Die Höhenburg ob der Stadt wirkt wieder - Giuliani AG
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Die Höhenburg ob der Stadt wirkt wieder Text Raphael Briner Kalk oder Reinsilikat: Bei Renovationen in der Denkmalpflege stellt sich Bilder Daniel Ritter die Frag e, welche Beschichtung auf Putzfassaden aufgetragen wird. Dabei spielen neben dem Wunsch nach historisch korrekter Materialwahl die Kosten eine Rolle. Das Malergeschäft Giuliani AG hat bei der Renovation des Schloss Lenzburg beide Beschichtungsstoffe in unterschiedlicher Technik angewandt. 24 A P P L I C A 3 / 2 0 2 1
A PPL IC A - T H E MA Wer zur Südfassade des im 14. Jahr- gen, war klimatisch gesehen günstig. nass aufbürsten. Für einen Anstrich der hundert erbauten Ritterhauses hinauf- Im unteren Bereich sei die Fassade al- 400 Quadratmeter messenden Fassade schaut, kann erahnen, wie mühsam das lerdings fast zu feucht gewesen, erzählt brauchten sie 4 bis 5 Stunden. Gerüsten hier sein muss. Das Gebäude Leuzinger. Das war nicht ideal, denn es steht wie das ganze Schloss Lenzburg, bestand die Gefahr, dass die Bürste 500 Jahre alter Verputz zu dem es gehört, auf herausgewölbtem beim Farbauftrag den Putz beschädigt. Wechseln wir zur im Innenhof gelege- Muschelsandstein. nen Nordfassade des Ritterhauses. Sie Weniger zeitraubend, aber mit eini- Langlebigkeit versus Kosten weist im oberen Bereich einen Verputz gen anderen Herausforderungen verbun- Da sich der zuletzt 1983/84 sanier- aus der Bauphase um 1509 auf. Das den war die Renovation der mit Kalk ver- te Verputz in sehr schlechtem Zustand ist eine der ältesten erhaltenen Putzflä- putzten Fassade. «Das ist kein norma- befand, entschieden die Denkmalpfle- chen dieser Grösse im ganzen Kanton ler Deckputz, der aufgezogen wird und ge und das Architekturbüro Tschudin + Aargau und deshalb besonders erhal- nach einem halben Tag geht der Maler Urech AG, ihn zu entfernen, so original- tenswert. Aus diesem Grund entschied a fresco darüber», sagt Daniel Ritter, der getreu wie möglich neu aufzuziehen und sich die Denkmalpflege, an dieser Fas- die Arbeiten als Vertreter des Material- a fresco (nass in nass) zu kalken. Eigent- sade lediglich die Verputzschäden mit lieferanten Thymos begleitet hat. Der lich möchte die Denkmalpflege alte Ver- einer dem Bestand nachempfundenen Verputz sei dickschichtig, also mehrere putze erhalten. Dann muss der Anstrich Handmischung partiell in Stand stellen Zentimeter stark, und gleiche von der allerdings in Seccotechnik, also trocken, und mit Kalkfarbe a secco beschichten Struktur her einem Kellenwurf. aufgebracht werden. zu lassen. Solche wertvollen Materiali- Bei der Frescotechnik läuft der che- en dürfen selbstverständlich nicht mit Feuchtigkeit nötig, aber nicht zu viel mische Prozess der Karbonatisierung ab dem Hochdruckreiniger gereinigt wer- Marcel Leuzinger, der Geschäftsführer (siehe auch Artikel ab Seite 16), der die des ausführenden Malerunternehmens Beschichtung dauerhaft macht. Sie hält Giuliani AG im aargauischen Wettingen, 40 bis 50 Jahre, während a secco auf ergänzt: «Bei Kalkputz muss man viel bestehenden Putz aufgetragene Kalk- wässern, damit es funktioniert.» Des- farbe wegen schwächerer Haftung «sich halb musste der Baumeister, der den al- nach rund 10 Jahren verabschiedet», ten Putz entfernt und einen neuen aufge- wie Ritter sagt. Dies spielte hier inso- bracht hatte, das Gerüst mit Jute verklei- fern eine Rolle, als es eben an der Süd- den. Der Stoff wurde bewässert, womit fassade mit ihrem auskragenden «Fel- an der Fassade das technisch geforder- sensockel» sehr teuer ist, ein Gerüst zu te feuchte Klima entstand. Dass die Ar- stellen. Deshalb ist ein längerer Reno- beiten in den nebligen Herbst hineingin- vationsintervall sinnvoll. Die Fachleute der Giuliani AG trugen drei Schichten Mytholit Kalkfarbe spezi- al weiss auf, ein rein mineralisches, lö- semittelfreies und atmungsaktives Pro- dukt, das eine matte Oberfläche ergibt. Die dritte Schicht müsste eigentlich nach einer Trocknungszeit von 24 Stunden a secco auf die zwei anderen, a fresco gestrichenen Schichten appliziert wer- den. Wegen der grossen Feuchtigkeit mussten sie die Maler ebenfalls nass in Oben: Die Landvogtei mit Daniel Ritter (links) und dem Adler der Habsburger, Marcel Leuzinger vor der der früheren Besitzer des imposante n Südfassade des Schlosse s. Ritterhauses. Grosses Bild auf der linken (Bild: Raphael Briner) Seite: Der Schlosshof mit dem Bernerhaus (links) und dem Ritterhaus (rechts). A P P L I C A 3 / 2 0 2 1 25
A P P L I C A - T H E M A Lageplan Schloss Lenzburg den, denn das würde sie zerstören. «Wir ren.» Marcel Leuzinger hat den Eindruck, gingen sehr vorsichtig vor mit Wasser dass die Denkmalpflege seit einiger Zeit und Bürste», berichtet Leuzinger, teil- wieder mehr auf Kalk setzt. «Vielleicht weise hätten sie den Verputz mit einem will sie wieder näher an den Originalzu- Fixativ gefestigt. stand, denn vor 500 Jahren gab es noch Die Herausforderung bei der Be- keine Mineralfarbe.» schichtung war die Verbindung von Putz Eine solche ist die trotzdem oft für und Kalkfarbe, weil mit der Seccotech- historische Renovationen eingesetz- nik keine Karbonatisierung stattfindet. te Reinsilikat- oder Wasserglasfarbe. Es droht ein Abblättern wegen zu schwa- Beeck Reinkristallin, eine 2K-Silikatfar- cher Haftung. Wie Daniel Ritter erklärt, be, kam denn auch am Bernerhaus ge- sei das vor allem bei Überschichtstär- nannten Gebäude des Schlosses auf ke der Fall. «Es geht darum, gleichzeitig dem 1982 renovierten und grossteils Typisches Bild eines die Schicht zu reduzieren, die Substanz noch intakten Kalkputz zum Einsatz. Kalkputzes nach Ver- zu erhalten und das Risiko zu minimie- Reinsilikat wird a secco auf trockenen witterung. Die Sandkörner Verputz appliziert. treten hervor. Die Renovation Sichtbarer Unterschied Historisch wertvolle Bauwerke werden Solche a secco gestrichene Silikatpro- periodisch einer Baukontrolle unter- dukte sind langlebiger als in der glei- zogen. Beim Schloss Lenzburg zeigte chen Technik applizierte, historisch ge- sich, dass namentlich die Fassaden im sehen korrekte Kalkfarben. Hier spielte Bereich der nördlichen Toranlage, am wie bei der Südfassade des Ritterhau- Bernerhaus und am Ritterhaus sanie- ses die Überlegung eine Rolle, dass an rungsbedürftig waren. Die Renovation der Nordfassade des Bernerhauses Ge- erfolgte in vier Etappen (siehe Plan rüstläufe nur sehr schwierig anzubringen oben): 2017 Nordtrakt: Nordfassade / und deshalb teuer sind – was für eine Nordmauer: nördlicher Bergfried / Langlebigkeit der Beschichtung spricht. Landvogtei: Fassaden Nord und Ost. Eine Ausnahme sind diejenigen 2018 Ritterhaus gesamt und Berner- Stellen an der Nordfassade des Ber- haus gesamt, 2019 mittleres Torhaus nerhauses, die einen historischen Putz gesamt / Teile von Südturm und Palas. aus der Zeit um 1700 aufweisen. Hier Solche Arbeiten erfolgen nach einer kam, um möglichst nah am Original zu Voruntersuchung und orientieren sich bleiben, Kalkfarbe anstatt Reinsilikat so weit wie möglich am historischen in Seccotechnik zum Einsatz. Der Un- Bestand und an traditionellen Hand- terschied ist sichtbar. Der Kalkanstrich werkstechniken sowie Materialien. weist die historisch gesehen typische Fleckigkeit auf, während die Reinsilikat- 26 A P P L I C A 3 / 2 0 2 1
A P P L I C A - T H E M A an den Fassaden haben ihre Ursache jedoch nicht nur in der Beschaffenheit und Feuchtigkeit der Mauern sowie in den beiden Anstrichsarten. Sie beruhen auch auf der Arbeit von Ina Link, dipl. Kir- chenmalermeisterin, Restauratorin und Farbgestalterin. «Ich lege bei der Farbbe- ratung nicht nur Wert auf eine stimmige Farbgestaltung. Der Schwerpunkt liegt auf der historisch korrekten Farbwahl und den richtigen Farbmaterialien», sagt sie. Auf Schloss Lenzburg entwickelte sie mit der Denkmalpflege, dem Kanton Aargau als Bauherr und dem Architektur- büro ein stimmiges Farbkonzept. Sie restaurierte zudem die Fassaden- malereien: Adler und Bär an der weit- hin sichtbaren Landvogteifassade, das Berner Wappen stadtseitig wie auch die An der secco mit Kalk flächen gleichmässiger und damit «mo- beiden in Stein gehauenen Wappenkar- beschichteten Nordfassade derner» anmuten. Hier an Toranlage, tuschen über den Eingängen und das zeigen sich die feuchten nördlichem Bergfried, mittlerem Torhaus grosse Zifferblatt im Innenhof. Stellen deutlich. und der Nordfassade des Bernerhauses ist es windrichtungsbedingt schattig und Früher nur Putz ohne Anstrich besonders feucht. Beim Kalk hat die Häufig waren solche Burgen ursprünglich Verwitterung bereits nach einem halben lediglich mit einer Putzfassade ohne zu- Jahr wieder begonnen. An vorstehenden sätzlichen Anstrich versehen. Die Farbig- Stellen der Mauer blättert die Farbe ab. keit ergab sich lediglich durch Bindemit- Diese beiden Phänomene sind wegen tel, weissen Sumpfkalk und Beigabe des der besonderen Verhältnisse auch beim jeweils regionalen Sandes in rötlichen, Reinsilikat festzustellen. gelben oder grauen Farbstufen. Es fällt auf, dass die Kalkstellen Die im Laufe der Zeit ausgeführ- in der Regel dunkler sind als die mit ten Renovationen an den Lenzburger Reinsilikat gestrichenen, obwohl beide Schlossfassaden zeigten unterschied- Materialien eine ähnliche Dampfdiffu- liche Putz- und Anstrichuntergründe so- sionsoffenheit aufweisen und Feuch- wie eine unterschiedliche Farbigkeit von tigkeit ungefähr im gleichen Mass ab- natürlichen Ockertönen bis zu neuzeit- sorbieren. Die Farbtonunterschiede lichen, synthetischen Gelbtönen. «Wir 28 A P P L I C A 3 / 2 0 2 1
BEECK·sche Silikatfarben Original seit 125 Jahren. wollten dem Schloss seine ursprüngli- che Gesamtwirkung zurückgeben, jedoch die einzelnen Bau- und Umbauphasen in Farbgebung und Materialwahl berück- Q garantiert verkieselungsfähig sichtigen», erklärt Link. So wurden zwei Q hoch atmungsaktiv Farbtöne festgelegt: Auf die komplett er- Q ökologisch – nachhaltig neuerten und wieder mit Kalkputz verse- Q leuchtende Farbtöne henen Fassaden kam zur Homogenisie- Q absolut lichtecht rung und zum Schutz eine gebrochen- Q langlebig und wirtschaftlich weisse Kalkung a fresco mit Sumpfkalk. Imposante Wirkung verstärken Auf die Fassaden, die nur ausgebessert und gestrichen wurden, erfolgte ein hel- ler, leicht mit Ocker eingefärbter mine- ralischer Anstrich. «Ein geschultes Auge erkennt die leichten farblichen Differen- zierungen. Die geschlossene und impo- sante Wirkung der Höhenburg über der Stadt wurde so wieder wahrnehmbar», erklärt Ina Link das Konzept. ■ Bezugsquellen: Thymos AG Die Giuliani AG Niederlenzer Kirchweg 2 Marcel Leuzinger, eidg. dipl. Malermeis- CH-5600 Lenzburg ter mit Jahrgang 1971, ist Inhaber und Thymos AG Geschäftsführer der Giuliani AG im Militärstrasse 34a CH-3014 Bern aargauischen Wettingen. Das 1978 Thymos AG gegründete Unternehmen gestaltet und Zeughausstrasse 52 bearbeitet Oberflächen in den CH-8400 Winterthur Bereichen Renovation, Sanierung, Thymos AG Neubau und Denkmalschutz. Zu den Dattenmattstrasse 14 von Giuliani renovierten Objekten CH-6010 Kriens gehören unter anderen die Schlösser Tel. 062 892 44 44 Wildegg, Liebegg und Hallwil im Kanton www.thymos.ch info@thymos.ch Aargau. Das Unternehmen hat 25 Mitar- beitende, wovon 3 Lernende sind.
Sie können auch lesen