Digitalisierungsbericht - VIDEO JUBILÄUMS AUSGABE - Die Medienanstalten
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Impressum Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Publikation in der Regel das generische Maskulinum verwendet. Die Angaben beziehen sich immer auf Angehörige aller Geschlechter. Herausgeber die medienanstalten – ALM GbR Friedrichstraße 60 10117 Berlin Tel: + 49 30 206 46 90 - 0 Fax: + 49 30 206 46 90 - 99 E-Mail: info@die-medienanstalten.de Website: https://www.die-medienanstalten.de Verantwortlich Cornelia Holsten – Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) Thomas Fuchs – Koordinator des Fachausschusses Netze, Technik, Konvergenz der ZAK/DLM Redaktion Aylin Ünal, Dr. Simon Berghofer, Gemeinsame Geschäftsstelle der Medienanstalten Lektorat Aylin Ünal, Berlin Copyright © 2019 by die medienanstalten – ALM GbR Stand: Oktober 2019 Alle Rechte vorbehalten ISBN: 978-3-9819728-9-4 Design, Bildkonzept, Illustrationen und Satz Rosendahl x Borngräber UG Website: www.rosendahl-berlin.de Bildnachweis: S. 4, Foto Cornelia Holsten: Annette Koroll S. 4, Foto Thomas Fuchs: Achim Multhaupt S. 69, Foto Dr. Simon Berghofer: Jens Jeske S. 69, Foto Andreas Hamann: Jens Jeske S. 70, Foto Dr. Hans Hege: privat S. 70, Foto Torsten Kleinz: Oliver Kleinz S. 71, Foto Ricardo Topham: SES Illustrationen: © Rosendahl x Borngräber UG, Daniela Sattler Druck PIEREG Druckcenter Berlin GmbH
Vorwort Cornelia Holsten Thomas Fuchs Vorsitzende der Direktoren konferenz der Landesmedienan- Fachausschuss Netze, Technik, stalten (DLM) Konvergenz der ZAK / DLM Der Digitalisierungsbericht Video feiert in diesem rbeit der Medienanstalten, welche die techni- A Jahr ein Jubiläum! 15 Jahre können eine lange Zeit schen Umstiege als Vermittler, Moderatoren und sein und doch wie im Flug vergehen – vor allem, Wegbegleiter erlebten. wenn man bedenkt, wie schnell sich die Medien- branche in technischer Hinsicht verändert. Beson- Über die Jahre hat sich auch die Forschung des ders anschaulich wird dies, sobald man anhand Digitalisierungsberichts weiterentwickelt und den der Forschung Trends beobachten kann, die viel technischen Neuerungen angepasst. Der Digita- über den Markt verraten: Wie nutzen Fernsehzu- lisierungsbericht widmet sich schon lange nicht schauer ihre Geräte, wie ändern sie ihr Verhalten? mehr ausschließlich den Wasserstandsmeldungen Wie verändern sich die Übertragungswege und die zur Digitalisierung der Übertragungswege, son- angebotenen Inhalte? dern dokumentiert sehr differenziert die – letztlich durch die Digitalisierung hervorgerufenen – Verän- Dr. Hans Hege und Andreas Hamann haben derungen der Bewegtbildnutzung. Neben der VoD- diese Entwicklungen aus Sicht der Medienan- getriebenen Entlinearisierung des Videokonsums stalten b egleitet und gewähren in ihrem Beitrag zeigt sich, dass gerade IP-Netze für die Bewegtbild- einen Einblick in die Arbeit, die Forschung und übertragung immer wichtiger werden, egal ob am die Gedankenwelt der Medienaufsicht, indem Smartphone, dem Tablet oder über den Smart-TV. sie die letzten 15 Jahre Revue passieren lassen. Damit rücken auch die Benutzeroberflächen dieser Dabei wird deutlich, wie stark die Umbrüche in Geräte und die auf ihnen installierten Apps in den der M edienwelt sind: Im Jahr 2005 konnte erst Vordergrund – denn sie sind das Nadelöhr, durch ein Viertel der Haushalte in Deutschland digitales das ein Inhalteanbieter muss, wenn er seinen Con- Fernsehen empfangen, heute sind es 100 Prozent. tent zum Zuschauer bringen will. Bei der jüngsten Generation lösen VoD-Angebote über das Internet nach und nach das klassische Die Gerätehersteller bilden die erste Hürde: Sie lineare Fernsehen ab. Ebenso veränderte sich die bestimmen, mit welchen Bewegtbild-Apps ein 4
Fernseher zum Verbraucher gelangt, wie einfach Nach all den technischen Neuerungen, die wir über es für Nutzer ist, die Apps anzupassen oder eine die Jahre beobachtet haben, schauen nun viele Wunsch-App zu installieren. Daher erheben wir Experten der Branche auf den neuen Standard in diesem Jahr erstmals zusätzlich zur Frage, 5G. Torsten Kleinz widmet sich in seinem Beitrag ob TV-Benutzeroberflächen angepasst werden, der Frage, welche Möglichkeiten 5G für die Bild- welche Bewegtbild-Apps auf (welchen) Smart-TVs schirmnutzung der Zukunft hat und welche Rolle genutzt werden. die Rundfunkübertragung dabei spielt. Die zweite Hürde bilden die Anbieter von Live- Doch bis es soweit ist, dass 5G eine relevante Größe TV-Angeboten in offenen Netzen, die durch die auf dem TV- und Videomarkt darstellt, wird es noch Gestaltung ihrer Apps und Oberflächen wieder- dauern. Auf internationaler Ebene steigt während- um Inhalte diskriminieren können. Die Nutzung dessen sowohl die Digitalisierung der TV-Haus- von Live-TV über das offene Netz bleibt zwar nach halte als auch der HD-Empfang weiterhin stetig wie vor weit hinter der VoD-Nutzung, gewinnt an, zeigt Ricardo Topham in seinem europäischen aber mit steigender Anbieterzahl an Bedeutung. Vergleich. Die Ansprüche der Nutzer an Videoan- Grund genug genauer zu schauen, welche Ange- gebote steigen ebenfalls: Die Nutzer wollen Flexi- bote eigentlich genutzt werden. Denn das Angebot bilität, nicht nur hinsichtlich der Inhalte, sondern hat zugenommen: IPTV- oder Kabelanbieter bieten auch bezüglich der unterschiedlichen Bildschirme. mittlerweile ihre Live-Programmpakete über das Gerätehersteller und Inhalteanbieter sind also auf- offene Internet an und entkoppeln das TV-Erlebnis gefordert, vielfältige Nutzungsmöglichkeiten an- immer stärker von den „traditionellen“ TV-Übertra- zubieten – nach Ansicht der Medienanstalten ist gungswegen. Tatsächlich steigt die Zahl der soge- dieser Trend nur zu begrüßen. Die Medienanstalten nannten „Cord Cutter“ im Vergleich zum Vorjahr werden diese Entwicklungen und neuen Nutzungs- erheblich – wenn auch auf einem nach wie vor sehr trends weiterhin begleiten und der Medienbran- niedrigen Gesamtniveau. che gestaltend und moderierend zur Seite stehen. 5
Inhalt Der 15. Digitalisierungsbericht 9 Ein Blick zurück und nach vorn Dr. Hans Hege / Andreas Hamann 5G – Technik ist nicht alles 19 Torsten Kleinz Daten & Fakten zur Digitalisierung in Deutschland Aktueller Stand der Digitalisierung der TV-Empfangswege und 32 digitalen Fernseh- und Videonutzung in Deutschland Dr. Simon Berghofer Methodik 52 Daten & Fakten zur internationalen Digitalisierung Digitaler Fernsehempfang in Europa auf Erfolgskurs 56 Analoger Fernsehempfang in europäischen Haushalten Ende 2018 bei nur noch rund 6 Prozent Ricardo Topham Die Aufgaben der Landesmedienanstalten in der Plattformregulierung 67 Autoren 69 7
Der 15. Digitalisierungsbericht Ein Blick zurück und nach vorn Dr. Hans Hege, Andreas Hamann Im Jahr 2005 konnte erst ein Viertel der deutschen unterstützen. Digitalisierung ließ sich nicht Haushalte digitales Fernsehen empfangen. Breit- anordnen, sondern bedurfte des Dialoges mit bandiges Internet, damals nur über DSL, steckte allen Marktpartnern. Besondere Schwerpunkte noch in den Anfängen, YouTube war gerade ein der M edienanstalten lagen bei der Entwicklung Jahr alt und noch nicht von Google übernommen, der Anbietervielfalt, den Chancen lokaler und Facebook spielte keine Rolle für die Mediennutzung regionaler Anbieter und dem offenen Zugang zu und die öffentliche Kommunikation, das iPhone Geräten und Technologien. Die Medienanstalten sollte erst zwei Jahre später die mobile Medien- wollten auch zur Diskussion jenseits ihres klassi- nutzung revolutionieren. schen Aufgabenbereiches beitragen: zur digitalen Dividende ebenso wie zur Zukunft des öffentlich- 2005 war zugleich das Jahr, in dem der erste rechtlichen Rundfunks. Digitalisierungsbericht erschien. Er hatte zwei Schwerpunkte: eine Analyse der Herausforderun- Im Digitalisierungsbericht 2005 haben wir als gen für Unternehmen, Politik und Regulierung, die öffentliches Interesse bzw. Ziele einer Regulierung sich aus dem digitalen Fernsehen und dem Analog- der digitalen Medienwelt identifiziert: Digital-Übergang ergaben, und einen Daten- und Faktenteil, auf der Grundlage einer Erhebung in • S icherung der Auswahl des Nutzers/Verbrau- den TV-Haushalten zur Digitalisierung im deut- chers schen Fernsehmarkt. • Vielfalt des Programmangebotes und verhinde- rung vorherrschender Meinungsmacht Die Medienanstalten wollten damit über ihre • Sicherung der Entwicklungsmöglichkeiten für Aufgaben in der Plattformregulierung hinaus zum lokale und regionale Inhalte Verständnis der digitalen Entwicklungen beitragen • Universeller (flächendeckender) Zugang von und ihre Gestaltung erleichtern. Die Erkenntnisse Nutzern/Verbrauchern zu den wichtigsten der Untersuchung sollten den Moderationsprozess Medieninhalten 9
Der 15. Digitalisierungsbericht • Kinder- und Jugendschutz Erste Phase: Digitalisierung der • Verbraucherschutz Rundfunkübertragungswege • Schutz der Urheberrechte In der ersten Phase der Digitalisierung ging es den • Entwicklung der Medienwirtschaft und ihre Medienanstalten um die Digitalisierung der Rund- Stärkung als Wachstumsindustrie. funkübertragungswege, also derjenigen Infrastruk- turen, die vorrangig für die Verbreitung linearer Fernsehprogramme bestimmt sind. Digital gab es mehr Programmplätze, eine bessere Bildqualität und Chancen für neue Geschäftsmodelle. Mit der Digitalisierungsbericht 2005 Überwindung der Knappheit ging allerdings auch Digital-TV und Analog-Digital-Übergang Herausforderungen für Unternehmen, Politik und Regulierung der besondere Einfluss verloren, den Medienan- Daten und Fakten inklusive aktueller Erhebung stalten und Medienpolitik in der Gründungszeit des privaten Fernsehens bei der Vergabe wertvol- ARBEITSGEMEINSCHAFT DER LANDESMEDIENANSTALTEN ler Ressourcen ausüben konnten, insbesondere im Rahmen der Standortpolitik. In regulatorischer Hinsicht verlor durch die größeren Bandbreiten der Zugang zur Infrastruktur an Bedeutung. Mit den sukzessive neu eingeführten Modellen der Netz- betreiber, die Sender in ihre Netze einzuspeisen und dabei finanzielle Rückflüsse an die Sender cover++_GSDZ_160805.indd 1 16.08.2005 18:13:08 Uhr vorzusehen, wurden diese Verbreitungskonditio- nen immer bedeutsamer. Die Veränderungen durch die Digitalisierung Die Verbraucher mussten für den Empfang digi- seitdem sind tiefgreifender, als wir uns das damals taler Programme Set-Top-Boxen als Zusatzgeräte vorgestellt haben, und sie sind nicht abgeschlossen. kaufen, da die Fernsehgeräte noch nicht mit den Die damals im Vordergrund stehende Mission des notwendigen Empfängern ausgerüstet waren. Die Analog-Digital-Übergangs bei den Rundfunküber- Synergien der DVB-Technologie führten zu Preisen, tragungswegen ist inzwischen erfolgreich b eendet. die wegen des Mehrnutzens akzeptiert wurden. Wir können also Bilanz ziehen und diese Phase mit den neuen Herausforderungen vergleichen, die sich An die Stelle des überschaubaren analogen Ange- aus weiteren Phasen der Digitalisierung ergeben, botes, welches durch Entscheidungen der Medien- der Rolle des Internets für a udiovisuelle Medien anstalten zusammengestellt worden war, traten und der Veränderung der bisher durch klassische elektronische Programmführer zur Orientierung Medien geprägten Kommunikationsstrukturen in der weiter werdenden digitalen Kanalwelt. Sie durch neue Kräfte. wurden ein weiteres wesentliches Feld der neuen Plattformregulierung. 10
Der 15. Digitalisierungsbericht Analog-Digital-Übergang bei der Terrestrik F lächendeckung besonders geeigneten Frequenz- Die Digitalisierung war die einzige Chance, den spektrums nutzen, um die Breitbandversorgung in klassischen Weg der Fernsehverbreitung zu erhal- ländlichen Räumen auszubauen. ten. Der Anteil analoger terrestrischer Haushalte war weit unter 10 Prozent gefallen, der Ausstieg pri- vater Veranstalter wegen der dadurch steigenden Analog-Digital-Übergang beim Kosten je Zuschauer nur noch eine Frage der Zeit. Satellitenfernsehen 2005 war der Empfang über Satelliten der Die Medienanstalten spielten eine führende R olle w ichtigste digitale Übertragungsweg, fast bei der Organisation des Analog-Digital-Über- 40 Prozent der Satellitenhaushalte hatten Digi- gangs. Er wurde weit vor dem ursprünglichen talempfang. Zu den Grundlagen dieses Erfolges politischen Zieldatum 2010 erreicht. haben die Medienanstalten beigetragen, mit ihrem Einsatz für offene Gerätestandards ohne proprie- Der Umstieg auf DVB-T konnte nur gelingen, weil täre Funktionen bei der Navigation und Abrech- sich sowohl öffentlich-rechtliche als auch private nung. In anderen europäischen Ländern wurde der Veranstalter beteiligten. Beim jeweils regional or- Satellitenmarkt von Pay-TV-Plattformen dominiert. ganisierten Umstieg konnten die Medienanstalten den Vorteil ihrer föderalen Struktur nutzen. Den Medienanstalten gelang es, die Auswahl für Ver- braucher insbesondere in Ballungsräumen zu Im neunten Digitalisierungsbericht der Medienanstalten werden auch in diesem Jahr wie- der Zahlen und Fakten zur Empfangssituation der TV-Haushalte präsentiert und analysiert. Der Blick richtet sich nun primär auf das Kabel. Mehr als die Hälfte der Kabel-Haushalte empfangen Fernsehen mittlerweile in digitaler Qualität. Insgesamt fiel der Anstieg der erhalten, wo es für viele mangels Zugangs zum Digitalisierungsqoute in diesem Jahr jedoch vergleichsweise moderat aus. Darüber hinaus wird im diesjährigen Bericht erstmals auch der Hörfunkempfang in Deutsch- Digitalisierungsbericht 2013 Digitalisierungsbericht land analysiert. Dabei ist festzustellen, dass auch beim Radio die Digitalisierung bzw. der digitale Empfang über DAB+ und das Internet an Boden gewinnt. Die Auswirkungen der voranschreitenden Digitalisierung beschränken sich jedoch nicht auf Satellitenfernsehen nur noch die Alternative des die Empfangssituation, sondern beeinflussen auch nachhaltig die Nutzung von Rundfunk- angeboten. Auf Basis einer Erweiterung der Befragung wird in diesem Jahr daher auch die Verwendung von elektronischen Programmführern, Videostreams über das Internet und Fern- sehen auf mobilen Endgeräten beleuchtet. Rundfunk und Internet – These, Antithese, Synthese? Kabels gegeben hätte. Die Verbraucher haben des- Wie in den letzten Jahren werden neben den Zahlen und Fakten auch aktuelle Themen der Rundfunkwelt aufgegriffen. Hans Hege zeigt in diesem Zusammenhang auf, dass es zwischen Neutralität und Priorisierung eine neue Balance zu finden gilt, um den Zugang zu und die Auffindbarkeit von meinungsbildungsrelevanten Inhalten sicherzustellen. Gerd Bauer befasst sich mit den Potenzialen des Digitalradios und blickt dabei erwartungsvoll in die Zukunft. halb auch akzeptiert, dass die analoge Verbreitung Guido Schneider beschreibt in seinem Beitrag den steinigen Weg zu einem gemeinsamen Standard der Bewegtbildmessung im Fernsehen und Internet. QR Code scannen und weitere Informationen ersatzlos abgeschaltet wurde. zum Digitalisierungsbericht online lesen. http://tinyurl.com/digib2013 Die nächste Herausforderung für das Antennen- fernsehen kam ein Jahrzehnt später. Nur mit dem weiteren Umstieg von DVB-T auf DVB-T2 HD war der terrestrische Weg zu erhalten. Er bietet nun 13 VISTAS Programme in HD-Qualität wie auf den anderen ISBN 978-3-89158-590-0 Euro 15,– (D) Plattformen. Für die Beteiligung der privaten Fern- sehveranstalter war ein Plattformmodell notwen- dig, bei dem die Nutzer für den Empfang privater Der Anteil der digitalen Satellitenhaushal- Programme bezahlen müssen. te stieg in den nächsten Jahren stetig. Parallel wurde das Angebot von HD-Programmen entwi- Der sinkenden Bedeutung der Frequenzen für ckelt, bei den privaten Veranstaltern mit einem den Rundfunk stand ihre steigende Attraktivität Modell, bei dem sie einen Anteil aus der laufen- für die Mobilfunkunternehmen und die Politik den Abgabe an die S atellitenplattform erhalten gegenüber. Diese wollten den Vorteil des für die (HD +). Die M oderation und Projektleitung der 11
Der 15. Digitalisierungsbericht edienanstalten waren noch einmal gefragt, als M jährlich, immer mehr Haushalte verfügten über ein es um den Ausstieg aus der analogen Übertragung digitaltaugliches Empfangsgerät: Mit den Flach- ging, der eine gemeinsame bundesweite Kommu- bildschirmen wurde der – nur digital mögliche – nikation voraussetzte. Der kostenfreie Empfang der HD-Empfang attraktiv. privaten Programme in SD-Qualität blieb erhalten, so dass im Vordergrund die rechtzeitige Informa- Die Federführung für den Umstieg lag nun bei den tion der betroffenen ca. 10 Prozent der Haushalte Kabelgesellschaften, eine bundesweite Lösung mit Analogempfang stand. 2012 wurde die analoge war anders als beim Satelliten nicht erforderlich. Übertragung abgeschaltet. Auch hier haben die Medienanstalten den Prozess moderierend begleitet und somit für einen Inter- essensausgleich der Beteiligten sowie den Schutz Analog-Digital-Übergang beim Kabel von Verbrauchern und Vielfalt gesorgt. Am längsten dauerte der Umstieg beim Kabel. Digitale Kanäle in SD- und HD-Qualität entwi- ckelten sich parallel zur analogen Übertragung, Eine Gesamtschau des Analog-Digital- deren Angebot vielen ausreichte und auch ohne Übergangs – Innovationen und Zusatzgerät empfangen werden konnte. Die für Veränderungen hielten sich in Grenzen das Kabel wichtige Wohnungswirtschaft wollte Die Digitalisierung der Rundfunkübertragungs- ihre Mieter nicht verunsichern. Veranstalter woll- wege ist praktisch abgeschlossen. Abzuwarten ten die Reichweitenvorteile ihrer analogen Kanäle bleibt, ob und wann aus Kapazitätsgründen die behalten und bezahlten auch für den Mehrnutzen. SD-Verbreitung eingestellt wird und nur noch HD- Hingegen war das Eigeninteresse der Kabelgesell- Programme verbreitet werden. Die damit verbun- schaften am Umstieg zunächst trotz des paralle- denen Umstellungsprozesse werfen prima facie len Ausbaus der Breitbandversorgung verhalten. aber keine so grundsätzlichen Fragen mehr auf Der Anteil digitaler Kabelhaushalte stieg allerdings wie etwa die Abschaltung der analogen Terrestrik. An den noch aus der analogen Zeit stammenden Grundstrukturen der deutschen Fernsehlandschaft mit zwei öffentlich-rechtlichen und zwei privaten Auch 2014 ist die Digitalisierung der TV-Haushalte in Deutschland vorangeschritten. Zum zehnten Mal präsentieren und analysieren die Medienanstalten im Digitalisierungs- Systemen hat sich durch die Digitalisierung nichts bericht die Zahlen und Fakten zur Empfangssituation von Fernsehen und Radio sowie geändert, ungeachtet der Gesellschafterwechsel der Nutzung der digitalen Endgeräte und Dienste. Digitalisierungsbericht 2014 Zwar ist auch das Kabel längst flächendeckend „digital ready“, dennoch werden über Digitalisierungsbericht diesen Übertragungsweg weiterhin auch analoge Fernsehsignale genutzt. Der moderate bei ProSiebenSat.1. Anstieg des digitalen TV-Empfangs im Kabel ließ im vergangenen Jahr auch die Digitalisie- rungsquote insgesamt nur moderat ansteigen. Deutlicher angestiegen ist hingegen die Anzahl der Digitalradio-Geräte sowie der Radio- empfang über DAB+ in Deutschland. Zwar empfangen die deutschen Haushalte die Radio- sender weiterhin mehrheitlich analog. Die Digitalisierung scheint sich jedoch auch hier Alles fließt! Neue Formen und alte Muster langsam Bahn zu brechen. Die Zahlen und Fakten zeigen darüber hinaus, dass die Digitalisierung sich auch in der Nut- zung von Geräten und Diensten niederschlägt. Die Zahl der ConnectedTVs in den Wohn- zimmern steigt und mit ihr vor allem die Nutzung von VoD-Angeboten direkt am Fern- seher. Der Second Screen wird teilweise bereits zum First Screen und für die Jugend verliert das TV-Gerät zugunsten von Smartphone und Tablet an Bedeutung. Festzustellen ist, dass sich die mit der Digitalisie- rung verbundene Hoffnung auf eine Verbreiterung Neben den Zahlen und Fakten analysiert der Digitalisierungsbericht auch in diesem Jahr wieder aktuelle Themen der Fernsehwelt. Dr. Hans Hege befasst sich mit der drohenden „Cable-ization of the Internet“ und den Konsequenzen für Netzneutralität und Medien- vielfalt. Bertram Gugel beschreibt die Strukturen sowie Funktionen der auf YouTube agie- renden Multi-Channel-Networks und vergleicht diese mit den TV-Sendern der klassischen des Programmangebotes erfüllt hat und zwar Fernsehwelt. QR Code scannen und weitere Informationen zum Digitalisierungsbericht sowohl im öffentlich-rechtlichen als auch im online lesen. http://tinyurl.com/digibericht privaten Bereich. Zwischen Juli 2004 und Juli 2005 stieg die Zahl bundesweit verbreiteter, privater 14 Fernsehangebote von 75 auf 95 (vgl. 8. Jahresbericht VISTAS der KEK). Zur Jahresmitte 2018 verfügten bereits 190 SBN 978-3-89158-603-7 Euro 15,– (D) 14.indd 1 12.08.14 13:06 12
Der 15. Digitalisierungsbericht private F ernsehprogramme über eine bundesweite Die Neigung der Rundfunkwelt, den Wert ihrer Zulassung. Im Vergleich zum Vorjahr ist damit das eigenen Netze zu über- und die Dynamik des Angebot an privaten Fernsehprogrammen erneut Internets zu unterschätzen, führte zum größten gestiegen (vgl. 20. Jahresbericht der KEK). Misserfolg bei dem Versuch, die neue Welt mobiler Geräte mit Video- und Audioempfang durch lineare Verändert hat sich im Zuge dieses Prozesses auch Fernsehangebote zu erobern. die Finanzierung jedenfalls des privaten Rund- funksektors. War 2005 Werbung noch die wesent- Die Medienanstalten haben sich sowohl für DVB-H liche, nahezu ausschließliche Basis, wurden mit als Weiterentwicklung von DVB-T als auch für DMB der Zeit neue Refinanzierungsmodelle eingeführt, als Weiterentwicklung von DAB eingesetzt. Zeitlich bei denen die Sender zum Teil Rückflüsse aus den parallel, aber weder von der Öffentlichkeit noch Verbreitungserlösen erhalten. von den Medienanstalten beachtet, wurden das iPhone und LTE für die breitbandige mobile Versor- Die durchschnittliche Gesamtzeit des klassi- gung entwickelt. Nokia als bis dahin erfolgreichster schen Fernsehkonsums ist noch hoch, lässt Hersteller von Mobiltelefonen ging dabei unter. aber bei jüngeren Zielgruppen nach. Die Wende wurde in der Erhebung für das Jahr 2017 im D igitalisierungsbericht deutlich: E rstmals verbrachte die jüngste Alterskohorte der 14- bis 29-Jährigen mehr Zeit mit VoD als mit klassischem linearen Fernsehen. Ein Jahr darauf sank der Anteil der jungen TV-Nutzer nochmals um ganze 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nur bescheidene Erfolge hatten die Versuche, über die Digitalisierung nicht nur bessere Bildquali- tät und ein verbreitertes Programmangebot zu erreichen, sondern auch neue Dienste einzu- führen. Die Media Home Plattform (MHP) schuf zwar technische Möglichkeiten zur Verknüpfung mit Internetangeboten, blieb aber an Attraktivi- tät hinter dem zurück, was sich parallel bei der Nutzung des Internets erreichen lässt. Der Nach- Die Fernsehwelt kam glimpflicher davon, weil das folger HbbTV ist zwar als technischer Standard mobile Fernsehen gar nicht über das Versuchssta- faktisch anerkannt, die Nutzung liegt aber weiter dium hinauskam. Lineares Fernsehen, bei dem der in einem überschaubaren Bereich. Der Zugriff auf Nutzer sich nur in ein vorgegebenes Programm- Mediatheken über App-Portale oder neue Plattfor- schema einschalten kann, ist nirgendwo so wenig men wie etwa das jüngst gestartete Joyn scheinen attraktiv wie beim mobilen Empfang. Auch die für den Nutzer der einfachere Weg zu sein. Ausnahme besonders attraktiver Fußballspiele ist keine Grundlage für ein Geschäftsmodell, das den 13
Der 15. Digitalisierungsbericht Aufbau eines eigenen Sendernetzes refinanzie- edieninhalte über das offene Internet geschaf- M ren könnte. Schneller als von vielen technischen fen, für Mediatheken der Fernsehsender ebenso Experten vorhergesehen schafft das hingegen das wie für Videoplattformen wie Netflix oder YouTube. Internet. Bei den Rundfunkübertragungswegen haben wir einfache Strukturen: Sie haben eine klare Zweite Phase: audiovisuelle Medieninhalte Priorität für die Nutzung durch Rundfunkangebote, über das Internet stehen auch ohne Versteigerung des Spektrums Die Entwicklung der Breitbandtechnologie über dafür zur Verfügung, sie werden durch territorial DSL insbesondere durch die Deutsche Telekom aufgebaute Netze verbreitet, die von Plattformen schuf die Grundlagen dafür, auch ein lineares betrieben werden, die Programme auswählen Fernsehangebot zusammenzustellen und zu und vermarkten. vermarkten. So entstand IPTV als vierter digita- ler Übertragungsweg. Sein Anteil an den Fernseh- Seit das Internet breitbandig wurde, kann es haushalten übertrifft inzwischen die Terrestrik. audiovisuelle Inhalte übertragen, an viele Nutzer Insbesondere in Ballungsräumen wird damit die gleichzeitig, aber auch personalisiert an einzelne. Auswahl der Verbraucher erweitert. Im Internet gibt es erst einmal keinen Vorrang für den Rundfunk, sondern das Prinzip der Netz neutralität, das nicht an den Inhalten a nknüpft. Das Netz ist global aufgebaut, so dass i nsbesondere diejenigen von seinen Vorteilen und Netzwerk effekten profitieren können, die ihre Dienste nicht Digitalisierungsbericht nur national anbieten. Kreative Zerstörung oder digitale Balance: Medienplattformen zwischen Wettbewerb und Kooperation Anders als klassische Rundfunkplattformen hat das Internet keinen dominierenden Betreiber, der die Nutzung bestimmen kann. Der Unterschied wird gerade bei den Kabelgesellschaften deutlich, die im klassischen Geschäft das Angebot auswäh- len, reguliert im Rahmen der Plattformregulierung 16 durch die Medienanstalten, die im Internet aber Datenraten anbieten, über deren Nutzung der jeweilige Kunde entscheidet. IPTV hat dank der spezifischen Netzstrukturen Die klassischen Telekommunikationsunternehmen den Vorteil einer garantierten Bildqualität. Mit hatten wie auch das kurzzeitig erfolgreiche Unter- der Weiterentwicklung der Internet-Technologie nehmen AOL die Strategie, nicht nur am Daten- und den höheren Datenraten bei der Breitband- transport über das Internet zu verdienen, sondern versorgung wurden die Grundlagen für die auch Inhalte und Nutzungen zusammenzustellen. konkurrenzfähige Verbreitung audiovisueller 14
Der 15. Digitalisierungsbericht Diese geschlossenen Welten hatten keinen durch- Die Medienregulierung steht vor der Frage, ob schlagenden Erfolg, weil sie im Wettbewerb mit und wie sie die im Rundfunkbereich üblichen dem offenen Internet nicht mithalten konnten. Vorrechte auch im Internet sichern kann. Oder muss sie sich darauf beschränken, jedenfalls Auch die Gerätehersteller haben immer wieder Benachteiligungen bestimmter Angebote und versucht, den Empfang von ihnen a usgewählter Meinungen zu verhindern? Inhalte und Dienste zu fördern. Wegen des noch bestehenden Wettbewerbs und der Dynamik des Internets kam es aber nicht zu größeren Missbräuchen, die ein Einschreiten notwendig gemacht hätten. Digitalisierungsbericht Aufgedrängte Bereicherung: Braucht Vielfalt Privilegierung? Die Innovationskraft des Internets beruhte darauf, dass es nicht von klassischen Medien oder Kabel- unternehmen aufgebaut worden ist, sondern von neuen Unternehmen, die ohne eigene N etze zu betreiben oder eigene Inhalte zu finanzieren die offenen Zugänge genutzt haben und die Skalen effekte im globalen Wettbewerb entwickeln konnten. Sie haben insbesondere in den USA Regulierungsferien genossen, von denen klassische 17 Medien- und Telekommunikationsunternehmen nur träumen konnten. Damit sind allerdings inzwischen Machtpositionen entstanden, die Die Digitalisierungsberichte der Medienanstal- größer sind als die der klassischen Unternehmen. ten zeigen den wachsenden Anteil der Nutzung professioneller Medieninhalte über das Internet. Es entsteht ein neuer Typ von Plattform, der sich Immer mehr Geräte mit großem Bildschirm (früher grundsätzlich von den im Rundfunkstaatsvertrag wurden nur TV-Geräte gemessen) können zusätz- regulierten Rundfunkplattformen unterscheidet. lich Internet empfangen, auch der Konsum über Tablets und Smartphones wächst. Audiovisuelle Medienangebote sind nur ein Teil des Internets, auch wenn Videoangebote einen beson- Ein offensichtliches Problem ist die künftige ders hohen Teil der Übertragungskapazität bean- Finanzierung lokaler und regionaler Inhalte, weil spruchen. Plattformen wie Google haben Einfluss bisherige Geschäftsmodelle wegbrechen. Der nicht nur im Medienbereich – bei den geprüften Werbemarkt verlagert sich zugunsten der neuen Missbrauchsfällen geht es um die Verknüpfung mit Internet-Unternehmen. Gleichzeitig wird die kommerziellen Aktivitäten außerhalb der Medien. Auffindbarkeit in einem immer größeren Medien- angebot zu einer großen Herausforderung. Damit 15
Der 15. Digitalisierungsbericht steht die Refinanzierung der für lokale Identität Nutzung kommerzieller Plattformen wie YouTube und Diskurse so wichtigen Inhalte immer mehr und Facebook. Deren Algorithmen orientieren sich in Frage. am kommerziellen Interesse, an Aufmerksamkeit und damit Werbeeinnahmen, nicht etwa am chan- Die Frage, was künftig Public Service sein und cengleichen Zugang von Meinungen. Das Internet aus öffentlichen Mitteln refinanziert werden öffnet ungeahnte Chancen, die M einungsbildung soll, wurde schon im ersten Digitalisierungsbe- außerhalb der etablierten Medien zu beein- richt 2005 gestellt. Eine Antwort darauf hat die flussen. Diese Chancen können aber auch für Politik bislang nicht geben können. Struktur und Hassbotschaften und Falschmeldungen genutzt Auftrag des ö ffentlich-rechtlichen Rundfunkange- werden, die häufig leichter Aufmerksamkeit finden bots sind bislang ebenso umstritten wie die Struk- als seriöse Berichterstattung nach journalistischen tur seinerFinanzierung. Im privaten Sektor wird Grundsätzen. Während die Verantwortung bei klas- PublicValue im Zusammenhang mit privilegierter sischen Medien klar erkennbar ist, bietet das Inter- Auffindbarkeit diskutiert. Und der Gedanke einer net Möglichkeiten auch für schwer identifizierbare Finanzierung privater Inhalte aus Beitragsmitteln Quellen im In- und Ausland. hat bislang den Kreis von Panels auf Branchen- Veranstaltungen wie den Münchener Medientagen Die Internetplattformen entwickeln inzwischen noch nicht verlassen. Abwehrmaßnahmen gegen Hassbotschaften und Wahlmanipulation. Ihr Geschäftsmodell, das von der Aufmerksamkeit für extreme Botschaf- Dritte Phase: Veränderungen der öffentlichen ten und auch Falschmeldungen partizipiert, wird Meinungsbildung durch das Internet aber nicht geändert. Zudem zeigen populistische Die klassische Medienregulierung knüpft an den Bewegungen eine besondere Präsenz und A ktivität Einfluss von Medien auf die öffentliche Meinungs- im Internet. bildung an. Sie versucht einerseits die Konzentra- tion von Meinungsmacht zu begrenzen, indem sie den Einfluss auf verschiedene Medien einschränkt. Andererseits wird über die Plattformregulie- rung versucht, einen chancengleichen Zugang von Anbietern zu Plattformen und damit zu den VIDEO Nutzern zu gestalten. Besondere Regelungen gibt Digitalisierungsbericht es im Umfeld von Wahlen. Digitalisierung vollendet – Wie linear bleibt das Fernsehen? Klassische Medien haben nach wie vor großen Einfluss, doch gewinnen Meinungsprozesse an Bedeutung, die nicht von ihnen, sondern unter Nutzung der Möglichkeiten des Internets von Dritten angestoßen werden. Die aus der analo- gen Welt stammende Idee der Offenen Kanäle ist im Internet erfolgreich geworden, allerdings unter 18 16
Der 15. Digitalisierungsbericht Die Beschreibung der Meinungsbildungsprozes- den Internetplattformen nicht. Ihre Mechaniken se in der demokratischen Gesellschaft, wie sie sind allerdings auch wesentlich schwieriger und den Entscheidungen des Bundesverfassungsge- komplexer, und das bezieht sich nicht nur auf die richts zugrunde liegt, steht zunehmend in einem geheimen Algorithmen, sondern auch auf neue Spannungsverhältnis zur realen Entwicklung der Nutzungsformen und ökonomische Regeln. Kommunikationsprozesse. Die klassischen Medien waren noch relativ einfach zu regulieren, Facebook Die oben genannten Ziele einer Medienregulie- und Google haben eine andere Art von Einfluss, rung haben in der heutigen digitalen Medienwelt und weltweit werden Fragen nach notwendigen nicht an Bedeutung verloren. Die Sicherung eines Regeln und ihrer Durchsetzung gestellt. freien, öffentlichen Meinungsbildungsprozesses ist h eute (wieder) von eminenter Bedeutung für Regelwerke wie die für die Wahlwerbung oder für unsere Gesellschaft. Zur Sicherung dieser Ziele und die Öffentlichkeitsarbeit staatlicher Stellen orien- des Meinungsbildungsprozesses bedarf es weiter tieren sich an der alten Welt. einer neutralen, unabhängigen öffentlichen Stelle. Die Verantwortlichkeit der klassischen Rund- Die Medienanstalten können diese Aufgabe auch funk-Plattformen ist neu zu definieren. Sie f assen in der digitalen Welt erfüllen. Sie waren stets in nicht publizistische Inhalte zusammen, wie dies der Lage, sich den neuen Herausforderungen der klassische Medien tun, aber haben dennoch Märkte zu stellen und sind bereits dabei sich auch Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung. den aktuellen Phänomenen zu widmen. Basis dafür Neben dem Missbrauch durch Dritte besteht bleibt weiter die Aufgabe der Beobachtung und durchaus auch die Gefahr, dass sie selbst Meinun- Analyse der Märkte, wie sie 2005 mit dem ersten gen diskriminieren. Murdoch zum Beispiel hat zwar Digitalisierungsbericht für den Bereich der Digita- nicht in Deutschland, aber in Großbritannien und lisierung begonnen wurde. den USA mit seinen Medien erheblichen Einfluss auf die politische Entwicklung ausgeübt. Mit seiner digitalen Plattform hatte er nicht den Erfolg, den später Facebook erzielte. Nach wie vor gilt aber die Vorgabe des Verfassungsgerichts, Fehlentwicklun- gen rechtzeitig entgegenzutreten. Auch die sogenannten Intermediäre spielen eine Rolle im Medien- und damit im Meinungsmarkt. Mehr und mehr entwickeln sie sich von bloßen technischen Plattformen, auf der jeder seine Inhalte bereitstellen und suchen kann, zu kuratier- ten Seiten, die Themen aufbereiten. Während die Einführung des privaten Fernsehens mit vielfälti- gen Vorkehrungen gegen möglichen Missbrauch begleitet worden ist, gab es solche gegenüber 17
5G – Technik ist nicht alles Torsten Kleinz Die nächste Generation der Mobilfunknetze regt estinstallation von Vodafone in Berlin.1 Das ist T die Fantasie vieler Branchen gleichzeitig an: Die mehr als die meisten Breitbandanschlüsse im verarbeitende Industrie erhofft sich vom 5 G-Netz deutschen Festnetz bewältigen können. Mit dieser eine neue industrielle Revolution durch das Datenmenge könnte ein Nutzer 33 Netflix-Streams „Internet der Dinge“. Silicon Valley-Konzerne wie der höchsten Auflösung parallel abspielen.2 Dabei Google versprechen eine vollvernetzte Welt, in der sind die theoretischen Möglichkeiten des neuen Mobilgeräte uns neue Dimensionen der Realität Netzes damit bei weitem noch nicht ausgeschöpft. aufzeigen sollen. Und sogar die deutsche Landwirt- schaft soll dank 5G-Abdeckung in jeder Ackerfurche in Zukunft umweltschonender, arbeitssparender Die Mobilfunkrechnung als Flaschenhals und gleichzeitig ertragreicher werden. Ob jedoch 5G der mobilen Videonutzung in Deutschland einen Schub verpassen kann, ist alles Hoffnungen gibt es natürlich auch im Medien- andere als sicher. Denn schon heute kann man über markt. Seit Jahren belegt Deutschland gerade bei die LTE-Technik ohne Probleme Streams abrufen. der mobilen Internet- und Mediennutzung nur Im Test der „Welt“ erreichte das Berliner 4G-Netz hintere Plätze. Also liegt es nahe, dass das neue zwar nur vergleichsweise magere 40 Megabit „Echtzeit-Mobilfunknetz“ mit einer theoretisch pro Sekunde. Das wären aber immer noch genug 100 Mal höheren Bandbreite endlich neue Impulse für zwei Netflix-Streams in Ultra-HD-Auflösung. setzt und die Deutschen auch auf ihren Smartpho- nes Filme, Serien und Reportagen konsumieren. Allein schon die technischen Werte des neuen 1 WELT vom 25. August 2019: „Als Pionier im 5G-Test – So gut ist 5G-Netzes sind bereits beeindruckend: Auf mehr das schnellste Netz“ https://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/ plus198513177/5-G-Mobilfunk-WELT-testet-das-neue-Netz-von- als 840 Megabit pro Sekunde im Download kam Vodafone.html 2 Für einen Stream Ultra-HD-Auflösung wird laut Netflix eine etwa ein Redakteur der „Welt“ bei einer ersten Bandbreite von 25 Megabit pro Sekunde benötigt. https://help. netflix.com/de/node/306 19
5G – Technik ist nicht alles Die Übertragungstechnik vom Funkmast zum bericht Video 2019). Laut Online-Studie von ARD Smartphone ist also nicht der Flaschenhals, der und ZDF benutzen mehr als 95 Prozent der 14- bis die Videonutzung bisher ausgebremst hat. 39-Jährigen täglich das Internet zu Hause oder unterwegs. Bis in die Altersgruppe von 49 Jahren Zum anderen: Die Abdeckung wird mit der neuen übersteigt die Zahl der täglichen Internetnutzer 5G-Technik bedeutend teurer als bei der LTE- inzwischen die Zahl der täglichen TV-Nutzer. Und Technik. So reicht der superschnelle Datenfunk selbst ein vermeintlich gesetztes Publikum will im städtischen Umfeld mit den 2019 versteiger- nicht mehr von Smartphone und Tablet lassen: So ten Frequenzen gerade einmal einen Kilometer stammen inzwischen 40 Prozent der Abrufe der weit. Bis die bestehenden Funkmasten um neue ZDF Mediathek von Mobilgeräten. Antennen erweitert werden, also eine ausreichen- de flächendeckende Abdeckung in Deutschland entsteht, werden viele Jahre vergehen – wenn nicht Datendrossel nach einer Stunde gar Jahrzehnte. Um den bereits begonnenen Wandel noch zu beschleunigen und die Mediennutzung in Deutsch- land nachhaltig zu verändern, müssen mehrere Der Boom hat schon begonnen Faktoren zusammenkommen. Ein Hindernis- Denn die Funkmasten müssen nicht nur finanziert grund für die Videonutzung im Internet ist, neben und genehmigt werden, sie brauchen auch eine der mangelnden Abdeckung, das Preismodell in breitbandige Anbindung über Glasfaser oder eine Deutschland. So sind Datenvolumen in deutschen ähnlich schnelle Richtfunkstrecke. Straßen müs- Mobilfunkverträgen noch weit teurer als im euro- sen aufgegraben werden, Anwohner wegen der päischen Ausland, das enthaltene Datenvolumen Angst vor Strahlenbelastung beruhigt werden. Ob vergleichsweise gering. Laut Gegenüberstellung deshalb irgendwann – wie von der Politik gefor- des finnischen Marktforschungsunternehmens dert – tatsächlich „jede Milchkanne“ in Deutsch- Rewheel erhalten Mobilfunkkunden inzwischen land mit 5G-Empfang versorgt werden wird, bleibt in zehn europäischen Ländern unbegrenztes abzuwarten. Datenvolumen für monatlich weniger als 30 Euro (vgl. Abb. 1).3 Dennoch: Die mobile Internetnutzung wird mit Einführung von 5G zweifellos weiter steigen. Der besagte Ultra-HD-Stream von Netflix Dieses Wachstum hat aber bereits vor dem Hype verbraucht ein Datenvolumen von einem Giga- um die neue Technik begonnen. Nach Jahren der byte bereits in unter sechs Minuten. Bei üblichen Stagnation sind die Deutschen auf den Geschmack Tarifen mit maximal zehn Gigabyte Datenvolumen gekommen, mal eben auf dem Weg zur Arbeit oder würde die Verbindung also bereits nach unter einer zur Schule YouTube-Videos anzuschauen oder Stunde gedrosselt. Derzeit spielt sich der Preiswett- Spiele wie Pokemon Go zu spielen. Rund 36 Prozent bewerb im Mobilfunk eher im niedrigpreisigen der Befragten ab 14 Jahren bezeichneten im Jahr Bereich ab. So gibt es zahlreiche Discounter-Tarife, 2019 ihr Smartphone als wichtigsten Bildschirm, die die Mobilfunknetze der großen Provider unter der Fernseher kam nur noch auf 29,7 Prozent der Nennungen (siehe Studie zum Digitalisierungs- 3 Ergebnisse der Gegenüberstellung: http://research.rewheel.fi/prices/country/ 20
5G – Technik ist nicht alles Abb. 1 Wie viel 4G Gigabyte sind für 30 Euro im Ländervergleich für Smartphones erhältlich? Litauen Slovakische Republik Lettland Estland Kroatien Niederlande Bulgarien Finnland Vereinigtes Königreich Dänemark Slowenien 140 Frankreich 100 Schweden 100 Italien 60 Österreich 60 Irland 60 Rumänien 50 Polen 40 Spanien 35 Deutschland 30 Luxemburg 15 Belgien 10 Portugal 5 Malta 5 Zypern 4 Tschechische Republik 3 Ungarn 1 Griechenland 0 100 200 300 400500 Unlimited GByte 500 GByte < 500 GByte 4G (mit mindestens 1.000 Minuten und 3 Mbit/s-Geschwindigkeit für HD-Videos) pro Land, das für 30 Euro oder weniger mit den meisten GB angeboten wird; Quelle: Rewheel research, Digital Fuel Monitor 11th release, April 2019. 21
5G – Technik ist nicht alles anderem Namen neu vermarkten. Dabei sind enor- generation verschwimmen die Grenzen jedoch: me Schnäppchen möglich – die Kunden müssen So gehört das so genannte „Edge Computing“ zum dabei aber mitunter auf wichtige Leistungen wie Konzept von 5G: Rechen- und Speicherkapazitä- die Nutzung des LTE-Netzes verzichten. ten werden direkt ins Mobilfunknetz integriert. Inwiefern die Regularien der Netzneutralität an die Die Hoffnung der Mobilfunkbranche ist, dass sich neuen Gegebenheiten des 5G-Ausbaus angepasst mit dem erhöhten Angebot auch der Datenhun- werden, bleibt also abzuwarten. Provider haben ger bemerkbar macht, so dass Kunden bereit sind ein großes Interesse daran, sich weitere Glieder der monatlich mehr Geld für ihre M obilfunkverträge Verwertungskette einzuverleiben. Insbesondere die auszugeben. Denn die real gezahlten Beträge Deutsche Telekom hat es zu ihrer Strategie erklärt, seien angesichts der hohen Investitionskosten in mehr als nur Leitungen bereitzustellen, auf denen Deutschland zu niedrig, wie Branchenvertreter Medien- und Internetunternehmen ihre Gewinne immer wieder betonen. erwirtschaften können.5 So hat der Konzern mit MagentaTV, ehemals T-Entertain, eine umfassen- de Medienplattform geschaffen. Auch die im Juli Video-Flatrate für Vielzahler 2019 von der EU-Kommission genehmigte Über- Die Telekom bietet für seine Kunden eine nahme von Unitymedia durch Vodafone verbindet Art Video-Flatrate an. Mit der StreamOn- das Geschäft mit Medien und Datenübertragung. Erweiterung4 können Kunden Videos von Part- nern wie YouTube, Amazon Prime oder aus der Wie sich die Mobilfunkpreise mit der Einführung ZDF M ediathek unbegrenzt auf ihrem Mobilgerät von 5G entwickeln, ist unter anderem deshalb noch ansehen, ohne dass diese Inhalte vom Datenvo- offen. Hinzu kommt die veränderte Marktlage. lumen abgezogen w erden. Der Provider kompri- Hatte die Fusion von E-Plus und O2 im Jahre 2014 miert den Datenstrom, so dass die Videoinhalte gerade die Hoffnung der Branche auf reduzierten die Infrastruktur des P roviders möglichst wenig Preiswettbewerb und ein steigendes Preisniveau belasten. Das Modell ist ein Anreiz die vergleichs- geführt, trat mit der 5G-Versteigerung United weise teuren Verträge zu buchen. So sind auch die Internet als neuer vollwertiger Wettbewerber auf Kunden der Telekom-Tochter C ongstar von dem den Plan. Streamingangebot ausgeschlossen. Bisher hat sich der Internet- und Kommunikations- Die Gesetzgebung zur Netzneutralität verhin- konzern darauf beschränkt, Übertragungskapazitä- dert allzu offene Geschäfte, bei denen Medien ten bei anderen Mobilfunkanbietern e inzukaufen. unternehmen sich eine bevorzugte Auslieferung ihrer Inhalte bei Providern erkaufen können. Möglich sind weiterhin etwa Datenpartnerschaf- ten, die Abwicklung von Abo-Gebühren über die Mobilfunkrechnung oder der Betrieb gemeinsamer Rechenzentren. Gerade durch die neue Mobilfunk- 5 Schon 2012 erklärte der damalige Telekom-Chef René Obermann, dass der Konzern nicht nur Anbieter von „dumb pipes“ – dummen 4 Das Angebot „StreamOn“ der Deutschen Telekom: Leitungen – sein wolle. https://www.manager-magazin.de/ https://www.telekom.de/unterwegs/tarife-und-optionen/streamon magazin/artikel/a-853919-9.html 22
5G – Technik ist nicht alles Nun will United Internet ein eigenes 5G-Netz auf- nstrengungen unternommen haben, ihr Angebot A bauen und sich damit als vierter Netzbetreiber in ins Netz zu verlegen. Stattdessen werden die Inter- Deutschland etablieren.6 netangebote eher als Ergänzung und Erweiterung des klassischen TV-Programms behandelt. Es gibt aber auch Argumente für mittelfris- tig d eutlich steigende Preise. Die Kosten der 5G-Frequenzauktion waren mit 6,6 Milliarden Sender lieben Broadcast Euro teurer als erwartet. Dieses Geld muss über die Ein Grund dafür: Die Übertragung per Internet- Mobilfunkrechnungen der Deutschen erst wieder stream ist bedeutend teurer als die Sendeinhal- eingespielt werden. Insofern muss die weitere te per Antenne, Satellit und Kabel parallel an Preisentwicklung abgewartet werden. Millionen Haushalte gleichzeitig zu verteilen. Jeder einzelne Streamingnutzer verursacht bei den Sen- dern zusätzliche Kosten. Hinzu kommen nochmal Geteiltes Netz ist halbes Netz teure Senderechte für Streaming-Lizenzen, die von Mobilfunk ist ein „Shared Medium“ – das heißt: Filmstudios extra vermarktet werden. Die zusätzli- Je mehr Leute sich bei einer Funkzelle einbuchen, chen Einnahmemöglichkeiten für die Sender durch um so weniger Bandbreite steht für den Einzel- ein Online-Angebot sind hingegen beschränkt. nen zur Verfügung. Zwar kann 5G den Verkehr von bedeutend mehr Smartphones verteilen. Damit Dies zeigt sich beispielsweise bei dem Schweizer Endnutzer von den 5G-Geschwindigkeiten tatsäch- Streamingpionier Zattoo, der bereits seit 2009 lich profitieren können, müssen die Mobilfunkmas- die Programme vieler TV-Sender ins Netz ten bedeutend besser angebunden werden als sie überträgt. Zwar muss der Nutzer beim Umschal- es heute sind. ten einen zusätzlichen Werbespot betrachten, um die Übertragungskosten wieder reinzuspie- Sollten von heute auf morgen zu viele Deut- len. Diese Finanzierungsmethode reicht aber nur sche plötzlich ihren Medienkonsum ins 5G-Netz für ein Spar-Angebot in geringer Auflösung. Wer verlegen, gäbe es ein Kapazitätsproblem: Würden H D-Auflösung oder die beliebtesten Program- alle gleichzeitig die Tagesschau – oder die aktu- me der privaten Programmanbieter ansehen elle Folge von „Promi Big Brother“ – einschalten, will, muss Abogebühren von 10 oder 20 Euro pro kämen die Funkzellen schnell an ihre Grenzen. Akut Monat bezahlen. ist das jedoch nicht zu befürchten. Zwar steigt die Nachfrage nach Mediatheken-Inhalten inzwi- schen rapide – noch ist die Nutzung im Vergleich Neue Werbung für neue Streams zu klassischen Ausspielkanälen aber relativ gering. Solche Spar-Modelle gehören nun e ventuell Grund dafür ist auch, dass die Sender bisher wenige der Vergangenheit an. Denn die TV-Branche hat ein neues Werbemodell gefunden, das dem 6 „Als vierter Netzbetreiber werden wir einen Beitrag leisten, Streamingmarkt neues Leben einhauchen könn- Deutschland zum Leitmarkt für 5G zu machen, und neue te: Die personalisierte Werbung. Sie könnte Geschäftsfelder für unser Unternehmen erschließen“, so Ralph Dommermuth, Vorstandsvorsitzender der United Internet AG. gerade durch die Etablierung des 5G-Netzes einen https://www.united-internet.de/news-presse/pressemitteilungen/ enormen Schub erfahren. meldungen-detail/news/united-internet-tochter-11-drillisch- ersteigert-frequenzen.html 23
5G – Technik ist nicht alles In den vergangenen Jahren hat das so genann- Für die Endkunden versprechen die Anbieter der te „Programmatic Advertising“ bereits die programmatischen Werbung, dass die auf diese Online-Werbung übernommen. Statt Werbung auf Weise wesentlich relevantere Werbung bekom- bestimmten Websites zu platzieren, buchen nun men. Wer sich eher Heavy Metal anhört, muss sich Werbetreibende bestimmte Zielgruppen. keine Werbung für die neueste Helene-Fischer-Tour ansehen. Und wer sich doch für Helene Fischer Will etwa ein E-Scooter-Anbieter seinen Pro- interessiert, bekommt die Karten für ihr nächstes duktstart in einer neuen Metropole bekannt Konzert in der Nähe empfohlen. Von dem Argu- machen, kann er seine Werbung zielgenau ment lassen sich viele Internetnutzer jedoch nicht an M enschen im Einzugsgebiet dieser Stadt überzeugen. So steigt die Zahl der Nutzer, die einen ausspielen lassen. Er kann sich für Menschen einer Werbeblocker oder Maßnahmen zum Privatsphä- bestimmten Altersgruppe entscheiden, bestimmte renschutz einsetzen, ständig. Werbemotive gemäß Geschlecht und Interessen der Nutzer ausspielen lassen oder Sonderakti- onen für Kunden anbieten, die sich vorher für Online-Werbung erobert den TV-Bildschirm eine bestimmte Schuhmarke interessiert haben. Auch die TV-Werbung, die in den vergangenen Die Werbetreibenden können sogar ein kleines Jahren teilweise den Platz 1 der Werbesparten Programm in den Werbebanner integrieren, das zumindest kurzzeitig an die Online-Werbung einem Smartphone-User in Echtzeit den Weg zum verloren hatte, hat nun die personaliserte nächstenE -Scooter weist. Ob die Werbung auf der Werbung entdeckt.7 Hier heißt das Schlagwort Webseite von Spiegel Online, in der Mediathek von „Addressable TV“. Statt einfach ein und dasselbe RTL oder in einer beliebigen App erscheint, ist dem Signal an alle Zuschauer auszusenden, werden die Werbetreibenden dabei weitgehend egal. Werbespots speziell für die Leute vor dem Bild- schirm neu zusammengestellt. Vorteile für alle? Die Zuschauer selbst müssen davon nichts Das neue Werbemodell ist auf den ersten Blick für bemerken. So bietet etwa ProSiebenSat.1 seinen alle Seiten vorteilhaft. Für die Werbetreibenden Werbekunden an, dass sie einen Internet-Werbe- verspricht die programmatische Werbung einen spot über einen anderen Werbespot legen können, günstigeren Weg zu ihren Zielgruppen und damit der über das normale Rundfunksignal gesendet bessere Ergebnisse zu geringeren Kosten. Die Web- wird. M öglich wird das durch den HbbTV-Standard, site-Betreiber müssen sich nicht mehr an einen der in allen modernen Smart-TVs integriert ist. Werbetreibenden binden, sondern können die Wandert die Nutzung ab vom normalen Broadcast- erreichten Zielgruppen meistbietend versteigern. auf ein Streaming-Modell, sind solche Anpassun- Dank hochentwickelter Algorithmen und einem gen noch einfacher möglich. weltweiten Netz aus Rechenzentren können die Auktionen stattfinden, noch während eine Web- seite wählt. Sobald die Inhalte auf dem Bildschirm erscheinen, ist auch die lukrativste Werbung ermit- telt. Ein Wimpernschlag genügt. 7 Jahresbericht 2018 des Online-Vermarkterkreises zu den Umsätzen in der Werbebranche: https://www.bvdw.org/fileadmin/ user_upload/OVK_Report_2018_02.pdf 24
5G – Technik ist nicht alles Der persönliche Werbespot roSiebenSat.1 außerdem eine neue Streaming- P Vorerst beschränkt sich das Adressable TV auf plattform auf den Weg gebracht, die alle Plattfor- einige rudimentäre Merkmale wie den Abrufort men vom Handy bis zum Smart-TV abdeckt und eines Programms. So kann etwa ALDI Süd exklu- dort passgenaue Werbung ausspielen kann. siv bei Haushalten werben, die sich tatsächlich im Verbreitungsgebiet der Supermarktkette befinden. Oder ein Hustensaft-Hersteller wirbt dort, wo Neue Konkurrenten gerade besonders regnerisches Wetter ist. Die Kernfrage ist: Wollen sich andere Anbieter auf Plattformen wie MagentaTV oder Joyn ansiedeln? Mit der Etablierung des 5G-Netzes vervielfältigen Die zunehmende Digitalisierung sorgt gleich- sich die Möglichkeiten des Adressable TV jedoch. zeitig für neue Konkurrenz. So können Inhalte So können auf dem Smartphone bedeutend anbieter mittlerweile auch abseits der klassischen genauere Nutzerprofile angelegt werden, als dies Senderstrukturen ein Millionenpublikum erreichen. auf dem gemeinsam genutzten F ernseher e ines Die 5G-Technik kann hier als Türöffner fungieren. Haushaltes möglich ist. Auch die Bewegungs So macht ein hochperformanter Mobilfunk die profile der N utzer liegen auf dem Smartphone Sendetechnik eines teuren Übertragungswagens haarklein vor. Wer g erade von der Arbeit mit dem tendenziell unnötig. Statt einen Satelliten-Uplink Zug nach Hause fährt und dabei die Soap vom zu buchen, können sich Veranstalter theoretisch Vorabend auf dem Smartphone guckt, kann etwa mit einem handelsüblichen Handy am Wettkampf den Werbespot der Supermarktkette ausgespielt um die Aufmerksamkeit beteiligen. bekommen, deren Filiale sich an der Endhaltestel- le befindet. Landen diese Kundendaten bei den Natürlich rufen die neuen Möglichkeiten zunächst Sendern, v erfolgt die Werbung die Nutzer auch Unternehmen auf den Plan, die sich möglichst auf den heimischen Bildschirm. große Umsätze versprechen. So demonstrierte etwa Andreas Heyden, Innovationsbeauftragter der Um in diesen lukativen Werbemarkt einzusteigen, DFL Deutsche Fußball Liga, auf der Sportrechte- müssen die Sender Datenprofile von möglichst Konferenz Spobis in Köln im August 2019 eine neue vielen Kunden sammeln. Zur gleichen Zeit müs- 5G-Anwendung, die die Fußball-Ligisten 2020 in sen die Anbieter möglichst viel Bildschirmzeit auf deutsche Stadien bringen wollen. sich vereinen, damit die Werbekunden den Schritt in die neue Werbeform wagen. Beides ist gerade in Arbeit. So hat das Bundeskartellamt gerade RTL Wie bei Harry Potter Deutschland und ProSiebenSat.1 ein neues Joint Per App können Zuschauer im Stadion künftig Venture im Werbemarkt gebilligt.8 Die Plattform auf den Datenschatz der Fußball-Veranstalter „d-force“ soll mit individualisierter Werbung in zugreifen. Das Konzept erinnert an die „Omni den Angeboten beider Sendergruppen bis 2022 gläser“ aus den Harry-Potter-Büchern. Man Milliardenumsätze erwirtschaften. Mit „Joyn“ hat richtet sein Handy auf einen Spieler und bekommt zusätzliche Infos angezeigt: Vom Namen des 8 Pressemitteilung von PRoSiebenSat1 vom 7. August 2019: Spielers über die Statistiken zur Passgenauigkeit https://www.prosiebensat1.com/presse/d-force-kartellamt- bis zur aktuellen Laufgeschwindigkeit. genehmigt-joint-venture-von-prosiebensat-1-und-mediengruppe- rtl-deutschland 25
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