Digitalisierungsbericht - VIDEO JUBILÄUMS AUSGABE - Die Medienanstalten

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Digitalisierungsbericht - VIDEO JUBILÄUMS AUSGABE - Die Medienanstalten
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Digitalisierungsbericht

                   J U BI LÄU
                              M S­
                     AUSGAB
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Digitalisierungsbericht - VIDEO JUBILÄUMS AUSGABE - Die Medienanstalten
Digitalisierungsbericht 2019
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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Publikation in der
Regel das generische Maskulinum verwendet. Die Angaben beziehen
sich immer auf Angehörige aller Geschlechter.

Herausgeber
die medienanstalten – ALM GbR
Friedrichstraße 60
10117 Berlin

Tel: + 49 30 206 46 90 - 0
Fax: + 49 30 206 46 90 - 99

E-Mail: info@die-medienanstalten.de
Website: https://www.die-medienanstalten.de

Verantwortlich
Cornelia Holsten – Vorsitzende der Direktorenkonferenz
der Landesmedienanstalten (DLM)
Thomas Fuchs – Koordinator des Fachausschusses Netze,
Technik, Konvergenz der ZAK/DLM

Redaktion
Aylin Ünal, Dr. Simon Berghofer,
Gemeinsame Geschäftsstelle der Medienanstalten

Lektorat
Aylin Ünal, Berlin

Copyright © 2019 by
die medienanstalten – ALM GbR

Stand: Oktober 2019
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 978-3-9819728-9-4

Design, Bildkonzept, Illustrationen und Satz
Rosendahl x Borngräber UG
Website: www.rosendahl-berlin.de

Bildnachweis:
S. 4, Foto Cornelia Holsten: Annette Koroll
S. 4, Foto Thomas Fuchs: Achim Multhaupt
S. 69, Foto Dr. Simon Berghofer: Jens Jeske
S. 69, Foto Andreas Hamann: Jens Jeske
S. 70, Foto Dr. Hans Hege: privat
S. 70, Foto Torsten Kleinz: Oliver Kleinz
S. 71, Foto Ricardo Topham: SES
Illustrationen: © Rosendahl x Borngräber UG, Daniela Sattler

Druck
PIEREG Druckcenter Berlin GmbH
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Digitalisierungsbericht 2019
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herausgegeben von
die medienanstalten – ALM GbR
Digitalisierungsbericht - VIDEO JUBILÄUMS AUSGABE - Die Medienanstalten
Vorwort

                           Cornelia Holsten
                                                                                      Thomas Fuchs
                           Vorsitzende der Direktoren­
                           konferenz der Landesmedienan-                              Fachausschuss Netze, Technik,
                           stalten (DLM)                                              Konvergenz der ZAK / DLM

Der Digitalisierungsbericht Video feiert in diesem         ­ rbeit der Medien­anstalten, welche die techni-
                                                           A
Jahr ein Jubiläum! 15 Jahre können eine lange Zeit         schen ­Umstiege als Vermittler, Moderatoren und
sein und doch wie im Flug vergehen – vor allem,            Weg­begleiter ­erlebten.
wenn man bedenkt, wie schnell sich die Medien-
branche in technischer Hinsicht verändert. Beson-          Über die Jahre hat sich auch die Forschung des
ders anschaulich wird dies, sobald man anhand              ­Digitalisierungsberichts weiterentwickelt und den
der Forschung Trends beobachten kann, die viel              technischen Neuerungen angepasst. Der Digita-
über den Markt verraten: Wie nutzen Fernsehzu-              lisierungsbericht widmet sich schon lange nicht
schauer ihre Geräte, wie ändern sie ihr Verhalten?          mehr ausschließlich den Wasserstandsmeldungen
Wie verändern sich die Übertragungswege und die             zur Digitalisierung der Übertragungswege, son-
­angebotenen Inhalte?                                       dern dokumentiert sehr differenziert die – letztlich
                                                            durch die Digitalisierung hervorgerufenen – Verän-
Dr. Hans Hege und Andreas Hamann haben                      derungen der Bewegtbildnutzung. Neben der VoD-
­diese Entwicklungen aus Sicht der Medienan-                getriebenen Entlinearisierung des Videokonsums
 stalten b ­ egleitet und gewähren in ihrem Beitrag         zeigt sich, dass gerade IP-Netze für die Bewegtbild-
 ­einen Einblick in die Arbeit, die Forschung und           übertragung immer wichtiger werden, egal ob am
  die ­Gedankenwelt der Medienaufsicht, indem               Smartphone, dem Tablet oder über den Smart-TV.
  sie die letzten 15 Jahre Revue passieren lassen.          Damit rücken auch die Benutzeroberflächen dieser
  ­Dabei wird deutlich, wie stark die Umbrüche in           Geräte und die auf ihnen installierten Apps in den
   der M
       ­ edienwelt sind: Im Jahr 2005 konnte erst           Vordergrund – denn sie sind das Nadelöhr, durch
   ein Viertel der Haushalte in Deutschland digitales       das ein Inhalteanbieter muss, wenn er seinen Con-
   Fernsehen empfangen, heute sind es 100 Prozent.          tent zum Zuschauer bringen will.
   Bei der jüngsten ­Generation lösen VoD-Angebote
   über das I­nternet nach und nach das klassische         Die Gerätehersteller bilden die erste Hürde: Sie
   lineare Fernsehen ab. Ebenso veränderte sich die        bestimmen, mit welchen Bewegtbild-Apps ein

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Fernseher zum Verbraucher gelangt, wie ­einfach       Nach all den technischen Neuerungen, die wir über
es für Nutzer ist, die Apps anzupassen oder eine      die Jahre beobachtet haben, schauen nun ­viele
Wunsch-App zu installieren. Daher erheben wir         ­Experten der Branche auf den neuen Standard
in diesem Jahr erstmals zusätzlich zur Frage,          5G. Torsten Kleinz widmet sich in seinem Beitrag
ob ­TV-Benutzeroberflächen angepasst werden,           der Frage, welche Möglichkeiten 5G für die Bild-
­welche Bewegtbild-Apps auf (welchen) Smart-TVs        schirmnutzung der Zukunft hat und welche Rolle
 genutzt werden.                                       die Rundfunkübertragung dabei spielt.

Die zweite Hürde bilden die Anbieter von Live-        Doch bis es soweit ist, dass 5G eine relevante Größe
TV-Angeboten in offenen Netzen, die durch die         auf dem TV- und Videomarkt darstellt, wird es noch
­Gestaltung ihrer Apps und Oberflächen wieder-        dauern. Auf internationaler Ebene steigt während-
 um Inhalte diskriminieren können. Die Nutzung        dessen sowohl die Digitalisierung der TV-Haus-
 von Live-TV über das offene Netz bleibt zwar nach    halte als auch der HD-Empfang weiterhin stetig
 wie vor weit hinter der VoD-Nutzung, gewinnt         an, zeigt Ricardo Topham in seinem europäischen
 aber mit steigender Anbieterzahl an Bedeutung.       Vergleich. Die Ansprüche der Nutzer an Videoan-
 Grund genug genauer zu schauen, welche Ange-         gebote steigen ebenfalls: Die Nutzer wollen Flexi-
 bote eigentlich genutzt werden. Denn das Angebot     bilität, nicht nur hinsichtlich der Inhalte, sondern
 hat zugenommen: IPTV- oder Kabelanbieter bieten      auch bezüglich der unterschiedlichen Bildschirme.
 mittlerweile ihre Live-Programmpakete über das       ­Gerätehersteller und Inhalteanbieter sind also auf-
 offene Internet an und entkoppeln das ­TV-Erlebnis    gefordert, vielfältige Nutzungsmöglichkeiten an-
 immer stärker von den „traditionellen“ TV-Übertra-    zubieten – nach Ansicht der Medienanstalten ist
 gungswegen. Tatsächlich steigt die Zahl der soge-     dieser Trend nur zu begrüßen. Die Medienanstalten
 nannten „Cord Cutter“ im Vergleich zum Vorjahr        werden diese Entwicklungen und neuen Nutzungs-
 erheblich – wenn auch auf einem nach wie vor sehr     trends weiterhin begleiten und der Medienbran-
 ­niedrigen ­Gesamtniveau.                             che gestaltend und moderierend zur Seite stehen.

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Inhalt

Der 15. Digitalisierungsbericht                                       9
Ein Blick zurück und nach vorn
Dr. Hans Hege / Andreas Hamann

5G – Technik ist nicht alles                                         19
Torsten Kleinz

Daten & Fakten zur Digitalisierung in Deutschland

Aktueller Stand der Digitali­sierung der TV-Empfangswege und         32
digitalen Fernseh- und Videonutzung in Deutschland
Dr. Simon Berghofer

Methodik                                                             52

Daten & Fakten zur internationalen Digitalisierung

Digitaler Fernsehempfang in Europa auf Erfolgskurs                   56
Analoger Fernsehempfang in europäischen Haushalten
Ende 2018 bei nur noch rund 6 Prozent
Ricardo Topham

Die Aufgaben der Landesmedienanstalten in der Plattformregulierung   67

Autoren                                                              69

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Digitalisierungsbericht - VIDEO JUBILÄUMS AUSGABE - Die Medienanstalten
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Der 15. Digitalisierungsbericht
Ein Blick zurück und nach vorn
Dr. Hans Hege, Andreas Hamann

Im Jahr 2005 konnte erst ein Viertel der deutschen    unterstützen. Digitalisierung ließ sich nicht
Haushalte digitales Fernsehen empfangen. Breit-       ­anordnen, sondern bedurfte des Dialoges mit
bandiges Internet, damals nur über DSL, steckte        ­allen Marktpartnern. Besondere Schwerpunkte
noch in den Anfängen, YouTube war gerade ein            der M­ edienanstalten lagen bei der Entwicklung
Jahr alt und noch nicht von Google übernommen,          der ­Anbietervielfalt, den Chancen lokaler und
­Facebook spielte keine Rolle für die Mediennutzung     ­regionaler Anbieter und dem offenen Zugang zu
 und die öffentliche Kommunikation, das iPhone           Geräten und Technologien. Die Medienanstalten
 sollte erst zwei Jahre später die mobile Medien-        wollten auch zur Diskussion jenseits ihres klassi-
 nutzung revolutionieren.                                schen ­Aufgabenbereiches beitragen: zur digitalen
                                                         Dividende ebenso wie zur Zukunft des öffentlich-
2005 war zugleich das Jahr, in dem der erste             rechtlichen Rundfunks.
­Digitalisierungsbericht erschien. Er hatte zwei
 Schwerpunkte: eine Analyse der Herausforderun-       Im Digitalisierungsbericht 2005 haben wir als
 gen für Unternehmen, Politik und Regulierung, die    ­öffentliches Interesse bzw. Ziele einer Regulierung
 sich aus dem digitalen Fernsehen und dem Analog-­     der digitalen Medienwelt identifiziert:
 Digital-Übergang ergaben, und einen Daten- und
 Faktenteil, auf der Grundlage einer Erhebung in      • S icherung der Auswahl des Nutzers/Verbrau-
 den TV-Haushalten zur Digitalisierung im deut-          chers
 schen Fernsehmarkt.                                  • Vielfalt des Programmangebotes und verhinde-
                                                         rung vorherrschender Meinungsmacht
Die Medienanstalten wollten damit über ihre           • Sicherung der Entwicklungsmöglichkeiten für
­Aufgaben in der Plattformregulierung hinaus zum         lokale und regionale Inhalte
 Verständnis der digitalen Entwicklungen beitragen    • Universeller (flächendeckender) Zugang von
 und ihre Gestaltung erleichtern. Die Erkenntnisse       Nutzern/Verbrauchern zu den wichtigsten
 der Untersuchung sollten den ­Moderations­prozess       ­Medieninhalten

                                                                                                         9
Der 15. Digitalisierungsbericht

•    Kinder- und Jugendschutz                                                                                        Erste Phase: Digitalisierung der
•    Verbraucherschutz                                                                                               Rundfunkübertragungswege
•    Schutz der Urheberrechte                                                                                        In der ersten Phase der Digitalisierung ging es den
•    Entwicklung der Medienwirtschaft und ihre                                                                      Medienanstalten um die Digitalisierung der Rund-
      Stärkung als Wachstumsindustrie.                                                                               funkübertragungswege, also derjenigen Infrastruk-
                                                                                                                     turen, die vorrangig für die Verbreitung linearer
                                                                                                                     Fernsehprogramme bestimmt sind. Digital gab es
                                                                                                                     mehr Programmplätze, eine bessere Bildqualität
                                                                                                                     und Chancen für neue Geschäftsmodelle. Mit der
                       Digitalisierungsbericht 2005                                                                  Überwindung der Knappheit ging allerdings auch
                              Digital-TV und Analog-Digital-Übergang
                              Herausforderungen für Unternehmen, Politik und Regulierung
                                                                                                                     der besondere Einfluss verloren, den Medienan-
                              Daten und Fakten inklusive aktueller Erhebung

                                                                                                                     stalten und Medienpolitik in der Gründungszeit
                                                                                                                     des privaten Fernsehens bei der Vergabe wertvol-
                                            ARBEITSGEMEINSCHAFT
                                            DER LANDESMEDIENANSTALTEN                                                ler Ressourcen ausüben konnten, insbesondere
                                                                                                                     im Rahmen der Standortpolitik. In regulatorischer
                                                                                                                     ­Hinsicht verlor durch die größeren Bandbreiten der
                                                                                                                      Zugang zur Infrastruktur an Bedeutung. Mit den
                                                                                                                      sukzessive neu eingeführten Modellen der Netz-
                                                                                                                      betreiber, die Sender in ihre Netze einzuspeisen
                                                                                                                      und dabei finanzielle Rückflüsse an die Sender
               cover++_GSDZ_160805.indd 1                                                  16.08.2005 18:13:08 Uhr

                                                                                                                      ­vorzusehen, wurden diese Verbreitungskonditio-
                                                                                                                       nen immer bedeutsamer.

Die Veränderungen durch die Digitalisierung                                                                          Die Verbraucher mussten für den Empfang digi-
­seitdem sind tiefgreifender, als wir uns das ­damals                                                                taler Programme Set-Top-Boxen als Zusatzgeräte
 vorgestellt haben, und sie sind nicht abgeschlossen.                                                                kaufen, da die Fernsehgeräte noch nicht mit den
 Die damals im Vordergrund stehende ­Mission des                                                                     notwendigen Empfängern ausgerüstet waren. Die
 Analog-Digital-Übergangs bei den Rundfunküber-                                                                      Synergien der DVB-Technologie führten zu Preisen,
 tragungswegen ist inzwischen erfolgreich b  ­ eendet.                                                               die wegen des Mehrnutzens akzeptiert wurden.
 Wir können also Bilanz ziehen und diese Phase mit
 den neuen Herausforderungen vergleichen, die sich                                                                   An die Stelle des überschaubaren analogen Ange-
 aus weiteren Phasen der ­Digitalisierung ergeben,                                                                   botes, welches durch Entscheidungen der Medien-
 der Rolle des Internets für a ­ udiovisuelle Medien                                                                 anstalten zusammengestellt worden war, traten
 und der Veränderung der bisher durch klassische                                                                     elektronische Programmführer zur Orientierung
 Medien geprägten Kommunikationsstrukturen                                                                           in der weiter werdenden digitalen Kanalwelt. Sie
 durch neue Kräfte.                                                                                                  wurden ein weiteres wesentliches Feld der neuen
                                                                                                                     Plattformregulierung.

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Der 15. Digitalisierungsbericht

Analog-Digital-Übergang bei der Terrestrik                                                                         F­ lächendeckung besonders geeigneten Frequenz-
Die Digitalisierung war die einzige Chance, den                                                                     spektrums nutzen, um die Breitbandversorgung in
klassischen Weg der Fernsehverbreitung zu erhal-                                                                    ländlichen Räumen auszubauen.
ten. Der Anteil analoger terrestrischer Haushalte
war weit unter 10 Prozent gefallen, der Ausstieg pri-
vater Veranstalter wegen der dadurch steigenden                                                                    Analog-Digital-Übergang beim
Kosten je Zuschauer nur noch eine Frage der Zeit.                                                                  Satellitenfernsehen
                                                                                                                   2005 war der Empfang über Satelliten der
Die Medienanstalten spielten eine führende R
                                           ­ olle                                                                  w ichtigste digitale Übertragungsweg, fast
                                                                                                                   ­
bei der Organisation des Analog-Digital-Über-                                                                      40 ­Prozent der ­Satellitenhaushalte hatten Digi-
gangs. Er wurde weit vor dem ursprünglichen                                                                        talempfang. Zu den Grundlagen dieses Erfolges
­politischen Zieldatum 2010 erreicht.                                                                              haben die Medienanstalten beigetragen, mit ihrem
                                                                                                                   Einsatz für offene Gerätestandards ohne proprie-
Der Umstieg auf DVB-T konnte nur gelingen, weil                                                                    täre Funktionen bei der Navigation und Abrech-
sich sowohl öffentlich-rechtliche als auch private                                                                 nung. In anderen europäischen Ländern wurde der­
Veranstalter beteiligten. Beim jeweils regional or-                                                                ­Satellitenmarkt von Pay-TV-Plattformen dominiert.
ganisierten Umstieg konnten die Medien­anstalten
den Vorteil ihrer föderalen Struktur nutzen. Den
Medienanstalten gelang es, die Auswahl für Ver-
braucher insbesondere in Ballungsräumen zu
                                      Im neunten Digitalisierungsbericht der Medienanstalten werden auch in diesem Jahr wie-
                                      der Zahlen und Fakten zur Empfangssituation der TV-Haushalte präsentiert und analysiert.
                                      Der Blick richtet sich nun primär auf das Kabel. Mehr als die Hälfte der Kabel-Haushalte
                                      empfangen Fernsehen mittlerweile in digitaler Qualität. Insgesamt fiel der Anstieg der

erhalten, wo es für viele mangels Zugangs zum
                                      Digitalisierungsqoute in diesem Jahr jedoch vergleichsweise moderat aus.
                                      Darüber hinaus wird im diesjährigen Bericht erstmals auch der Hörfunkempfang in Deutsch-
                                                                                                                                    Digitalisierungsbericht 2013

                                                                                                                                                                   Digitalisierungsbericht
                                      land analysiert. Dabei ist festzustellen, dass auch beim Radio die Digitalisierung bzw. der
                                      digitale Empfang über DAB+ und das Internet an Boden gewinnt.
                                      Die Auswirkungen der voranschreitenden Digitalisierung beschränken sich jedoch nicht auf

Satellitenfernsehen nur noch die Alternative des
                                      die Empfangssituation, sondern beeinflussen auch nachhaltig die Nutzung von Rundfunk-
                                      angeboten. Auf Basis einer Erweiterung der Befragung wird in diesem Jahr daher auch die
                                      Verwendung von elektronischen Programmführern, Videostreams über das Internet und Fern-
                                      sehen auf mobilen Endgeräten beleuchtet.                                                                                     Rundfunk und Internet – These, Antithese, Synthese?

Kabels gegeben hätte. Die Verbraucher haben des-
                                      Wie in den letzten Jahren werden neben den Zahlen und Fakten auch aktuelle Themen der
                                      Rundfunkwelt aufgegriffen. Hans Hege zeigt in diesem Zusammenhang auf, dass es zwischen
                                      Neutralität und Priorisierung eine neue Balance zu finden gilt, um den Zugang zu und die
                                      Auffindbarkeit von meinungsbildungsrelevanten Inhalten sicherzustellen. Gerd Bauer befasst
                                      sich mit den Potenzialen des Digitalradios und blickt dabei erwartungsvoll in die Zukunft.

halb auch akzeptiert, dass die analoge Verbreitung
                                      Guido Schneider beschreibt in seinem Beitrag den steinigen Weg zu einem gemeinsamen
                                      Standard der Bewegtbildmessung im Fernsehen und Internet.

                                                   QR Code scannen und weitere Informationen

ersatzlos abgeschaltet wurde.
                                                   zum Digitalisierungsbericht online lesen.
                                                   http://tinyurl.com/digib2013

Die nächste Herausforderung für das Antennen-
fernsehen kam ein Jahrzehnt später. Nur mit dem
weiteren Umstieg von DVB-T auf DVB-T2 HD war
der terrestrische Weg zu erhalten. Er bietet nun
                                                                                                                                                                                                                     13
                                                                                                                                     VISTAS

Programme in HD-Qualität wie auf den anderen
                                      ISBN 978-3-89158-590-0                           Euro 15,– (D)

Plattformen. Für die Beteiligung der privaten Fern-
sehveranstalter war ein Plattformmodell notwen-
dig, bei dem die Nutzer für den Empfang privater                                                                   Der Anteil der digitalen Satellitenhaushal-
Programme bezahlen müssen.                                                                                         te stieg in den nächsten Jahren stetig. Parallel
                                                                                                                   ­wurde das Angebot von HD-Programmen entwi-
Der sinkenden Bedeutung der Frequenzen für                                                                          ckelt, bei den privaten Veranstaltern mit einem
den Rundfunk stand ihre steigende Attraktivität                                                                     ­Modell, bei dem sie einen Anteil aus der laufen-
für die Mobilfunkunternehmen und die Politik                                                                         den Abgabe an die S ­ atellitenplattform erhalten
gegenüber. Diese wollten den Vorteil des für die                                                                     (HD +). Die M
                                                                                                                                 ­ oderation und Projektleitung der

                                                                                                                                                                                                                                     11
Der 15. Digitalisierungsbericht

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                                                                               M                                                                                                             jährlich, immer mehr Haushalte verfügten über ein
                                                                               es um den Ausstieg aus der analogen Übertragung                                                               digitaltaugliches Empfangsgerät: Mit den Flach-
                                                                               ging, der eine gemeinsame bundesweite Kommu-                                                                  bildschirmen wurde der – nur digital mögliche –
                                                                               nikation voraussetzte. Der kostenfreie Empfang der                                                            HD-Empfang attraktiv.
                                                                               privaten Programme in SD-Qualität blieb erhalten,
                                                                               so dass im Vordergrund die rechtzeitige Informa-                                                              Die Federführung für den Umstieg lag nun bei den
                                                                               tion der betroffenen ca. 10 Prozent der Haushalte                                                             Kabelgesellschaften, eine bundesweite Lösung
                                                                               mit Analogempfang stand. 2012 wurde die analoge                                                               war anders als beim Satelliten nicht erforderlich.
                                                                               Übertragung abgeschaltet.                                                                                     Auch hier haben die Medienanstalten den Prozess
                                                                                                                                                                                             ­moderierend begleitet und somit für einen Inter-
                                                                                                                                                                                              essensausgleich der Beteiligten sowie den Schutz
                                                                               Analog-Digital-Übergang beim Kabel                                                                             von Verbrauchern und Vielfalt gesorgt.
                                                                               Am längsten dauerte der Umstieg beim Kabel.
                                                                               ­Digitale Kanäle in SD- und HD-Qualität entwi-
                                                                                ckelten sich parallel zur analogen Übertragung,                                                              Eine Gesamtschau des Analog-Digital-
                                                                                deren Angebot vielen ausreichte und auch ohne                                                                Übergangs – Innovationen und
                                                                                Zusatzgerät empfangen werden konnte. Die für                                                                 Veränderungen hielten sich in Grenzen
                                                                                das Kabel wichtige Wohnungswirtschaft wollte                                                                 Die Digitalisierung der Rundfunkübertragungs-
                                                                                ihre Mieter nicht verunsichern. Veranstalter woll-                                                           wege ist praktisch abgeschlossen. Abzuwarten
                                                                                ten die Reichweitenvorteile ihrer analogen Kanäle                                                            bleibt, ob und wann aus Kapazitätsgründen die
                                                                                behalten und bezahlten auch für den Mehrnutzen.                                                              SD-Verbreitung eingestellt wird und nur noch HD-
                                                                                Hingegen war das Eigeninteresse der Kabelgesell-                                                             Programme verbreitet werden. Die damit verbun-
                                                                                schaften am Umstieg zunächst trotz des paralle-                                                              denen Umstellungsprozesse werfen prima facie
                                                                                len Ausbaus der Breitbandversorgung verhalten.                                                               aber keine so grundsätzlichen Fragen mehr auf
                                                                                Der Anteil digitaler Kabelhaushalte stieg allerdings                                                         wie etwa die Abschaltung der analogen Terrestrik.
                                                                                                                                                                                             An den noch aus der analogen Zeit stammenden
                                                                                                                                                                                             Grundstrukturen der deutschen Fernsehlandschaft
                                                                                                                                                                                             mit zwei öffentlich-rechtlichen und zwei privaten
 Auch 2014 ist die Digitalisierung der TV-Haushalte in Deutschland vorangeschritten.
 Zum zehnten Mal präsentieren und analysieren die Medienanstalten im Digitalisierungs-
                                                                                                                                                                                             Systemen hat sich durch die Digitalisierung nichts
 bericht die Zahlen und Fakten zur Empfangssituation von Fernsehen und Radio sowie

                                                                                                                                                                                             geändert, ungeachtet der Gesellschafterwechsel
 der Nutzung der digitalen Endgeräte und Dienste.
                                                                                                Digitalisierungsbericht 2014

 Zwar ist auch das Kabel längst flächendeckend „digital ready“, dennoch werden über

                                                                                                                               Digitalisierungsbericht
 diesen Übertragungsweg weiterhin auch analoge Fernsehsignale genutzt. Der moderate

                                                                                                                                                                                             bei ProSiebenSat.1.
 Anstieg des digitalen TV-Empfangs im Kabel ließ im vergangenen Jahr auch die Digitalisie-
 rungsquote insgesamt nur moderat ansteigen.

 Deutlicher angestiegen ist hingegen die Anzahl der Digitalradio-Geräte sowie der Radio-
 empfang über DAB+ in Deutschland. Zwar empfangen die deutschen Haushalte die Radio-
 sender weiterhin mehrheitlich analog. Die Digitalisierung scheint sich jedoch auch hier
                                                                                                                               Alles fließt! Neue Formen und alte Muster
 langsam Bahn zu brechen.

 Die Zahlen und Fakten zeigen darüber hinaus, dass die Digitalisierung sich auch in der Nut-
 zung von Geräten und Diensten niederschlägt. Die Zahl der ConnectedTVs in den Wohn-
 zimmern steigt und mit ihr vor allem die Nutzung von VoD-Angeboten direkt am Fern-
 seher. Der Second Screen wird teilweise bereits zum First Screen und für die Jugend verliert
 das TV-Gerät zugunsten von Smartphone und Tablet an Bedeutung.
                                                                                                                                                                                             Festzustellen ist, dass sich die mit der Digitalisie-
                                                                                                                                                                                             rung verbundene Hoffnung auf eine ­Verbreiterung
 Neben den Zahlen und Fakten analysiert der Digitalisierungsbericht auch in diesem Jahr
 wieder aktuelle Themen der Fernsehwelt. Dr. Hans Hege befasst sich mit der drohenden
„Cable-ization of the Internet“ und den Konsequenzen für Netzneutralität und Medien-
 vielfalt. Bertram Gugel beschreibt die Strukturen sowie Funktionen der auf YouTube agie-
 renden Multi-Channel-Networks und vergleicht diese mit den TV-Sendern der klassischen

                                                                                                                                                                                             des Programmangebotes erfüllt hat und zwar
 Fernsehwelt.

               QR Code scannen und weitere Informationen zum Digitalisierungsbericht

                                                                                                                                                                                             s­owohl im öffentlich-rechtlichen als auch im
               online lesen. http://tinyurl.com/digibericht

                                                                                                                                                                                             ­privaten Bereich. Zwischen Juli 2004 und Juli 2005
                                                                                                                                                                                              stieg die Zahl bundesweit verbreiteter, ­privater

                                                                                                                                                                           14                 Fernsehangebote von 75 auf 95 (vgl. 8. Jahres­bericht
                                                                                                 VISTAS

                                                                                                                                                                                              der KEK). Zur Jahresmitte 2018 verfügten bereits 190
SBN 978-3-89158-603-7                             Euro 15,– (D)

14.indd 1                                                                                                                                                                   12.08.14 13:06

                                                                               12
Der 15. Digitalisierungsbericht

private F­ ernsehprogramme über eine bundesweite       Die Neigung der Rundfunkwelt, den Wert i­hrer
­Zulassung. Im Vergleich zum ­Vorjahr ist ­damit das   ­eigenen Netze zu über- und die Dynamik des
 Angebot an privaten ­Fernseh­programmen erneut         ­Internets zu unterschätzen, führte zum größten
 gestiegen (vgl. 20. Jahresbericht der KEK).             Misserfolg bei dem Versuch, die neue Welt mobiler
                                                         ­Geräte mit Video- und Audioempfang durch lineare
Verändert hat sich im Zuge dieses Prozesses auch          Fernsehangebote zu erobern.
die Finanzierung jedenfalls des privaten Rund-
funksektors. War 2005 Werbung noch die wesent-         Die Medienanstalten haben sich sowohl für DVB-H
liche, nahezu ausschließliche Basis, wurden mit        als Weiterentwicklung von DVB-T als auch für DMB
der Zeit neue Refinanzierungsmodelle eingeführt,       als Weiterentwicklung von DAB eingesetzt. Zeitlich
bei ­denen die Sender zum Teil Rückflüsse aus den      parallel, aber weder von der Öffentlichkeit noch
V­erbreitungserlösen erhalten.                         von den Medienanstalten beachtet, wurden das
                                                       iPhone und LTE für die breitbandige mobile Versor-
 Die durchschnittliche Gesamtzeit des klassi-          gung entwickelt. Nokia als bis dahin erfolgreichster
 schen Fernsehkonsums ist noch hoch, lässt             Hersteller von Mobiltelefonen ging dabei unter.
 aber bei ­jüngeren Zielgruppen nach. Die ­Wende
 wurde in der Erhebung für das Jahr 2017 im
­D igitalisierungsbericht deutlich: ­E rstmals
 verbrachte die jüngste Alterskohorte der
 ­
 14- bis 29-Jährigen mehr Zeit mit VoD als mit
 ­klassischem linearen Fernsehen. Ein Jahr darauf
  sank der Anteil der ­jungen TV-Nutzer nochmals um
  ganze 25 ­Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Nur bescheidene Erfolge hatten die Versuche, über
die Digitalisierung nicht nur bessere Bildquali-
tät und ein verbreitertes Programmangebot zu
­erreichen, sondern auch neue Dienste einzu-
 führen. Die Media Home Plattform (MHP) schuf
 zwar ­technische Möglichkeiten zur Verknüpfung
 mit ­Internetangeboten, blieb aber an Attraktivi-
 tät ­hinter dem zurück, was sich parallel bei der
 ­Nutzung des ­Internets erreichen lässt. Der Nach-    Die Fernsehwelt kam glimpflicher davon, weil das
  folger HbbTV ist zwar als technischer Standard       mobile Fernsehen gar nicht über das Versuchssta-
  faktisch anerkannt, die Nutzung liegt aber weiter    dium hinauskam. Lineares Fernsehen, bei dem der
  in einem überschaubaren Bereich. Der Zugriff auf     Nutzer sich nur in ein vorgegebenes Programm-
  Media­theken über App-Portale oder neue Plattfor-    schema einschalten kann, ist nirgendwo so ­wenig
  men wie etwa das jüngst gestartete Joyn scheinen     attraktiv wie beim mobilen Empfang. Auch die
  für den Nutzer der einfachere Weg zu sein.           Ausnahme besonders attraktiver Fußballspiele ist
                                                       keine Grundlage für ein Geschäftsmodell, das den

                                                                                                               13
Der 15. Digitalisierungsbericht

Aufbau eines eigenen Sendernetzes refinanzie-                             ­ edieninhalte über das offene Internet geschaf-
                                                                          M
ren könnte. Schneller als von vielen technischen                          fen, für ­Media­theken der Fernsehsender ebenso
­Experten vorhergesehen schafft das hingegen das                          wie für ­Videoplattformen wie Netflix oder YouTube.
 Internet.
                                                                          Bei den Rundfunkübertragungswegen haben
                                                                          wir einfache Strukturen: Sie haben eine klare
Zweite Phase: audiovisuelle Medieninhalte                                 ­Priorität für die Nutzung durch Rundfunk­angebote,
über das Internet                                                          ­stehen auch ohne Versteigerung des Spektrums
Die Entwicklung der Breitbandtechnologie über                               ­dafür zur Verfügung, sie werden durch ­territorial
DSL insbesondere durch die Deutsche Telekom                                  ­aufgebaute Netze verbreitet, die von Plattformen
schuf die Grundlagen dafür, auch ein lineares                                 betrieben werden, die Programme auswählen
Fernsehangebot zusammenzustellen und zu
­                                                                             und ­vermarkten.
­vermarkten. So entstand IPTV als vierter digita-
 ler Übertragungsweg. Sein Anteil an den Fernseh-                         Seit das Internet breitbandig wurde, kann es
 haushalten übertrifft inzwischen die Terrestrik.                         ­audiovisuelle Inhalte übertragen, an viele Nutzer
 Insbesondere in Ballungsräumen wird damit die                             gleichzeitig, aber auch personalisiert an ­einzelne.
 Auswahl der Verbraucher erweitert.                                        Im Internet gibt es erst einmal keinen Vorrang
                                                                           für den Rundfunk, sondern das Prinzip der Netz­
                                                                           neutralität, das nicht an den Inhalten a    ­ nknüpft.
                                                                           Das Netz ist global aufgebaut, so dass i­ nsbesondere
                                                                           diejenigen von seinen Vorteilen und Netzwerk­
                                                                           effekten profitieren können, die ihre Dienste nicht
                  Digitalisierungsbericht                                  nur national anbieten.
                  Kreative Zerstörung oder digitale Balance:
                  Medienplattformen zwischen Wettbewerb und Kooperation

                                                                          Anders als klassische Rundfunkplattformen hat
                                                                          das Internet keinen dominierenden Betreiber, der
                                                                          die Nutzung bestimmen kann. Der Unterschied
                                                                          wird gerade bei den Kabelgesellschaften deutlich,
                                                                          die im klassischen Geschäft das Angebot auswäh-
                                                                          len, ­reguliert im Rahmen der Plattformregulierung

                                                                   16     durch die Medienanstalten, die im Internet aber
                                                                          Datenraten anbieten, über deren Nutzung der
                                                                          ­jeweilige Kunde entscheidet.

IPTV hat dank der spezifischen Netzstrukturen                             Die klassischen Telekommunikationsunternehmen
den Vorteil einer garantierten Bildqualität. Mit                          hatten wie auch das kurzzeitig erfolgreiche Unter-
der ­Weiterentwicklung der Internet-­Technologie                          nehmen AOL die Strategie, nicht nur am Daten-
und den höheren Datenraten bei der Breitband-                             transport über das Internet zu verdienen, sondern
versorgung wurden die Grundlagen für die                                  auch Inhalte und Nutzungen zusammenzustellen.
konkurrenzfähige Verbreitung audiovisueller

14
Der 15. Digitalisierungsbericht

Diese geschlossenen Welten hatten keinen durch-          Die Medienregulierung steht vor der Frage, ob
schlagenden Erfolg, weil sie im Wettbewerb mit           und wie sie die im Rundfunkbereich üblichen
dem offenen Internet nicht mithalten konnten.            Vorrechte auch im Internet sichern kann. Oder
                                                         muss sie sich darauf beschränken, jedenfalls
Auch die Gerätehersteller haben immer wieder             ­Benachteiligungen bestimmter Angebote und
versucht, den Empfang von ihnen a ­ usgewählter         ­Meinungen zu ­verhindern?
Inhalte und Dienste zu fördern. Wegen des noch
bestehenden Wettbewerbs und der Dynamik
des Internets kam es aber nicht zu größeren
­Missbräuchen, die ein Einschreiten notwendig
 ­gemacht hätten.
                                                                    Digitalisierungsbericht
                                                                    Aufgedrängte Bereicherung: Braucht Vielfalt Privilegierung?

Die Innovationskraft des Internets beruhte ­darauf,
dass es nicht von klassischen Medien oder Kabel-
unternehmen aufgebaut worden ist, sondern von
neuen Unternehmen, die ohne eigene N        ­ etze zu
­betreiben oder eigene Inhalte zu finanzieren die
 offenen Zugänge genutzt haben und die Skalen­
 effekte im globalen Wettbewerb entwickeln
 konnten. Sie haben insbesondere in den USA
 Regulierungs­ferien genossen, von denen klassische
                                                                                                                          17
 Medien- und ­Telekommunikationsunternehmen
 nur träumen konnten. Damit sind allerdings
 ­inzwischen Machtpositionen entstanden, die            Die Digitalisierungsberichte der Medienanstal-
  ­größer sind als die der klassischen Unternehmen.     ten zeigen den wachsenden Anteil der Nutzung
                                                        ­professioneller Medieninhalte über das Internet.
Es entsteht ein neuer Typ von Plattform, der sich        Immer mehr Geräte mit großem Bildschirm (früher
grundsätzlich von den im Rundfunkstaatsvertrag           ­wurden nur TV-Geräte gemessen) können zusätz-
regulierten Rundfunkplattformen unterscheidet.            lich Internet empfangen, auch der Konsum über
                                                          Tablets und Smartphones wächst.
Audiovisuelle Medienangebote sind nur ein Teil des
Internets, auch wenn Videoangebote einen beson-         Ein offensichtliches Problem ist die künftige
ders hohen Teil der Übertragungskapazität bean-         ­Finanzierung lokaler und regionaler Inhalte, weil
spruchen. Plattformen wie Google haben Einfluss          bisherige Geschäftsmodelle wegbrechen. Der
nicht nur im Medienbereich – bei den geprüften           ­Werbemarkt verlagert sich zugunsten der ­neuen
Missbrauchsfällen geht es um die Verknüpfung mit          Internet-Unternehmen. Gleichzeitig wird die
kommerziellen Aktivitäten außerhalb der Medien.           ­Auffindbarkeit in einem immer größeren Medien-
                                                           angebot zu einer großen Herausforderung. Damit

                                                                                                                                         15
Der 15. Digitalisierungsbericht

steht die Refinanzierung der für lokale Identität      Nutzung kommerzieller Plattformen wie ­YouTube
und Diskurse so wichtigen Inhalte immer mehr           und Facebook. Deren Algorithmen orientieren sich
in Frage.                                              am kommerziellen Interesse, an Aufmerksamkeit
                                                       und damit Werbeeinnahmen, nicht etwa am chan-
Die Frage, was künftig Public Service sein und         cengleichen Zugang von Meinungen. Das Internet
aus öffentlichen Mitteln refinanziert werden           öffnet ungeahnte Chancen, die M   ­ einungsbildung
soll, wurde schon im ersten Digitalisierungsbe-        außerhalb der etablierten Medien zu beein-
richt 2005 gestellt. Eine Antwort darauf hat die       flussen. Diese Chancen können aber auch für
Politik ­bislang nicht geben können. Struktur und      ­Hassbotschaften und Falschmeldungen genutzt
Auftrag des ö ­ ffentlich-rechtlichen Rundfunkange-     werden, die häufig leichter Aufmerksamkeit finden
bots sind bislang ebenso umstritten wie die Struk-      als seriöse Berichterstattung nach journalistischen
tur seiner­Finanzierung. Im privaten Sektor wird        Grundsätzen. Während die Verantwortung bei klas-
Public­Value im Zusammenhang mit privilegierter         sischen ­Medien klar erkennbar ist, bietet das Inter-
Auffindbarkeit diskutiert. Und der Gedanke einer        net Möglichkeiten auch für schwer identifizierbare
­Finanzierung privater Inhalte aus Beitragsmitteln      Quellen im In- und Ausland.
 hat bislang den Kreis von Panels auf Branchen-­
 Veranstaltungen wie den Münchener Medien­tagen        Die Internetplattformen entwickeln inzwischen
 noch nicht verlassen.                                 Abwehrmaßnahmen gegen Hassbotschaften
                                                       und Wahlmanipulation. Ihr Geschäftsmodell, das
                                                       von der Aufmerksamkeit für extreme Botschaf-
Dritte Phase: Veränderungen der öffentlichen           ten und auch Falschmeldungen partizipiert, wird
Meinungsbildung durch das Internet                     aber nicht geändert. Zudem zeigen populistische
Die klassische Medienregulierung knüpft an den         ­Bewegungen eine besondere Präsenz und A
                                                                                              ­ ktivität
Einfluss von Medien auf die öffentliche Meinungs-       im Internet.
bildung an. Sie versucht einerseits die Konzentra-
tion von Meinungsmacht zu begrenzen, indem sie
den Einfluss auf verschiedene Medien ­einschränkt.
Andererseits wird über die Plattformregulie-
rung versucht, einen chancengleichen Zugang
von ­Anbietern zu Plattformen und damit zu den                                                                             VIDEO
­Nutzern zu gestalten. Besondere Regelungen gibt                    Digitalisierungsbericht
 es im Umfeld von Wahlen.                                           Digitalisierung vollendet – Wie linear bleibt das Fernsehen?

Klassische Medien haben nach wie vor großen
­Einfluss, doch gewinnen Meinungsprozesse an
 ­Bedeutung, die nicht von ihnen, sondern unter
  Nutzung der Möglichkeiten des Internets von
  Dritten angestoßen werden. Die aus der analo-
  gen Welt stammende Idee der Offenen Kanäle ist
  im Internet erfolgreich geworden, allerdings unter                                                                       18

16
Der 15. Digitalisierungsbericht

Die Beschreibung der Meinungsbildungsprozes-              den Internetplattformen nicht. Ihre Mechaniken
se in der demokratischen Gesellschaft, wie sie            sind allerdings auch wesentlich schwieriger und
den Entscheidungen des Bundesverfassungsge-               komplexer, und das bezieht sich nicht nur auf die
richts zugrunde liegt, steht zunehmend in einem           ­geheimen Algorithmen, sondern auch auf neue
­Spannungsverhältnis zur realen Entwicklung der            Nutzungsformen und ökonomische Regeln.
 Kommunikationsprozesse. Die klassischen Medien
 waren noch relativ einfach zu regulieren, Facebook       Die oben genannten Ziele einer Medienregulie-
 und Google haben eine andere Art von Einfluss,           rung haben in der heutigen digitalen Medienwelt
 und weltweit werden Fragen nach notwendigen              nicht an Bedeutung verloren. Die Sicherung eines
 Regeln und ihrer Durchsetzung gestellt.                  freien, öffentlichen Meinungsbildungsprozesses
                                                          ist h
                                                              ­ eute (wieder) von eminenter Bedeutung für
Regelwerke wie die für die Wahlwerbung oder für           unsere Gesellschaft. Zur Sicherung dieser Ziele und
die Öffentlichkeitsarbeit staatlicher Stellen orien-      des Meinungsbildungsprozesses bedarf es weiter
tieren sich an der alten Welt.                            einer neutralen, unabhängigen öffentlichen Stelle.

Die Verantwortlichkeit der klassischen Rund-              Die Medienanstalten können diese Aufgabe auch
funk-Plattformen ist neu zu definieren. Sie f­ assen      in der digitalen Welt erfüllen. Sie waren stets in
nicht publizistische Inhalte zusammen, wie dies           der Lage, sich den neuen Herausforderungen der
­klassische Medien tun, aber haben dennoch                Märkte zu stellen und sind bereits dabei sich auch
 ­Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung.           den aktuellen Phänomenen zu widmen. Basis ­dafür
  ­Neben dem Missbrauch durch Dritte besteht              bleibt weiter die Aufgabe der Beobachtung und
   durchaus auch die Gefahr, dass sie selbst Meinun-      Analyse der Märkte, wie sie 2005 mit dem ersten
   gen diskriminieren. Murdoch zum Beispiel hat zwar      Digitalisierungsbericht für den Bereich der Digita-
   nicht in Deutschland, aber in Großbritannien und       lisierung begonnen wurde.
   den USA mit seinen Medien erheblichen Einfluss
   auf die politische Entwicklung ausgeübt. Mit seiner
   digitalen Plattform hatte er nicht den Erfolg, den
   später Facebook erzielte. Nach wie vor gilt aber die
   Vorgabe des Verfassungsgerichts, Fehlentwicklun-
   gen rechtzeitig entgegenzutreten.

Auch die sogenannten Intermediäre spielen eine
Rolle im Medien- und damit im Meinungsmarkt.
Mehr und mehr entwickeln sie sich von bloßen
technischen Plattformen, auf der jeder seine
­Inhalte bereitstellen und suchen kann, zu kuratier-
 ten Seiten, die Themen aufbereiten. Während die
 Einführung des privaten Fernsehens mit vielfälti-
 gen Vorkehrungen gegen möglichen Missbrauch
 begleitet worden ist, gab es solche gegenüber

                                                                                                                  17
5G – Technik ist nicht alles
Torsten Kleinz

Die nächste Generation der Mobilfunknetze regt        ­ estinstallation von Vodafone in Berlin.1 Das ist
                                                      T
die Fantasie vieler Branchen gleichzeitig an: Die     mehr als die meisten Breitbandanschlüsse im
verarbeitende Industrie erhofft sich vom 5­ G-Netz    deutschen Festnetz bewältigen können. Mit dieser
eine neue industrielle Revolution durch das           ­Datenmenge könnte ein Nutzer 33 Netflix-Streams
­„Internet der Dinge“. Silicon Valley-Konzerne wie     der höchsten Auflösung parallel abspielen.2 Dabei
 Google versprechen eine vollvernetzte Welt, in der    sind die theoretischen Möglichkeiten des neuen
 Mobilgeräte uns neue Dimensionen der Realität         Netzes damit bei weitem noch nicht ausgeschöpft.
 aufzeigen sollen. Und sogar die deutsche Landwirt-
 schaft soll dank 5G-Abdeckung in jeder Ackerfurche
 in Zukunft umweltschonender, arbeitssparender        Die Mobilfunkrechnung als Flaschenhals
 und gleichzeitig ertragreicher werden.               Ob jedoch 5G der mobilen Videonutzung in
                                                      Deutschland einen Schub verpassen kann, ist ­alles
Hoffnungen gibt es natürlich auch im Medien-          andere als sicher. Denn schon heute kann man über
markt. Seit Jahren belegt Deutschland gerade bei      die LTE-Technik ohne Probleme Streams abrufen.
der mobilen Internet- und Mediennutzung nur           Im Test der „Welt“ erreichte das Berliner 4G-Netz
­hintere Plätze. Also liegt es nahe, dass das neue    zwar nur vergleichsweise magere 40 Megabit
 „Echtzeit-Mobilfunknetz“ mit einer theoretisch       pro Sekunde. Das wären aber immer noch genug
 100 Mal höheren Bandbreite endlich neue Impulse      für zwei Netflix-Streams in Ultra-HD-Auflösung.­
 setzt und die Deutschen auch auf ihren Smartpho-
 nes Filme, Serien und Reportagen konsumieren.

Allein schon die technischen Werte des neuen          1 WELT vom 25. August 2019: „Als Pionier im 5G-Test – So gut ist
5G-Netzes sind bereits beeindruckend: Auf mehr          das schnellste Netz“ https://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/
                                                        plus198513177/5-G-Mobilfunk-WELT-testet-das-neue-Netz-von-­
als 840 Megabit pro Sekunde im Download kam             Vodafone.html­
                                                      2 Für einen Stream Ultra-HD-Auflösung wird laut Netflix eine
etwa ein Redakteur der „Welt“ bei einer ersten          ­Bandbreite von 25 Megabit pro Sekunde benötigt. https://help.
                                                         netflix.com/de/node/306

                                                                                                                         19
5G – Technik ist nicht alles

Die Übertragungstechnik vom Funkmast zum               bericht ­Video 2019). Laut Online-Studie von ARD
Smartphone ist also nicht der Flaschenhals, der        und ZDF ­benutzen mehr als 95 Prozent der 14- bis
die Videonutzung bisher ausgebremst hat.               39-Jährigen täglich das Internet zu Hause oder
                                                       unterwegs. Bis in die Altersgruppe von 49 Jahren
Zum anderen: Die Abdeckung wird mit der ­neuen         übersteigt die Zahl der täglichen Internetnutzer
5G-Technik bedeutend teurer als bei der LTE-           inzwischen die Zahl der täglichen TV-Nutzer. Und
Technik. So reicht der superschnelle Datenfunk         selbst ein vermeintlich gesetztes Publikum will
im ­städtischen Umfeld mit den 2019 versteiger-        nicht mehr von Smartphone und Tablet lassen: So
ten Frequenzen gerade einmal einen Kilometer           stammen inzwischen 40 Prozent der Abrufe der
weit. Bis die bestehenden Funkmasten um neue           ZDF Mediathek von Mobilgeräten.
­Antennen erweitert werden, also eine ausreichen-
 de flächendeckende Abdeckung in Deutschland
 entsteht, werden viele Jahre vergehen – wenn nicht    Datendrossel nach einer Stunde
 gar Jahrzehnte.                                       Um den bereits begonnenen Wandel noch zu
                                                       ­beschleunigen und die Mediennutzung in Deutsch-
                                                        land nachhaltig zu verändern, müssen mehrere
Der Boom hat schon begonnen                             Faktoren zusammenkommen. Ein Hindernis-
Denn die Funkmasten müssen nicht nur finanziert         grund für die Videonutzung im Internet ist, neben
und genehmigt werden, sie brauchen auch eine            der mangelnden Abdeckung, das Preismodell in
breitbandige Anbindung über Glasfaser oder eine         Deutschland. So sind Datenvolumen in deutschen
ähnlich schnelle Richtfunkstrecke. Straßen müs-         Mobilfunkverträgen noch weit teurer als im euro-
sen aufgegraben werden, Anwohner wegen der              päischen Ausland, das enthaltene Datenvolumen
Angst vor Strahlenbelastung beruhigt werden. Ob         vergleichsweise gering. Laut Gegenüberstellung
deshalb irgendwann – wie von der Politik gefor-         des finnischen Marktforschungsunternehmens
dert – tatsächlich „jede Milchkanne“ in Deutsch-        Rewheel erhalten Mobilfunkkunden inzwischen
land mit 5G-Empfang versorgt werden wird, bleibt        in zehn europäischen Ländern unbegrenztes
abzuwarten.                                             ­Datenvolumen für monatlich weniger als 30 Euro
                                                         (vgl. Abb. 1).3
Dennoch: Die mobile Internetnutzung wird mit
Einführung von 5G zweifellos weiter steigen.           Der besagte Ultra-HD-Stream von Netflix
­Dieses Wachstum hat aber bereits vor dem Hype         ­verbraucht ein Datenvolumen von einem Giga-
 um die neue Technik begonnen. Nach Jahren der          byte bereits in unter sechs Minuten. Bei üblichen
 Stagnation sind die Deutschen auf den Geschmack        Tarifen mit maximal zehn Gigabyte Datenvolumen
 gekommen, mal eben auf dem Weg zur Arbeit oder         würde die Verbindung also bereits nach unter ­einer
 zur Schule YouTube-Videos anzuschauen oder             Stunde gedrosselt. Derzeit spielt sich der Preiswett-
 ­Spiele wie Pokemon Go zu spielen. Rund 36 ­Prozent    bewerb im Mobilfunk eher im niedrigpreisigen
  der Befragten ab 14 Jahren bezeichneten im Jahr       ­Bereich ab. So gibt es zahlreiche Discounter-Tarife,
  2019 ihr Smartphone als wichtigsten ­Bildschirm,       die die Mobilfunknetze der großen Provider unter
  der Fernseher kam nur noch auf 29,7 Prozent der
  ­Nennungen (siehe Studie zum Digitalisierungs-
                                                       3 Ergebnisse der Gegenüberstellung:
                                                         http://research.rewheel.fi/prices/country/

20
5G – Technik ist nicht alles

Abb. 1

Wie viel 4G Gigabyte sind für 30 Euro im Ländervergleich für Smartphones erhältlich?

                 Litauen
    Slovakische Republik
                Lettland
                 Estland
                Kroatien
            Niederlande
               Bulgarien
                Finnland
   Vereinigtes Königreich
              Dänemark
              Slowenien                                        140
              Frankreich                              100
              Schweden                                100
                  Italien                   60
              Österreich                    60
                   Irland                   60
              Rumänien                     50
                     Polen            40
                 Spanien              35
            Deutschland              30
             Luxemburg               15
                 Belgien             10
                Portugal         5
                   Malta         5
                  Zypern         4
   Tschechische Republik         3
                 Ungarn          1
           Griechenland

                             0                           100         200                300                  400500

   Unlimited GByte       500 GByte              < 500 GByte

4G (mit mindestens 1.000 Minuten und 3 Mbit/s-Geschwindigkeit für HD-Videos) pro Land, das für 30 Euro oder weniger mit den meisten
GB angeboten wird; Quelle: Rewheel research, Digital Fuel Monitor 11th release, April 2019.

                                                                                                                                   21
5G – Technik ist nicht alles

anderem Namen neu vermarkten. Dabei sind enor-          generation verschwimmen die Grenzen jedoch:
me Schnäppchen möglich – die Kunden müssen              So gehört das so genannte „Edge Computing“ zum
dabei aber mitunter auf wichtige Leistungen wie         Konzept von 5G: Rechen- und Speicherkapazitä-
die Nutzung des LTE-Netzes verzichten.                  ten werden direkt ins Mobilfunknetz integriert.
                                                        Inwiefern die Regularien der Netzneutralität an die
Die Hoffnung der Mobilfunkbranche ist, dass sich neuen Gegebenheiten des 5G-Ausbaus angepasst
mit dem erhöhten Angebot auch der Datenhun- werden, bleibt also abzuwarten. Provider haben
ger bemerkbar macht, so dass Kunden bereit sind ein großes Interesse daran, sich weitere Glieder der
monatlich mehr Geld für ihre M      ­ obilfunkverträge Verwertungskette einzuverleiben. Insbesondere die
auszugeben. Denn die real gezahlten Beträge Deutsche Telekom hat es zu ihrer Strategie erklärt,
­seien angesichts der hohen Investitionskosten in mehr als nur Leitungen bereitzustellen, auf denen
 Deutschland zu niedrig, wie Branchenvertreter Medien- und Internetunternehmen ihre Gewinne
 ­immer wieder betonen.                                 erwirtschaften können.5 So hat der Konzern mit
                                                        MagentaTV, ehemals T-Entertain, eine umfassen-
                                                        de Medienplattform geschaffen. Auch die im Juli
  Video-Flatrate für Vielzahler                         2019 von der EU-Kommission genehmigte Über-
  Die Telekom bietet für seine Kunden eine nahme von Unitymedia durch Vodafone ­verbindet
  Art ­    Video-Flatrate an. Mit der StreamOn-­ das ­Geschäft mit Medien und ­Datenübertragung.
  Erweiterung4 können Kunden Videos von Part-
  nern wie ­YouTube, Amazon Prime oder aus der Wie sich die Mobilfunkpreise mit der Einführung
  ZDF M   ­ ediathek ­unbegrenzt auf ihrem Mobilgerät von 5G entwickeln, ist unter anderem deshalb noch
  ansehen, ohne dass diese Inhalte vom Datenvo- offen. Hinzu kommt die veränderte Marktlage.
  lumen ­abgezogen w    ­ erden. Der Provider kompri- ­Hatte die Fusion von E-Plus und O2 im Jahre 2014
  miert den ­Datenstrom, so dass die Videoinhalte gerade die Hoffnung der Branche auf ­reduzierten
  die I­nfrastruktur des P ­ roviders möglichst wenig Preiswettbewerb und ein steigendes Preisniveau
  ­belasten. Das ­Modell ist ein Anreiz die vergleichs- geführt, trat mit der 5G-Versteigerung United
   weise ­teuren ­Verträge zu buchen. So sind auch die ­Internet als neuer vollwertiger Wettbewerber auf
   Kunden der ­Telekom-Tochter C    ­ ongstar von dem den Plan.
   Streaming­angebot ­ausgeschlossen.
                                                        Bisher hat sich der Internet- und Kommunikations-
   Die Gesetzgebung zur Netzneutralität verhin- konzern darauf beschränkt, Übertragungskapazitä-
   dert allzu offene Geschäfte, bei denen Medien­ ten bei anderen Mobilfunkanbietern e­ inzukaufen.
   unternehmen sich eine bevorzugte Auslieferung
   ihrer I­nhalte bei Providern erkaufen können.
   ­Möglich sind weiterhin etwa Datenpartnerschaf-
    ten, die Abwicklung von Abo-Gebühren über die
    ­Mobilfunkrechnung oder der Betrieb gemeinsamer
     ­Rechenzentren. Gerade durch die neue Mobilfunk-
                                                                  5 Schon 2012 erklärte der damalige Telekom-Chef René Obermann,
                                                                    dass der Konzern nicht nur Anbieter von „dumb pipes“ – dummen
4 Das Angebot „StreamOn“ der Deutschen Telekom:                     Leitungen – sein wolle. https://www.manager-magazin.de/­
  https://www.telekom.de/unterwegs/tarife-und-optionen/streamon     magazin/artikel/a-853919-9.html

22
5G – Technik ist nicht alles

Nun will United Internet ein eigenes 5G-Netz auf-                   ­ nstrengungen unternommen haben, ihr Angebot
                                                                    A
bauen und sich damit als vierter Netzbetreiber in                   ins Netz zu verlegen. Stattdessen werden die Inter-
Deutschland etablieren.6                                            netangebote eher als Ergänzung und Erweiterung
                                                                    des klassischen TV-Programms behandelt.
Es gibt aber auch Argumente für mittelfris-
tig d ­ eutlich steigende Preise. Die Kosten der
­5G-Frequenzauktion waren mit 6,6 Milliarden                        Sender lieben Broadcast
 Euro teurer als erwartet. Dieses Geld muss über die                Ein Grund dafür: Die Übertragung per Internet-
 ­Mobilfunkrechnungen der Deutschen erst ­wieder                    stream ist bedeutend teurer als die Sendeinhal-
  eingespielt werden. Insofern muss die weitere                     te per Antenne, Satellit und Kabel parallel an
  Preisentwicklung abgewartet werden.                               ­Millionen Haushalte gleichzeitig zu verteilen. Jeder
                                                                     ­einzelne Streamingnutzer verursacht bei den Sen-
                                                                      dern zusätzliche Kosten. Hinzu kommen nochmal
Geteiltes Netz ist halbes Netz                                        teure Senderechte für Streaming-Lizenzen, die von
Mobilfunk ist ein „Shared Medium“ – das heißt:                        Filmstudios extra vermarktet werden. Die zusätzli-
Je mehr Leute sich bei einer Funkzelle einbuchen,                     chen Einnahmemöglichkeiten für die Sender durch
um so weniger Bandbreite steht für den Einzel-                        ein Online-Angebot sind hingegen beschränkt.
nen zur Verfügung. Zwar kann 5G den Verkehr von
­bedeutend mehr Smartphones verteilen. Damit                        Dies zeigt sich beispielsweise bei dem ­Schweizer
 Endnutzer von den 5G-Geschwindigkeiten tatsäch-                    Streamingpionier Zattoo, der bereits seit 2009
 lich profitieren können, müssen die Mobilfunkmas-                  die Programme vieler TV-Sender ins Netz
 ten bedeutend besser angebunden werden als sie                     ­überträgt. Zwar muss der Nutzer beim Umschal-
 es heute sind.                                                      ten ­einen ­zusätzlichen Werbespot betrachten,
                                                                     um die Übertragungskosten wieder reinzuspie-
Sollten von heute auf morgen zu viele Deut-                          len. ­Diese Finanzierungsmethode reicht aber nur
sche plötzlich ihren Medienkonsum ins 5G-Netz                        für ein ­Spar-Angebot in geringer Auflösung. Wer
­verlegen, gäbe es ein Kapazitätsproblem: Würden                     ­H D-­Auflösung oder die beliebtesten Program-
 alle gleichzeitig die Tagesschau – oder die aktu-                    me der privaten Programmanbieter ansehen
 elle ­Folge von „Promi Big Brother“ – einschalten,                   will, muss Abogebühren von 10 oder 20 Euro pro
 ­kämen die Funkzellen schnell an ihre Grenzen. Akut                  ­Monat ­bezahlen.
  ist das jedoch nicht zu befürchten. Zwar steigt die
  Nachfrage nach Mediatheken-Inhalten inzwi-
  schen ­rapide – noch ist die Nutzung im ­Vergleich                Neue Werbung für neue Streams
  zu ­klassischen Ausspielkanälen aber ­relativ ­gering.            Solche Spar-Modelle gehören nun e       ­ventuell
  Grund dafür ist auch, dass die Sender bisher ­wenige              der ­  Vergangenheit an. Denn die TV-Branche
                                                                    hat ein neues Werbemodell gefunden, das dem
6 „Als vierter Netzbetreiber werden wir einen Beitrag leisten,
                                                                    ­Streamingmarkt neues Leben einhauchen könn-
  Deutschland zum Leitmarkt für 5G zu machen, und neue               te: Die personalisierte Werbung. Sie könnte
  ­Geschäftsfelder für unser Unternehmen erschließen“, so Ralph
   Dommermuth, Vorstandsvorsitzender der United Internet AG.         ­gerade durch die Etablierung des 5G-Netzes einen
   https://www.united-internet.de/news-presse/pressemitteilungen/     ­enormen Schub erfahren.
   meldungen-detail/news/united-internet-tochter-11-drillisch-­
   ersteigert-frequenzen.html

                                                                                                                            23
5G – Technik ist nicht alles

In den vergangenen Jahren hat das so genann-             Für die Endkunden versprechen die Anbieter der
te „Programmatic Advertising“ bereits die                programmatischen Werbung, dass die auf diese
­Online-Werbung übernommen. Statt Werbung auf            Weise wesentlich relevantere Werbung bekom-
 ­bestimmten Websites zu platzieren, buchen nun          men. Wer sich eher Heavy Metal anhört, muss sich
  Werbetreibende bestimmte Zielgruppen.                  keine Werbung für die neueste Helene-Fischer-Tour
                                                         ansehen. Und wer sich doch für Helene Fischer
Will etwa ein E-Scooter-Anbieter seinen Pro-             ­interessiert, bekommt die Karten für ihr nächstes
duktstart in einer neuen Metropole bekannt                Konzert in der Nähe empfohlen. Von dem Argu-
machen, kann er seine Werbung zielgenau
­                                                         ment lassen sich viele Internetnutzer jedoch nicht
an M   ­ enschen im Einzugsgebiet dieser Stadt            überzeugen. So steigt die Zahl der Nutzer, die einen
­ausspielen lassen. Er kann sich für Menschen einer       Werbeblocker oder Maßnahmen zum Privatsphä-
 ­bestimmten Altersgruppe entscheiden, ­bestimmte         renschutz einsetzen, ständig.
  Werbemotive gemäß Geschlecht und Interessen
  der Nutzer ausspielen lassen oder Sonderakti-
  onen für Kunden anbieten, die sich vorher für           Online-Werbung erobert den TV-Bildschirm
  eine ­bestimmte Schuhmarke interessiert haben.          Auch die TV-Werbung, die in den vergangenen
  Die Werbetreibenden können sogar ein kleines            ­Jahren teilweise den Platz 1 der Werbesparten
  Programm in den Werbebanner integrieren, das             ­zumindest kurzzeitig an die Online-­Werbung
  ­einem Smartphone-User in Echtzeit den Weg zum            verloren hatte, hat nun die personaliserte
                                                            ­
   nächsten­E­ -Scooter weist. Ob die Werbung auf der    ­Werbung entdeckt.7 Hier heißt das Schlagwort
   Webseite von Spiegel Online, in der Mediathek von        ­„Addressable TV“. Statt einfach ein und dasselbe
   RTL oder in einer beliebigen App erscheint, ist dem       Signal an alle Zuschauer auszusenden, werden die
   Werbetreibenden dabei weitgehend egal.                    Werbespots speziell für die Leute vor dem Bild-
                                                             schirm neu ­zusammengestellt.

Vorteile für alle?                                       Die Zuschauer selbst müssen davon nichts
Das neue Werbemodell ist auf den ersten Blick für        ­bemerken. So bietet etwa ProSiebenSat.1 seinen
alle Seiten vorteilhaft. Für die Werbetreibenden          ­Werbekunden an, dass sie einen Internet-Werbe-
verspricht die programmatische Werbung einen               spot über einen anderen Werbespot legen können,
günstigeren Weg zu ihren Zielgruppen und ­damit            der über das normale Rundfunksignal gesendet
bessere Ergebnisse zu geringeren Kosten. Die Web-          wird. M
                                                                 ­ öglich wird das durch den HbbTV-­Standard,
site-Betreiber müssen sich nicht mehr an ­einen            der in allen modernen Smart-TVs integriert ist.
Werbetreibenden binden, sondern können die                 ­Wandert die Nutzung ab vom normalen ­Broadcast-
­erreichten Zielgruppen meistbietend versteigern.           auf ein Streaming-Modell, sind solche Anpassun-
 Dank hochentwickelter Algorithmen und einem                gen noch einfacher möglich.
 weltweiten Netz aus Rechenzentren können die
 Auktionen stattfinden, noch während eine Web-
 seite wählt. Sobald die Inhalte auf dem Bildschirm
 erscheinen, ist auch die lukrativste Werbung ermit-
 telt. Ein Wimpernschlag genügt.                         7 Jahresbericht 2018 des Online-Vermarkterkreises zu den
                                                           Umsätzen in der Werbebranche: https://www.bvdw.org/fileadmin/
                                                           user_upload/OVK_Report_2018_02.pdf

24
5G – Technik ist nicht alles

   Der persönliche Werbespot                                     ­ roSiebenSat.1 außerdem eine neue Streaming-
                                                                 P
Vorerst beschränkt sich das Adressable TV auf                    plattform auf den Weg gebracht, die alle Plattfor-
­einige rudimentäre Merkmale wie den Abrufort                    men vom Handy bis zum Smart-TV abdeckt und
 ­eines Programms. So kann etwa ALDI Süd exklu-                  dort passgenaue Werbung ausspielen kann.
  siv bei Haushalten werben, die sich tatsächlich im
  Verbreitungsgebiet der Supermarktkette ­befinden.
  Oder ein Hustensaft-Hersteller wirbt dort, wo                  Neue Konkurrenten
  ­gerade besonders regnerisches Wetter ist.                     Die Kernfrage ist: Wollen sich andere Anbieter auf
                                                                 Plattformen wie MagentaTV oder Joyn ansiedeln?
Mit der Etablierung des 5G-Netzes vervielfältigen                Die zunehmende Digitalisierung sorgt gleich-
sich die Möglichkeiten des Adressable TV ­jedoch.                zeitig für neue Konkurrenz. So können Inhalte­
So können auf dem Smartphone bedeutend                           anbieter mittlerweile auch abseits der klassischen
­genauere Nutzerprofile angelegt werden, als dies                ­Senderstrukturen ein Millionenpublikum ­erreichen.
 auf dem gemeinsam genutzten F­ ernseher e       ­ ines           Die 5G-Technik kann hier als Türöffner fungieren.
 Haus­haltes möglich ist. Auch die Bewegungs­                     So macht ein hochperformanter Mobilfunk die
 profile der N  ­ utzer liegen auf dem Smartphone                 ­Sendetechnik eines teuren Übertragungswagens
 haarklein vor. Wer g  ­ erade von der Arbeit mit dem              tendenziell unnötig. Statt einen Satelliten-Uplink
 Zug nach Hause fährt und dabei die Soap vom                       zu buchen, können sich Veranstalter theoretisch
 Vorabend auf dem Smartphone guckt, kann etwa                      mit einem handelsüblichen Handy am Wettkampf
 den ­Werbespot der Supermarktkette ausgespielt                    um die Aufmerksamkeit beteiligen.
 ­bekommen, ­deren Filiale sich an der Endhaltestel-
  le befindet. ­Landen diese Kundendaten bei den                 Natürlich rufen die neuen Möglichkeiten zunächst
  ­Sendern, v­ erfolgt die Werbung die Nutzer auch               Unternehmen auf den Plan, die sich möglichst
   auf den ­heimischen ­Bildschirm.                              ­große Umsätze versprechen. So demonstrierte
                                                                  etwa Andreas Heyden, Innovationsbeauftragter der
Um in diesen lukativen Werbemarkt einzusteigen,                   DFL Deutsche Fußball Liga, auf der Sportrechte-­
müssen die Sender Datenprofile von möglichst                      Konferenz Spobis in Köln im August 2019 eine neue
­vielen Kunden sammeln. Zur gleichen Zeit müs-                    5G-Anwendung, die die Fußball-Ligisten 2020 in
 sen die Anbieter möglichst viel Bildschirmzeit auf               deutsche Stadien bringen wollen.
 sich vereinen, damit die Werbekunden den Schritt
 in die neue Werbeform wagen. Beides ist gerade
 in Arbeit. So hat das Bundeskartellamt gerade RTL               Wie bei Harry Potter
 Deutschland und ProSiebenSat.1 ein neues Joint                  Per App können Zuschauer im Stadion künftig
 Venture im Werbemarkt gebilligt.8 Die Plattform                 auf den Datenschatz der Fußball-Veranstalter
 „d-force“ soll mit individualisierter Werbung in                ­zugreifen. Das Konzept erinnert an die „Omni­
 den Angeboten beider Sendergruppen bis 2022                      gläser“ aus den Harry-Potter-Büchern. Man
 Milliardenumsätze erwirtschaften. Mit „Joyn“ hat                 ­richtet sein Handy auf einen Spieler und bekommt
                                                                   ­zusätzliche ­Infos angezeigt: Vom Namen des
8 Pressemitteilung von PRoSiebenSat1 vom 7. August 2019:            ­Spielers über die ­Statistiken zur Passgenauigkeit
  https://www.prosiebensat1.com/presse/d-force-kartellamt-           bis zur aktuellen Laufgeschwindigkeit.
  genehmigt-joint-venture-von-prosiebensat-1-und-mediengruppe-
  rtl-deutschland

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