STI auf Tour: Report zu sexuell übertragbaren Krankheiten in Bayern 2019 - Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege - Mit ...

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Bayerisches Staatsministerium für
                        Gesundheit und Pflege

STI auf Tour:
Report zu sexuell übertragbaren
Krankheiten in Bayern 2019
STI auf Tour: Report zu sexuell übertragbaren Krankheiten in Bayern 2019 - Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege - Mit ...
STI auf Tour:
Report zu sexuell übertragbaren
Krankheiten in Bayern 2019
Inhalt

Vorwort 7

1. Sexuell übertragbare Krankheiten:
    Darüber sprechen, sich und andere schützen!  8

2. Sexuell übertragbare Krankheiten:
   Was steckt dahinter?	  13
2.1. Viren als Erreger	                                         13

2.2. Bakterien als Erreger	                                     18

2.3. Erkrankungen durch Parasiten	                              21

2.4. Neu auftretende und sonstige Erreger	                      22

3. Wer, wann, wo? – Epidemiologie  27
3.1. Durch Viren übertragene Erkrankungen 	                     27

3.2. Durch Bakterien übertragene Erkrankungen	                  34

3.3. Durch Parasiten übertragene Erkrankungen	                  38

3.4. Erkrankungen durch neu auftretende und sonstige Erreger	   40

4. Sex, Drogen, Reisen – Wo sind die Gefahren?  48
4.1. Übertragung durch intime Kontakte	                         48

4.2. Andere Übertragungswege von STI	                           49

4.3. Mangelnde Hygiene als Gefahr	                              50

 4
5. Wie schütze ich mich und andere? 	  51
5.1. Wissen schützt	                                          51

5.2. Kondome schützen	                                        51

5.3. Prophylaxe schützt vor HIV – PrEP und PEP	               52

5.4. Impfen schützt	                                          52

5.5. Kenntnis über den eigenen Status schützt	                53

6. Aufklärung, Beratung & Tests	  54
6.1. Information und Aufklärung	                              54

6.2. Beratung	                                                55

6.3. Besondere Herausforder­ungen in der Präventionsarbeit	   55

6.4. Tests auf STI – den eigenen Status kennen	               56

7. Information, Beratung und Begleitung –
  in Bayern und darüber hinaus	  59
7.1. Medizinische Versorgung	                                 59

7.2. Persönliche Beratung und Unterstützung – auch anonym	    59

7.3. Informationen	                                           60

7.4. Testangebote 61

Abkürzungen 62

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis	  64

                                                               5
Vorwort

Sehr geehrte Damen und Herren,

                                                    stehen mit Blick auf das Ansteckungsrisiko in
                                                    einem inneren Zusammenhang. Denn Perso-
                                                    nen, die mit einer STI infiziert sind, haben ein
                                                    deutliches erhöhtes Risiko, sich mit HIV zu infi-
                                                    zieren. Umgekehrt steigt bei HIV-Infizierten die
                                                    Wahrscheinlichkeit, sich mit anderen Ge­        -
                                                    schlechts­krankheiten anzustecken.

                                                    Trotz dieser realen Gefahren sind STI keine
                                                    anonyme und unbeherrschbare Bedrohung,
                                                    denn wir alle können uns ein gutes Stück weit
                                                    absichern – zum Beispiel durch die Verwen-
wenn es um das Thema „Gesundheit“ geht,             dung von Kondomen, die nicht nur Schutz vor
haben die meisten von uns schnell bestimmte         HIV, sondern auch vor vielen anderen STI bie-
Bilder im Kopf. Oft denken wir spontan an all-      ten. Auch Impfungen schützen – zum Beispiel
tägliche Beschwerden wie eine leichte Erkäl-        gegen Humane Papillomviren (HPV) oder
tung, Heuschnupfen oder einen verstauchten          Hepatitis A und B. Daneben bleibt die Aufklä-
Fuß oder aber es geht um die allseits bekann-       rung über die verschiedenen Infektionen und
ten schweren Krankheiten wie Krebs oder             ihre Übertragungswege ein herausragend
Demenz.                                             wichtiger Baustein in der Prävention von STI.

Sexuell übertragbare Infektionen (STI) fristen in   Mit unserem aktuellen Schwerpunktthema
der öffentlichen Wahrnehmung dagegen ein            STI/HIV möchten wir als Bayerisches Gesund-
Schattendasein. Das hängt auch damit zusam-         heitsministerium daher einen Schweinwerfer
men, dass sie eines der letzten echten gesell-      auf diese Erkrankungen richten. Da kein Kind
schaftlichen Tabuthemen sein dürften. Denn          mit dem Wissen über STI auf die Welt kommt,
obwohl der Umgang mit Sexualität im 20. Jahr-       wenden wir uns mit unserer Kampagne vor
hundert deutlich liberaler geworden ist, spre-      allem an Jugendliche und junge Erwachsene.
chen wir über Erkrankungen, die beim                Vor allem sie möchten wir über soziale Medien
Geschlechtsverkehr übertragen werden kön-           wie Youtube, Instagram oder Tellonym errei-
nen, meistens lieber nicht – schon gar nicht in     chen. Unser Ziel ist es, junge Menschen auf-
Gesellschaft, aber vielleicht nicht einmal beim     klären, zu informieren und sie vor allem auch zu
Arztbesuch. Dabei ist die Abwesenheit von STI       motivieren, untereinander offen über Themen
ein wichtiger Teil unserer Gesundheit insge-        wie „safer sex“ oder Tests auf Geschlechts-
samt.                                               krankheiten zu reden. Ich bin überzeugt: In die-
                                                    sem Fall ist Reden schon mehr als die halbe
In den 80er und 90er Jahren brachte man STI         Miete.
vor allem mit dem HI-Virus in Verbindung. Dank
besserer Therapiemöglichkeiten – aber auch          Ihre
durch intensive Aufklärung – hat AIDS in den
Köpfen vieler Menschen viel von seiner Bedroh-
lichkeit verloren. Und dennoch bleibt Aufklä-
rung eine Daueraufgabe – nicht nur bei AIDS,        Melanie Huml MdL
sondern auch bei den vielen anderen und teil-       Bayerische Staatsministerin für
weise weit weniger bekannten STI. Was vielen        Gesundheit und Pflege
nicht bewusst ist: AIDS und die übrigen STI

                                                                                                7
1. Sexuell übertragbare Krankheiten:
Darüber sprechen, sich und andere schützen!

      Sexualität ist ein Teil unseres Lebens mit vielen verschiedenen Aspekten. Es geht um
      menschliche Begegnung, um Nähe, um Ängste, manchmal im Wortsinn um „Berührungs-
      ängste“, um sexuelle Erfahrungen und natürlich auch um sexuell übertragbare Krankheiten.
      Dieses Thema steht meist nicht im Vordergrund, aber mit Blick auf sexuell übertragbare
      Krankheiten bedeutet Wissen Schutz für sich und andere, ebenso wie das Darübersprechen.
      Allerdings fehlt es oft an Wissen, wie Studien zeigen1.

In Deutschland ist es wie in vielen Ländern im                    fenen selbst schuld? Ist ihre Erkrankung Aus-
20. Jahrhundert zu einer weitgehenden Libera-                     druck eines verantwortungslosen Lebenswan-
lisierung der Sexualmoral und des Sexualver-                      dels? Gerade weil es hier um ein privates, sehr
haltens gekommen. In den Medien ist Sex all-                      sensibles Thema geht und vieles in der eige-
gegenwärtig, es gibt vielfältige Beratungsan-                     nen Verantwortung liegt, sind Information und
gebote rund um das Sexualverhalten und in                         Offenheit besonders wichtig. Sexuelle Gesund-
den Schulen unterstützen sexualpädagogische                       heit, dabei insbesondere auch der Schutz vor
Angebote die Heranwachsenden dabei, ihre                          sexuell übertragbaren Krankheiten, hängt in
sexuelle Identität zu entwickeln, respektvoll                     großen Teilen davon ab, was in der Forschung
mit Partnerinnen bzw. Partnern umzugehen                          als „Sexual Health Literacy“ (etwa: „sexuelle
oder sich über Verhütungsmethoden und Fami-                       Gesundheitskompetenz“) bezeichnet wird.
lienplanung zu informieren. Dennoch gibt es                       Damit ist die Fähigkeit gemeint, mit dem richti-
rund um die Sexualität nach wie vor Tabuthe-                      gen Wissen richtig zu handeln. Dazu gehören
men, über die man nicht gerne spricht. Die                        Basisinformationen über die Erkrankungen
sexuell übertragbaren Krankheiten gehören                         selbst, die Übertragungswege und die Mög-
dazu. Sie sind bei den Betroffenen mit Scham                      lichkeiten, sich zu schützen oder im Erkran-
und Angst verbunden und bei Dritten wecken                        kungsfall ärztlich behandeln zu lassen.
sie schnell Abwehrreaktionen: Sind die Betrof-

      Sexuell übertragbare Krankheiten
      Sexuell übertragbare Erkrankungen oder Infektionen, auch STD (sexually transmitted dis­
      eases) bzw. STI (sexually transmitted infections) genannt, bezeichnen eine Gruppe von Krank-
      heiten, die vorwiegend durch sexuelle Kontakte übertragen werden. Sie können von Bakte-
      rien, Viren oder Parasiten verursacht werden und mitunter zu einer schwerwiegenden und
      chronischen Beeinträchtigung der Gesundheit führen. Der Weltgesundheitsorganisation
      zufolge stecken sich weltweit täglich mehr als eine Million Menschen mit einer STI an.2 Zwei
      Umstände erschweren die Eindämmung von STI: Sie werden übersehen und daher nicht
      behandelt, weil die häufig milden, unspezifischen Symptome nicht wahrgenommen werden
      oder erst lange Zeit nach der Übertragung auftreten. Sie werden in der Partnerschaft oder
      beim Arztkontakt nicht angesprochen, weil sie in der Gesellschaft mit Scham behaftet sind.

1 
   vgl. z. B. Haversath et al. (2017) Sexualverhalten in Deutschland. Deutsches Ärzteblatt 114 (33–34): 545–550.; von Rüden U.
   (2017) AIDS im öffentlichen Bewusstsein der Bundesrepublik Deutschland 2016. Bundeszentrale für gesundheitliche
  ­Aufklärung, Köln.
2 
   WHO: Sexually transmitted infections (STIs). www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/sexually-transmitted-infections-(stis),
   letzter Zugriff: 12.07.2019

      8
1. Sexuell übertragbare Krankheiten: Darüber sprechen, sich und andere schützen!

In Deutschland fehlen zu sexuell übertragbaren                    amt zufolge in Bayern gut 300 Krankenhausfälle
Krankheiten allerdings vielfach belastbare                        durch Infektionen, die vorwiegend durch
Daten.3 Soweit dies anhand der eingeschränk-                      Geschlechtsverkehr übertragen werden.
ten Datenlage beurteilbar ist, haben die Neu­
erkrankungszahlen bei Syphilis in den vergan-                     Eine Erhebung der Bundeszentrale für gesund-
genen Jahren zugenommen, HIV, Chlamydien                          heitliche Aufklärung (BZgA) zeigt, dass die
und Gonorrhö sind dagegen eher gleichgeblie-                      Bekanntheit der sieben häufigsten STI (Chlamy-
ben, bei anderen wie Herpes genitalis ist der                     dien, Feigwarzen, Trichomoniasis, Herpes,
Trend nicht bekannt.4                                             Hepatitis, Syphilis und Gonorrhö) in der über-­
                                                                  16-jährigen Allgemeinbevölkerung in Deutsch-
In Bayern gab es im Jahr 2017 nach Angaben                        land eher gering ist (siehe Abbildung 1) und
der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern rund                      auch nicht mit deren Häufigkeiten korr­  eliert.
40.000 gesetzlich versicherte Patientinnen und                    Während rund die Hälfte der Befragten Syphilis
Patienten mit der ambulanten Diagnose einer                       und Gonorrhö kannte, lag die Bekanntheit der
oder mehrerer sexuell übertragbarer Krankhei-                     weiteren abgefragten STI bei unter 15 %.5
ten. Pro Jahr gibt es dem Statistischen Bundes-

Abb. 1.1: Bekanntheit von STI bei Über-16-Jährigen, Deutschland 2016

                 Syphilis                                                                         49 %

              Gonorrhöe                                                                         48 %

             Chlamydien                        14 %

               Hepatitis                    12 %

                 Herpes                     12 %

Kondylome (Feigwarzen)             6%

          Trichomoniasis     1%

                        0%           10 %             20 %         30 %          40 %           50 %          60 %

                                                                                               Datenquelle: BZgA 2016

  Haversath et al. (2017) Sexualverhalten in Deutschland. Deutsches Ärzteblatt 114 (33–34): 545–550.
3 

 Robert Koch-Institut (Hrsg) (2015): Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes.
4 

 Berlin; Haversath et al. (2017) Sexualverhalten in Deutschland. Deutsches Ärzteblatt 114 (33–34): 545–550.
  von Rüden U. (2017): AIDS im öffentlichen Bewusstsein der Bundesrepublik Deutschland 2016.
5 

  Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln.

                                                                                                                        9
Oft verursachen STI keine Schmerzen oder                              kokken) können unbehandelt Unfruchtbarkeit,
andere offenkundige Symptome und bleiben                              Fehlgeburten oder Erkrankungen des Neuge-
deshalb unbemerkt, unbehandelt und werden                             borenen verursachen. Manchmal kumulieren
unwissentlich weitergegeben. Zu den häufigs-                           Infektionsrisiken. So erhöht sich beispielsweise
ten Symptomen von STI zählen ungewöhnli-                              das Risiko einer HIV-Infektion, wenn im Bereich
cher Ausfluss aus Harnröhre oder Scheide,                              der Genitalschleimhäute entzündliche Verän-
manchmal mit auffallendem Geruch, schmerz-                            derungen vorliegen. Umgekehrt weisen HIV-In-
hafte oder schmerzlose genitale Geschwüre,                            fizierte ein erhöhtes Risiko auf, sich mit ande-
Juckreiz, Schwellungen in der Leistengegend                           ren sexuell übertragbaren Krankheiten anzuste-
oder dem äußeren Genitalbereich und Unter-                            cken. Verschiedene Gruppen haben für den
bauchschmerzen. Manche Beschwerden oder                               Erwerb unterschiedlicher STI besondere Risi-
Folgeprobleme treten erst nach einigen Mona-                          ken, z. B. Männer, die Sex mit Männern haben
ten oder Jahren auf. Informiert zu sein kann                          (MSM) für Syphilis und HIV, jüngere Frauen für
helfen, dass die Betroffenen Erkrankungen                             Chlamydien und HPV.9
frühzeitig bemerken und ärztliche Hilfe suchen.
Es können jedoch auch weitere Organe oder                             Grundsätzlich gilt: Der beste Schutz vor STI ist
die Gesundheit allgemein beeinträchtigt sein,­                        die Verwendung eines Kondoms.10 Gegen
z. B. bei HIV/AIDS oder Hepatitis. Daneben füh-                       manche Infektionen (beispielsweise HPV und
ren Scham, Ängste sowie ein geringes Wissen                           Hepatitis A und B) kann man sich mit einer
über sexuell übertragbare Infektionen und teil-                       Impfung schützen. Viele STI wie z. B. die bak-
weise unzureichende Anbindung betroffener                             teriell verursachten sind medizinisch gut behan-
Menschen an das Gesundheitssystem dazu,                               delbar. Für andere gibt es keine spezifische
dass Infektionen nicht oder erst in einem fort-                       Therapie (z. B. HPV) oder es wird eine akute
geschrittenen Stadium diagnostiziert werden.6                         Infektion nicht behandelt, mit Ausnahme
                                                                      schwerer Verläufe (z. B. Hepatitis B). Einige STI
Unbehandelt können STI schwerwiegende Fol-                            sind behandelbar, aber nicht heilbar (z. B. HIV,
gen wie Krebs oder Unfruchtbarkeit nach sich                          Herpes genitalis). Eine frühzeitige Erkennung
ziehen. Beispielsweise sind chronische Infekti-                       und Behandlung ist von großer Bedeutung.
onen mit Humanen Papillomviren (HPV) der                              Insbesondere bei wechselnden Partnern ist es
wichtigste Auslöser für Krebsvorstufen und                            angezeigt, sich regelmäßig auf Geschlechts-
Gebärmutterhalskrebs bei Frauen. Beim Mann                            krankheiten testen zu lassen. Wer vermutet,
ist ungefähr ein Drittel der Peniskarzinome mit                       sich angesteckt zu haben oder sich ohne kon-
einer HPV-Infektion vergesellschaftet.7 Die                           kreten Verdacht durchchecken lassen möchte,
Entstehung des Analkarzinoms ist in etwa                              kann sich an seinen Arzt oder seine Ärztin
85 % der Fälle mit einer Infektion durch HPV                          wenden. Hausärzte und -ärztinnen, Hautärzte
assoziiert.8 Eine Infektion mit Hepatitis-B- und                      und -ärztinnen, Frauenärzte und -ärztinnen
-C-Viren kann zu Leberzirrhose führen und                             oder Urologen und Urologinnen sind fachkun-
stellt ein Risiko für die Entwicklung von Leber-                      dige Ansprechpartner, die beraten und unter-
krebs dar. Eine unbehandelte Syphilis kann                            suchen, Tests wie Abstriche, Urin- und Blutun-
schwere bis lebensbedrohliche Folgen haben,                           tersuchungen durchführen, behandeln oder
eine unbehandelte HIV-Infektion zum Vollbild                          impfen – je nachdem, was notwendig ist. Nied-
AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome)                            rigschwellige oder anonyme Testangebote
führen. Andere Infektionen (Chlamydien, Gono-                         können in Kapitel 6 nachgelesen werden.

  Bundesministerium für Gesundheit (2016) Strategie zur Eindämmung von HIV, Hepatitis B und C und anderen sexuell übertragbaren
6 

  Infektionen.
  Hakenberg, O. et al. (2018) Diagnostik und Therapie des Peniskarzinoms. Dtsch Arztebl Int 2018; 115(39): 646–52.
7 

  Raptis D. et al. (2015) Differentialdiagnose und interdisziplinäre Therapie des Analkarzinoms. Dtsch Arztebl Int 2015; 112(14): 243–9.
8 

  Bremer V. et al. (2017) Sexuell übertragbare Infektionen in Deutschland. Die aktuelle epidemiologische Lage. Bundesgesundheitsbl
9 

  2017. 60: 948–957.
10 
    Hutterer C. Mehr Wissen über sexuell übertragbare Infektionen. Informationsbroschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche
    Aufklärung.

      10
1. Sexuell übertragbare Krankheiten: Darüber sprechen, sich und andere schützen!

Aufklärungskampagnen, wie die Liebesle-                            Beim Umgang mit sexuell übertragbaren
ben-Kampagne der Bundeszentrale für gesund-                        Krankheiten gibt es in Europa auch im Bereich
heitliche Aufklärung (BZgA), richten sich an die                   der Vorsorge große Differenzen: In Deutsch-
Allgemeinbevölkerung und zielen auf die Sensi-                     land berichten der EMIS-Studie zufolge 28 %
bilisierung, Aufklärung und Aktivierung ab (Nut-                   der befragten homosexuellen Männer von
zung von Kondomen sowie Motivation zum                             einem STI-Check in den letzten 12 Monaten.
Arztbesuch bei Verdacht auf eine STI).11,12                        Zum Vergleich: In Großbritannien waren es
                                                                   44 %, in Frankreich 40 %.13

       Der Begriff Geschlechtskrankheiten ist veraltet und ungenau. Sexuell übertragbare Erkran-
       kungen können auch oder ausschließlich an anderen Körperteilen als dem Genitalbereich
       Symptome verursachen, wie beispielweise die HIV-Infektion oder die Hepatitis B. In diesem
       Bericht wird daher bewusst auf den Begriff „Geschlechtskrankheiten“ verzichtet.

Der Themenschwerpunkt                                              Sexualität und Verantwortung gehören zusam-
„Sexuell übertragbare­Erkrankungen“                                men – dieses Bewusstsein nimmt zu. In den
                                                                   vergangenen 30 Jahren hat die Kondomver-
Der Themenschwerpunkt „Sexuell übertrag-                           wendung besonders in der nachwachsenden
bare Erkrankungen“ des Bayerischen Staats-                         Generation stark zugenommen. Die regelmä-
ministeriums für Gesundheit und Pflege                             ßige Verwendung von Kondomen hat sich bei
richtet sich vor allem an Jugendliche und                          den 16- bis 20-jährigen sexuell Aktiven von
junge Erwachsene. Sie sind in einem Alter, in                      34 % im Jahr 1988 auf 76 % im Jahr 2016 mehr
dem Sexualität erkundet wird, sexuelle Verhal-                     als verdoppelt. Im Jahr 2016 gaben 85 % die-
tensmuster und auch der Umgang mit den                             ser Altersgruppe an, immer, häufig oder gele-
gesundheitlichen Risiken geprägt werden. In                        gentlich Kondome verwendet zu haben. Ledig-
dieser Lebensphase wechseln zudem die                              lich 3 % haben keine Erfahrung mit Kondomen.
Sexualpartner häufiger, sodass Jugendliche                         Der Anteil Jugendlicher, die zwar Erfahrungen
und junge Erwachsene zu den vulnerablen                            mit Kondomen haben, sie aber nicht verwen-
Gruppen für STI gehören. Einer Erhebung der                        den, sank von 41 % im Jahr 1988 auf 12 % im
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung                      Jahr 2016. Mehr als 90 % der heterosexuellen
zufolge weist rund ein Fünftel der 15-Jährigen                     Jugendlichen und jungen Erwachsenen spre-
bereits Geschlechtsverkehr-Erfahrung auf, bei                      chen in der Beziehung über Verhütung. Wenn
den 17-Jährigen mehr als die Hälfte. Im Alter                      noch keine sexuellen Aktivitäten erfolgt sind,
von 20 Jahren waren vier von fünf jungen                           wird die Verhütungsfrage von 70 % angespro-
Erwachsenen bereits sexuell aktiv. Allerdings                      chen.15
sieht etwa ein Drittel der 14- bis 25-Jährigen
Informationsbedarf bei sexuell übertragbaren                       Medien mit intensiver HIV/STI-Aufklärung wer-
Krankheiten. Der Anteil der Befragten, die                         den von den 16- bis 20-Jährigen häufiger
mehr über sexuell übertragbare Krankheiten                         genutzt als von der Gesamtbevölkerung. Rund
wissen möchten, beträgt 30 % bei den Jun-                          ein Viertel dieser Altersgruppe gab an, durch
gen/Männern und 38 % bei den Mädchen/                              Broschüren erreicht zu werden.
Frauen.14
   Bremer V. et al. (2017) Sexuell übertragbare Infektionen in Deutschland. Die aktuelle epidemiologische Lage. Bundesgesundheitsbl
11 

   2017. 60: 948–957.
   Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). www.liebesleben.de, letzter Zugriff: 12.07.2019
12 

   The EMIS Network. EMIS 2010: The European Men-Who-Have-Sex-With-Men Internet Survey. Findings from 38 countries. European
13 

   Centre for Disease Prevention and Control, Stockholm 2013.
   Bode H, Heßling A (2015) Jugendsexualität 2015. Die Perspektive der 14–25-Jährigen. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung,
14 

   Köln.
   Bode H, Heßling A (2015) Jugendsexualität 2015. Die Perspektive der 14–25-Jährigen. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung,
15 

   Köln.
                                                                                                                           11
Mit personal-kommunikativer HIV/STI-Präven-                                                    immer wichtigere Rolle ein. Im Jahr 2016
tion durch Vorträge und Informationsveranstal-                                                 gaben 40 % der 16- bis 20-Jährigen an, sich in
tungen wurde im Jahr 2016 (meist in der                                                        den letzten zwölf Monaten im Internet über
Schule) knapp ein Drittel dieser, für die Präven-                                              HIV und STI informiert zu haben und der Trend
tion relevanten, Gruppe erreicht. Hinsichtlich                                                 zur gezielten Nutzung des Internets für Infor-
der Information über STI nimmt das Internet                                                    mationen über HIV/STI setzt sich fort.16
bei Jugendlichen erwartungsgemäß eine

       Die Kampagne des Bayerischen Staats-­
       ministeriums für Gesundheit und Pflege
       Der Jahresschwerpunkt „Sexuell übertragbare Krankheiten“ des Bayerischen Staatsministe-
       riums für Gesundheit und Pflege schließt an die Ergebnisse der Studien zum Informations-
       verhalten junger Menschen          Brief/- 3 - an. Jugendliche und junge Erwachsene werden über soziale

       Medien      (Instagram, YouTube, Facebook) angesprochen. Unter dem Motto „STI auf Tour“
          Weitere Motive für Kondombriefchen
                                          Brief/- 3 -
       können sie miteinander ins Gespräch kommen und ihr (Risiko-)Verhalten reflektieren. Ziel der
       Kampagne
          Weitere Motiveist  es, das Bewusstsein für das Thema HIV/AIDS und andere sexuell übertragbare
                         für Kondombriefchen

       Infektionen (STI) zu schärfen und über Schutzmöglichkeiten aufzuklären. Zusätzlich können
       Fragen der Zielgruppe anonym mithilfe einer App („Tellonym“) von Experten beantwortet
       werden.
            Motive für die Schmuckplakate:
                                                                                                                            Brief/- 3 -

            Motive für die Schmuckplakate:                                   Weitere Motive für Kondombriefchen

                                                                             Motive für die Schmuckplakate:

                                                                                                                                              Brief/- 2 -

                                                                                                   Zunächst stelle ich Ihnen den Look der Werbemittel vor. Es wird Postkar-
                                                                                                   ten, Kondombriefchen, Schmuckplakate und Eindruckplakate geben.
            Motive für die Eindruckplakate
                                                                                                   Motive für die Postkarten:
                                                                             Motive für die Eindruckplakate
            Motive für die Eindruckplakate

                                                                             Datei: 2019/60586/Entwurf Infoschreiben an Kooperationspartner
                                                                             Druck:31.05.2019 14:20:00

            Datei: 2019/60586/Entwurf Infoschreiben an Kooperationspartner
            Druck:31.05.2019 14:20:00                                                              Motive für die Kondombriefchen (Vor- und Rückseite):

            Datei: 2019/60586/Entwurf Infoschreiben an Kooperationspartner
            Druck:31.05.2019 14:20:00

   von Rüden U. (2017) AIDS im öffentlichen Bewusstsein der Bundesrepublik Deutschland 2016. Bundeszentrale für gesundheitli-
16 

   che Aufklärung, Köln.

       12
2. Sexuell übertragbare Krankheiten: Was steckt dahinter?

2. Sexuell übertragbare Krankheiten:
Was steckt dahinter?

       Ursache für sexuell übertragbare Krankheiten können Viren, Bakterien oder Parasiten sein.
       So vielfältig die Erreger selbst sind, so vielfältig sind auch die Übertragungswege und die
       Symptome. Wird die Infektion rechtzeitig erkannt, kann sie geheilt oder zumindest kontrol-
       liert werden. Den effektivsten Schutz stellt die Vorbeugung dar – beispielsweise durch Hygi-
       ene, durch Safer Sex oder durch Impfungen. Die Krankheitsverläufe der Infektionen können
       sehr variabel sein, können symptomatisch oder asymptomatisch ablaufen. Auch die Inkubati-
       onszeiten, also die Zeit zwischen der Ansteckung und dem Auftreten der ersten Symptome,
       können sehr unterschiedlich sein. Das folgende Kapitel stellt die wichtigsten Erreger sexuell
       übertragbarer Krankheiten mit ihren Charakteristika dar. STI machen nicht vor Ländergrenzen
       halt – durch vermehrte Auslands- und Fernreisen, Fluchtbewegungen und Migration können
       bestimmte Erreger auch für andere Länder an Bedeutung zunehmen.

2.1. Viren als Erreger                                           Lebens mindestens einmal mit dem HPV infi-
                                                                 zieren. Simultaninfektionen mit mehreren Sub-
Erregersteckbrief – Humane Papillomviren                         typen und transiente Infektionen sind häufig.17
(HPV)                                                            Weltweit variiert das Vorkommen von HPV je
                                                                 nach Region sehr stark. Das Erregerreservoir
Erregercharakteristik                                            sind Epithelzellen der Schleimhaut und der ver-
Humane Papillomviren (HPV) sind unbehüllte,                      hornenden Haut, die von Humanen Papillomvi-
relativ kleine Viren. Bisher sind 176 verschie-                  ren infiziert werden können. In Gewebeproben
dene Typen beschrieben worden, davon kön-                        bei Gebärmutterhalskrebserkrankungen wur-
nen ca. 40 HPV-Typen genitale Infektionen ver-                   den HPV nachgewiesen. Diese Krebsart ist die
ursachen. Es gibt zahlreiche Subtypen, einige                    dritthäufigste Krebserkrankung bei Frauen
sind mit klinischen Erkrankungen assoziiert. Es                  weltweit.
wird zwischen Hochrisiko- (high risk, HR) und
Niedrigrisiko- (low risk, LR) Typen unterschie-                  Übertragung
den, je nach ihrem Potential invasiven Krebs                     Eine Übertragung von HPV findet durch direk-
auszulösen. 12 HR-HPV-Typen (16, 18, 31, 33,                     ten Haut- oder Schleimhautkontakt statt, also
35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59) gelten als krebs­                auch bei sehr engem Körperkontakt. Bei Sexu-
erregend, der HPV-Typ 68 als wahrscheinlich                      alkontakten sind vaginale, anale oder orale
krebserregend. Neben dem Gebärmutterhals-                        Übertragungen trotz Kondombenutzung mög-
krebs können HR-HPV-Typen auch an der Ent-                       lich.
wicklung von bösartigen Tumoren der Scheide,
der Schamlippen, des Penis, am Anus oder im                      Inkubationszeit
Mund-Rachenraum beteiligt sein. LR-HPV-Ty-                       Nach einer Infektion mit HPV dauert es zwi-
pen verursachen zum Beispiel gutartige War-                      schen zwei Wochen und acht Monate, bis sich
zen (Feigwarzen, Condylomata acuminata).                         Warzen bilden. Bei Infektion mit HR-HPV-Ty-
                                                                 pen können sich in einem Zeitraum von drei bis
Vorkommen und Erregerreservoir                                   sechs Jahren Krebsvorstufen entwickeln. Aus
Das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet, dass                   diesen Vorstufen entsteht über einen Zeitraum
sich die meisten Menschen im Laufe ihres                         von 10 bis 30 Jahren Krebs.

  Robert Koch-Institut. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/H/HPV/Papillomaviren_node.html, letzter Zugriff: 12.07.2019.
17 

                                                                                                                           13
Dauer der Infektiosität                                            impfung dar. Kondome oder Femidome können
HPV ist während einer bestehenden Infektion                        das Risiko einer Übertragung vermindern, aber
übertragbar.                                                       nicht sicher davor schützen. Zur Vorbeugung von
                                                                   HPV-assoziierten Krebserkrankungen gibt es
Klinik                                                             außerdem Vorsorgeuntersuchungen, die zum
Die Infektion ist durch eine hohe Spontanhei-                      Ziel haben, Frühstadien zu erkennen.
lungsrate gekennzeichnet. Ca. 80–90 % der
HPV-Infektionen heilen in einem Zeitraum von                       Impfung
bis zu zwei Jahren aus. Die HPV-Infektion kann                     Es gibt in Deutschland zwei zugelassene Impf-
jedoch auch über Jahre persistieren. Eine wei-                     stoffe, ein Impfstoff gegen HPV 16 und 18 und
terbestehende HPV-Infektion mit krebserre-                         ein Impfstoff gegen HPV 16,18,31,33,45,52,58.
genden HR-HPV-Typen birgt das Risiko, sich                         Die Ständige Impfkommission (STIKO) emp-
fortschreitend, bis hin zu Gebärmutterhals-                        fiehlt eine Impfung gegen Humane Papillomvi-
krebs zu entwickeln. Die durch LR-HPV-Typen                        ren (HPV) für alle Mädchen und Jungen im
hervorgerufenen, flachen bis leicht erhabenen,                     Alter von 9–14 Jahren. Spätestens bis zum
weichen Feigwarzen (Condylomata acuminata)                         Alter von 17 Jahren sollen versäumte Impfun-
sind ungefährlich und allenfalls störend, wenn                     gen gegen HPV nachgeholt werden. Die voll-
sie größer werden.                                                 ständige Impfserie sollte vor dem ersten Sexu-
                                                                   alkontakt abgeschlossen sein.
Diagnostik
Feigwarzen sind meistens Blickdiagnosen und                        Erregersteckbrief – Hepatitis-B-Virus
für einen Arzt oder eine Ärztin in aller Regel gut                 (HBV)
zu erkennen. Nicht selten sind sie Zufallsdiag-
nosen. Andere durch HPV hervorgerufene Ver-                        Erregercharakteristik
änderungen sind (im Frühstadium) nur durch                         Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist ein kleines,
Labormethoden nachweisbar. Bei der ärztli-                         behülltes DNA-Virus. Es befällt ausschließlich
chen Untersuchung werden Abstriche zur zyto-                       Leberzellen. Weltweit sind neun verschiedene
logischen Untersuchung, d. h. zur Untersuchung                     Genotypen bekannt.
auf Zellveränderung und/oder für den Nachweis
von HPV-DNA entnommen. Als Früherken-                              Vorkommen und Erregerreservoir
nungsprogramm ist in Deutschland ein Gebär-                        Die Hepatitis-B-Infektion ist die häufigste
mutterhalskrebs-Screening etabliert. Für andere                    Infektionskrankheit überhaupt. 240 Millionen
Krebsarten (z. B. der Vagina, des Penis oder des                   Menschen weltweit haben eine aktive Infek-
Anus) existieren keine strukturierten Krebsfrü-                    tion und sind damit infektiös. Jedoch sind die
herkennungsprogramme.                                              meisten davon nicht diagnostiziert.18
                                                                   Es gibt Länder, z. B. in Afrika oder Asien, mit
Therapie                                                           hohen Fallzahlen. Deutschland gehört zu den
Es gibt keine spezifische Therapie gegen HPV.                      Ländern mit geringem Vorkommen von Hepati-
Feigwarzen können mit verschiedenen Metho-                         tis-B-Infektionen.
den lokal therapiert werden z. B. mit Salben oder
Lösungen, Hitze- oder Kälteanwendungen oder                        Übertragung
Abtragung. Krebsvorstufen werden chirurgisch                       Ungeschützte Sexualkontakte sind in Deutsch-
entfernt. Zur Therapie eines Karzinoms stehen                      land der bedeutendste Übertragungsweg. Kon-
chirurgische Methoden, Strahlen- und Chemo-                        takt mit infektiösem Blut kann auch bei kleins-
therapie zur Verfügung.                                            ten Verletzungen der Haut oder Schleimhäute
                                                                   zu Infektionen führen, insbesondere auch bei
Prophylaxe                                                         unhygienischem Tätowieren, Piercen, Ohr-
Die effektivste Prophylaxe stellt die Schutz­                      lochstechen oder gemeinsamer Benutzung

   Cornberg M, Manns MP (2015) Hepatitis A, B, C, D, E: Trotz gleicher Namen viele Unterschiede. Dtsch Arztebl; 112(23): [4].
18 

       14
2. Sexuell übertragbare Krankheiten: Was steckt dahinter?

von Nagelscheren. Bei berufsbedingten Nadel-                tiv, danach die Antigennachweise. Dies kann
stichverletzungen oder bei Nadeltausch unter                jedoch mehrere Wochen dauern. Antikörper
Drogengebrauchenden kann das Virus übertra-                 können auch erst sieben Monate nach Infektion
gen werden. Das Übertragungsrisiko von Blut                 nachweisbar werden.
oder Blutprodukten ist in Deutschland heutzu-
tage äußerst gering. Weltweit spielt die Über-              Therapie
tragung der Infektion von der Mutter auf das                Eine akute Infektion heilt in der Regel auch
Kind unter der Geburt eine bedeutende Rolle.                unbehandelt von selbst aus. Zur Therapie sehr
In Deutschland kommt das nur sehr selten vor.               schwerer Verläufe oder einer chronischen
                                                            Hepatitis B stehen verschiedene antivirale
Inkubationszeit                                             Medikamente zur Verfügung.
Die Inkubationszeit liegt zwischen 45 und 180
Tagen.                                                      Prophylaxe
                                                            Zur Prophylaxe steht eine effiziente Impfung zur
Dauer der Infektiosität                                     Verfügung. Schutzhandschuhe oder Kondome/
Ansteckungsgefahr besteht, solange das Virus                Femidome bieten Schutz vor einer Übertragung.
nachweisbar ist. Das Übertragungsrisiko hängt               Kontaminierte spitze Gegenstände müssen
stark von der Virusmenge und der Art des Kon-               sicher entsorgt werden. Bei ungeimpften Perso-
taktes ab. Bei chronischen Infektionen kann                 nen müssen bei Verletzungen mit möglicher-
über Jahrzehnte Ansteckungsgefahr bestehen.                 weise virushaltigem Material schnell Maßnah-
                                                            men ergriffen werden. Dies beinhaltet die Gabe
Klinik                                                      von Impfstoff und Immunglobulin.
Zu Beginn einer akuten Infektion treten unspezi-
fische Symptome wie Appetitlosigkeit, Gelenk-               Impfung und Immunität
schmerzen, Unwohlsein, Übelkeit, Erbrechen                  Die Impfempfehlungen der STIKO beinhalten
und Fieber auf. Ein Drittel der Patienten entwi-            eine Hepatitis-B-Grundimmunisierung im Säug-
ckelt im weiteren Verlauf eine akute Leberent-              lings- und Kleinkindalter und das Nachholen der
zündung mit Gelbsucht, ein Drittel der Patienten            Grundimmunisierung bis dahin noch ungeimpf-
erkrankt ohne Gelbsucht. Bei einem Drittel ver-             ter Kinder und Jugendlicher möglichst vor der
läuft die akute Infektion ohne Symptome. In                 Pubertät, spätestens aber bis zum 18. Lebens-
sehr seltenen Fällen kommt es zu schweren                   jahr. Alle zehn Jahre sollte erneut eine Auffri-
Verläufen mit akutem Leberversagen. Bei                     schung erfolgen. Nach einer ausgeheilten Hepa-
Erwachsenen heilt die Erkrankung in mehr als                titis-B-Infektion ist man lebenslang geschützt.
90 % der Fälle aus. Bei Kindern und abwehrge-
schwächten Menschen kommt es meistens                       Erregersteckbrief –
nicht zur Ausheilung. Heilt die Infektion nicht             Humanes Immunodefizienz-Virus (HIV)
aus, kommt es zu einer chronischen Hepati-
tis-B-Infektion, in deren Folge eine Leberzirr-             Erregercharakteristik
hose oder Leberzellkrebs entstehen können.                  Das Humane Immunodefizienz-Virus (HIV) ist
                                                            ein behülltes RNA-Virus, mit einer Größe von
Diagnostik                                                  etwa 100 nm und somit mit dem bloßen Auge
Es stehen Bluttests zum Nachweis von HBV-                   nicht sichtbar, jedoch mit Hilfe der Elektronen-
DNA, von Antigenen (HBs-Antigen und HBe-An-                 mikroskopie darstellbar.
tigen), sowie von Antikörpern (Antikörper gegen
HBs, HBc und HBe) zur Verfügung. Zur Beurtei-               Vorkommen und Erregerreservoir
lung der Lebererkrankungen werden Leberen-                  Einzig bekanntes Reservoir für HIV ist der
zyme sowie der Fibrose-Status der Leber                     Mensch. Weltweit sind seit Ausbruch der
bestimmt. Als erster Parameter nach einer                   Erkrankung ca. 39 Millionen Menschen in Folge
Ansteckung wird der HBV-DNA-Nachweis posi-                  der HIV-Infektion an AIDS verstorben.

                                                                                                       15
Übertragung                                       Klinik
Die HIV-Infektion ist eine sexuell übertragbare   Meist ein bis sechs Wochen nach einer HIV-In-
Krankheit, kann jedoch auch durch Blut oder       fektion können bei einem Teil der Infizierten
Blutprodukte übertragen werden. Wenn              nachfolgende Symptome auftreten: Fieber,
Samenflüssigkeit in Scheide, Darm oder Mund       Abgeschlagenheit, Lymphknotenschwellung,
aufgenommen wird, können die darin enthalte-      Hautausschlag, Muskel-, Gelenkschmerzen,
nen Viren eine Infektion verursachen. Auch        Durchfall etc. Nach ein bis zwei Wochen ver-
angetrocknete virustragende Körperflüssigkei-     schwinden diese teils schwach ausgeprägten
ten können nach Einbringen in den Körper (z. B.   Symptome. Sie werden oft sogar übersehen.
Injektion mit gebrauchter Spritze, kontami-       Das symptomfreie Stadium der HIV-Infektion
nierte Sexspielzeuge etc.) ein Infektionsrisiko   kann viele Jahre andauern. Es kann begleitet
darstellen. Neben Blut, Sperma und Vaginalse-     sein von Lymphknotenschwellungen, Haut- und
kret ist auch eine HIV-Übertragung von der        Schleimhautveränderungen oder Magen-Darm-
Mutter auf das Kind während der Geburt sowie      Beschwerden. Früher oder später entwickelt
durch die Muttermilch möglich. HIV wird nicht     sich daraus fast immer ein schwerer Immunde-
über Tröpfcheninfektion, Speichel, Tränenflüs-    fekt, bekannt als AIDS (Acquired Immune Defi-
sigkeit, durch Insektenstiche oder über Nah-      ciency Syndrom). AIDS endet unbehandelt
rungsmittel oder Trinkwasser übertragen.          immer tödlich. Harmlose Umweltkeime bzw.
                                                  die körpereigenen Mikroorganismen verursa-
Inkubationszeit                                   chen bei den Immungeschwächten schwere
Die Inkubationszeit ist mit einem Zeitraum von    Krankheitsbilder wie Lungenentzündungen,
bis zu 15 Jahren sehr variabel. Bei einem Teil    Abszesse, Entzündungen der Augen, des
der Infizierten tritt bis sechs Wochen nach der   Gehirns und Darms sowie typische Tumore
Infektion ein unspezifisches akutes Krankheits-   (z. B. Kaposi-Sarkom).
bild auf. Danach folgt ein symptomfreies oder
symptomarmes Stadium der HIV-Infektion,           Diagnostik
dass Monate bis Jahre andauern kann. Studien      Zwischen Ansteckung und Diagnose vergehen
haben gezeigt, dass bei unbehandelten Infizier-   in Deutschland durchschnittlich fünf bis sieben
ten zehn Jahre nach der Infektion etwa die        Jahre. Mit einem HIV-Test kann sechs Wochen
Hälfte mit schweren Immundefekten erkrankt        nach einem Kontakt eine HIV-Infektion mit gro-
sind.                                             ßer Sicherheit ausgeschlossen werden. Ist der
                                                  Test reaktiv, muss der Verdacht auf HIV immer
Dauer der Infektiosität                           durch weitere Testverfahren bestätigt werden,
Jeder unbehandelte Infizierte ist lebenslang      da auch falsch positive Testergebnisse vorkom-
potenziell ansteckungsfähig. Die Infektiosität    men. Kommerzielle, CE-zertifizierte HIV-Schnell-
hängt von der Anzahl der Viruspartikel („Virus-   tests sind ebenfalls erhältlich. Eine Übersicht
last“) in den Körperflüssigkeiten ab. Die Akut-   bietet die Homepage des Paul-Ehrlich-Instituts:
phase der HIV-Infektion zeichnet sich durch       https://www.pei.de/hiv-selbsttests.
eine sehr hohe Viruslast mit einhergehender       Diese bieten allerdings bei einem negativen
hoher Infektiosität aus. Danach nimmt die         Testergebnis erst zwölf Wochen nach einem
Viruslast ab, steigt aber mit zunehmendem         Kontakt eine ausreichende Ergebnissicherheit.
Immundefekt wieder an. So bleiben unbehan-
delte Infizierte lebenslang infektiös, auch im    Therapie
symptomfreien Stadium. Bei zuverlässiger Ein-     HIV ist nicht heilbar, jedoch stehen mehrere
nahme einer effizienten, medikamentösen           Medikamente, sogenannte Inhibitoren, zur Ver-
Therapie (Viruslast unter der Nachweisgrenze)     fügung, die in den Vermehrungszyklus des
sind Infizierte nicht ansteckend.                 Virus eingreifen und bei korrekter Einnahme
                                                  und Wirkung den Krankheitsverlauf und die
                                                  Ansteckungsfähigkeit verhindern.

 16
2. Sexuell übertragbare Krankheiten: Was steckt dahinter?

Im Jahr 2015 wurden die Therapieleitlinien                         zunehmen.19 Hierfür können zwei Gründe ver-
dahingehend verändert, dass eine Therapie                          antwortlich sein. Zum einen führt ein Rückgang
eingeleitet wird, sobald eine HIV-Diagnose                         orolabialer HSV-1-Infektionen im Kindesalter
gestellt wurde, unabhängig davon, ob weitere                       dazu, dass diejenigen, denen HSV-1-Antikörper
Laborparameter einen Immundefekt anzeigen.                         beim sexuellem Debüt fehlen, anfälliger für
                                                                   genitale HSV-2-Infektionen sind (fehlende
Prophylaxe                                                         Kreuzprotektivität).20 Zum anderen ist HSV-1
Das Kondom oder das Femidom sind die wich-                         bei jungen Erwachsenen zunehmend auch für
tigsten Verhütungsmaßnahmen zum Schutz                             Genitalherpes verantwortlich.21 Eine höhere
vor einer HIV-Infektion.                                           Inzidenz der HSV-2-Infektion wurde auch bei
Bei Kontakt zu infektiösen Körperflüssigkeiten                     Männern beobachtet, die Sex mit Männern
(Blut, Sperma, Vaginalsekret) HIV-infizierter                      hatten, bei denen HIV-Positive mehr als dop-
Personen steht eine Postexpositionspro-                            pelt so häufig von einer HSV-Infektion betrof-
phylaxe (PEP) zur Verfügung. Sie sollte bald-                      fen waren als HIV-Negative.22 Patienten und
möglichst, jedoch spätestens 72 Stunden nach                       Patientinnen, die wegen einer anderen sexuell
Kontakt eingenommen werden.                                        übertragbaren Krankheit einen Arzt konsultie-
Auch retrovirale Inhibitoren als Prä-Exposi-                       ren, haben auch häufiger eine HSV-2-Infektion
tions-Prophylaxe (PrEP) zur Vorsorge vor einem                     (z. B. Prostituierte oder Männer, die Sex mit
Risiko-Kontakt sind verfügbar.                                     Männern haben (MSM)).

Impfung                                                            Übertragung
Derzeit ist keine Impfung verfügbar.                               Genitalherpes wird durch oralen, vaginalen
                                                                   oder analen Sexualkontakt übertragen.
Erregersteckbrief – Genitalherpes
                                                                   Inkubationszeit
Erregercharakteristik                                              Erste Symptome können vier bis sieben Tage
Der Genitalherpes (Herpes genitalis) wird                          nach Sexualkontakt auftreten und bis zu drei
durch das Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1)                       Wochen bestehen. Danach bleiben die Viren
oder Typ 2 (HSV-2) hervorgerufen. Beide Erre-                      im Körper und können immer wieder Genital-
ger sind empfindlich gegenüber Desinfektions-                      herpes verursachen.
mitteln und Umwelteinflüssen, wie Austrock-
nung, starke Hitze oder Kälte.                                     Dauer der Infektiosität
                                                                   Die Infektiosität bleibt lebenslang bestehen.
Vorkommen und Erregerreservoir
Herpes-simplex-Viren (HSV) sind weltweit ver-                      Klinik
breitet, das Erregerreservoir ist der Mensch.                      Genitalherpes verläuft meist mild oder symp-
Das Herpesvirus ist sehr ansteckend.                               tomlos. Es können sich Bläschen oder Pusteln
Die meisten genitalen HSV-Infektionen in Bay-                      bilden, die bis zu drei Wochen bestehen. Auch
ern werden durch den Subtyp HSV-2 verur-                           Lymphknotenschwellungen, Fieber sowie
sacht, während HSV-1-Infektionen typischer-                        schmerzhafte Entzündungen im Genitalbereich
weise eher Lippen und Mund betreffen (orola-                       sind möglich.
bial) und während der Kindheit erworben                            Die Viren verbleiben lebenslang in den regiona-
werden. Studien haben gezeigt, dass genitale                       len Nervenzellen und können so immer wieder
HSV-Infektionen bei jungen Erwachsenen                             Beschwerden auslösen, z. B. bei Fieber, durch
                                                                   UV-Licht, Stress oder bei Verletzungen.

   Copen CE, et al. (2012) Prevalence and timing of oral sex with opposite-sex partners among females and males aged
19 

   15–24 years: United States, National Health Statistics Reports, No. 56.
   Bradley H. et al. (2014) Seroprevalence of herpes simplex virus types 1 and 2 — United States. J Infect Dis;
20 

   209(3):325–333.
   Roberts CM et al.(2003) Increasing proportion of herpes simplex virus type 1 as a cause of genital herpes infection in
21 

   college students. Sex Transm Dis; 30(10):797–800.
   Russell DB et al. (2001) Seroprevalence of herpes simplex virus types 1 and 2 in HIV-infected and uninfected homose-
22 

   xual men in a primary care setting. J Clin Virol. Oct;22(3):305–13.
                                                                                                                            17
Diagnostik                                         Inkubationszeit
Falls erforderlich könnten Genitalabstriche,       Die Inkubationszeit beträgt ein bis drei Wochen
Bläscheninhalt oder Blut auf den Erreger unter-    für die Erstinfektion.
sucht werden.
                                                   Dauer der Infektiosität
Therapie                                           Aufgrund asymptomatischer Verlaufsformen
Zur Therapie stehen der antivirale Wirkstoff       der Infektionen ist keine Aussage zur exakten
Aciclovir und andere antivirale Medikamente        Dauer der Ansteckungsfähigkeit möglich.
zur Verfügung. Sie dienen dazu, die Ausbrei-       Sexuelle Kontakte dürfen erst wieder nach
tung der Viren in den infizierten Hautstellen zu   Abschluss einer erfolgreichen Behandlung
verhindern. Eine vollständige Heilung der Infek-   einer genitalen Chlamydien-Infektion erfolgen.
tion ist nicht möglich, da die im Zellkern der
Nervenganglien persistierenden Viren nicht         Klinik
erreicht werden können.                            Etwa 50 % der Männer und 80 % der Frauen
                                                   haben bei urogenitalen Chlamydien-Infektio-
Prophylaxe                                         nen keine Symptome und kommen daher als
Je nach Sexualpraktik schützt der Gebrauch         unwissentliche Träger in Frage. Bei Frauen
von Kondomen, Femidomen oder Lecktüchern           kann nach der Infektion des Gebärmutter-
vor einer Übertragung.                             halses oder der Harnröhre schmerzloser eitri-
                                                   ger Ausfluss auftreten. Unter Umständen wan-
Impfung und Immunität                              dert die Infektion auch weiter und befällt auch
Derzeit ist kein Impfstoff zur Bekämpfung des      die Schleimhaut der Gebärmutter, die Eileiter
Genitalherpes verfügbar. Da es keine Heilung       und gegebenenfalls auch das Bauchfell und die
gibt, gibt es auch keine Immunität.                Leberkapsel. Wird eine solche Entzündung,
                                                   genannt PID (Pelvic Inflammatory Disease),
2.2. Bakterien als Erreger                         nicht behandelt, kann sie Verklebungen und
                                                   Vernarbungen im Bauchraum bis hin zum Funk-
Erregersteckbrief Chlamydia trachomatis            tionsverlust der Eileiter zur Folge haben mit der
                                                   Konsequenz einer erworbenen Unfruchtbar-
Erregercharakteristik                              keit. Beim Mann treten als klinische Zeichen
Bei Chlamydia trachomatis (Serotypen D-L)          Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen
handelt es sich um intrazellulär lebende Bakte-    sowie eitriger Ausfluss aus der Harnröhre auf.
rien. Die infektiöse, extrazelluläre Vermeh-       Kommt es zu einer aufsteigenden Infektion,
rungsform dient der Übertragung der Infektion.     die Prostata oder Nebenhoden betreffen, tre-
                                                   ten sehr starke Schmerzen auf. Je nach sexuel-
Vorkommen und Erregerreservoir                     ler Gewohnheit kann sich die Infektion auch in
Chlamydia trachomatis (Serotyp D-L) ist welt-      Form einer Bindehautentzündung, Rachenent-
weit verbreitet und eine der häufigsten sexuell    zündung oder Enddarmentzündung darstellen.
übertragenen Infektionen. Der Erreger kommt        Die Erkrankung kann sich auch auf die Gelenke
ausschließlich beim Menschen vor.                  ausbreiten und dort Entzündungen und
                                                   Schmerzen verursachen. Neugeborene kön-
Übertragung                                        nen sich beim Durchtritt durch den Geburtska-
Die Übertragung erfolgt durch direkten             nal mit Chlamydia trachomatis infizieren. Meist
Schleimhautkontakt, z. B. beim Geschlechts-        kommt es dann zu einer Bindehautentzündung
verkehr (oral, genital, anal) oder beim Geburts-   oder beim Verschlucken von Scheidensekret
vorgang. Chlamydien werden häufig zusam-           auch zu einer schweren Lungenentzündung.
men mit anderen sexuell übertragbaren Erre-
gern (Gonokokken, HIV, Syphilis- oder
Hepatitiserregern) übertragen.

 18
2. Sexuell übertragbare Krankheiten: Was steckt dahinter?

Diagnostik                                                  schien sie fast schon der Vergangenheit anzu-
Der Nachweis von Chlamydia trachomatis                      gehören. In den letzten Jahren war allerdings
erfolgt in der Regel aus Urin- oder Abstrichpro-            wieder eine Zunahme der Erkrankungszahlen
ben.                                                        zu beobachten. Einziges Erregerreservoir ist
                                                            der Mensch. Da Syphilis-Geschwüre an Penis,
Therapie                                                    Vagina, After oder Mund die Übertragung einer
Eine spezifische Antibiotikatherapie ist verfüg-            HIV-Infektion begünstigen, liegt nicht selten
bar. Auch Sexualpartnerinnen und -partner (alle             eine Syphilis Ko-Infektion bei HIV-infizierten
innerhalb der letzten 60 Tage) sollten zur Ver-             Patientinnen und Patienten vor (80 % der
meidung eines „Ping-Pong-Effekts“, d. h. einer              HIV-Infizierten haben Antikörper gegen Syphili-
erneuten Infektion der Partnerin oder des Part-             serreger, 15 % der Syphilispatienten haben
ners oder einer Weiterverbreitung immer mit-                gleichzeitig HIV). Eine gleichzeitige Syphilis
behandelt werden.                                           kann den Verlauf der HIV-Infektion ungünstig
                                                            beeinflussen.
Prophylaxe und Screening
Kondome oder Femidome schützen vor einer                    Übertragung
Übertragung.                                                Der Erreger wird am häufigsten durch sexuelle
In Deutschland haben alle gesetzlich kranken-               Kontakte übertragen. Mikroverletzungen der
versicherten Frauen bis zum abgeschlossenen                 Schleimhaut und Haut sind als Eintrittspforten
25. Lebensjahr einmal pro Jahr Anspruch auf                 ausreichend. Geschlechtsverkehr mit einem
eine Urin-Screeninguntersuchung auf Chlamy-                 infizierten Sexualpartner führt in einem Drittel
dien. Die Screeninguntersuchung kann auch im                der Fälle zu einer Infektion. Während einer
Rahmen der Mutterschaftsvorsorge, der Emp-                  Schwangerschaft kann eine infizierte Schwan-
fängnisregelung oder im Rahmen eines                        gere die Syphilis-Infektion auf ihr ungeborenes
Schwangerschaftsabbruchs durchgeführt wer-                  Kind übertragen. Seltene Ereignisse sind Über-
den. Infizierte Schwangere sollten vor der Ent-             tragungen der Infektion durch kontaminierte
bindung behandelt werden.                                   Nadeln oder Gegenstände. Syphilis wird häufig
                                                            zusammen mit anderen Erregern sexuell über-
Impfung und Immunität                                       tragbarer Infektionen (HIV, Gonokokken,
Eine verlässliche Immunität ist aufgrund der                Chlamydien, Hepatitis) weitergegeben.
Vielzahl von Serotypen nicht erreichbar. Auch
nach einer ausgeheilten Infektion ist eine                  Inkubationszeit
Neuinfektion möglich. Eine wirksame Impfung                 Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich
gegen Chlamydia trachomatis ist nicht verfüg-               14–24 Tage und ist abhängig von der Menge
bar.                                                        der übertragenen Erreger.

Erregersteckbrief Syphiliserreger                           Dauer der Infektiosität
(Treponema pallidum)                                        Hochinfektiös sind die Patienten im Stadium
                                                            der Primärsyphilis, infektiös im Stadium der
Erregercharakteristik                                       Sekundärsyphilis. Im Stadium der Tertiärsyphi-
Treponema pallidum ssp. pallidum ist ein sexu-              lis besteht trotz schwerwiegender klinischer
ell übertragbares Bakterium, das die Erkran-                Krankheitssymptome keine Infektiosität mehr.
kung Syphilis (Lues) verursacht.                            Auch bei Kindern mit unbehandelter, bei der
                                                            Geburt übertragener Syphilis im Frühstadium
Vorkommen und Erregerreservoir                              besteht Ansteckungsgefahr.
Bis zur Entdeckung des Penicillins war die
Syphilis sehr verbreitet. Durch die Möglichkeit             Klinik
der medikamentösen Behandlung, nahm die                     Nur bei etwa der Hälfte der Infizierten findet
Infektion sehr stark ab. In den 1990er-Jahren               man klinische Symptome. Bei den symptoma-

                                                                                                       19
tisch Betroffenen finden sich etwa drei Wochen        Impfung und Immunität
nach der Infektion schmerzlose Geschwüre an           Eine ausgeheilte Syphilis hinterlässt keine
Scheide, Penis, After oder im Mund, die wie-          Immunität. Eine wirksame Impfung gegen
der verschwinden (Primärsyphilis). Bei einem          Syphilis ist nicht verfügbar.
Teil der Betroffenen treten nach etwa zwei
Monaten Fieber und Hautausschläge auf                 Erregersteckbrief Gonokokken
(Sekundärsyphilis); im Spätstadium sind unbe-         (Neisseria gonorrhoeae)
handelt lebensbedrohliche Schäden an Gehirn
und Nerven, Blutgefäßen und Skelett möglich           Erregercharakteristik
(Tertiärsyphilis).                                    Bei Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken) han-
                                                      delt es sich um sexuell übertragbare Bakterien,
Diagnostik                                            die die Gonorrhö (umgangssprachlich „Trip-
Die Diagnostik der Syphilis erfolgt neben einer       per“) verursachen.
klinischen Untersuchung in der Regel aus dem
Blut über Antikörpernachweise. Nach dem               Vorkommen und Erregerreservoir
Infektionsschutzgesetz (IfSG) besteht eine            Hauptsächlich sind junge Menschen zwischen
nicht-namentliche Meldepflicht für Neuinfekti-        15- und 25 Jahren, darunter vor allem Männer,
onen mit Syphilis.                                    die Sex mit Männern haben, betroffen. In
                                                      Deutschland besteht seit 2001 keine Melde-
Therapie                                              pflicht mehr, sodass die Dunkelziffer vermut-
Eine wirksame Antibiotikatherapie ist verfüg-         lich hoch ist. Rund 50 % der Frauen und etwa
bar. Durch den raschen Erregerzerfall im Rah-         10 % der Männer mit urogenitaler Gonorrhö
men der Therapie kann es zu einer toxischen,          haben keine Beschwerden und kommen daher
systemischen Reaktion mit Schüttelfrost, Fie-         als unwissentliche Überträger in Frage. Auch
ber und Kopfschmerzen kommen, die behan-              eine symptomlose Erregerbesiedlung des
delbar ist. Bei diagnostizierter Syphilis-Infek-      Rachens und Enddarms sind wichtige Faktoren
tion sollten alle in Frage kommenden Sexual-          bei der Weiterverbreitung der Gonorrhö.
partnerinnen und Sexualpartner mitberaten,
untersucht und gegebenenfalls behandelt wer-          Übertragung
den (bei primärer Syphilis: alle der letzten drei     Die Übertragung erfolgt ausschließlich durch
Monate; im Falle von sekundärer oder latenter         direkten Schleimhautkontakt, z. B. beim
Frühsyphilis: alle der letzten ein bis zwei Jahre).   Geschlechtsverkehr (oral, genital, anal) oder
                                                      beim Geburtsvorgang. Gonokokken besiedeln
Prophylaxe                                            die Zellen der weiblichen und männlichen Harn-
Kondome oder Femidome können eine Über-               röhre, des Gebärmutterhalses, des Enddarms
tragung verhindern. Zu beachten ist, dass bei         und der Bindehaut. Gonokokken werden häu-
bestehendem Syphilis-Geschwür im Mundbe-              fig zusammen mit anderen sexuell übertragba-
reich eine Übertragung auch durch oralen Kon-         ren Erregern (Chlamydien, Syphilis, HIV, Hepa-
takt wie z. B. beim Küssen oder oraler Genital-       titis) übertragen.
stimulation möglich ist. Für homosexuelle             Für Neugeborene spielt die schwere Gonokok-
Männer mit häufig wechselnden Partnern wer-           ken-Bindehautentzündung durch eine Infektion
den regelmäßige Screening-Untersuchungen              über den Geburtskanal eine wichtige Rolle.
empfohlen. Bei diagnostizierter Syphilis-Infek-
tion sollten alle in Frage kommenden Sexual-          Inkubationszeit
partner untersucht und gegebenenfalls behan-          Die Inkubationszeit beträgt einen bis 14 Tage.
delt werden. Das Screening auf Syphilis ist ein
fester Bestandteil in der Schwangerenvorsorge         Dauer der Infektiosität
in Deutschland. Infizierte Schwangere sollten         Solange eine (symptomatische oder asympto-
vor der Entbindung behandelt werden.                  matische) Infektion besteht, gilt der Erkrankte

 20
2. Sexuell übertragbare Krankheiten: Was steckt dahinter?

als ansteckungsfähig. Bei Infektion sollten                 dome) schützen vor einer Übertragung. Zu
Sexualkontakte daher bis zum Therapieende                   beachten ist, dass bei bestehender Rachen-Go-
ausbleiben. Die Gonorrhö ist sehr infektiös, bei            norrhö eine Übertragung auch durch oralen Kon-
fünf ungeschützten sexuellen Kontakten                      takt (oral – oral und oral – genital) möglich ist.
kommt es zu mindestens einer Infektion.                     Infizierte Schwangere sollten vor der Entbindung
                                                            behandelt und geheilt werden. Eine Untersu-
Klinik                                                      chung auf Gonokokken ist bislang aber kein fes-
Beim Mann kommt es in bis zu 90 % der Fälle                 ter Bestandteil der Schwangerenvorsorge.
zu einer Harnröhrenentzündung (Urethritis) mit
Juckreiz, eitrigem Ausfluss und Schmerzen                   Impfung und Immunität
beim Wasserlassen. Bei aufsteigender                        Die Gonorrhö hinterlässt keine Immunität, so
Gonorrhö kann eine Prostata- oder Nebenho-                  dass man mehrfach an einer Gonorrhö erkran-
denentzündung folgen. Bei Frauen sind Mut-                  ken kann. Eine wirksame Impfung gegen
termund und Gebärmutterhals die häufigsten                  Gonokokken ist nicht verfügbar.
Infektionsorte. Gelbrahmiger eitriger Ausfluss,
Schmerzen beim Wasserlassen und Zwischen-                   2.3. Erkrankungen durch
blutungen können auftreten. Die aufsteigende                Parasiten
Gonokokken-Erkrankung der Frau kann u. a. zu
Eileiterentzündung, chronischer Unterleibsent-              Erregersteckbrief Trichomonas vaginalis
zündung und langfristigen Folgen wie Unfrucht-
barkeit, Bauchhöhlenschwangerschaft und                     Erregercharakteristik
chronischen Unterleibsschmerzen durch Ver-                  Trichomonas vaginalis gehört zu den Parasiten.
klebungen im Bauchraum führen. Die schwere                  Es handelt sich um einen Einzeller (Protozoon)
und lebensbedrohliche, sogenannte dissemi-                  mit Geißeln zur Fortbewegung, der beim Men-
nierte (gestreute) Gonokokkeninfektion mit                  schen vor allem die Trichomoniasis (Scheiden-
Hautblutungen und Erregerstreuung über die                  entzündung), auch Trichomonadenkolpitis
Blutbahn ist eine seltene Komplikation.                     genannt, bei der Frau und eine symptomarme
                                                            Harnröhrenentzündungen bei beiden Ge-
Diagnostik                                                  schlechtern hervorrufen kann.
Der Erreger wird mittels mikroskopischer,
molekularbiologischer und kultureller Verfah-               Vorkommen und Erregerreservoir
ren mit Antibiotikaresistenztestung aus gynä-               Trichomonas vaginalis ist weltweit verbreitet.
kologischen und urologischen Abstrichen                     Nach Schätzungen der WHO sind Trichomona-
nachgewiesen. Gonokokken und Chlamydien                     den für fast die Hälfte aller behandelbaren
können parallel in Urin und Abstrichproben                  sexuell übertragbaren Erkrankungen verant-
getestet werden.                                            wortlich. Häufig liegt parallel eine Infektion mit
                                                            anderen sexuell übertragbaren Erregern wie
Therapie                                                    Gonokokken oder Chlamydien vor. Die Erkran-
Eine spezifische Antibiotikatherapie ist verfüg-            kung ist in Deutschland nicht meldepflichtig.
bar. Die Kombination verschiedener Wirkstoffe               Erregerreservoir ist ausschließlich der Mensch.
ist wegen zunehmender Antibiotikaresisten-
zen, insbesondere bei im asiatischen Raum                   Übertragung
erworbenen Infektionen notwendig. Wie bei                   Es ist davon auszugehen, dass Infektionen fast
allen sexuell übertragbaren Erkrankungen müs-               ausschließlich durch sexuelle Kontakte
sen die Sexualpartner mitbehandelt werden, um               zustande kommen. Die Erreger können aber
einem „Ping-Pong-Effekt“ vorzubeugen.                       auch außerhalb des Schleimhautmilieus in feuch-
                                                            ter Umgebung kurzfristig überleben. Da die
Prophylaxe                                                  Mehrzahl der Infizierten keine Symptome zeigt,
Schutzmaßnahmen (z. B. Kondome oder Femi-                   erfolgt die Übertragung häufig unwissentlich.

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