DAS BERLINER SCHLOSS WIRD ZUM HUMBOLDTFORUM - Rekonstruktion und Transformation der Berliner Mitte

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DAS BERLINER SCHLOSS WIRD ZUM HUMBOLDTFORUM - Rekonstruktion und Transformation der Berliner Mitte
DAS BERLINER SCHLOSS
WIRD ZUM HUMBOLDTFORUM
Rekonstruktion und Transformation der Berliner Mitte

Manfred Rettig
DAS BERLINER SCHLOSS WIRD ZUM HUMBOLDTFORUM - Rekonstruktion und Transformation der Berliner Mitte
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Fassaden:   1 West   2 Nord   3 Süd   4 Ost
DAS BERLINER SCHLOSS WIRD ZUM HUMBOLDTFORUM - Rekonstruktion und Transformation der Berliner Mitte
DAS BERLINER SCHLOSS
WIRD ZUM HUMBOLDTFORUM
Rekonstruktion und Transformation der Berliner Mitte

Manfred Rettig
Sprecher des Vorstands der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum

Mit dem Berliner Schloss – Humboldtforum wird in demokra­         Jahre lang diskutiert wurden. Nicht nur erhalten alle umlie­
tischer Tradition dieser historische Ort in der Mitte der deut­   genden historischen Gebäude ihre maßstäblichen und inhalt­
schen Hauptstadt zu einem offenen Zentrum gesellschaft­           lichen Bezugspunkte wieder zurück: die protestantische
lichen und kulturellen Lebens. Hier ist die vielschichtige und    Staatskirche mit dem Berliner Dom ebenso wie die preußisch-
ereignisreiche deutsche Geschichte mit der Wiedererrich­tung      bürgerliche Kultur mit der Museumsinsel. Nein, wichtiger
des Berliner Schlosses erfahrbar, hier wird sie mit dem           noch, die historische Mitte Berlins wird überhaupt als solche
Humboldtforum in einen neuen zukunftsweisenden Kontext            wieder kenntlich gemacht und ernst genommen, nach ihrer
eingebunden.                                                      fast vollständigen Ausradierung durch Krieg und Abrisswut im
     Das Humboldtforum im Berliner Schloss wird die Mitte der     Nachkriegsdeutschland, nach Jahrzehnten der Spaltung und
Hauptstadt Deutschlands verändern, so wie es noch keine           Teilung der Stadt.
vergleichbare große Baumaßnahme in dieser Stadt gewagt                 Die Dialektik von Zukunft und Vergangenheit, die not­
hat. Sicher, die repräsentativen Bauten für den Bundestag         wendigerweise nie endende Beschäftigung der Deutschen
und die Bundesregierung im Spreebogen, der Bau des Haupt­         mit ihrer Geschichte wie mit ihrer Rolle in einer noch kom­
bahnhofs am Humboldthafen oder die Hochhäuser am                  menden Zeit, das spiegelt sich in diesem ‚historischen
Potsdamer Platz haben neue beeindruckende Landmarken in           Neubau’ mit seinem deutlichen Gegensatz von geschichts­
Berlin gesetzt. Aber alle diese großen, repräsentativen und       bezogener Architektur und in die Zukunft gerichtetem Pro­
prominenten Bauten für Politik und Wirtschaft stehen „vor         gramm. Diese Art der Wiederaneignung eines nicht unum­
den Toren“ der historischen Stadt, nämlich vor dem Pariser        strittenen historischen Erbes formuliert einen besonderen
Platz und vor dem Leipziger Platz.                                Anspruch. Ein einfacher, aber dadurch auch geschichtsloser
     Nun wird die innerste Mitte der Stadt selbst mit dem         Neubau würde diesem Ort in der Mitte der Hauptstadt mit
Berliner Schloss – Humboldtforum wieder baulich gefasst und       allen seinen historischen Bezügen nicht gerecht. Es ist
gestaltet. Und es ist keine Verlegenheitslösung, sondern          gerade uns Deutschen aufgetragen, bei einem solchen
eine besonders anspruchsvolle Herausforderung, dass die­          neuen Kulturbauvorhaben für die Zukunftsthemen Globali­
ser kulturelle Neubau in Gestalt eines Altbaus entsteht. Dafür    sierung und Weltkulturdialog immer auch die überlieferte
gab und gibt es viele gute Gründe, die denn auch fast zwanzig     Vergangenheit mit in den Blick zu nehmen.

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EINLEITUNG

DAS HUMBOLDTFORUM WIRD EINEN ORT
BIETEN, AN DEM MUSEEN, BIBLIOTHEK
UND UNIVERSITÄT EINEN IN DIE
ZUKUNFT GERICHTETEN DIALOG DER
WELTKULTUREN ERMÖGLICHEN.

Der Deutsche Bundestag hat den Wiederaufbau des Berliner        Das Berliner Schloss wird mit dem Humboldtforum weit mehr
Schlosses bereits im Sommer 2002 beschlossen. Eine frak­        als nur Museum sein. Hier wird ein in die Zukunft gerichteter
tionsübergreifende Mehrheit folgte der Empfehlung einer         Dialog der Weltkulturen stattfinden, mit großen themenüber­
internationalen Expertenkommission. Mehrere Monate wurde        greifenden Ausstellungen, Lesungen, verschiedensten Ver­
über die Entwicklung des Areals auf der Museumsinsel, zwi­      anstaltungsformaten sowie Film, Theater, Tanz und vielen
schen Schlossplatz im Süden und Lustgarten im Norden,           weiteren Angeboten von Museen, Bibliothek und Universität.
beraten. Die Entscheidungsfindung wurde von einer leb­          Es entsteht ein Volkshaus mit einem lebendigen und fanta­
haften öffent­lichen Diskussion begleitet. Während in anderen   sievollen Programm.
europäischen Ländern der Wiederaufbau zerstörter Schlösser           Die Rekonstruktion des Berliner Schlosses ist im
zum nationalen Selbstverständnis gehört, wird dies in           Ergebnis ein Neubau mit neuen Inhalten. Das wurde von der
Deutschland kritisch hinterfragt. Dabei steht die Reflexion     Gesell­schaft mehrheitlich so gewollt, und dieser politische
über die jüngere Geschichte im Vordergrund: das Ende der        Wille überwiegt schließlich das Interesse an einer modernen
Kaiserzeit, die Kriegszerstörung, die Sprengung des Berliner    Architektur. Die Rekonstruktion wird selbst zur zeitgenössi­
Schlosses und der Bau des Palastes der Republik an seiner       schen Architektur, die in der Zukunft einen eigenen denkmal­
Stelle, und schließlich sein asbestbedingter Abriss. An kaum    pflegerischen Wert erhalten kann.
einem anderen Ort kann die vielschichtige jüngere deutsche
Geschichte besser erfahren werden.
     Mit der Rekonstruktion des Berliner Schlosses wird an
die republikanische Tradition angeknüpft, Schlösser für die
Präsentation kultureller Schätze zu nutzen und sie der
Allgemeinheit zugänglich zu machen. So wird zum Beispiel
der Louvre in Paris seit der Französischen Revolution als
Museum genutzt.

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Im Dezember 2007 stellte der Deutsche Bundestag fest: Der      zugestimmt und damit endgültig grünes Licht für die Ver­wirk­
Vorschlag der Expertenkommission, das geplante Gebäude         lichung dieses anspruchsvollen Vorhabens gegeben. Das
auf dem Berliner Schlossplatz zu einem kulturellen Schwer­     Jahrhundertprojekt wird also von einem beispiellosen politi­
punkt der Stadt zu machen, ist die geeignete Nutzungsidee.     schen Konsens getragen. Das ist eine gute und wichtige
Der Bau des früheren Schlosses mit seinen Barockfassaden       Grundlage für das Gelingen.
erhält als Schaufenster der Weltkulturen und der Wissen­            In diesem Heft wird der Planungsstand zum Zeitpunkt
schaftsgeschichte im Geiste Alexander von Humboldts eine       des Beschlusses vom 06. Juli 2011 vorgestellt. Planungs­
zeitgemäße Bestimmung. Das ist das künftige Humboldt­forum.    anpassungen sind im Rahmen der weiteren Diskussionen und
     Die außereuropäischen Sammlungen des ethnologischen       Detaillierungen noch zu erwarten.
und des Museums für asiatische Kunst ziehen aus Dahlem in           2013 ist die Grundsteinlegung geplant, 2014 sollen die
das Zentrum der Hauptstadt. Dadurch werden die weltbedeu­      Hochbaumaßnahmen in vollem Umfang beginnen. Anfang
tenden Berliner Sammlungen auch stärkere internationale        2018 könnte der Bau fertig gestellt sein. Mitte 2019 soll das
Beachtung finden. Zu den Zeugnissen europäischer Kunst und     Humboldtforum im Berliner Schloss eröffnet werden.
Kulturgeschichte auf der nahen Museumsinsel treten die              Bauherrin und Eigentümerin des Gebäudes ist die im
Kulturen der Welt im zukünftigen Humboldtforum in einen        November 2009 von der Bundesregierung gegründete Stiftung
erfahrbaren und bewussten Dialog. Ergänzt durch wechselnde     Berliner Schloss – Humboldtforum. Sie ist eine rechtsfähige
Sonderausstellungen der Humboldt-Universität und fünf          Stiftung des bürgerlichen Rechts, die ausschließlich und
Kernbereiche der Zentral- und Landesbibliothek, entsteht so    unmittelbar gemeinnützige Zwecke der Förderung von Kunst
auf prominentem Raum eine gelungene Konzentration von          und Kultur, der Bildung, von internationaler Gesinnung und
Kunst und Kultur, wie sie nur selten in den Metropolen der     Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völker­
Welt vorkommt.                                                 verständigungsgedankens sowie des Denkmalschutzes und
     Das Humboldtforum im Berliner Schloss wird Mittelpunkt    der Denkmalpflege verfolgt. Die Stiftung arbeitet einver­
der Deutschen Hauptstadt sein. Die inhaltliche Ausgestaltung   nehmlich zusammen mit den Partnern Stiftung Preußischer
muss beispielhaft und zukunftsweisend sein, denn sie ist die   Kultur­besitz – Staatliche Museen zu Berlin, der Zentral- und
eigentliche Aufgabe des Neubaus.                               Landes­bibliothek Berlin und der Humboldt-Universität zu
     Als der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf­       Berlin. Sie wird eine ständige Ausstellung zu den Themen
forderte, einen internationalen Realisierungswettbewerb        „Historische Mitte Berlin – Identität und Rekonstruktion“
durchzuführen, gab es verbindliche Gestaltungsvorgaben.        einrichten. Außerdem ist die Stiftung Ansprechpartner für
Strikt einzuhalten waren die Rekonstruktion der historischen   Förderer und Vereine, die das Projekt Berliner Schloss –
Außenfassaden Süd, West und Nord sowie der drei histori­       Humboldtforum unterstützen.
schen Barockfassaden des Schlüterhofs.                              In Forumsveranstaltungen, Wanderausstellungen, Vor­
     Am 28. November 2008 vergab eine mit internationalen      trägen und Publikationen informiert die Stiftung über die
Experten sowie Vertretern von Bundestag, Bundesregierung,      Entwicklung dieses bedeutendsten Kulturprojekts der
Land Berlin und künftigen Nutzern besetzte Jury einstimmig     Bundesrepublik Deutschland und lädt zur öffentlichen
den ersten Preis an das Architekturbüro Franco Stella aus      Diskussion ein.
Vicenza und sprach – ebenfalls einstimmig – die Empfehlung
aus, diesen Entwurf zu realisieren.
     Nun haben am 06. Juli 2011 die Fraktionen von CDU/CSU,
SPD, FDP und Grünen, also mit Ausnahme der Linken alle
Fraktionen des Bundestages im Haushaltsausschuss der
Entwurfsplanung für das Berliner Schloss – Humboldtforum

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Schnitte:   1 Eingangshalle   2 Schlossforum   3 Treppenhalle   4 Längsschnitt
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BAUGESCHICHTE

DAS BERLINER SCHLOSS ENTWICKELTE
SICH ÜBER EINEN ZEITRAUM VON MEHR
ALS 500 JAHREN ZUM STÄDTEBAULICHEN
ZENTRUM UND ARCHITEKTONISCHEN
BEZUGSPUNKT DES UM­GEBENDEN
STADTRAUMES.

Der Bau des Berliner Schlosses war ein ständiger Prozess aus
Erweiterungen, Umbauten und Ergänzungen durch die bran-
denburgischen Kurfürsten, preußischen Könige und deut-
schen Kaiser. Die kunsthistorisch wichtigste Umgestaltung
entwarf der Architekt und Bildhauer Andreas Schlüter: Von
ihm stammte der barocke Umbau des Schlosses zu Beginn
des 18. Jahrhunderts.
     Bis zu seiner Zerstörung am Ende des 2. Weltkrieges ent-
wickelte sich das Schloss über einen Zeitraum von mehr als
500 Jahren zum städtebaulichen Zentrum und architektoni-
schen Bezugspunkt des umgebenden Stadtraumes in der
Mitte Berlins. Das gilt für den Blick von den „Linden“ ebenso
wie für das offene Treppenhaus, das Friedrich Karl Schinkel
1825 für das Alte Museum mit Blick auf die Lustgartenfassade
des Schlosses entwarf.
                                                                 Lange Brücke und Stadtschloss zu Berlin, zwischen 1687 und 1690

Die Zeit der Kurfürsten
Am 31. Juli 1443 legte Kurfürst Friedrich II. „Eisenzahn“        Dreißig­jährige Krieg die Bau­arbeiten. Die Architekten Johann
(1440–1470) an der Cöllner Seite der Spree der damals noch       Gregor Memhardt und Johann Arnold Nering begannen dann in
unbedeutenden Doppelstadt Berlin-Cölln den Grundstein zum        der Zeit des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1640–1688)
Schlossneubau, der um 1448 im Rohbau fertig gestellt wurde.      mit barocken Umbauten. Sein besonderes Augenmerk richtete
In die Anlage wurde mit dem „Grünen Hut“, der bis zur Zer­       der Kurfürst aber auf den nach niederländischen Vorbildern
störung im Jahre 1950 erhalten blieb, ein Teil der Cöllner       neu geschaffenen Lustgarten.
Stadtmauer eingebunden. Im Frühjahr 1451 bezog der Kurfürst
das neue Schloss.                                                Das Königsschloss
     Die Erweiterungen durch Kurfürst Joachim II. (1535–1571),   Kurfürst Friedrich III. (1688/1701–1713) musste seine neue
die Umbauten von Kurfürst Johann Georg (1571–1598) und die       Königswürde als Friedrich I., König „in“ Preußen, und damit die
Ergänzungen durch Kurfürst Joachim Friedrich (1598–1608)         politische Bedeutung und das Ansehen seines zersplitterten
bestimmten das Bild des Schlosses bis zu Schlüters Umbau.        Staatengebildes im feudalistischen Europa hervorheben. Er
Sie umfassten bereits den äußeren Schlosshof, in dessen          ließ dazu die kurfürstliche Residenz in ein barockes Königs­
Ausmaßen Johann Friedrich Eosander später ab 1707 das            schloss nach den Plänen von Andreas Schlüter umbauen.
Schloss vergrößerte. Zunächst aber unterbrach der                Dieser hatte zuvor am Berliner Zeughaus gearbeitet und als

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Schlüters Schlossmodell                                   Ansicht des Schlüterhofes                  Blick von der Treppe des
von 1699 auf einem Kupferstich                            Berlin, um 1930                            Alten Museums
von Johann Ulrich Krauss                                                                             mit der Figur der Amazone über
nach einer Zeichnung von                                                                             den Lustgarten zum Schloss
Constantin Friedrich Blesendorff                                                                     Berlin, 1869
Berlin, 1701

Hofbildhauer das Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten auf         Veränderung des Schlossäußeren, seit es Johann Friedrich
der Langen Brücke geschaffen.                                    von Eosander erweitert hatte. Der Vorentwurf stammte noch
     Schlüter ummantelte den Renaissancebau mit einer            von Schinkel und wurde von seinem Schüler Friedrich August
neuen barocken Fassade nach italienischen Vorbildern. Sein       Stüler abgeändert ausgeführt.
Triumph wurde aber noch vor Beendigung der Umbaupläne
1706 durch das Desaster des Münzturms jäh beendet. Der von       Das Kaiserreich und die Zeit danach
ihm entworfene, beeindruckende 108 Meter hohe Turm neigte        Kaiser Wilhelm I. (1861/1871–1888) ließ die Fassaden des
sich schon bald nach Fertigstellung bedrohlich zur Seite und     inneren Quergebäudes im Stil der Neorenaissance umgestal­
musste schließlich wieder abgetragen werden. Schlüter büßte      ten. Sein Enkel – Kaiser Wilhelm II. (1888–1941) – plante
in der Folge seine Position als Schlossbaudirektor ein und       erneute Veränderungen und Erweiterungen am Schloss, wozu
Johann Friedrich von Eosander gen. von Göthe übernahm            vor allem die Fürstenwohnungen und die Erweiterung des
seine Stellung.                                                  Weißen Saales gehörten, aber auch der Einbau von Bädern
     Friedrich Wilhelm I. (1713–1740), der „Soldatenkönig“,      und eine moderne Heizungsanlage.
strich den Hofstaat seines Vaters rigoros zusammen. Seine
Sparmaßnahmen vertrieben einen Großteil der Architekten
und Künstler aus Berlin. Der Schlossbau wurde nach den
vorhandenen Plänen unter Martin Heinrich Böhme bis 1716
vollendet, der Plan einer Schlosskuppel zunächst aber
aufgegeben.
     Die späteren preußischen Könige verlagerten ihre bauli­
chen Ambitionen auf die Schaffung von neuen Raumfluchten
im Schloss. Friedrich II., „der Große“ (1740–1786), Friedrich
Wilhelm II. (1786–1797) und Friedrich Wilhelm III. (1797–1840)
richteten sich dort eigene Appartements ein, bevorzugten
aber – wie bereits Friedrich der Große – eher andere
Schlösser als Wohnorte. Unter den beteiligten Baumeistern
finden sich Carl von Gontard, Carl Gotthard Langhans,
Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff und Karl Friedrich
Schinkel. Ihre Innenraum­dekorationen gehörten zu den gelun­
gensten Schöpfungen des Klassizismus.
     Unter Friedrich Wilhelm IV. (1840–1861) erfolgte 1845 bis   Ansicht der Südfassade des Schlosses mit dem Reiterstandbild des
                                                                 Großen Kurfürsten auf der Langen Brücke Berlin, um 1900
1853 mit dem Bau der Schlosskuppel die erste bedeutende
Der Erste Weltkrieg und die Revolution beendeten vorzeitig
die Arbeiten, von denen bis zur Zerstörung des Schlosses
eine vorgezogene Wand im Eosanderhof von der Erweiterung
des Weißen Saales kündete. Eine Angleichung der anderen
Hoffassaden erfolgte nicht mehr.
     In der Weimarer Republik zogen das Schlossmuseum mit
kunstgewerblichen Exponaten und verschiedene andere
Institutionen in das Gebäude ein. Gegen Ende des Zweiten
Weltkrieges wurde der Bau noch im Frühjahr 1945 bei einem
Bombenangriff schwer beschädigt und brannte fast vollstän­
dig aus. Dennoch konnten bald nach Ende des Krieges die
erhaltenen Räume für Ausstellungen genutzt werden, wie
zum Beispiel 1946 für eine Schau des Architekten Hans
Scharoun über die städtebaulichen Planungen für den
Wiederaufbau von Berlin.
                                                                Blick auf den Palast der Republik,
     Die politisch motivierte Sprengung des Schlosses auf       im Hintergrund der Fernsehturm und das Rote Rathaus
Geheiß von Walter Ulbricht, DDR-Staatsratsvorsitzender und      Berlin, 19. Mai 1976
SED-Parteichef, am 07. September 1950, beendete vorerst die
Geschichte des Berliner Schlosses.                              Zwischennutzung
                                                                Die entkernte Hülle des Palastes der Republik bot verschiede­
Der Palast der Republik                                         nen Künstlern und Eventmanagern eine spannende Kulisse
Die freigewordene Fläche wurde zunächst als Fest- und           für unterschiedlichste Performances und Veranstaltungs­
Auf­marschplatz für die Massenkundgebungen der DDR              ideen. Das reichte von der Jahrestagung einer Unternehmens­
genutzt. Unter den zahlreichen Planungen für den Ausbau         beratungsgesellschaft bis zur Flutung des Gebäudes, um
von Ost-Berlin als Hauptstadt der DDR gab es auch Vorschläge    mit Booten zwischen den Stahlträgern zu navigieren. In einer
für Hochhäuser im Stil der Stalin’schen Prachtbauten von        anderen spektakulären Kunstaktion wurde auf dem Dach
Warschau und Moskau. Sie wurden aber nicht realisiert.          des Palastes in weit sichtbaren Großbuchstaben das Wort
     Erst mehr als 20 Jahre nach der Sprengung des Schlosses    ZWEIFEL angebracht. Dies alles zeigt einmal mehr, wie bedeu­
wurde mit dem Bau des Palastes der Republik als Sitz der        tungsgeladen der Ort ist, an dem das Berliner Schloss –
Volkskammer der DDR sowie Konzerthalle und Kulturhaus           Humboldtforum entstehen wird – und es ist Ansporn und
begonnen. Der Entwurf stammte von Heinz Graffunder, dem         Anspruch zugleich, für ein spannendes und anregendes
Chefarchitekten und Leiter des Entwurfskollektivs. Der Palast   Programm zu sorgen.
der Republik wurde am 23. April 1976 eröffnet. Das große
Gebäude erhielt durch seine Restaurants und Bars auch den       Die „Schlossplatzwiese“
Charakter eines Volkshauses, das viele Bürger der DDR positiv   Seit 2008 hat die Stadt Berlin auf der ehemaligen ‚Palast­
in Erinnerung behalten haben. Am 23. August 1990 stimmte        wanne’, dem verbliebenen Fundament des Palastes der
die erste frei gewählte Volkskammer im Palast der Republik      Republik, eine große Wiese angelegt. Mit Holzstegen ist sie
dem Einigungsvertrag zwischen der Deutschen Demokra­            zurückhaltend landschaftlich gestaltet. Gleich nebenan
tischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland zu.         unternimmt das Landesdenkmalamt zwischen Werderschem
     Nach Protesten der Beschäftigten wegen der Gesund­         Markt und Rathausstraße seit mehreren Jahren umfangreiche
heitsgefährdung durch die Asbestbelastung wurde hier auch       archäologische Grabungen und nutzt damit die Zeit vor
die Schließung des Palastes von der Volkskammer noch zu         Beginn der Baumaßnahmen für das Berliner Schloss –
Zeiten der DDR beschlossen. Da das Gebäude durch die            Humboldtforum und vor der Verlegung der Straße am Schloss­
Asbestsanierung bis auf den Rohbau abgetragen werden            platz. Ein Teil der dabei entdeckten Reste des alten
musste, beschloss der Deutsche Bundestag schließlich den        Schlosses wird später in das Museum der Geschichte des
Abriss, welcher 2008 abgeschlossen wurde.                       Ortes einbezogen. Es ist daran gedacht, die entdeckten
     Die technisch zwingenden Gründe für Schließung und         Kellerräume in der ehemaligen südwestlichen Gebäudeecke
Abriss des Palastes wurden schon früh durch die Schloss­        des Schlosses als ‚Archäologisches Fenster’ für Besucher
debatte überlagert. Wilhelm von Boddien hatte diese Idee        begehbar zu machen.
zusammen mit York Stuhlemmer 1993/94 durch die 1 : 1-Simula­
tion der Schlossfassaden eindrucksvoll in die Welt gesetzt.

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                              I                                                         V

Lageplan, Erschließung, Portale I – V:   1 Verlauf U-Bahnlinie 5, U-Bahnein-/Ausgänge
                                         2 Standort Freiheits- und Einheitsdenkmal
WETTBEWERB

Das Wettbewerbsverfahren und seine inhaltlichen Vorgaben        Die Zusammensetzung des Preisgerichts
Grundlage des Wettbewerbs für das Projekt Berliner Schloss –    Das Preisgericht tagte am 27. und 28. November 2008 unter
Humboldtforum, der am 18. Dezember 2007 vom Bundesamt           der Leitung von Prof. Vittorio Magnago Lampugnani aus
für Bauwesen und Raumordnung ausgelobt wurde, war der           Mailand/Zürich. Weitere Fachpreisrichter waren die Archi­
Beschluss des Deutschen Bundestages von 2002. Darin findet      tekten David Chipperfield aus London, Prof. Giorgio Grassi
sich die Festlegung auf den historischen Stadtgrundriss, die    aus Mailand, Prof. Petra Kahlfeldt aus Berlin, Prof. Peter Kulka
Vorgabe zur Wiedererrichtung der barocken Fassaden und ein      aus Köln/Dresden, Prof. HG Merz aus Stuttgart, Prof. Gesine
Nutzungskonzept mit den außereuropäischen Sammlungen            Weinmiller aus Berlin sowie Prof. Peter Zlonicky aus München.
der Staatlichen Museen Berlins, Teilen der wissenschaftlichen        Zu den Sachpreisrichtern gehörte der Hamburger
Sammlungen der Humboldt-Universität und dazu passenden          Bundestagsabgeordnete Dirk Fischer, der Vizepräsident des
Medienbeständen der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Im    Deutschen Bundestages Dr. Wolfgang Thierse, der damalige
Erdgeschoss soll es mit der sogenannten Agora einen großen      Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Veranstaltungs- und Begegnungsbereich geben.                    Wolfgang Tiefensee, der Beauftragte für Kultur und Medien
     Dem zweistufigen Wettbewerbsverfahren war ein welt­        der Bundesregierung Staatsminister Bernd Neumann, und
weit offenes Bewerbungsverfahren vorgeschaltet, bei dem         für Berlin André Schmitz, Staatssekretär für kulturelle
129 Bewerber zugelassen wurden. Die Teilnehmer hatten in        Angelegen­heiten in der Senatskanzlei Berlin, und Senats­
der ersten Wettbewerbsstufe die Aufgabe, grundsätzliche         baudirektorin Regula Lüscher. Auf Seiten der inhaltlichen
Aussagen zur gestalterischen Herangehensweise und zur           Partner, der „Nutzer“, nahm Prof. Dr. Hermann Parzinger, der
Verbindung von vorgegebenen Fassaden und Gebäude­               Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, am Preis­
funktion sowie zur Integration der neu zu gestaltenden          gericht als Sachpreisrichter teil.
Ostfassade vorzulegen. Aus den 85 im März 2008 eingereich­           Zu den Beurteilungskriterien der 2. Wettbewerbsphase
ten Beiträgen wählte das Preisgericht im darauffolgenden        gehörten neben den gestalterischen Ansprüchen an die städ­
Juni 30 Teilnehmer mit den interessantesten Lösungs­            tebaulichen, architektonischen und funktionalen Lösungs­
ansätzen für die 2. Wettbewerbsstufe aus. Die Planer sollten    ideen vor allem auch die Wirtschaftlichkeit des Entwurfs
nun anhand vervollständigter Auslobungsunterlagen ihr           sowie die Nachhaltigkeit des Energiekonzepts.
Entwurfskonzept vertiefen und zeigen, wie der Bundestags­            Das Preisgericht entschied sich einstimmig für den
beschluss mit einem zukunftsweisenden Gesamtkonzept für         Entwurf des italienischen Architekten Prof. Franco Stella aus
das Humboldtforum überzeugend umgesetzt werden kann.            Vicenza als 1. Preisträger. Ein zweiter Preis wurde nicht ver­
                                                                geben, was die herausragende Qualität des 1. Preises noch­
                                                                mals unterstrich. Vielmehr wurden vier Entwürfe mit einem
                                                                3. Preis ausgezeichnet, und das Preisgericht entschied sich
                                                                für die Vergabe eines Sonderpreises.

                                                                Blick in das Schlossforum durch
                                                                Portal IV auf das Alte Museum von
                                                                Schinkel am Lustgarten

12
MIT DER IDEE EINES „SCHLOSSFORUMS“ WIRD
EIN NEUER OFFENER STADTRAUM IN NORD-SÜD-
RICHTUNG GESCHAFFEN. DIE JURY WÜRDIGT
DIESE RAUMSCHÖPFUNG ALS EINE EIGENSTÄNDIGE
QUALITÄT IN ERGÄNZUNG ZUM SCHLÜTERHOF.
Der 1. Preisträger Franco Stella                                  der räumlichen Gestaltung der Agora und der Anordnung der
Was waren die überzeugenden Argumente für die herausra­           Ausstellungsflächen nicht vollständig überzeugen. Bei dem
gende Qualität des Siegerentwurfs von Franco Stella? Das          Entwurf von Kollhoff überzeugte das Preisgericht die sorgfäl­
Preisgericht hob vor allem die städtebauliche Einbindung die­     tige Rekonstruktion des Schlüterhofes und der angrenzenden
ser Arbeit hervor, die es erreiche, „mit der Idee eines vom       Innenräume. Hier könne der vom Verfasser vorgestellte „fest­
Autor benannten ‚Schlossforums’ (…) ein(en) in Nord-Süd-          liche Stadtraum“ entstehen. Die Agora habe dagegen die
Richtung ausgerichtete(n) neue(n) offene(n) Stadtraum (zu         Anmutung eines Lichtspielhauses, was der Qualität eines
schaffen)“, diese Raumschöpfung habe eine eigenständige           „Zentrums für vielfältige künstlerische Erlebnisse“ und eines
Qualität in Ergänzung zum Schlüterhof. Insgesamt gelinge die      „Ortes der Bildung und Wissensvermittlung“ nicht gerecht
städtebauliche Einbindung des wiedererrichteten Schlosses         werde. Die Arbeit von Christoph Mäckler schließlich wurde
als Humboldtforum mit diesem Entwurf in selbstverständli­         wegen der hohen Kohärenz von Raumzuschnitten, Raum­
cher Weise. Mit großer Überzeugung schaffe es diese Arbeit,       proportionen und der Rekonstruktion der Schlüterschen
sowohl die Schlüterfassaden als auch die historische Kuppel       Fassaden prämiert. Seine ‚Verfolgung der historischen Spur’
uneingeschränkt zu rekonstruieren. Auch „der Bezug der            beispielsweise, mit der strukturellen baulichen Entsprechung
neuen Bauteile auf Prinzipien historischer Architektur, auf       der historischen spreeseitigen Bebauung, werde aber durch
ihre Dialektik von ‚Mauer’ und ‚Säule’ (wurde) positiv aufge­     einschneidende Mängel an anderer Stelle erkauft.
nommen“.
                                                                  Grundlagen und Vorgaben für die weitere Planung
Der Sonderpreis für das Büro Kühn-Malvezzi                        Die Vorgaben für die Weiterplanung durch den 1. Preisträger
Das Berliner Büro Kühn-Malvezzi erhielt einen Sonderpreis, vor    Franco Stella bezogen sich in erster Linie auf die Gestaltung
allem wegen der faszinierenden Idee eines überdachten, frei       der ‚vierten Fassade’ nach Osten zur Spree und zum
zugänglichen „Eosanderhofs“ als einem neuen öffentlichen          Alexanderplatz hin. Der Vorschlag des Planers für die Nutzung,
Stadtraum. Dieser Entwurf sah keine Rekonstruktion der            hier ein Belvedere, also ein Loggien- und Treppenhaus, ein
Kuppel vor. Die historischen Fassaden sollten zunächst in         ‚Aussichtsbauwerk’ zu schaffen, wurde wie die vorgeschla­
massivem Ziegelmauerwerk hergestellt werden, in Anlehnung         gene Fassadengestaltung im Preisgericht kontrovers disku­
an Schinkels Bauakademie oder italienische Kirchen. Je nach       tiert. Positiv gewürdigt wurde die gegenüber den historischen
Baufortschritt und Finanzierungsmöglichkeiten sollte die          Fassaden zurückgenommene Ausformulierung. Es wurde aber
barocke Steinfassade vorgeblendet werden. Beides wider­           auch darüber gesprochen, ob sie genügend architektoni­
sprach den zwingenden Vorgaben der Auslobung, weshalb             schen Ausdruck besitzt und „ob es diesem Gebäudeteil auf
nur ein Sonderpreis vergeben werden konnte.                       schmaler Grundfläche gelingen kann, Raum- und Aufent­
                                                                  haltsqualitäten zu erzeugen.“ (Protokoll des Preisgerichts)
Die vier 3. Preisträger                                                 Weitere inhaltliche Vorgaben für die notwendige Über­
Mit je einem 3. Preis ausgezeichnet wurden die Arbeiten von       arbeitung des Wettbewerbsentwurfs betrafen die Ein­
Caja Malcovati Architetti, Mailand, und Eccheli e Campagnola      beziehung der Grabungsfunde auf dem Bauplatz in ein
Architettti Associati, Verona, Kleihues + Kleihues, Berlin, und   geplantes Museum der Geschichte des Ortes im Humboldt­
Prof. Kollhoff, Berlin, und Prof. Christoph Mäckler, Frankfurt    forum im Sinne des bereits oben angesprochenen „Archäo­
am Main. Das Preisgericht lobte die Arbeit von Caja Malcovati     logischen Fensters“. Außerdem waren die verschiedenen
und Eccheli e Campagnola als klugen und assoziativen              Raumangebote der Agora im Hinblick auf aufführungs- und
Entwurf, dem es aber leider nicht gelinge, die Funktionalität     veranstaltungstechnische Vorgaben zu optimieren.
auf einem ähnlich hohen Niveau zu entwickeln. Dies betraf
zum Beispiel die Blockade der Spreepromenade oder auch die
unbefriedigende Unterbringung der Bibliothek. Die Arbeit von
Kleihues + Kleihues wurde wegen ihrer städtebaulichen
Qualitäten prämiert, konnte aber wegen Defiziten, etwa in

14
1                           2                3                       4

                         5                   6                           7                         8

                                                        10                                         11

                         9                                                                                            12

                                                                             14

                                                        13                                    15

Grundriss Erdgeschoss:       1   Museum zur Geschichte des Ortes    6   Sonderausstellung              11   Bistro der Kulturen
                             2   Entrée                              7   Foyer/Agora                    12   Gewerbe
                             3   Foyer Säle                          8   Multifunktionsaal              13   Gewerbe
                             4    Auditorium                         9   Kunstkammer                    14   Lapidarium und Café
                             5   Sonderausstellung                  10   Museumsshop und Buchladen      15   Restaurant der Kontinente
Berliner Schloss - Humboldt Forum - Detail Fassade 7 Rücklage Achse 7.07 1 : 150 31.05.2011

Schnitt durch die historische Fassade im Schlüterhof                                                                          Schnitt durch die moderne Fassade am Schlossforum

                                                 Prof.Franco Stella - Architekt - Fischerinsel 16, 10179 Berlin
REKONSTRUKTION
DER FASSADE

Was wird rekonstruiert?                                         Die Gestaltung des Baukörpers
Die Vorgaben des Parlamentsbeschlusses für die Rekonstruk­      Die historisch rekonstruierten, „alten“ Bauteile des barocken
tion des Berliner Schlosses betrafen drei der vier Außen­       Schlosses bilden mit den neuen Baukörpern ein einziges,
fassaden samt Kuppel und die drei barocken Fassaden des         schlüssiges Gebäude, das von der Einheit des Ganzen und
Schlüterhofes. Das historische Quergebäude zwischen             von der unverkennbaren Identität der jeweiligen Teile geprägt
Schlüter- und Eosanderhof sollte ebenso wenig rekonstruiert     ist. Von Außen gesehen erscheint das neue Gebäude auf
werden wie der Renaissanceflügel im Osten. Für diese Fassa­     drei Seiten mit dem historischen ‚Gesicht’ des barocken
den machte der Beschluss keine Gestaltungsvorgaben.             Schlosses. Auf der östlichen Seite kommt ein moderner Bau­
                                                                körper, das Belvedere, hinzu. Die anderen vier Neubaukörper,
Das Berliner Schloss – Humboldtforum sollte insofern von        zwei in der Form von Kuben und zwei als Zeilen, sind im
außen immer gleichzeitig als Teilrekonstruktion und Neubau      Bereich des ehemaligen Eosanderhofes angeordnet. Aus dem
erkennbar bleiben. Die deutsche Geschichte, die im 20. Jahr­    Zusammenspiel zwischen alten und neuen Bauteilen ergeben
hundert auch in der Zerstörung des Schlosses ihren Ausdruck     sich drei öffentliche Plätze innerhalb des Gebäudes: die den
fand, sollte mit der Wiedererrichtung der barocken Fassaden     Lustgarten mit dem Schlossplatz verbindende Fußgänger­
nicht vollständig verdeckt, sondern als Gegensatz von Ver­      passage „Schlossforum“, der größtenteils rekonstruierte
gangenheit und Gegenwart deutlich werden.                       „Schlüterhof“ und die gedeckte Piazza der Eingangshalle zur
                                                                „Agora“.
Die städtebauliche Bedeutung                                          Der Baukörper für das Berliner Schloss – Humboldtforum
Die Gründe für die Teilrekonstruktion des Schlosses lagen vor   erhält seine historische Höhe und Tiefe sowie Dachgestaltung
allem in der städtebaulichen Bedeutung des historischen         und weitgehend auch die gleiche Geschossverteilung. Die
Gebäudes, auf das alle umliegenden Residenzbauten in ihrer      Außenwände werden als massive Mauerwerke hergestellt, die
Architektur, ihren Dimensionen und ihrer städtebaulichen        die historische Tiefe und Plastizität bekommen. Die Kuppel
Anordnung orientiert sind.                                      soll historisch getreu wieder aufgebaut werden. Gleiches gilt
     Schinkel hat sein „Altes Museum“ mit dem offenen           für die Innenportale im Schlossforum und in der Agora.
Treppenhaus auf die Lustgartenfassade des Schlosses hin               Die neue Aufteilung im Inneren des Gebäudes entspricht
ausgerichtet. Der Berliner Dom, erst zum Ende des 19. Jahr­     den Anforderungen der Nutzer. Für nachfolgende Genera­
hunderts durch den Architekten Julius Raschdorff errichtet,     tionen bleibt aber die Möglichkeit, historisch bedeutsame
bezieht sich ebenfalls auf die große Gebäudemasse des           Trep­penhäuser und Innenräume zu rekonstruieren, ohne
Schlosses. Schließlich knüpfte auch Ernst-Eberhard von Ihne     dass dadurch teure Eingriffe in die Baukonstruktion und die
mit dem neobarocken Marstallgebäude auf der Südseite des        Trag­werksstruktur notwendig würden. Die Proportionen der
Schlossplatzes an die Formensprache der Schlossfassade an.      wesentlichen Raumfluchten sind in der Architektur
     Vor allem aber hat das Schloss seine Bedeutung als         „aufgehoben“.
Abschluss der Allee Unter den Linden, wobei die abgewinkelte          Der Architekt lehnt in seinen modernen Bauteilen eine
Stellung den Baukörper vom Blick aus den Linden plastischer     historistische Nachahmung der alten ab. Er erweist den
hervortreten lässt, als es eine rechtwinklige Anordnung im      rekonstruierten barocken Fassaden durch die Anwendung
barocken Sinne bewirkt hätte. Schließlich stammt die Anlage     zeitloser Prinzipien bei den neuen Gebäudeteilen seine
des ehemaligen kurfürstlichen Jagdweges auch schon aus          Reverenz. Mit der Vorgabe einer bloß teilweisen Rekonstruk­
vorbarocker Zeit unter Kurfürst Johann Georg, der den Reit­     tion des Schlosses beinhaltete der Bundestagsbeschluss
weg 1573 als Verbindung zum Tiergarten anlegen ließ.            damit von vornherein die Erkennbarkeit der jeweiligen Teile
                                                                des Gesamtensembles für das Humboldt­forum als einen
                                                                echten Neubau.

17
DAS TEILREKONSTRUIERTE SCHLOSS
BETONT DIE BEDEUTUNG DIESES
ORTES IN DER MITTE DER HAUPTSTADT
DEUTSCHLANDS FÜR DIE GESCHICHTE
UND DIE KULTUR DIESES LANDES.

18
DIE ORIGINALGETREUE QUALITÄT IST UMSO
     WICHTIGER, SOLL IHRE WIEDERERRICHTUNG
     NICHT BLOSSE ADAPTION UND FASSADE
     BLEIBEN, SONDERN DEN GANZHEITLICHEN
     KÜNSTLERISCHEN GESTALTUNGSANSPRUCH
     ANDREAS SCHLÜTERS ZUR GELTUNG BRINGEN.

                       Der denkmalpflegerische Anspruch
                       Vor diesem Hintergrund ist die originalgetreue Qualität der
                       rekonstruierten barocken Fassaden umso wichtiger. Ihre
                       Wiedererrichtung soll nicht bloße Adaption bleiben, sondern
                       die einstige künstlerische Gestaltung des barocken Bau­
                       meisters Andreas Schlüter erkennbar machen. Bei der
                       Rekonstruk­tion geht es um die architektonischen und bild­
                       hauerischen Schmuckelemente. Zur Erarbeitung der kunst­
                       historischen Grundlagen hat die Stiftung Berliner Schloss –
                       Humboldtforum im April 2010 eine Tagung mit dem Thema
                       „Rekonstruktion am Beispiel Berliner Schloss aus kunsthisto­
                       rischer Sicht“ veranstaltet. Die internationale Konferenz im
                       Europäischen Zentrum für Exzellenz Villa Vigoni am Comer
                       See am 08. und 09. April 2010 unter Beteiligung von Kunst­
                       historikern und Denkmalpflegern hat die „10 Thesen der Villa
                       Vigoni“ erarbeitet, die im Anhang dieser Broschüre abge­
                       druckt sind. Die Thesen zielen auf die Bedeutung des Ortes
                       in der Mitte Berlins, den hohen Qualitätsanspruch der
                       Rekonstruktion und die Forderung ab, das Bauwerk in sei­
                       nen Bauabschnitten in optimierter zeitlicher Abfolge und
                       jeweils in sich stimmig zu realisieren.

21
Die Schlossbauhütte
Für die Arbeiten an den Schmuckelementen der Fassaden
wurde von der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum eine
„Schlossbauhütte“ gegründet. Deren Aufgabe ist zunächst die
Sammlung und Sichtung der bislang an verschiedenen Orten
gelagerten Originalfragmente und Figuren sowie der Modelle
für Sandsteinarbeiten, die bereits im Auftrag des Förder­
vereins Berliner Schloss e. V. hergestellt wurden. Diese Mate­
rialien wurden von einem Expertengremium aus Kunsthisto­
rikern und Architekten auf ihre Qualität für die Verwendung
bei der Wiedererrichtung der barocken Fassaden begutach­
tet. Die Schlossbauhütte dient als Zentraldepot sowie zur
Qualitätskontrolle vor und während der Baumaßnahme.
      Die Schlossbauhütte wird Werkstatt und Fertigungs­
stätte für die Natursteinarbeiten. Nirgendwo sonst wird das
Faszinierende und Anspruchsvolle dieser Bau­aufgabe so
deutlich wie hier, wo die Säulenkapitelle und Schmuck­figuren
des Barock wieder entstehen. Die Schloss­bauhütte soll des­
halb in die Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt eingebunden
werden, wenn sie aus technischen Gründen auch nicht
öffentlich zugänglich sein kann. Interessierte Spender haben
jedoch die Möglichkeit, sich bei geführten Besichtigungen
über den Fortschritt der Stein­bild­hauer­arbeiten vor Ort zu
informieren.
      Das Expertengremium für die Schlossbauhütte, das den
hohen Qualitätsanspruch bei diesem Rekonstruktions­
                                                                 Die Wiederherstellung der baro-
vorhaben gewährleisten soll, besteht aus Fachleuten der          cken Schmuckfiguren ist aufwen-
Stiftung Preußischer Kulturbesitz, des Landesdenkmalamtes        dig und langwierig: Zunächst wer-
Berlin, der Projektgemeinschaft des Architekten Prof. Franco     den Modelle z.B. der Adlerköpfe
                                                                 oder Wappenschilde nach Foto-
Stella, der Bauhütte der Stiftung Preußische Schlösser und       dokumenten oder auch einzelnen
Gärten, des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung             Originalfragmenten aus Ton nach-
und der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum. Dieses        gebildet. Diese werden in Gips
                                                                 abgegossen und in traditionellen
Fachgremium wird auch darüber befinden, ob die noch erhal­
                                                                 Verfahren mittels eines Punktier-
tenen Originalfiguren von Schlüter wieder im Schlüterhof oder    geräts in Naturstein nachge-
aus konservatorischen Gründen in einem Lapidarium im             hauen. Die barocken Fassaden
                                                                 hatten ca. 3.000 Schmuckele-
Bereich des ehemaligen Gigantentreppenhauses hinter dem
                                                                 mente, für die etwa 300 verschie-
Portal VI aufgestellt werden.                                    dene Modelle hergestellt werden
                                                                 müssen.

22
2

                       1                 2                                                     3                4

                                                                  5

                                                                        7
                                           6

Grundriss 1. Obergeschoss:   1   Fachwissenschaftliche Bibliothek SMB       6 Zentral- und Landesbibliothek Berlin
                             2   Sonderausstellung SMB                      7 Café
                             3   Sonderausstellung SMB
                             4   Konzeptraum Humboldt-Universität
                             5   Bistro
ENTWICKLUNG DER
PLANUNG

Von der Wettbewerbsidee zur Entwurfsplanung                       Erforderliche Nebenräume für das Veranstaltungs­management
Naturgemäß werden die ursprünglichen Wettbewerbspläne             der Agora befinden sich nun u.a. in einem neuen Zwischen­
bis zur baureifen Entwurfsunterlage gründlich überarbeitet.       geschoss im Schlossforum, was durch die historisch vorge­
In Abstimmung mit den Beteiligten bezogen sich diese Ände­        gebenen Geschosshöhen von bis zu 6,50 m ermöglicht wurde.
rungen vor allem auf den großen multifunktionalen Veranstal­
tungsbereich, die Agora im Erdgeschoss. Umgeplant wurden          Kunstkammer und Museum zur Geschichte des Ortes
weiterhin das Belvedere sowie die Erschließung und es wur­        Bei der Weiterentwicklung der Planung mussten funktional
den Zwischengeschosse in den modernen Bauteilen hinzuge­          sinnvolle und historisch nachvollziehbare Standorte im
fügt, wo dies wie im Schlossforum die vom Altbau übernom­         Gebäude für die Kunstkammer und das Museum zur
menen Geschosshöhen es ermöglichten.                              Geschichte des Ortes gefunden werden. Die Kunstkammer
                                                                  kann nun am historischen Schlossplatz eingerichtet werden.
Die Weiterentwicklung der Agora                                   Das Museum zur Geschichte des Ortes ist ideal direkt am
Architekt Franco Stella hatte im Wettbewerbsentwurf Teile der     Haupteingang von Portal III an den Besucherstrom und das
Agora auch im Kellergeschoss vorgesehen. Diese Räum­              geplante ‚Archäologische Fenster’ angebunden. Dort bleiben
lichkeiten wurden im Zuge der Überarbeitung in das prominen­      im Kellergeschoss darunter die ausgegrabenen Reste des
tere Erdgeschoss heraufgeholt. Garderoben, Toiletten, Lager,      Hohenzollernschlosses erhalten, die später sogar teilweise
Haustechnikräume etc. blieben weitgehend im Keller­­ge­schoss.    begehbar sein sollen.
Damit entfiel die hinunterführende Treppe, die vorher mittig im
Foyer vor dem Innenportal III angeordnet war. Das Foyer ist nun   Das Belvedere
der Hauptraum der Agora mit einer gebäude­hohen und               Im Wettbewerbsentwurf hatte der Architekt auf der Ostseite
stützen­freien großen Halle und dem rekonstruierten Innen­        des Gebäudes ein Belvedere vorgesehen. Es sollte als öffent­
portal des Haupteingangs unter der Kuppel als Blickfang.          lich begehbarer Aussichtsort den Blick vom Schloss auf die
     Im Wettbewerb hatte der Architekt die großen Kuben der       andere Spreeseite freigeben. Schon das Preisgericht disku­
Sonderausstellungssäle beidseitig des zentralen Foyers            tierte kontrovers über die öffentliche Zugänglichkeit und die
abgerückt von den Innenfassaden des Eosanderhofes ange­           Aufenthaltsqualität in dem schmalen Gebäuderiegel.
ordnet, so dass auch deren historische Rekonstruktion                  Die Planungsüberarbeitung führte zu der Überlegung,
ermöglicht worden wäre. Die neuen Kuben sind nun – zur Ver­       diese Flächen der übrigen Nutzung des Gebäudes auf den
größerung der Agora und für eine engere Nutzungsbeziehung         verschiedenen Etagen zuzuordnen. Dabei wird das Belvedere
zwischen den Innenräumen – direkt an die Gebäudekanten            als eigenständiger und bewusst modern gestalteter Gebäude­
des rekonstruierten Schlossbaukörpers angebunden. Von den         körper präsent bleiben. Eine tiefe und massige Ausbildung der
historischen Fassaden des Eosanderhofes verbleibt damit nur       Außenwände prägt gleichzeitig die Identität dieses Gebäude­
die mögliche Rekonstruktion der drei Innenportale: Sie verlei­    teils gegenüber den historischen Fassaden und zitiert mit der
hen der überdachten Piazza des Foyers und dem Schloss­            Wandstärke deren historische Ausgestaltung.
forum eine unverwechselbare Identität, die zusammen mit                Im Bereich des Belvedere soll der Treppenhausraum der
dem rekonstruierten Schlüterhof alle drei öffentlichen Plätze     historischen „Gigantentreppe“, der einstmals zu den Sehens­
innerhalb des Gebäudes gestalterisch verbindet und                würdigkeiten des Schlosses gehörte, über drei Geschosse
auszeichnet.                                                      hinweg freigehalten werden. Dadurch bleibt es einer nachfol­
     Im Erdgeschoss kommen an der Lustgartenseite ebenso          genden Generation unbenommen dieses Treppenhaus wieder
wie zur Spree und im Schlüterhof Gastronomie- und Service­        entstehen zu lassen.
angebote hinzu. In die Obergeschosse führt ein großes, in der
vollen Gebäudehöhe einsehbares Treppenhaus. Es wird mit
seinen symmetrisch einander gegenüber gestellten Fuß- und
Rolltreppenläufen zu einem eigenen beeindruckenden
Raumerlebnis.

25
Die Raumaufteilung und Architektur in den beiden Ober­ge­        Das Engagement des Fördervereins Berliner Schloss e.V.
schossen wurden im Zuge der Weiterentwicklung der Planung        Die Idee der Wiedererrichtung des Berliner Schlosses wäre
ebenso im Detail verändert. Hier blieb es bei den wesent­        nicht ohne das große Engagement des Fördervereins Berliner
lichen Strukturen, wobei aber in der konstruktiven Durch­        Schloss e.V. so weit gediehen. Der Förderverein hat vor allem
planung darauf geachtet wurde, dass auch in diesen oberen        mit der Simulation der historischen Schlossfassaden auf
Geschossen gegebenenfalls später einmal einige der bedeu­        Gerüsten im Maßstab 1:1 das Bild des Schlosses im Stadtraum
tenden historischen Räume wieder errichtet werden können.        der Berliner Mitte wieder erweckt, als der Palast der Republik
                                                                 dort 1993/94 noch stand, aber wegen der Asbestbelastung
Offene Planungsdetails                                           längst geschlossen war.
Verschiedene Planungsdetails im Bereich der Fassaden­                 Mit der Gründung der Stiftung Berliner Schloss –
gestaltung wie der inneren Nutzungsaufteilung und Raum­          Humboldt­forum gehen nun alle Planungs- und Bauaufträge
anordnung werden derzeit noch zwischen Bauherrin, Nutzern,       von ihr als Bauherrin aus – schon um das geltende Vergabe­
Architekt und Baumanagement diskutiert. Dazu gehören die         recht bei dieser öffentlichen Bauaufgabe zu wahren. Die
Frage der vollständigen Wiederherstellung des östlichen          Stiftung hat daher die vom Förderverein bereits beauftragten
Fassadenabschlusses am Schlossplatz, des sogenannten             und ausgeführten Planungs- und Ausführungs­leistungen für
Eckrondells Schlüters an der Südfassade und der Übergang         die Rekonstruktion der barocken Fassaden übernommen und
von alt zu neu an dieser wie an der ähnlichen Situation zum      in das Baumanagement einbezogen.
Lustgarten an der Nordfassade. Im Bereich der inneren                 Dies betrifft vor allem die Bildhauerarbeiten. In der Regie
Nutzungsaufteilung und Raumanordnung wird noch über die          des Födervereins wurden bereits zwei Fünftel der Modelle
architektonisch wie museumstechnisch zweckmäßige                 für Sandsteinfiguren erschaffen. Der Förderverein stellt
Unterbringung der großen Südsee-Bootssammlung und der            damit einen wesentlichen Teil der Vorarbeiten für den baro­
Palau-Häuser diskutiert.                                         cken Fassadenschmuck der historischen Fassaden bereit.
                                                                 Die Prüfung dieser Steinbildhauerarbeiten auf handwerklich-
Grundsätze der technischen Gebäudeplanung                        künstlerische Qualität durch die „Expertenkommission Rekon­
Zu den Grundsätzen der technischen Gebäudeplanung für            struktion“ hat zu einem durchweg positiven Ergebnis geführt.
Bauvorhaben des Bundes, die auch beim Berliner Schloss –         Die bereits gefertigten Modelle für die barocken Fassaden­
Humboldtforum umgesetzt werden, gehört das Gebot der             schmuckelemente werden alle Verwendung finden können.
Nachhaltigkeit und der Energieeinsparung. So werden in der
technischen Gebäudeausrüstung die derzeit gültigen Werte
der Energieeinsparungsverordnung (EnEV) um 30 Prozent
unterschritten. Außerdem wird eine Geothermieanlage reali­
siert, die den Verbrauch fossiler Energieträger und damit den
CO2 Ausstoß durch die Nutzung der Erdwärme reduziert.
     Das Gebot der Nachhaltigkeit wird auch in der soziokul­
turellen und funktionalen Qualität, der technischen Qualität
des Bauwerks und der Prozessqualität verwirklicht. So ist eine
durchgängige Barrierefreiheit gewährleistet. Und schon jetzt
werden die auf Nachhaltigkeit abgestimmten Prozesse für
den Betrieb, die Nutzung und die Bauunterhaltung in die
Planung einbezogen.

26
Grundriss 2. Obergeschoss:   Ausstellungsflächen Ethnologisches Museum
DAS MODERNE BELVEDERE BETONT
     SEINE EIGENSTÄNDIGKEIT GEGENÜBER
     DEN HISTORISCHEN FASSADEN UND
     ZITIERT IN FASSADENGLIEDERUNG
     UND WANDSTÄRKE GLEICHZEITIG
     DEREN HISTORISCHE WERTIGKEIT.

29
WEITERE PLANUNGSOPTIONEN

Innenportale                                                        Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat mit dem
Der Bundestagsbeschluss zur Rekonstruktion der barocken             Beschluss vom 06. Juli 2011 die baulich bedeutsamen
Fassaden des Berliner Schlosses bezog sich ausdrücklich nur         Optionen der Rekonstruktion der Innenportale und des voll­
auf die drei Außenfassaden nach Norden, Westen und Süden            ständigen historischen Wiederaufbaus der Kuppel ausdrück­
sowie auf die von Schlüter gestalteten Barockfassaden im            lich befürwortet. Er erwartet allerdings, dass die Mittel für
östlichen Hof, den sogenannten Schlüterhof. Das Gebäude             diese zusätzlichen Ausgaben durch Spenden aufgebracht
wird also deutlich als Neubau erkennbar sein, im Schlüterhof        werden. Die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum nimmt
mit seinem modernen Querriegel zum Schlossforum, an der             dies als besonderen Ansporn für die Spendenwerbung auf.
Ostseite mit dem Belvedere, aber auch im Schlossforum, dem
öffentlichen Durchgang von der Lustgartenseite zur Breiten          Rekonstruktion von historischen Innenräumen
Straße auf der Südseite, dem ehemaligen Schlossplatz.               Die Rekonstruktion historischer Innenräume ist zum jetzi­
Dieses „Schlossforum“ soll, so die Vorstellung des Archi­tek­       gen Zeitpunkt weder geplant noch finanziert. Schließlich
ten, an den beiden Stirnseiten nach Möglichkeit die histo­          soll das Haus einem kulturellen Zweck dienen, der eigene
rischen Innenportale mit den dazugehörigen, durch Säulen            Anforderungen an die Innenraumausstattung stellt. Eine
und Bögen gestalteten Tordurchgängen erhalten.                      spätere Rekonstruktion von Innenräumen soll aber nicht aus­
     Die Wiedererrichtung dieser historischen Innenportale          geschlossen sein. Die Architektur und vor allem die Trag­
samt Durchgängen ist ebenso wenig im festgelegten Kosten­           werks­planung sind daher so angelegt, dass für solche
budget enthalten, wie das großartige Innenportal unter der          Rekonstruk­tions­maßnahmen künftige Generationen nicht in
Kuppel von Portal III. Auch dieses Innenportal wird vom Archi­      die konstruktive Substanz des Gebäudes eingreifen müssen.
tekten zu Recht als wesentliches Gestaltungselement für den         Lediglich an wenigen Stellen wird eine Rekonstruktion histo­
großartigen, über die gesamte Gebäudehöhe reichenden                rischer Innenräume später kaum möglich sein, wie etwa
Foyersaal der Agora gefordert.                                      beim ehemaligen Weißen Saal auf der Nordwestseite des
                                                                    historischen Baukörpers. Seine Dimension und vor allem
Historische Kuppel                                                  Raum­höhe war nicht in die Museumsplanung des Humboldt­
Schließlich ist auch die historische Ausgestaltung der Kuppel       forums zu integrieren. An vielen anderen Stellen wird dies
nicht im Kostenbudget enthalten. Lediglich der Roh­bau der          aber möglich sein.
Kuppel lässt sich innerhalb des strengen Kosten­rahmens
reali­sieren, nicht aber ihr Bauschmuck, angefangen von der         Dachrestaurant
Laterne auf der Spitze bis zu den Sandsteingirlanden an ihrer       Schließlich sind auf der Dachfläche der Nord-West-Ecke des
Basis.                                                              Gebäudes eine öffentlich zugängliche Terrasse und ein
      Es ist eine große Herausforderung für die Stiftung Berliner   Restaurant geplant. Diese Lage eröffnet einen hervorragen­
Schloss – Humboldtforum und den Förderverein Berliner               den Blick auf das wiederhergestellte Forum Friedericianum
Schloss e. V. sowie die anderen privaten Initiativen, Bürger­       mit der Schlossbrücke und den umliegenden historischen
innen und Bürger für das Bauvorhaben in der Mitte und am            Gebäuden sowie auf Unter den Linden und die Museumsinsel.
prominentesten Standort ihrer Hauptstadt so zu begeistern,          Allerdings ist das Projekt nicht im öffentlichen Baubudget
dass auch diese gestalterisch notwendigen Elemente des              enthalten. Es ist vor­gesehen, diese Teilbaumaßnahme mit
historischen Baukörpers mit Spendengeldern realisiert werden        privaten Mitteln zu ermöglichen.
können. Denn nur mit einer historischen Kuppel, mit histori­
schen Innenportalen und Durchgängen wird das Berliner
Schloss – Humboldtforum die Faszination und Bewunderung
bewirken, die diesem Vorhaben angemessen sind.

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2

Grundriss 3. Obergeschoss:   Ausstellungsflächen Museum für Asiatische Kunst
ORGANISATION

Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum: die Bauherrin         per Satzung verpflichtet, im späteren Berliner Schloss –
Die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum ist die Bau­       Humboldtforum eine Dauerausstellung zur Geschichte des
herrin dieses ambitionierten Kulturbauvorhabens. Sie baut als    Ortes einzurichten, zu unterhalten und weiterzuentwickeln
Eigentümerin des Baugrundstücks und spätere Eigentümerin         sowie weitere Veranstaltungen zur Förderung von Kunst
des Gebäudes für ihre eigenen Zwecke. Satzungsgemäß über­        und Kultur, des Gedankens der Völkerverständigung, der
lässt sie den Partnern des Humboldtforums, den Staatlichen       Bildung und Toleranz und des Denkmalschutzes und der
Museen Berlin, der Zentral- und Landesbibliothek und der         Denkmal­pflege dort durchzuführen. Auch die Stiftung selbst
Humboldt-Universität, einvernehmlich festgelegte Räum­lich­      gehört damit später zu den Nutzern des Berliner Schloss –
keiten zur unentgeltlichen Nutzung. Als spätere Bewirt­          Humboldtforum.
schafterin der Flächen achtet die Stiftung im eigenen und im
Interesse der Partner schon bei der Planung, bei der Wahl der    Der Aufbau der Stiftung
Baumaterialien und der Haustechnik, der Erschließung und         Die Stiftung erfüllt ihre Aufgaben mit einem kleinen Team, das
der Planung des Facility Managements auf eine nachhaltige,       sich auf die Bereiche Planung und Haustechnik, Öffentlich­
beständige und vor allem wirtschaftliche Bauweise.               keits­arbeit, Finanzbuchhaltung und Rechnungsprüfung sowie
                                                                 Justitiariat aufteilt. Geleitet wird die Stiftung vom Sprecher
Die weiteren Aufgaben der Stiftung                               des Vorstands, Dipl.-Ing. Architekt Manfred Rettig, und vom
Neben ihrer Bauherrenrolle hat die Stiftung Berliner Schloss –   kaufmännischen Vorstand Dr. Frank Nägele. Sie berichten dem
Humboldtforum die satzungsgemäße Aufgabe, die Öffentlich­        Stiftungsrat, in dem der Deutsche Bundestag mit fünf Abge­
keit über das Projekt des Humboldtforums im Berliner Schloss     ordneten, die Bundesregierung mit den Ressorts Verkehr, Bau
zu informieren. Die Stiftung hat dazu eine Wanderausstellung     und Stadtentwicklung, Finanzen und dem Beauftragten für
entworfen, die in Deutschland wie in den europäischen Nach­      Kultur und Medien vertreten sind, sowie das Land Berlin und
barländern oder auch in Übersee gezeigt wird. Erste Stationen    die drei Nutzer. Der Stiftungsrat ist das oberste Ent­scheidungs­
waren das Goethe-Institut in Paris und das Warschauer            gremium der Stiftung. Ihm zur Seite steht das Kuratorium, in
Königsschloss. Die Stiftung führt weiterhin regelmäßig öffent­   das der Stiftungsrat Persönlichkeiten beruft, die den
liche Diskussionsveranstaltungen über verschie­dene Themen       Gedanken der Stiftung in besonderer Weise repräsentieren
rund um das Humboldtforum durch. Sie koordiniert die Partner     und bereit sind, für die Zwecke der Stiftung aktiv einzutreten.
des Humboldtforums in der Humboldt-Box und sie veröffent­
licht verschiedene Informationsbroschüren über das Projekt.      Das Baumanagement
     Die Stiftung sorgt auf diese Weise für eine fortlaufend     Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung übernimmt
verbesserte positive Wahrnehmung des Projekts in der             für das Projekt das Baumanagement und führt das Bau­
Öffentlichkeit. Sie wirbt vor allem um bürgerschaftliches        vorhaben für die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum
Engagement für das Vorhaben. Denn nur mit einer breiten          durch. Das heißt, alle Aufträge für Planungsleistungen, alle
Unterstützung in der Bürgerschaft, die sich gerade auch in       Vergaben für Bauaufträge usw. werden ausschließlich über
ihrer finanziellen Beteiligung zeigen kann, wird das Projekt     das Bundesamt abgewickelt, allerdings im Namen und für
später ein Ort des gesellschaftlichen und politischen Aus­       Rechnung der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum
tausches und der kulturellen Begegnung werden, der sich          als Bauherrin. Das Bundesamt für Bauwesen und Raum­
inhaltlich aus sich selbst heraus trägt.                         ordnung ist eine bundesunmittelbare Oberbehörde, die dem
     Schließlich nimmt die Stiftung auch alle Spenden, die       Bundes­ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
von dritter, privater Seite eingeworben wurden, für das Bau­     nach­geordnet ist. Die Stiftung hat mit dem Bundesamt eine
vorhaben entgegen. Die Berechtigung dazu erhält sie durch        Durch­führungsvereinbarung zu diesem Bauvorhaben abge­
ihren gemeinnützigen Status. Nicht zuletzt deshalb ist sie       schlossen. Dabei wird das Bundesamt für die Stiftung kosten­
                                                                 frei tätig.

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