Digitalisierungsbericht - AUDIO - Sächsische ...
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Impressum Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Herausgeber die medienanstalten – ALM GbR Friedrichstraße 60 10117 Berlin Tel: + 49 30 206 46 90 - 0 Fax: + 49 30 206 46 90 - 99 E-Mail: INFO@die-medienanstalten.de Website: https://www.die-medienanstalten.de Verantwortlich Cornelia Holsten – Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten Thomas Fuchs – Koordinator des Fachausschusses Netze, Technik, Konvergenz der ZAK/DLM Redaktion Aylin Ünal, Dr. Simon Berghofer, Gemeinsame Geschäftsstelle der Medienanstalten Lektorat Aylin Ünal, Berlin Copyright © 2019 by die medienanstalten – ALM GbR Stand: September 2019 Alle Rechte vorbehalten ISBN: 978-3-9819728-8-7 Design, Bildkonzept, Illustrationen und Satz Rosendahl x Borngräber UG Website: www.rosendahl-berlin.de Bildnachweis: Illustrationen: © Rosendahl x Borngräber UG, Daniela Sattler Druck Druckcenter Berlin GmbH Der Digitalisierungsbericht wird klimaneutral und nach FSC Standards gedruckt.
Vorwort Thomas Fuchs Koordinator des Fachausschusses Netze, Technik, Konvergenz der Medienanstalten Als die Medienanstalten letztes Jahr entschieden, z ugenommen. Welche weiteren Einsichten uns den Digitalisierungsbericht Audio erstmals eigen- die Erhebung durch das Forschungsinstitut Kan- ständig und unabhängig vom Digitalisierungs tar in diesem Jahr noch beschert, zeigt Dr. Simon bericht Video zu veröffentlichen, wollten wir damit Berghofer in seinem Beitrag. dem Bereich Audio eine größere Sichtbarkeit ein- räumen. Die Fülle an Debatten und Forschungser- Weitet man den Blick von der Radiowelt auf sämt- kenntnissen hat uns darin bestätigt, dass dies der liche Audioangebote aus, wird die Landschaft noch Breite des Themas angemessen ist. Mit der vorlie- vielfältiger. Wir sehen zum Beispiel, dass der Besitz genden Publikation wollen die Medienanstalten von Smart Speakern grundsätzlich die gesamte Au- einen Beitrag dazu leisten, den Audiomarkt bes- dionutzung steigert. Wer Audioangebote nutzt, ser kennenzulernen und auf langfristige Trends insbesondere Podcasts, ist außerdem häufig in Be- ebenso wie auf aktuelle Phänomene aufmerksam wegung, entweder beim Sport, zuhause, im Auto zu machen. oder im Flugzeug. Das bedeutet jedoch nicht, dass Podcasts ein „Nebenbeimedium“ wären, ganz im Wir beobachten unter anderem, dass die An- Gegenteil: Längst sind professionelle Abonnement- zahl an Smart Speakern sehr stark anwächst und funktionen im Einsatz, um den Lieblingsformaten Smartphones die Webradionutzung dominieren. zu folgen. Die Podcast-Primetime ist übrigens am Inzwischen verfügt weit mehr als die Hälfte der Abend. Dies zeigen die Ergebnisse des diesjährigen Bevölkerung über eine digitale Radioempfangs- Online-Audio-Monitors (OAM), die von Regina Deck möglichkeit oder nutzt Webradio. Außerdem ent- und Dr. Kristian Kunow vorgestellt werden. Es ist puppt sich DAB+ als Wachstumstreiber für den nun das zweite Mal in Folge, dass die Forschung digitalen Radioempfang, was die Haushaltsaus- des Online-Audio-Monitors in diesem Rahmen prä- stattung und insbesondere die Ausstattung in Neu- sentiert werden kann. Der OAM hatte den Webra- wagen betrifft – im Vergleich zum Vorjahr haben diomonitor abgelöst und beleuchtet die Nutzung die Haushalte mit DAB+ geradezu sprunghaft von Online-Audioangeboten in Deutschland. 4
Die Audiobranche boomt und Radio findet inzwi- Über welchen Übertragungsweg diese Geschich- schen auf mehreren Plattformen gleichzeitig statt, ten und die anderen Inhalte in die Haushalte stellt auch Christian Schalt in seinem Beitrag fest. gelangen, ist ebenfalls spannend zu beobachten. Die Anbieter stehen dabei vor der Herausforde- Warum R adioanbieter sich nicht auf einen Weg rung, sich innerhalb des eigenen Ökosystems bei verlassen, sondern einen vielfältigen Mix nut- der Hörerschaft möglichst gut zu profilieren, wenn zen sollten, erläutert Siegfried Schneider. Seiner sie Teil dieses dynamischen Wachstums sein wol- Ansicht nach zeichnet sich eine gesunde, digitale len. Seiner Meinung nach kann dies gelingen, wenn Audiolandschaft durch eine Mischung aus dem die Radiomacher die Chance nutzen, ihre Inhalte terrestrischem Digitalradio DAB+, dem klassischen zielgerichtet an die jeweiligen Nutzungssituatio- UKW sowie über IP-Streaming und Internetplatt- nen anzupassen und dadurch im Alltag vieler Nut- formen aus. Er ist davon überzeugt, dass sich die zerinnen und Nutzer eine wichtige Rolle zu spielen. positive Entwicklung von DAB+ auch in Europa fortsetzen wird. So werden Podcasts auch im täglichen Leben immer beliebter und die Landschaft dieser Ange- Welche Technik und welche Formate sich künftig bote stellt sich täglich vielfälter dar. Was hinter durchsetzen mögen – für die Medienanstalten dem Erfolg von Podcasts steckt, wie sich unsere bleibt es eine wichtige Aufgabe, den Markt zu Nutzung verändert und welche Auswirkungen beobachten und die Forschungsergebnisse zu dies etwa auf inhaltliche Formate, Empfehlungen veröffentlichen. Wir unterstützen die Vielfalt an und Werbung hat, beschreibt Cornelia Holsten in Inhalten, Anbietern und Übertragungswegen der ihrem Beitrag. Sie plädiert für Mindeststandards Audiolandschaft und wollen dazu beitragen, den bei Transparenz und Auffindbarkeit von Angebo- unterschiedlichen Klängen darin ausreichend ten und appelliert an alle Radiomacher, weiterhin Gehör zu verschaffen. spannende Geschichten zu erzählen. 5
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Inhalt Hauptsache Reichweite? 9 Radio in der Plattformökonomie Christian Schalt Faszination Podcast 19 Weil mir deine Stimme so gut tut Cornelia Holsten Die Mischung macht’s 29 UKW, DAB+, Online-Audio Siegfried Schneider Daten & Fakten zur Digitalisierung in Deutschland Stand und Entwicklung der Digitalisierung des Hörfunks in Deutschland 36 Dr. Simon Berghofer Methodik 48 Webradio, Musikstreaming, Podcast und Smart Speaker – 50 Die Vermessung von Audio-Neuland Ergebnisse des Online-Audio-Monitors 2019 Regina Deck / Dr. Kristian Kunow Die Aufgaben der Landesmedienanstalten im Hörfunk 67 Autoren 69 7
Hauptsache Reichweite? Radio in der Plattformökonomie Christian Schalt Radio hat sich in den letzten Jahren zu einem Der digitale Audioboom führt in vielen Fällen sogar Multi-Plattform-Medium entwickelt. Waren noch zu einer gesteigerten Nutzung der Radiosender. vor w enigen Jahren die Übertragung über UKW So geben in der Studie „Spot on Voice“ 95 % der und der Empfang über stationäre Radiogeräte der befragten Besitzerinnen und Besitzer von Smart Normalfall, haben sich Distribution und Konsum Speakern wie Amazon Echo an, gleich viel oder von Radioinhalten diversifiziert – Radio wird neben häufiger Radio zu hören als zuvor. UKW-Geräten über Webseiten und Apps übertra- gen, über Smart Speaker gestreamt und in der Gerä- Damit einhergehend gibt es eine immer g rößer tesoftware vieler Entertainment-Systeme verbreitet. werdende Zahl an Radioangeboten – von Das Ökosystem Radio erlebt tektonische Verschie- terrestrisch verbreiteten Sendern über Web bungen – mit großen Chancen, aber auch großen radios bis hin zu Musikchannels aller Art. Allein Herausforderungen. die B eteiligungssender von RTL Radio Deutschland verbreiten mittlerweile eine dreistellige Anzahl Radio ist aus dem Alltag der meisten Deutschen unterschiedlicher Radioangebote – vom Vollpro- nicht wegzudenken. Nach wie vor nutzen vier von gramm bis hin zu musikalischen Spartenkanälen fünf Deutschen jeden Tag eines der in Deutschland wie dem Weihnachtsradio, dem Chilloutsender lizenzierten Radioprogramme, die tägliche Nut- „the wave“ oder dem Fußball-Talk-Channel mit zungszeit liegt mit 249 Minuten pro Tag auf einem dem Sportreporter Wolf Fuss. hohen Niveau. Der Hörfunk erlebt – im Gegensatz zu seinen Massenmediengeschwistern Zeitung Die Attraktivität von Radio lässt sich auch daran und Fernsehen – keinen abrupten Nutzungsabriss, ablesen, dass die großen Digitalfirmen Google, sondern hält die Reichweiten in der Gesamtbevöl- Apple, Facebook und Amazon (oft „GAFA“ genannt) kerung auf stabilem Niveau und sieht allenfalls in auf Radioinhalte als Plattformcontent oder als den jüngeren Zielgruppen ein leichtes Abschmel- Marketingtool setzen: Apple mit „Beats 1“, Google zen von Reichweite und täglicher Nutzung. 9
Hauptsache Reichweite? Abb. 1 Anzahl der Radios in US-Haushalten 2018 29 60 11 2008 4 65 31 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Keines 1 bis 3 Mehr als 4 Quelle: The Infinite Dial 2018; Bevölkerung 12+ Jahren mit „Free Radio“, Amazon mit den Radioplaylists auf Immer mehr Mediennutzungsgeräte in Amazon Music und Spotify mit dem kuratierten Mix deutschen Haushalten aus Musik und Wort „your daily drive“. Im Zuge der Digitalisierung lässt sich auch in Deutschland beobachten, dass in den Haushalten Trotz der hohen Nutzung von Radio über analoge eine zunehmend größere Zahl an Mediennutzungs- und digitale Verbreitungswege lässt sich in vielen geräten vorhanden ist – neben den klassischen Ge- Hörfunkmärkten beobachten, dass die Zahl der räten Fernseher und Radio vor allem Smartphones stationären Radiogeräte, also der „echten“ Radio- jeglicher Art, stationäre Computer, Laptops, Tablets, geräte, zurückgeht. Zwar werden in Deutschland Spielekonsolen, Smart Speaker und vieles mehr. noch jedes Jahr knapp 10 Millionen UKW-Geräte verkauft, doch gerade in den jungen Zielgruppen Viele dieser Geräte ermöglichen Anwendungen, gehört das UKW-Radio nicht mehr zur Haushalts- die als Konkurrent oder Substitut dem Radio im grundausstattung. Medienmix Nutzungszeit abnehmen. Sie führen aber auch dazu, dass Radioprogramme über die un- Gerade in den mobilen Zielgruppen im Alter zwi- terschiedlichsten Geräte empfangen werden und schen 18 und 34 Jahren ist seit einigen Jahren ein eine neue Hörerschaft erschließen – über Smart- Rückgang des Gerätebesitzes zu konstatieren. In phone-Apps, Smart Speaker, Bluetooth-Kopfhörer den USA, wo dieser Trend seit Jahren in der Studie oder Smart Watches. Einige Sender mit einer jün- „Infinite Dial“ gemessen wird, hat im Jahr 2017 in geren Zielgruppe verbreiten ihre Programme sogar dieser Altersgruppe zum ersten Mal die Mehrheit über Spielekonsolen. überhaupt kein Radiogerät im eigenen Besitz. Da die Radionutzung in dieser Altersgruppe auch in Aus Sicht der Radiosender verlangt diese Diversifi- den USA allerdings nach wie vor signifikant hoch ist, zierung des Gerätemarktes nach einer zunehmend liegt der Schluss nahe, dass die Radionutzung zu- plattformübergreifenden Distributionskonzeption. nehmend über andere Geräte und Plattformen er- Wer wie bisher eine hohe Reichweite erzielen und folgt, in vielen Fällen über das zentrale Mediennut- mit seinen Inhalten möglichst viele Menschen errei- zungsgerät der Digitalisierung – das Smartphone. chen will, muss seine Radioprogramme auch über 10
Hauptsache Reichweite? „fremde“ Plattformen verbreiten – mit dem Vorteil, Für die Radiosender bedeutet dies zu überlegen, eine große Reichweite zu erzielen, aber auch mit wie der Anteil des eigenen Ökosystems bei der dem Nachteil, in vielen Fällen die Kontrolle über Distribution möglichst hoch zu halten ist und den eigenen Content zu verlieren. Dies hat Folgen gleichzeitig möglichst viele Hörerinnen und Hörer für Auffindbarkeit und Sichtbarkeit des Contents auch auf anderen Plattformen zu erreichen sind. auf den Plattformen sowie für den Zugriff auf Nut- zungs- und Nutzerdaten. Radio verfolgt eine dezentrale Als Folge der plattformübergreifenden Distribu- Plattformstrategie tion liegt der Anteil des eigenen Ökosystems bei Diese Crossplattformkonzeption gewinnt zuneh- den meisten massenattraktiven Radioprogrammen mend an Bedeutung im redaktionellen Alltag und bei einem Wert um die 30 Prozent, d. h. 70 Prozent betrifft sowohl kleinere Nischenradios als auch die der Verbreitung findet über „fremde“ Plattformen großen Anbieter: statt – über Amazon-Echo-Smart-Speaker, über WLAN-Radios, über Entertainment-Systeme und In Großbritannien fand zu Beginn des Jahres über Aggregatoren. ein spektakulärer Personalwechsel statt. Der Morgenmoderator Chris Evans von BBC Radio 2, Bei jüngeren Sendern oder bei Musiksparten dem mit Abstand erfolgreichsten Radiosender auf sendern liegt der Anteil des eigenen Ökosystems der Insel, wechselte zu Virgin Radio, einem Sen- oft etwas höher und kann bis zu 50 Prozent der, der in England ausschließlich über digitale ausmachen. Wege zu hören ist. Dazu zählen in Großbritannien vor a llem die Verbreitung über DAB+ und online. Um als populärer Moderator möglichst viele Hö- rerinnen und Hörer zu erreichen, wurde die Sen- dung von Anfang an als plattformübergreifendes Abb. 2 Eigenes Ökosystem/fremdes Ökosystem RTL Radio Deutschland 2019 31 69 2018 33 67 2017 34 66 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Eigenes Ökosystem* Aggregatoren** Quelle: RTL Radio Deutschland; Sessions (ab 60 Sek.) via StreamABC / * Summe aus 104.6 RTL, 105’5 Spreeradio, JAM FM & The wave / ** Summe aller Aggregatoren inkl. Alexa 11
Hauptsache Reichweite? ngebot konzipiert: Der Kern der Sendung findet A Radioinhalte passen sich der jeweiligen über den Simulcast des Senders statt. Dazu kom- Nutzung an men als weitere Verbreitungswege Smart Speaker, Viele Radiosender beantworten diese Frage vor Fernsehen (über Sky), Dashboard-Systeme im Auto allem mit zusätzlichen Angeboten und Features sowie ein Podcast mit einer Zusammenfassung der auf den eigenen Plattformen. Dazu gehören Sendung. Dieser soll die Leute erreichen, denen exklusive Inhalte, technische Funktionen und vor die Zeit fehlt um die ganze Sendung zu hören und allem die zunehmende Anpassung des Radiopro- die dies am Wochenende in komprimierter Form gramms an die Bedürfnisse der jeweiligen Nut- nachholen wollen. zerinnen und Nutzer – die Individualisierung des Radioprogramms. In vielen Fällen ist die Individu- alisierung erst einmal die Anpassung des Contents Abb. 3 an die Bedürfnisse unterschiedlicher Teilgruppen der eigenen Hörerschaft. Zur „echten“ Individu- Crossmediakonzeption bei Virgin Radio alisierung fehlen noch Daten (weil die meisten Hörerinnen und Hörer ihr Radioprogramm anonym hören), technische Ausspielmöglichkeiten (weil über die meisten Distributionswege „Broadcast“ betrieben wird und nicht die individualisierte Aus- lieferung) und in Teilen auch die musiklizenzrecht- liche Grundlage. Ein Beispiel für diese Anpassung an unterschied- liche Bedürfnisse der eigenen Hörerschaft ist das Angebot „Arno Hoch 3“ von 104.6 RTL in Berlin. Arno Müller, der Morgenmoderator und Programmdirek- tor des Senders, moderiert die Sendung „Arno & die Morgencrew“ seit Sendestart im Jahr 1991 und hat seither eine große Hörerschaft aufgebaut, die die Sendung vor allem wegen seiner Person hö- Quelle: Virgin Radio; eigene Darstellung ren. Diese große Hörerschaft hat aber gerade im musikalischen Bereich durchaus unterschiedliche Geschmäcker, finden sich doch unter den Hörerin- Wie entkommen also Radiosender dem Dilemma, nen und Hörern Menschen im Alter von Anfang entweder eine hohe Reichweite auf fremden Platt- 20 bis hin zu 60-Jährigen. Daher hat der Sender formen zu erzielen oder eine geringere auf den ei- im Herbst 2018 ein neues Angebot eingeführt, das genen? genau auf diese differenzierten Interessen und Geschmäcker eingeht: Die Sendung „Arno & die Morgencrew“ gibt es seither in drei verschiede- nen Varianten: als „normale“ UKW-Version, in einer Variante mit nur neuer Musik und in einer Variante 12
Hauptsache Reichweite? mit älterer M usik. In allen drei Fällen ist der Mode- Die Konfiguration der Inhalte entsteht auf Grund- rationsinhalt der gleiche, die Musik ist hingegen lage der Messung dieser Dimensionen. Gerade jeweils unterschiedlich. hierfür ist es wichtig, dass die Hörfunknutzung im eigenen Ökosystem stattfindet, weil nur hier So können Hörerinnen und Hörer der Morning- der nötige Direktkontakt zu den Hörerinnen und show entscheiden, in welcher musikalischen Aus- Hörern besteht, so dass auch die entsprechenden prägung sie die Sendung hören wollen. Nutzungsdaten generiert und ausgewertet wer- den können. Das Ziel der Radiosender ist also die Inhalte zu- nehmend an die jeweiligen Bedürfnisse der Nut- Bei der Verbreitung auf Fremdplattformen ist der zerinnen und Nutzer anzupassen. Diese können oft Zugang zu diesen Daten deutlich schwieriger, zum deckungsgleich sein und mit dem unveränderten einen weil die Daten technisch nicht sinnvoll erho- Liveprogramm bedient werden, in einigen Fällen ben werden können (z. B. WLAN-Radios), zum an- unterscheiden sich die Bedürfnisse aber auch. Aus deren weil der jeweilige Plattformanbieter diese Sicht der Radioanbieter ist es daher zuerst wichtig, Daten für sich behält und nicht mit dem jeweiligen diese Wünsche und Anforderungen der Nutzerin- Publisher teilt (z. B. Amazon, Spotify). In diesen Fäl- nen und Nutzer zu kennen, um in weiterer Folge len wird oftmals versucht, die Nutzung rechnerisch darauf aufbauend passende Programminhalte zu mit Profildaten anzureichern, beispielsweise durch (re)konfigurieren und zielgerichtet an die jeweilige Vergleiche mit anderen Datenquellen, auf Grund- Person auszuspielen. lage des Nutzungsgerätes oder durch den Abgleich mit möglichen anderen Geräten der Nutzenden. Der Content wird durch vier Dimensionen Oft sind diese angereicherten Daten von relativ beeinflusst guter Qualität, so dass auch auf sinnvolle Weise Die Bedürfnisse der Hörerinnen und Hörer in Bezug Contentanalyse und Vermarktung betrieben wer- auf den Content werden beeinflusst durch vier den können. Tiefergehende Analysen sowie das Dimensionen: individualisierte Ausspielen von Inhalten oder Werbung ist damit jedoch nur sehr eingeschränkt • D ie Person des Nutzenden mit ihren Eigen- möglich, so dass die Radiosender zunehmend ver- schaften (z. B. Wohnort, Alter, Geschlecht) und suchen, die Nutzerinnen und Nutzer mit entspre- Interessen (z. B. Fußball, Musik, Nachrichten) chenden Angeboten in ihr Ökosystem zu ziehen und • Die Nutzungssituation (z. B. beim Frühstück, sie dort idealerweise auch zu einer Registrierung zu beim Sport, auf dem Weg zur Arbeit) bewegen, um somit primäre Daten über Nutzer und • Das Nutzungsgerät (z. B. Smartphone, Smart Verhalten zu erlangen („First Party Data“). Speaker, Autoradio) • Der Nutzungshistorie (z. B. Lieblingspodcasts, Das Bewegen der Nutzerinnen und Nutzer in favorisierte Songs, gehörte Webradios) das eigene Ökosystem erfolgt über sogenannte „Triggerpoints“, also Punkte, an denen ein Nutzer für sich einen Vorteil sieht, sich beim jeweiligen Anbieter auch zu registrieren. 13
Hauptsache Reichweite? In vielen Fällen sind die stärksten Triggerpoints Auch in der Werbevermarktung spielt die zuneh- Gewinnspiele der Sender, es können aber auch mend individualisierte Ausspielung von Inhalten Zusatzfunktionalitäten sein, die es dem Nutzer er- eine immer größere Rolle. Durch die Digitalisierung möglichen, den Sendercontent zu personalisieren. der Übertragungswege verschiebt sich die Werbe- vermarktung von einer reinen Kontakt-Betrachtung (wie viele Kontakte erreicht meine Werbung?) zu Der Rückkanal gewinnt an Bedeutung einem Fokus auf die Qualitäten der mit der Wer- Ein Beispiel hierfür ist die „Swop“-Technologie, bung erreichten Personen. Dadurch, dass bei der die RTL Radio Deutschland bei einigen Sendern in digitalen Radionutzung ein Rückkanal nutzbar Deutschland einsetzt. Hierbei können Nutzerin- ist, werden Kennzahlen wichtig, wie etwa der nen und Nutzer der Senderapp aktiv in das Live- Nachweis der Auslieferung, die Zahl der tatsäch- programm eingreifen und es auf individueller lich erreichten Personen, das Profil der erreichten Ebene verändern: Sie „swoppen“ einen Song, d. h. Personen und in manchen Fällen auch eine durch sie schalten um auf einen anderen, für sie bes- die Werbung initiierte Zahl an Transaktionen im seren Song – bis zu vier Mal. Danach oder wenn Anschluss an die Ausstrahlung der Werbung. der jeweilige Song zu Ende ist, werden sie wieder mit dem Liveprogramm synchronisiert, so dass sie keine wichtigen Inhalte des Liveprogramms Ein starkes eigenes Ökosystem verpassen. Diese Form von technischen Zusatz ist wichtig – für die Inhalteerstellung funktionalitäten ist gerade für jüngere Hörerin- und für die Wertschöpfung nen und Hörer attraktiv und kann dazu führen, Ein Teil dieser Kennzahlen kann nur im eigenen dass sich die Nutzungszeit des Programms verlän- Ökosystem der Radiosender verlässlich erhoben gert. Vor allem aber bekommt der Sender präzise werden, so dass auch aus Sicht der Werbevermark- Nutzungsinformationen in Echtzeit und kann mit tung ein möglichst hoher Anteil der Hörerinnen diesen Daten entsprechend in der Programmge- und Hörer über sendereigene Plattformen erfol- staltung agieren. gen sollte. In der weiteren Ausbaustufe werden diese Daten Das Ziel ist dabei, innerhalb des eigenen Öko auch auf individueller Ebene zur Programmopti- systems eine möglichst gute Profilierung der mierung verwendet, so dass z. B. ein Nutzer, der Hörerschaft zu ermitteln: Dabei wird im Idealfall einen Song mehrfach „geswoppt“ hat, diesen in schon zu Beginn des Einschaltens die Nutzerin oder Zukunft nicht mehr angeboten bekommt. Nach der Nutzer erkannt, weil sie beispielsweise Stamm- diesem auf Nutzungsdaten basierenden, algorith- hörer sind, sich zu einem früheren Zeitpunkt schon misch ausgespielten Prinzip beruhen mittlerwei- beim Radiosender registriert haben und zum Zeit- le viele digitale Audioanwendungen, so zum Bei- punkt der Nutzung eingeloggt sind. In diesem Fall spiel das individualisierte Newsradio von NPR, das verfügt der Sender meist schon über Daten über öffentlich-rechtliche Sendernetzwerk der USA. die jeweiligen Nutzer (z. B. Interessen oder frühe- re Nutzungen) und kann sofort auf individueller Ebene Programminhalte und Werbung anpassen. 14
Hauptsache Reichweite? Sind die Nutzer zu Beginn eines Nutzungsvorgangs oder die Plattform und kontrollieren somit auch unbekannt, wird im Laufe ihrer Nutzung versucht, den Z ugang zu diesen. Auch wenn im Moment sie stärker zu qualifizieren, z. B. aufgrund ihres Nut- viele der Anbieter sehr kooperativ mit den Inhal- zungs- und Interaktionsverhaltens in Bezug auf teanbietern umgehen (nicht zuletzt, weil diese in das Radioprogramm (Umschalten auf einen ande- nicht unerheblichem Umfang auch die jeweiligen ren Kanal, „Swoppen“, Favorisieren von Programm Plattformen bewerben und damit Nutzerinnen elementen etc.). und Nutzer auf diese bringen), so besteht doch perspektivisch die Gefahr, dass die großen Platt- Die Grundlage der zukünftigen Vermarktung sind formbetreiber einseitig neue Regeln für Zugang Daten – über Nutzerinnen und Nutzer und ihr Nut- zur und Präsenz auf der Plattform bestimmen (z. B. zungsverhalten. Und gerade hier stößt die platt- Zugang nur gegen Entgelt), durch gezielte Algorith- formübergreifende digitale Radioübertragung an men eigene Angebote privilegieren oder einzelne ihre Grenzen: weil die technische Messung solcher Publisher den Zugang ganz untersagen. Daten über mehrere Plattformen teils nur schwer möglich ist oder weil die jeweiligen Anbieter diese Daher ist es für die Radioanbieter wichtig, neben Daten den Inhalteanbietern nicht zur Verfügung einem starken eigenen Ökosystem auch Zugang stellen. zu den reichweitenstarken Plattformen zu bekom- men und dort sowohl ihre Hörerinnen und Hörer zu erreichen als auch die entsprechenden Daten GAFA als Audioanbieter der Nutzung für ihre Contentplanung und Werbe- Die großen Plattformanbieter – in Deutschland vermarktung zu erhalten. vor allem Amazon, Google und Apple – versuchen selber vielmehr, alle relevanten Teile der Audio- Mit der zunehmenden Verbreitung insbesondere Wertschöpfungskette zu besetzen und darüber von Smart Speakern werden diese damit auch zum eigene Daten über Nutzung sowie Nutzerinnen Gegenstand von Medienpolitik und -regulierung. und Nutzer zu sammeln. In den letzten Jahren ist es Es ist entscheidend, dass auf diesen Radiogeräten den Plattformanbietern gelungen, jeweils sowohl der digitalen Gegenwart und Zukunft die Radio Plattform als auch Hardware als auch ein entspre- angebote verlässlich vorhanden („must carry“) und chendes Inhalteangebot zu etablieren. Das Ziel der zu finden („must be found“) sind. Plattformanbieter ist dabei natürlich, die Nutze- rinnen und Nutzer möglichst im eigenen Ange- bot zu halten und sie nicht zu anderen Anbietern Radioanbieter werden selbst zu oder A ngeboten wechseln zu lassen – ein potenti- Plattformbetreibern eller Zielkonflikt bei der Integration externer Radio Für die Radioanbieter ergeben sich durch die angebote auf den Plattformen. Digitalisierung aber auch große Chancen – indem sie selbst zum Plattformbetreiber werden und Für die Radiosender ist daher der Umgang mit den Angebote verschiedener Anbieter aggregieren. großen Plattformen von immer größer werden- der Bedeutung. In vielen Bereichen der digitalen Nutzung stellen sie die marktführende Hardware 15
Hauptsache Reichweite? Abb. 4 GAFA als relevante Akteure im Audiomarkt Amazon Google Apple Google Home / Apple HomePod / Hardware Amazon Echo Android Smartphone iPhones Amazon Music/ Google Podcast / Apple Podcasts / Plattform Amazon Prime / Alexa Google Actions Apple Music Skillstore Content-Angebot Prime Radio / Prime Google Play Music Beats 1 Radio (Beispiele) Fußball Live Radio Quelle: eigene Darstellung In den USA machen dies zum Beispiel seit eini- Angebote der eigenen Radiosender, dazu kom- gen Jahren die beiden größten Radioanbieter men die Audioangebote der „Content Alliance“ iHeart Media (mit der App „iHeart Radio“) und von Bertelsmann in Deutschland, also von der Entercom/CBS („radio.com“) recht erfolgreich. Die Mediengruppe RTL, UFA, BMG, Gruner & Jahr und Anbieter haben in den letzten Jahren Vereinbarun- von Penguin Random House. gen mit anderen Radioanbietern geschlossen und verbreiten deren Radioangebote ebenfalls über Zum anderen finden sich auf der Plattform auch ihre Plattformen. die Podcasts der größten deutschen Publisher, darunter unter anderem die Angebote von SPIEGEL, In Großbritannien verfolgen die BBC (mit „BBC der Süddeutschen Zeitung oder ZEIT ONLINE, sowie Sounds“) und die größte Privatradiogruppe von großen deutschen unabhängigen Podcast Englands, Global (mit dem „Global Player“), eine produzenten. Plattformstrategie, wenn auch ausschließlich mit eigenen Inhalten – ähnlich wie in Deutschland die Das Ziel ist, vor allem denen ein starkes, kuratier- ARD mit der „ARD Audiothek“. tes Audioangebot zu liefern, die jetzt den noch jungen Bereich des Podcastings entdecken und RTL Deutschland hat im März dieses Jahres nach ihrem persönlichen Geschmack Audioinhal- ebenfalls eine neue Plattform gestartet, die dem te abrufen wollen. starken Trend zu Podcast- und Audio-On-Demand- Angeboten gerecht werden soll: AUDIO NOW. Die Plattform versammelt zum einen die inhaltlichen 16
Hauptsache Reichweite? Im Gegensatz zu den anderen großen Plattform S ystem der UKW-Übertragung genutzt, so sorgt die betreibern stellt AUDIO NOW allen auf der Platt- Fragmentierung des Marktes dafür, dass R adio über form vertretenen Publishern die verfügbaren immer mehr Plattformen genutzt wird, vor allem Daten zu Nutzung und den Nutzerinnen und Nut- durch die zunehmende Verbreitung der Smart zern zur Verfügung. Die Plattform soll somit dazu Speaker. Zudem werden viele Inhalte verstärkt beitragen, das inhaltliche Angebot der Publisher nicht linear gehört – je nach Nutzungssituation weiter zu verbessern und den deutschen Hörerin- der Hörerinnen und Hörer auf unterschiedliche Art nen und Hörern so jeden Tag ein möglichst starkes und Weise und auf unterschiedlichen Nutzungs- Audioangebot zu bieten. geräten. Dazu kommen neue Audioinhalte, vor allem in Form von Podcasts. Diese werden auch von R adiosendern produziert, stammen aber oft Abb. 5 vor allem von anderen Medienanbietern oder von rein digitalen Anbietern. Plattform AUDIO NOW von RTL Radio Deutschland Dies führt im Moment zu einem regelrechten Boom von digitalem Audio und zu immer mehr Akteuren, die an diesem dynamischen Wachstum partizipieren wollen. Für die Radioanbieter bestehen hier große Chan- cen, wenn sie es schaffen, mit ihren Angeboten im digitalen Alltag vieler Nutzerinnen und Nut- zer weiter eine wichtige Rolle zu spielen – über Anpassung der Inhalte an die jeweiligen Nutzungs- situationen und die zielgerichtete Ausspielung von Werbeinhalten. Dazu ist ein starkes eigenes Ökosystem wichtig – mit guten und auch exklusiven Inhalten und mit neuen technologischen Möglichkeiten. Genauso entscheidend sind die Präsenz und die Auffind- barkeit auf den neuen Audio-Systemen der gro- Quelle: RTL Radio Deutschland; eigene Darstellung ßen Plattformbetreiber. Dies für die Zukunft durch Medienpolitik und -regulierung zu gewährleisten wird zur wichtigsten Aufgabe der nächsten Jahre. Fazit: Die Plattformökonomie bietet Chancen und Risiken Die Digitalisierung verändert in zunehmendem Maße auch den Audiomarkt. Wurden bisher die meisten Radioangebote über das proprietäre 17
Faszination Podcast Weil mir deine Stimme so gut tut Cornelia Holsten Mein Großvater konnte es perfekt: spannen- Viele Menschen besinnen sich heute mit wa- de Geschichten erzählen. Er nahm mich mit auf chen Ohren wieder auf dieses Ur-Bedürfnis des seine Abenteuerreisen, in seine Jugend, als er Geschichtenlauschens zurück. Das vielleicht auch, meine Großmutter kennenlernte und in die Zeit, weil die Augen durch das permanente Starren auf als die beiden aus Trümmersteinen ein Haus bau- Bildschirme müde werden und eine Display-Pause ten. Zu seinem 85. Geburtstag schenkte ich ihm brauchen – „Screen-Fatigue“ nennt sich das Phäno- ein Diktiergerät und bat ihn, seine Geschichten men, wenn die Augen vom ständigen Aufs-Smart- auf Band zu sprechen, damit sie für immer blei- phone-Gucken immer müder werden. Nach einem ben. Diese Bänder sind bis heute mein persönlicher halben Jahrhundert der visuellen Dominanz in den Lieblingspodcast. Medien und bei der Mediennutzung meldet sich spätestens jetzt die Bedeutung des Hörens laut- Die Ur-Bedürfnisse des Hörens, Anhörens und stark zurück. Und das sicher auch, weil der Mensch Zuhörens wurden also schon in unserer Kind- offenbar schon immer ein Bedürfnis nach erzähl- heit befeuert und erfüllt. Wenn wir dann selbst ten, persönlichen Geschichten hatte. Eltern sind, genießen wir es, diese Tradition wei- terzugeben: Es gibt kaum etwas Innigeres und Aktuell wird dieses Bedürfnis durch neue und aus Entspannteres als den Moment der vorgelesenen allen Ecken sprießende Podcast-Formate gestillt. Gutenachtgeschichte. Nicht umsonst wird immer Sie drängen mit einer solchen Wucht auf den wieder kolportiert, dass Eltern dabei vor ihrem Kind Markt, wie es bei den legendären „Europa“-Kinder- einschlafen. Geschichten zu hören, zu teilen und kassetten, zum Beispiel über die Kinderdetektive weiterzugeben ist in jeder Hinsicht wertvoll und von „TKKG“ oder „Die drei ???“, kaum vorstellbar ge- hat unsere Kreativität und Fantasie schon in frühen wesen wäre. Kassetten gab es schon damals nicht Kinderjahren angekurbelt.1 nur für Kinder. Ich erinnere mich zum Beispiel noch an die Rechtsprechungslesungen aus der Neuen 1 Ich danke Franziska Riedel für die großartige Unterstützung beim Verfassen dieses Beitrags. 19
Faszination Podcast J uristischen Wochenschrift auf K assette – auch dem Smartphone sein? Wo Erfolg entsteht, ist Wer- wenn die nicht halb so spannend wie ein Aben- bung nicht weit und wo mit Werbung gut definier- teuer der „Drei ???“ waren. bare Zielgruppen erreicht werden können, lassen neue Formen des Content-Marketing nicht lange Seinen Aufschwung verdankt der Podcast in ers- auf sich warten. Ein Blick auf regulatorische Frage- ter Linie dem Smartphone. Die Nutzung von stellungen lohnt sich aber nicht nur im Hinblick auf Audioinhalten und damit auch der Konsum von Werbefragen. Podcasts finden wir im Wesentlichen Podcasts sind aufgrund der hohen Durchdringung auf den großen Plattformen, die mit ihren algo- von Smartphones kinderleicht, überall und jeder- rithmenbasierten Empfehlungssystemen über die zeit möglich. Und so sind auch Geschichten überall, Auffindbarkeit mindestens mitbestimmen. Wenn jederzeit und über Streamingplattformen gegen wir die Grundsätze der Meinungs- und Medienviel- eine monatliche Abo-Gebühr oder kostenlos ver- falt ernst nehmen, müssen wir uns auch hier um fügbar und downloadbar, womit Podcasts auch Regeln für eine transparente und diskriminierungs- zunehmend für alle erdenklichen Nischen und freie Auffindbarkeit kümmern. Meine Vorschläge Zielgruppen interessant werden. Podcasts werden stelle ich auf den nächsten Seiten vor. aber kein Nischentrend bleiben und den Sprung in den Mainstream schaffen, denn wir akzeptieren den technologischen Fortschritt viel schneller und Hör mir zu! Der Weg der Stimme zum Ohr lassen ihn bereitwilliger in unser Leben als je zuvor: Wer schon einmal versucht hat, nichts zu hören, 13 Jahre brauchte das Fernsehen, 5 Jahre das Inter- weiß: das funktioniert nicht. Wir können zwar un- net, 3 Jahre das Smartphone dafür, 50 Millionen sere Augen schließen, unsere Ohren jedoch nicht. Nutzer zu erreichen. Sprachassistenten brauchten Unsere Ohren sind geduldige Zuhörer und unser nur noch 1 Jahr.2 Ich bin sicher, dass Sprachassis- ganz persönliches Tor zur Welt. Unsere Ohren, in tenzsysteme und Speaker wie Google Home, Alexa denen sich die kleinsten menschlichen Knochen und Siri den Markt weiter befeuern und uns bald und gleichzeitig die großen Schaltkreise der akus- durch den Mediendschungel navigieren werden, tischen Wahrnehmung befinden, sind der Ort, wo was Audio in Zukunft noch viel spannender ma- wir uns mit anderen Menschen verbinden und uns chen wird. Unsere Stimme, die natürlichste und auf sie einlassen. Wir können Menschen allein am ursprünglichste Kommunikationsform, die uns zur Rhythmus ihrer Schritte identifizieren, wir können Verfügung steht, wird viel stärker zu dem Medium, Gefühle in Sekundenschnelle an der Stimme able- mit dem wir uns Zugang zur digitalen Welt ver- sen und selbst visuelle Gehirnzellen durch Geräu- schaffen und in ihr interagieren. sche und Musik aktivieren, also fast synästhetisch Bilder durch Töne entstehen und wieder aufleben Kommt nach dem „Iconic Turn“ aus dem vergange- lassen. Ein bestimmtes Geräusch kann verloren ge- nen Jahrhundert nun also der „Audible Turn“?3 Wird glaubte Erinnerungen in uns aufleben lassen und das neue wärmende Lagerfeuer die Stimme aus der Klang einer Stimme kann uns zu jedem denk- baren Ort in der Vergangenheit zurückbeamen. 2 https://www.horizont.net/tech/nachrichten/rms-manager-frank- bachr-smartspeaker-durchdringen-den-markt-mit-unglaublicher- geschwindigkeit-171585 3 https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/audible-turn-wer- nicht-hoeren-will-muss-weitersehen-15597339-p3.html 20
Faszination Podcast Gefühle über unsere Stimme auszudrücken und Begleiter, sondern auch Lückenfüller für die viel- durch das Hören zu dekodieren, bekommen wir in fältigsten Beschäftigungen, weil sich zum Beispiel die Wiege gelegt. Der Hörsinn entsteht sogar und körperliche Arbeit gut mit der geistigen Stärkung ist schon aktiv, bevor wir auf der Welt sind. Ab dem und Aktivierung durch Podcasts kombinieren lässt. fünften Schwangerschaftsmonat nehmen Babys „When your hands are busy but your mind is free“ – Geräusche wahr und machen die ersten „media- so bringt Audible-Gründer Don Katz die Vorteile len“ Erfahrungen mit den Herztönen der Mutter. des Mediums und den Siegeszug von Online-Audio Sie lernen früh die Stimme ihrer Mutter kennen, knapp und gut auf den Punkt. „Podcast hören ist weswegen Babys diese Stimme von Anfang an wie freihändig lesen. Mit den Händen kann man besonders vertraut ist. Das Hören ist also schon stupide Hausarbeit erledigen, während der Geist naturgemäß viel intensiver und erlaubt eine ganz gefüttert wird.“5 andere Aufmerksamkeit als das Sehen, das per se eher flüchtiger Art ist. Hören schafft Vertrauen, das Obwohl der Siegeszug der Podcasts seit 2004 im- Sehen hingegen eher Distanz, sagte schon Imma- mer wieder aufs Neue verkündet wird, haben sich nuel Kant.4 Die Stimme ist das ursprünglichste die Audioangebote spätestens mit dem im Jahr und natürlichste Ausdrucksorgan von Emotionen, 2016 gestarteten US-amerikanischen Erfolgspod- Stimmungen und Gedanken. Darum ist es auch nur cast „Serial“, der wohl der erfolgreichste Podcast logisch, dass wir eine angenehme Stimme gerne aller Zeiten ist, endgültig auch in der deutschen hören, ihr gerne zuhören und die von ihr erzählten Medienlandschaft durchgesetzt: In den letzten Geschichten gerne anhören. Und das haben wir drei Jahren wagten – auch dank niedriger Eintritts- schon beim Vorlesen gemerkt: Die Fantasie wird schwellen auf beiden Seiten – Laien den Schritt bemüht, die fremde Stimme, ein beinahe intimes vor das Mikrofon und Podcast-Labels wurden ge- Medium, schafft es bis in den eigenen Kopf. Kein gründet. Für die Erstellung von Podcasts braucht Organ ist dem Gehirn so nah wie das Ohr. es nicht viel außer einem Aufnahmegerät. Neben privaten und öffentlich-rechtlichen Medienhäu- sern, privatwirtschaftlichen Unternehmen oder Von Fest und Flauschig bis zur Lage der einzelnen Wissenschaftlern, Künstlern und Journa- Nation: Eine Bestandaufnahme listen starten auch immer mehr Verlage ihre eige- Ob im Zug, bei der morgendlichen Laufrunde durch nen Podcasts. Darunter lassen sich unter anderem den Park, im Auto auf dem Weg zur Arbeit, beim DIE ZEIT, DER SPIEGEL, Der Tagesspiegel sowie das Kochen, während der Hausarbeit oder vor dem Ein- Handelsblatt finden, die tagesaktuelle Podcasts schlafen: Podcasts sind in unserem Alltag zu einem produzieren und mit traditionellen Hörfunkange- beliebten Begleiter geworden. Podcast ist ein Kof- boten um die Hörer konkurrieren. Selbst TV-An- ferwort, das sich zusammensetzt aus der engli- bieter wagen den Schritt in die Audio-Welt und schen Rundfunkbezeichnung Broadcast und der knacken mitunter die Millionengrenze. Stimmen Bezeichnung für den tragbaren MP3-Player iPod, funktionieren eben nicht selten sogar besser, wenn der 2001 das Licht der Welt erblickte und somit zum Namensgeber wurde. Podcasts sind nicht nur 4 https://www.blm.de/infothek/magazin_tendenz/tendenz_1_2019/ 5 https://www.abendblatt.de/podcast/article226169257/Podcasts- podcasting_tendenz119.cfm Das-Hamburger-Abendblatt-zum-Hoeren.html 21
Faszination Podcast man die Menschen dazu (erst einmal) nicht sieht. Wir dürfen uns wieder auf’s Zuhören Letztlich sind die intimen Dialogsituationen beim konzentrieren Podcast wie eine besondere Form des Blind Dates. Die Bedeutung von dialogorientierten Kommuni kationsformen wächst. In unserer immer noch Spätestens seit sich neben Spezialisten wie stark visuell dominierten Medienwelt werden Viertausendhertz, dem ersten Podcastlabel im wir durch auditive Inhalte regelrecht dazu ge- deutschsprachigen Raum, auch die beiden größten zwungen, unsere passive Konsumhaltung abzu- deutschen Audiovermarkter AS&S Radio und RMS legen, die rein akustischen Inhalte bewusst auf- mit dem Format auseinandersetzen, muss man zunehmen und das Gehörte aktiv zu rezipieren. Podcasts ernst nehmen. Denn egal ob sogenannte Die bildgewaltige Debattenkultur, die viel stärker „Laberpodcasts“, die konzept- und ziellos schnell in vom Dissens als vom Dialog lebt, bekommen wir banale Plaudereien driften können, oder der sich ja schon tagtäglich und nonstop, sobald wir un- immer weiter verbreitende „Redakteursnewslet- ser TV-Gerät einschalten oder unseren Newsfeed ter“ (z. B. „Morning Briefing“ von Gabor Steingart), auf dem Smartphone checken. Durch den Audio- sie haben eines gemeinsam: Sie sind den Weg der boom wird unser Hörsinn endlich wieder stärker Professionalisierung und Kommerzialisierung ge- gefordert, unsere Augen in Zeiten von visueller gangen – ihre Formate haben nicht mehr viel mit Reizüberflutung entlastet. Wir können uns ein- den Podcast-Anfängen von vor 15 Jahren zu tun. fach den Kopfhörer aufsetzen oder die Stöpsel in die Ohren stecken, uns aktiv vom Lärm der visuell Von „Faking Hitler“, einer Eigenproduktion vom reizüberfluteten und dauernd erregten, sich ver- Magazin stern und einer der meistgehörten Pod ändernden Welt abschotten und einen privaten, casts zu Beginn des Jahres 2019, über den Polit- geschützten und geschlossenen Raum nur für uns Podcast „Lage der Nation“ von Philip Banse und herstellen. Und uns so die Welt erklären lassen. Wir Ulf Buermeyer zum erfolgreichsten Spotify-Pod- hören a llein, wir hören für uns – es scheint, als hät- cast „Fest und Flauschig“ von Jan Böhmermann ten wir geradezu sehnsüchtig darauf gewartet, uns und Oli Schulz: Die Themenbandbreite ist riesig. endlich mal wieder für eine gewisse Zeit auf ein Vom Motivationsratgeber über das Journalistenge- bestimmtes Thema konzentrieren zu dürfen. Einem spräch und den Ladytalk, von Popkultur und Sport einstündigen Podcast zu lauschen schult die Sinne über C omedy zu Sex und True Crime, von Podcasts jedenfalls anders, vielleicht auch stärker, als über über Tipps und Tricks bei der Mäuseaufzucht bis Texte zu s crollen und Inhalte in Form von Snippets hin zu Formaten zum tagespolitischen Gesche- zu erfassen. Es wird sogar von einer „neuen Münd- hen ist alles dabei. Auch Sendungen zu Themen lichkeit“ gesprochen, in der sich das Verhältnis von aus den Bereichen Naturwissenschaft, Philosophie Wort und Wissen, Lesen und Schreiben, Sprechen und Technik sind in den Charts zu finden, was den und Hören neu justiert und zugunsten des Spre- Trend zur Beschleunigung von Wissensproduk- chens zu verschieben scheint.6 tion und -nachfrage bestätigt. Es gibt kaum ein Thema, das nicht vertreten ist. In diesem Format können die Menschen endlich ihre Gedanken zu Ende f ühren, für die es in anderen Formaten oft keinen Platz gibt. 6 https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/youtube-und- die-neue-muendlichkeit-16237905.html 22
Faszination Podcast Jung und gebildet: Die größte Zielgruppe der Spotify und Co. geworfen hat: Laut der Podcast Ad Podcast-Fans Revenue Study wird im Jahr 2021 in den USA, d eren Laut einer Bitkom-Studie aus dem Jahr 2018 hört Podcast-Markt dem deutschen Markt in der Ent- inzwischen jeder fünfte Deutsche mehr oder wicklung einige Jahre voraus ist, die Marke von weniger regelmäßig einen der über 6.000 Pod- 1 Milliarde Dollar bei den Werbeeinnahmen ge- casts aus dem deutschsprachigen Raum. Dabei ist knackt. Auch hier ist der steile Aufstieg sichtbar: die Tendenz deutlich steigend: Im Jahr 2016 hörte Im Jahr 2017 lagen die Einnahmen noch bei 323 Mil- nur jeder sechste Deutsche Podcasts.7 lionen Dollar, wohingegen die Einnahmen im Jahr 2018 bei 479 Millionen Dollar lagen, ein Plus von Dabei kurbeln vor allem die Millennials, also Ver- 53 Prozent im Vergleich zu 2017. Für das Jahr 2019 treter der Generation Y, den Podcast-Boom an: Laut wird laut der Studie ein Anstieg von 42 Prozent einer Umfrage des Podcast-Vermarktungsunter- auf 679 Millionen Dollar erwartet.9 Auch laut den nehmens Podstars aus dem Jahr 2018 sind knapp WARC Global Advertising Trends verdoppelt sich drei Viertel der Podcast-Hörer zwischen 21 und der globale Werbeumsatz aus der Vermarktung von 35 Jahre alt, knapp 70 Prozent sind davon unter 30. Podcasts bis 2022: Momentan sichern sich Podcasts Podcast-Hörer sind laut der Studie außerdem ge- etwa 2,5 Prozent des Audio-Werbemarkts, bis 2022 bildet: 90 Prozent haben Abitur oder einen Hoch- soll der Anteil auf 4,5 Prozent steigen.10 schulabschluss in der Tasche.8 Laut der Bitkom- Studie sind die Zahlen zwar etwas weniger auffällig Für die Werbebranche ist der Podcast also ein (14 – 29 Jahre und 30 – 49 Jahre jeweils 30 Prozent, lukratives und vielversprechendes Medium, da es 50 – 64 Jahre: 24 Prozent, 65 Jahre und älter: 4 Pro- sehr gezielt und konzentriert genutzt wird – und zent), dennoch bestätigen sie die Tendenz: Pod- das auch noch von einer besonders kaufstarken cast-Hörer sind jung, gebildet, kaufstark und mit Zielgruppe, deren Interessen durch ihre Podcast- Medien aufgewachsen. Es gibt kaum eine andere Vorlieben viel besser bestimmt werden können Zielgruppe, die von vornherein so interessant für als zum Beispiel durch den Musikgeschmack. Die die Werbeindustrie sein dürfte: Es ist, als bekämen Aufmerksamkeit von Podcast-Hörern ist sehr hoch, Produzenten und Werber den perfekten Kunden der Großteil der Nutzer konzentriert sich ganz aufs auf einem Silbertablett serviert. Hören. Sie sind relativ offen für Werbung, vor allem dann, wenn sie unterhält und an die Interessen der Hörer angepasst ist. Das könnte daran liegen, Fast wie im Schlaraffenland: Podcasts und dass sich die meisten beim Podcast-Hören wohl- der Werbemarkt fühlen, etwa beim Sport machen, Bahn fahren oder Mit zunehmender Verbreitung und weil Podcast- sich einfach auf dem Sofa entspannen. Selbst kom- Hörer als loyal, technikaffin und gebildet gelten plexe Werbeinhalte werden intensiv konsumiert sowie über ein überdurchschnittliches Einkommen und kaum übersprungen: Laut der oben genann- verfügen, steigt auch die Attraktivität von Podcasts ten Umfrage des Podcast-Vermarktungsunter- für den Werbemarkt, der schon lange ein Auge auf nehmens Podstars aus dem Jahr 2018 empfinden 7 https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Jeder- 9 https://www.iab.com/wp-content/uploads/2019/06/ Fuenfte-hoert-Podcasts.html Full-Year-2018-IAB-Podcast-Ad-Rev-Study_6.03.19_vFinal.pdf 8 https://www.podstars.de/wp-content/uploads/ 10 https://www.warc.com/newsandopinion/news/podcast_ Podcastumfrage2018.pdf advertising_set_to_double/41998 23
Faszination Podcast mehr als 80 Prozent der Befragten eingesproche- nicht überschritten. Ist Podcast-Werbung also das ne Werbung vom Podcaster nicht als störend. Und neue Influencer-Marketing? Was beide verbindet: mehr als 75 Prozent hören sich die Werbung an und Die Formate funktionieren über Nähe, Authentizi- machen keinen Gebrauch von der vorhandenen tät, Vertrautheit und Vertrauen – Premiumeigen- Vorspulmöglichkeit.11 schaften für erfolgreiches Marketing. Sind Podcaster die neuen Influencer? Geht ins Ohr. Bleibt im Kopf. Die Werbung in Podcaster werden sogar in ihrer Funktion als Podcasts Werbetreibende nicht als nervig empfunden und Die drei häufigsten Werbeformate sind der können damit als die neuen Sympathieträger gel- Audiospot, der Sponsorhinweis und Native ten – mit ihnen wächst eine neue Generation von Ad(vertising). Audiospots sind inhaltlich und Influencern auf, denen die Hörer vertrauen. Es fühlt technisch etwa vergleichbar mit klassischer sich aufgrund der dialogischen Formate teilweise Radiowerbung und können sowohl am Anfang als so an, als wäre man als stille Zuhörerin bei e inem auch während oder nach der Sendung ertönen. Gespräch oder Dialog live dabei. Vieles, und damit Der Sponsorhinweis stellt Werbepartner und ihr eben auch Werbung, geht über die Menschen als Produkt bzw. ihren Service vor und wird meist zu Identitätsträger, wodurch eine emotionale Bindung Beginn oder in der Mitte des Podcasts ausgestrahlt. entsteht. Vielleicht ist es für die Podcaster deswe- Die Native Ad wird meist vom Podcaster selbst ein- gen einfacher als für traditionelle Medienhäuser, gesprochen und ist dadurch manchmal nicht so ihre Hörer über Crowdfunding-Plattformen wie leicht als Werbung erkennbar. Insbesondere diese Steady oder Patreon zu bezahlten Mitgliedschaften vom Podcaster direkt eingesprochene Werbung ist zu bringen oder zum Kauf von Merchandise zu ver- nicht nur unkompliziert in der Produktion, sondern leiten. Ich bezahle keine Sendung und kein Format, wirkt auch beim Hörer positiv und nicht störend. sondern unterstütze einen Medienanbieter, dem Native Advertising verspricht durch die Nähe von ich vertraue und dessen Meinung ich schätze. Der Spot und Podcaster implizit eine Werbebotschaft Podcaster ist der neue Freund von nebenan, ver- so gut zu verpacken, dass sie nicht unbedingt als gleichbar mit der Influencerin auf I nstagram. Und solche zu erkennen ist und sich vom redaktionellen wenn er mir auch noch eine Tasse anbieten kann, Umfeld möglichst wenig abhebt. kaufe ich sie mir bereitwillig, um meinen morgend- lichen Kaffee daraus zu trinken und mich dadurch Um Werbung dennoch klar von Podcast-Inhal- zugehörig zu fühlen. ten zu trennen, ertönt bei einigen Podcasts ein Tonsignal zu Beginn und am Ende eines Werbe- Podcasts werden immer beliebter und – aufgrund beitrags. Manchmal wird Werbung mit der stets der starken Bindung zum Host und der konzentrier- gleichen Melodie untermalt und in anderen Pod ten Hörsituation – mit ihnen auch die nativen Wer- casts wird deutlich gesagt, dass nun Werbung beformen. Der Hype rund um Podcast-Marketing oder Sponsoring folgt. Hier wird viel ausprobiert beginnt gerade erst und der Zenit ist noch lange und e xperimentiert – nicht zuletzt, weil der Markt gerade erst die ersten wirtschaftlich relevanten 11 https://www.podstars.de/wp-content/uploads/ Formate entwickelt. Podcastumfrage2018.pdf 24
Faszination Podcast Wo Werbung drin ist muss auch Werbung und Anchor für über 300 Mio. Euro übernommen. draufstehen Ist der Podcast-Plattformmarkt schon heute ein Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis Haifischbecken? der erste Fall einer falschen oder fragwürdigen Podcast-Werbekennzeichnung medial diskutiert Heute ist ein Podcast vor allem darauf angewiesen wird. Vielleicht profitieren die Podcaster aber auch gefunden zu werden. Das funktioniert entweder hier vom Influencer-Marketing und dem Wissen über Empfehlungen von echten Freunden oder von rund um die Werbekennzeichnung. Wann immer Spotify, Alexa und Co. Netflix oder Amazon Prime eine Werbeabsicht besteht, weil es einen Werbe- produzieren im Streamingbereich mittlerweile ei- auftrag oder eine sonstige Gegenleistung für die gene Serien, die sie umfangreich bewerben, mit- Werbung gibt, muss es im Audiobereich einen ent- unter auch ganz analog über Litfaßsäulen. Wird sprechenden Hinweis geben. Der kann bei Podcasts es so etwas irgendwann auch in der Welt der Pod- nur akustisch erfolgen. Medienrechtlich ist auch casts auf Spotify geben, das auf dem besten Wege hier jede Form der Werbung transparent und ein- ist, zum Netflix des Audiomarkts zu werden? Erste deutig zu kennzeichnen, damit der Nutzer sofort Beispiele gibt es bereits: So will Apple nun in Zu- zwischen werblichen und nicht werblichen Beiträ- sammenarbeit mit Medienunternehmen in eigene gen unterscheiden kann. Dies gilt nach dem Rund- Podcasts investieren. Und das zu Amazon gehören- funkstaatsvertrag, dem Telemediengesetz sowie de Audible arbeitet schon heute mit verschiedenen dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Medienhäusern wie dem SPIEGEL und Bertelsmann Und der Grundsatz gilt unabhängig davon, wo ich für Exklusivproduktionen zusammen. Vor dem Hin- werbe – in Print, TV, Hörfunk oder eben online über tergrund dieser rasanten Entwicklungen stellt sich Instagram, YouTube oder Podcasts. die Frage: Was kann und muss ich tun, um dem Ungehörten eine Stimme zu geben? Wenn ich als Podcast-Anbieter auf den großen Plattformen nicht Wer bestimmt, was ich höre? verfügbar bin, habe ich dann von Anfang an meine Die Zeiten, in denen Apple mit iTunes der Pod- Stimme verloren? cast-Platzhirsch war, sind endgültig vorbei. Neben iTunes von Apple als Podcast-Plattform der ersten Stunde sind mittlerweile zahlreiche neue Akteure Wer hat die Macht über den Markt? auf den Markt vorgedrungen. Ob Audio Now, eine Während ich diesen Beitrag schreibe, läuft die Podcast-Plattform von RTL/Bertelsmann, Goog- Phase der zweiten Online-Konsultation zum le Podcast oder die ARD-Audiothek, die Markt- erwarteten Medienstaatsvertrag. Wir haben als player werden mehr und der Markt umworbener. Medienanstalten für diesen Medienstaatsver- Musikstreaming-Anbieter etablieren sich zuneh- trag von Anfang an unter anderem Regelungen mend als Podcast-Plattformen. Sowohl Spotify für Sprachassistenten und M edienintermediäre als auch Deezer setzen neben der Musik immer gefordert, die sich im Wesentlichen um die mehr auf Wortinhalte und investieren verstärkt Fragen von Auffindbarkeit und Diskriminierungs in eigene Podcast-Angebote. Anfang 2019 hat Spo- freiheit drehen. Am Beispiel der Podcasts tify die b eiden Podcasting-Unternehmen Gimlet werden diese E rfordernisse mindestens so deut- lich wie bei Suchergebnissen auf Google oder 25
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