiterbildungsbereich zur Verfügung stellen, was an
Einschreibeprozesse für berufstätige Studierende oder der         der Hochschule so nicht vorhanden war.
Gebührenordnungen). „Die organisatorische Verankerung
von Aufgaben und Funktionen der Weiterbildung“ wird da-           Im Bereich Marktanalysen, Marketing und zentrale Services
her „zum Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen            für die wissenschaftliche Weiterbildung baute die htw saar
Fakultäten, vorhandenen Weiterbildungseinheiten und der           zum Beginn der Kooperation auf eine etablierte Struktur auf.
Verwaltung“ (Hanft et al., 2016, S. 33) – und sie produziert      Dass der Weiterbildungsbereich fester Bestandteil des Hoch-
Konflikte.                                                        schulportfolios ist, stellt für Fakultäten, für Kooperations-
                                                                  partner und für die Studierenden einen großen Vorteil dar
Wird dieser herausfordernde Bereich mit einer Hochschul-          und fördert unübersehbar die Motivation und Bereitschaft
kooperation verbunden, kommt weiteres Konfliktpoten-              sich zu beteiligen.
tial mit der Hochschulverwaltung und den involvierten
Fakultäten hinzu: noch mehr Punkte, an die gedacht wer-           Beide Hochschulen haben während der Phase paralleler Ent-
den muss, noch mehr Vorgänge, die nicht in den Standar-           wicklung von Weiterbildungsangeboten unterschiedliche
dablauf passen. Spätestens wenn Ressourcenknappheit in            Erfahrungen mit dem Ausbau des Serviceangebotes und der
den Verwaltungen herrscht oder parallel andere große He-          Bearbeitung von rechtlichen, finanziellen sowie verwaltungs-
rausforderungen zu bestehen sind (im Saarland insbeson-           technischen Fragen gemacht (Kompatibilität EU-Beihilfe-
dere die Einführung eines Campus-Management-Systems,              recht, finanzielle Absicherung von Angeboten, Einschrei-
das beide Hochschulen ebenfalls gemeinsam vornehmen),             beverfahren usw.). Diese Anpassungen stellen immer eine
steigt der Widerstand gegen „Spezialanforderungen“. Im            zu bewältigende Schwierigkeit dar, um konkurrenzfähig am
CEC Saar treffen beide Schwierigkeiten zu, so dass es eine        Markt zu bestehen (Maschwitz et al., 2017). Der Kooperation
hohe Motivation der beteiligten Verwaltungen und der              zwischen der Universität des Saarlandes und der Hochschu-
Hochschulleitungen braucht, um diese Herausforderungen            le für Technik und Wirtschaft des Saarlandes stellt sich auf
anzunehmen.                                                       diesem schwierigen Feld zwar die Herausforderung, die un-

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GESA HEINBACH, SUSAN PULHAM, ROLAND BRÜNKEN · 49

terschiedlichen Erfahrungen übereinzubringen und bereits            Um die alltägliche Arbeit effektiv zu machen, bedarf es dar-
etablierte Verfahren zu harmonisieren (s.o.). Sie bietet aber       über hinaus kurzer Dienstwege mit den unterschiedlichen
gleichzeitig auch die Verdopplung von Erfahrungswerten.             Stellen der eigenen und der Partnerhochschule. Eine wohl-
                                                                    wollende und zügige Bearbeitung der Anliegen aus dem Wei-
                                                                    terbildungsbereich wird aber, da schließt sich der Kreis, nur
Fazit                                                               dann zu erwarten sein, wenn diese intern anerkannt ist und
Um Kooperationen im Weiterbildungsbereich zwischen                  durch die Hochschulleitung Förderung erfährt. Auch hier
Hochschulen für beide Seiten nutzbringend zu gestalten,             potenziert die Zusammenarbeit zweier Hochschulen die Auf-
bedarf es unserer Erfahrung nach vier wichtiger Punkte: (1)         gabe, denn Verzögerungen oder Blockaden einer Institution
Zeit für die Akzeptanz durch die Institutionen, gefolgt von         bedeuten immer auch einen Stillstand für die jeweils ande-
(2) einer angemessenen aber maßvollen Institutionalisierung,        re Institution. Wo alle Prozesse doppelt ablaufen und abge-
(3) eine vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre im Team und              stimmt werden müssen, sind gut funktionierende Kommuni-
schließlich (4) eine gute Kommunikationskultur mit allen            kationswege besonders bedeutungsvoll.
beteiligten Stellen.

Die Anerkennung der wissenschaftlichen Weiterbildung als            Literatur
Aufgabe und Handlungsfeld von Hochschulen hängt ganz
wesentlich davon ab, ob es vor Ort Akteur*innen gibt, die           Böckelmann, C. (2017). Hochschulführung in unterschied-
diese Anerkennung einfordern. Gleiches gilt für die Koopera-          lichen Systemkontexten: Eine vergleichende Analyse zu
tion mit anderen Hochschulen. Aber unbestreitbar ist auch:            Führungsbedingungen und Kompetenzanforderungen.
Anerkennung kann nicht erzwungen werden. Am langen                    In L. Truniger (Hrsg.), Führen in Hochschulen: Anregungen
Weg der Überzeugung und Durchdringung führt daher kei-                und Reflexionen aus Wissenschaft und Praxis (S. 213–228).
ne Abkürzung vorbei.                                                  Wiesbaden: Springer Gabler.

Die wissenschaftliche Weiterbildung durch eine Struktur             Christmann, B. (2019). Angebotsformen und Formate wissen-
sichtbar zu machen, ist absolut notwendig – insbesondere, da          schaftlicher Weiterbildung. In W. Jütte & M. Rohs (Hrsg.),
sie ihre Angebote vermarkten muss, aber auch um in dieser             Handbuch Wissenschaftliche Weiterbildung. Wiesbaden:
institutionellen Struktur die relative Unabhängigkeit der             Springer VS.
Weiterbildungszentren von den jeweiligen Hochschulen ab-
zubilden. Daraus folgt, dass die hochschulische Entscheidung        Hanft, A., Brinkmann, K., Kretschmer, S., Maschwitz, A. &
darüber, in welcher Form sie die wissenschaftliche Weiterbil-         Stöter, J. (2016). Organisation und Management von Weiter-
dung institutionell anbindet, eine politisch-strategische Ent-        bildung und Lebenslangem Lernen an Hochschulen. Münster/
scheidung ist (die von den Akteur*innen der Weiterbildung             New York: Waxmann.
vorbereitet und gesteuert, aber nicht getroffen werden kann).
                                                                    Feld, T.C. & Südekum, M. (2019). Verortung wissenschaftli-
Für die oben genannten Aspekte 3 und 4 (Arbeitsatmosphäre              cher Weiterbildung an Universitäten. In W. Seitter & T. C.
und Kommunikationskultur) ist eine ehrliche Analyse der je-            Feld (Hrsg.), Räume in der wissenschaftlichen Weiterbildung,
weiligen Stärken und Schwächen beider Partner nötig. Diese             Theorie und Empirie Lebenslangen Lernens. https://doi.
einzufordern mag nicht überall selbstverständlich sein, sie ist        org/10.1007/978-3-658-25029-4_2
aber unabdingbar, um Offenheit herzustellen. Wirklich er-
folgreich wird die Zusammenarbeit allerdings erst, wenn ein         Maschwitz, A., Schmitt, M., Hebisch, R. & Bauhofer, C. (2017).
guter Umgang mit diesen Unterschieden stattfindet. Hindernis-         Finanzierung wissenschaftlicher Weiterbildung. Herausfor-
se und fehlendes Wissen müssen zugegeben werden können,               derungen und Möglichkeiten bei der Implementierung und
und – noch schwieriger – gegenseitige Hilfe muss möglich wer-         Umsetzung von weiterbildenden Angeboten an Hochschulen
den. Einer anderen Hochschule eigene Kapazitäten und Kom-             Thematischer Bericht der wissenschaftlichen Begleitung des
petenzen zur Mitnutzung anzubieten ist heute eher unüblich,           Bundes-Länder-Wettbewerbs "Aufstieg durch Bildung: offene
selbst in Verbundprojekten und anderen Kooperationsvorha-             Hochschulen".
ben. In einer hochschulpolitischen Landschaft, die von Bud-
getierung geprägt ist – von der Landesebene bis zur einzelnen       Schwikal A., Neureuther J. (2020). Zielgruppen wissenschaftli-
Professur – hat sich ein Selbstverständnis von Konkurrenz              cher Weiterbildung. In W. Jütte & M. Rohs (Hrsg.), Handbuch
etabliert. Das ermöglicht einerseits viele Initiativen und            Wissenschaftliche Weiterbildung. Wiesbaden: Springer VS.
bricht manche Verkrustung auf. Es schürt aber auch Skepsis
und fördert die Tendenz, vor allem auf den eigenen Vorteil zu       Seitter, W., Krähling, S., Rundnagel, H. & Zink, F. (2014). An-
achten. Diese Konkurrenz muss in Kooperationssituationen               gebotsentwicklung und Marketing in Kooperationen der
überwunden werden, sonst entsteht keine wirkliche Zusam-               wissenschaftlichen Weiterbildung - In: Hochschule und
menarbeit. Dass dies gelingt, hängt vor allem an persönlichen          Weiterbildung, (1), 32-36.
Vertrauensverhältnissen der beteiligten Personen.

                                   ZHWB · Zeitschrift Hochschule und Weiterbildung · 2021 (1)
50 · PROJEKTWELTEN

Sweers, F. (2020). Kooperationen in der wissenschaftlichen
  Weiterbildung. In W. Jütte & M. Rohs (Hrsg.), Handbuch
  Wissenschaftliche Weiterbildung (S. 537-552) Wiesbaden:
  Springer VS.

Schrode, N. & Hemmer-Schanze, C. (2017). Förderliche und
   hinderliche Faktoren der Implementierung eines innova-
   tiven Studienmodells. GAB München e.V. (Hrsg.), online
  verfügbar unter: http://www.gab-muenchen.de/de/detail-
   70_13_-evalacarte.htm (20.08.2020).

Wilkesmann, U. (2010). Die vier Dilemmata der wissen-
  schaftlichen Weiterbildung. In Zeitschrift für Soziologie der
  Erziehung und Sozialisation, 30(1), 28-42.

Wissenschaftsrat (2019). Empfehlungen zu hochschulischer
  Weiterbildung als Teil des lebenslangen Lernens. Berlin.
  Online verfügbar unter: https://www.wissenschaftsrat.de/
  download/2019/7515-19.html (20.08.2020).

                                                                                                                   Autor*innen

                                                                                                             Dr. Gesa Heinbach
                                                                                            gesa.heinbach@univw.uni-saarland.de

                                                                                                           Prof. Dr. Roland Brünken
                                                                                                    r.bruenken@mx.uni-saarland.de

                                                                                                            Prof. Dr. Susan Pulham
                                                                                                         susan.pulham@htwsaar.de

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