Dr. Almut Vogt www.hs-merseburg.dehochschule/projekte/schuelerlab or-chemie-zum-anfassen/ - Hochschule Merseburg
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Dr. Almut Vogt www.hs-merseburg.de/hochschule/projekte/schuelerlabor-chemie-zum-anfassen/ Abb.: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/73/Syndiotactic_polypropene.png/ 330px-Syndiotactic_polypropene.png, 27.04.2020
Makromolekulare Stoffe • haben eine Molekülmasse über 10.000 g·mol−1 • werden (nach Hermann Staudinger, 1922) in natürliche, halbsynthetische und synthetische Stoffe unterteilt Natürliche Makromoleküle: • Kohlenwasserstoffe (Naturkautschuk) • Polysaccharide (Stärke und Zellulose) • Polynukleotide (Nukleinsäuren) • Proteine (Seide, Collagen, Enzyme, Antikörper) • Lignin Halbsynthetischer Makromoleküle: • Vulkanisierter Kautschuk • Viskose, Cellulosenitrat • Acetatseide Synthetische Makromoleküle: • Polystyrol (PS), Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyamide (PA), Polyvinylchlorid (PVC), … • Synthesekautschuk • Silikone
Kunststoffe: • sind in ihren wesentlichen Bestandteilen organischer Natur • werden aus Makromolekülen aufgebaut (>10.000 Monomere) • entstehen durch Synthese oder durch Umwandlung von Naturprodukten
• Polymere Naturstoffe wurden ohne Kenntnis des chemischen Grundaufbaus schon im Altertum genutzt • 1531 entdeckte der Augsburger Benediktinerpater Wolfgang Seidel, dass man aus Magerkäse ein im warmen Zustand formbares und nach dem Erkalten äußerst festes Material herstellen konnte - Kunsthorn ( auch Galalith o. Milchstein = duroplastischer Casein-Kunststoff) "Es ist hart wie Knochen und wunderbar durchscheinend" kommentierte er sein Resultat. Kasein wurde daraufhin u.a. zum Herstellen von Formen, Trinkgeschirr oder Schmuck- stücken benutzt (Zugabe von Farbstoffen möglich) • Victor Regnault (1810-1878) entdeckte 1838 eher zufällig die Herstellung von PVC; setzte Vinylchlorid dem Sonnenlicht aus. • 1922 Herrmann Staudinger schuf theoretische Grundlagen für die Kunststoffchemie - fand heraus, dass organische, natürliche Werkstoffe aus Makromolekülen bestehen. Abb. Kunsthornbrille: Abb. Staudinger: https://www.kern.de/sites/default/ http://www.optiker-holz.de/hibri/hornkneifer-4.jpg files/inline-images/glossary/Hermann_Staudinger.jpg 27.04.2020 27.04.2020
Name Markteinführung Herstellung Kautschuk 1851 Goodyear in London Milchsaft des Kautschukbaumes (natürl. + synthet.) Celluloid 1869 Brüder Hyatt in den USA aus Schießbaumwolle und Campher Kunsthorn 1897 Spitteler und Kirsche aus Casein und Formaldehyd Phenolharze (Bakelit) 1907 Baekeland in den USA aus Phenol und Formaldehyd Aminoplaste 1923 Baekeland in den USA aus einer Amino-Verbindung und Formaldehyd Polystyrol (PS) 1930 IG Farben Ludwigshafen Polymerisation von Styrol Polyester 1930 Carothers in den USA Polykondensation eines mehrwertigen Alkohols mit einer Dicarbonsäure Polymethacrylsäure- 1933 Röhm & Haas AG in D Polymerisation von ester (Pexiglas) Methacrylsäuremethylester Polyamide Nylon 1935, Carothers/USA Polykondensation von Hexamethylen- (Nylon, Perlon) Perlon 1939, Schlack/D diamin mit Adipinsäure (Nylon) Polyvinylchlorid (PVC) 1938 Markteinführung in D Polymerisation von Vinylchlorid Entdeckung durch Klatte 1912 (Chlorethen) Hochdruck-Polyethylen 1939 Verfahren der Firma ISI in Polymerisation von Ethen unter (LDPE) Großbritannien hohem Druck
Silicone 1940 Herstellung in den USA; aus Silicium und Chlormethan Entdeckung Kipping/GB (Müller-Rochow-Synthese) Polyurethane 1935 Entwicklung durch O. Bayer/D Polyaddition von Isocyanaten mit (PUR) 1941 Markteinführung, mehrwertigen Alkoholen Polytetrafluorethen 1938 Entdeckung Plunkett /USA Polymerisation von Tetrafluorethen (PTFE, Teflon) 1945 Markteinführung Firma DuPont, Epoxid-Harze 1939 Entdeckung durch Castan Umsetzung von Bisphenol A mit (EP-Harze) 1946 Markteinführung in der Schweiz Epichlorhydrin + Härterzugabe Niederdruck- 1953 Ziegler in Deutschland Polymerisation von Ethen bei Polyethylen niedrigem Druck (HDPE) Polycarbonate 1953 Schnell, Firma Bayer/D Polykondensation von Phosgen mit (PC) Bisphenol A Polyacrylnitril 1954 Firma Bayer/D, erste Synthese Polymerisation von Acrylnitril (PAN, Dralon) bereits um 1930 Polypropylen 1957 Natta, Firma Montecatini/ Italien Polymerisation von Propen (PP) Polyacetal 1958 Firma DuPont /USA Polymerisation von Aldehyden (POM = Polyoxymethylen) Elektrisch leitfähige 1976 Shirakawa, Heeger und Polymere MacDiarmid, Universität von Pennsylvania/USA, erhielten im Jahr 2000 den Nobelpreis für Chemie
1. Asphalt („Erdpech“) überwiegend langkettige KWS 2. Bernstein Gemisch von (oxidierten Harz-) Carbonsäuren und Alkoholen 3. Schellack einziges natürliches Harz tierischem Ursprungs (Sekret weiblicher Lackschildläuse; Indien u. Burma) hoher Anteil an Hydroxycarbonsäuren, Estern und Carbonylverbindungen - Abb.: www.seilnacht.com, 23.03.2016
Fraktionierungsprodukte des Erdöls Rohöl 18,7 t Dieselöl 5,60 t Rohbenzin (Naphtha) Heizöl 7,49 t 3,74 t Sonstige Öle 1,87 t Ethylen Vergaserkraftstoffe andere chem. 1,04 t 2,20 t Produkte 0,50 t Polyethylen 1,00 t
Kunststoffproduktion in Deutschland Jahr Gesamtproduktion Gesamtumsatz (in Mio t) (in Mrd. €) 1996 11,2 2001 15,8 2005 20,2 2007 20,5 2009 17,0 17,5 2011 20,7 25,3 2013 19,5 25,2 2015 18,4 24,4 2017 19,9 27,1 2018 19,3 27,4 (Quelle: www.plasticseurope.de, 27.04.2020)
Die Kunststoffindustrie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor! • umfasst kunststoffproduzierende (a) und kunststoffverarbeitende (b) Industrie • 6 % der Gesamtproduktion in D (2018) • Umsatz der deutschen Kunststoffindustrie: mehr als 83 Mrd. € 1) • Beschäftigte: 53.100 (a); 335.000 (b) 2) • Unternehmen: 1.729 (gesamt) 1) (Quelle 1) https://de.statista.com/themen/3094/kunststoffindustrie-in-deutschland/, 27.04.2020 2) https://www.plastverarbeiter.de/84380/kunststoffverarbeitende-industrie-in-deutschland-waechst-weiter/, 27.04.2020 Deutschland 2019 1): pro Kopf Verbrauch Kunststoffe: 220,5 kg/ Jahr * pro Kopf Verbrauch Fleisch: 59,9 kg/ Jahr pro Kopf Verbrauch Gemüse: 96,9 kg/ Jahr * EU-Durchschnitt: 167,3 kg/ Jahr
Wie viele Tonnen Kunststoffe (PET) wurden 2017 am DOW Standort Schkopau produziert? 32.000 t 156.000 t 275.000 t 300.000 t Wie viele LKW-Ladungen sind 300.000.000 kg ? = 12.000.000 Säcke zu 25 kg = 7.500 LKW mit Hänger (40 t) = 21 LKW mit Hänger täglich Abb.: https://www.wiegel-mouvex.de/images/anwendungen/kunststoffgranulattransport01.jpg, 27.04.2020
Anteile verschiedener Kunststofftypen und deren Einsatz (Deutschland, 2017) Quelle: https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/chemie/chemie_plastikatlas_2019.pdf, 28.04.2020
„Verpackung“ • Innenvlies: Polypropylen • Superabsorber: Acrylsäure/ Natriumacrylat • Außenhülle: Polypropylen/ Polyethylen Abb.: https://babysicherheit24.de/wp-content/uploads/2019/05/Aufbau-einer-Windel.jpg
Verpackung Verbundfolie: 20 μm Polypropylen-Folie + 16 μm Metallfolie Schutz vor Feuchtigkeit Schutz vor UV-Licht längere Haltbarkeit
Verpackung Glasflasche Kunststoffflasche aus Polyethylentherephthalat 515 g (PET) 52 g Gewichtsreduktion 463 g pro 0,5 l Flasche
Bauwesen gebaut konventionell Einfamilienhaus 130 m2 gebaut mit Styrofoam Einsparung jährlich: 1.900 l Heizöl Dämmschaum = 700 l Heizöläquivalente
Automobilbau • Verringerung des Gesamtgewichts durch weniger und leichtere Bauteile • Verringerung des Luftwiderstandes durch verbesserte Aerodynamik • größere Crashsicherheit (Karosserieteile aus KS müssen z.B. einen Aufprall bis 8 km/h schadlos überstehen) • mehr Ausstattungskomfort • geringere Lärmabstrahlung • geringere Lebensdauer des Fahrzeuges 12 % Kunststoffe (150 kg) 100 kg Gewichtsreduktion = 1 L weniger Verbrauch auf 100 km Abb.: https://cdn1.vogel.de/unsafe/540x0/smart/images.vogel.de/vogelonline/bdb/283400/283412/original.jpg, 27.04.2020
Eigenschaften der Kunststoffe 1. Positive Eigenschaften • leichte Werkstoffe, geringe Dichte (liegt zwischen 0,8 und 2,2 g·cm−3 und ist damit ca. halb so groß wie die Dichte von Glas, Porzellan, Leichtmetallen) • leicht formbar • gute Zähigkeit, brechen deshalb weniger leicht als Keramik oder Glas • fast alle KS sind Nichtleiter (gute Isolatoren gegen Elektrizität und Wärme) • beständig gegen Wasser, anorganische Säuren, Laugen und Salzlösungen (im Gegensatz zu Metalle) • nicht oxidierbar • glatte Oberfläche, leichte Reinigung
2. Negative Eigenschaften • geringe Kratzfestigkeit (ablösen von Spänen beim täglichen Gebrauch, die unbemerkt verschluckt werden und dann im Magen Schadstoffe freisetzen - z.B. Zahnbürste, Spielzeug) • geringe Temperaturbeständigkeit (z.B. beim Waschen und Bügeln von Chemiefasern beachten) • häufig brennbar • oft gegen organischen Lösungsmitteln unbeständig (Alkohole, Aceton, Essigester) • elektrische Aufladung beim Reiben (ziehen Staubteilchen an) • sehr langsame Verrottung (Beseitigung von Kunststoffabfällen wird mit steigendem Kunststoffverbrauch zu einem Problem)
Herstellung von Kunststoffen Kunststoffe entstehen in Polyreaktionen Monomere (griech.: monos = einzeln und meros = Teilchen) Polymere (griech. poly = viel)
1. Polymerisation → verläuft stufenlos → ohne Abspaltung von Nebenprodukten Unterscheidung der Polymerisation nach Reaktionsmechanismus • Radikalische Polymerisation • Ionische Polymerisation • Ziegler-Natta-Polymerisation (katalytisch) Abb.: http://www.maschinenbau-wissen.de/bilder/skripte/kunststofftechnik/polymerisation-02.PNG, 27.04.2020
1.1 Radikalische Polymerisation 1. Kettenstart (Initiation) Licht Br Br 2 Br 2. Wachstumsreaktion (Propagation) H H H H H H H H H n H2C CH2 Br + C C Br C C Br C C C C C C H H H H H H H H H n-1 theoretisch könnte die Reaktion immer weitergehen aber: neben der Wachstumsreaktion gibt es auch Reaktionen, die ein weiteres Wachstum der Kette verhindern, indem sie Radikale "vernichten" und so zum 3. Kettenabbruch (Termination) führen • Rekombination • Disproportionierung • Zugabe von Radikalfängern H H H H H H H H ... C C C C ... ... C C C C ... H H H H H H H H
1.2 Ionische Polymerisation (kationisch, anionisch) 1.2.1 Kationische (elektrophile) Polymerisation zu Polyisobuten 1. Initiation mit Brönstädt-Säuren wie Perchlorsäure HClO4 oder Trifluormethansulfonsäure CF3-SO3H mit Lewis-Säuren AlCl3 Formelschemata: https://kirste.userpage.fu-berlin.de/chemistry/kunststoffe/polyion.htm, 19.05.2019
2. Propagation 3. Termination Formelschemata: https://kirste.userpage.fu-berlin.de/chemistry/kunststoffe/polyion.htm, 19.05.2019
1.2.2 Anionische (nucleophile) Polymerisation 1. Initiation erfolgt meist durch Butyllithium 2. Propagation 3. Termination durch Zugabe von Wasser Formelschemata: https://kirste.userpage.fu-berlin.de/chemistry/kunststoffe/polyion.htm, 19.05.2019
1.3 Ziegler-Natta-Polymerisation • Synonym für Koordinations- und Insertionspolymerisation • Entdeckung durch Karl Ziegler im Jahre 1953„ → führt zu weitgehend linearen Polymeren → ermöglichte Herstellung von Polyethen höherer Dichte„ → Polymerisation bei weniger als 30 bar und 120 °C → Katalysator notwendig - … Einfügung der Monomere zwischen wachsender Polymerkette und Metall des Katalysators → „Steuerung der Taktizität des Polymers durch Wahl des Katalysators „… • Katalysatoren: Titan(III)-chlorid TiCl3 + Diethylaluminiumchlorid (C2H5)2AlCl Titan(IV)-chlorid TiCl4 + Triethylaluminium (C2H5)3Al 1.4 Ringöffnungs-Polymerisation z.B. Bildung des Polyamids Perlon aus ε-Caprolactam über die 6-Aminocarbonsäure O H O N O NH R + H2O H2N C R NH n OH
Der Massenkunststoff Polypropylen (Polypropen, PP) • Thermoplast, hohe Stabilität und Chemikalienbeständigkeit • härter und wärmebeständiger als PE; kann kurzfristig auf 140° C erhitzt werden Einsatz für Kaffeemaschinen und Wasserkocher • unter 0° C wird PP spröde – Versprödungstemperatur durch Copolymerisation mit Ethen senkbar (Copolymerisat: EPM, EPDM) • Verarbeitung zu Fasern (für Teppiche, Kunstrasen und Seile), mit ca. 0,9 g/cm3 leichteste aller Chemiefasern • weiteren Anwendungsgebiete: Verpackungsmaterialien im Haushalt, Gehäuse und Bauteile von elektrischen Haushaltsgeräten, Kofferschalen, Bauteile im Auto, Flaschen, Folien und viele weitere Kunststoffgegenstände
Taktizität der Kunststoffe Was bewirkt die Taktizität? → gleichmäßige Moleküle bilden leichter Kristalle, weil sie sich besser aneinanderlagern können → ähnliche Moleküle lassen sich folglich dichter packen und bilden gleichmäßig Ordnungen Grad der Kristallinität und Eigenschaften eines Kunststoffes stehen in Zusammenhang: hohe Kristallinität bedeutet: → härter, spröder, formbeständiger → Zunahme des Schmelz-/ Erweichungspunktes (aufgrund der gleichmäßigeren Anordnung der Moleküle können zwischenmolekulare Kräfte besser wirken) industriell von Bedeutung, nur diese Form lässt sich zu Fasern verarbeiten Diagramm: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/6/67/Polystyrene_tacticity_de.svg/488px-Polystyrene_tacticity_de.svg.png, 21.04.2020
2. Polykondensation • verläuft in Stufen • mit Abspaltung von (kleinen) Nebenprodukten (meist H 2O) Abb.: http://www.maschinenbau-wissen.de/bilder/skripte/kunststofftechnik/polykondensation-10.PNG, 02.03.2020
im Wesentlichen führen zwei Reaktionsmöglichkeiten zu Polykondensaten 1. Esterbildung (Veresterung) - es entstehen Polyester und Polycarbonate Dicarbonsäure + Dialkohol Polyester + Wasser O O n+1 R1 + n HO R2 OH HO OH H+ O O O O R1 R1 + 2 n H2O HO O R2 O OH n Wasser kontinuierlich durch azeotrope Destillation entfernen
Polyethylenterephthalat PET HO OH OH n + n HO O O H O H + 2 n H2O O O CH2 CH2 O H n Ausgangsstoffe: Terephthalsäure (1,4-Benzoldicarbonsäure), Ethylenglycol (1,2-Ethandiol) Einsatzgebiete: • Lebensmittelindustrie (Folien, Flaschen) • Fasern - knitterfrei, reißfest, witterungsbeständig, geringe Wasseraufnahme (Sportbekleidung) • Gefäßprothesen – gute Gewebeverträglichkeit
2. Carbonsäureamidbildung - es entstehen Polyamide Dicarbonsäure + Diamin Polyamid + Wasser O O n+1 R1 + n H2 N R2 NH2 HO OH H+ O O O O R1 R1 + 2 n H2O HO NH R2 NH OH n Wasser kontinuierlich durch azeotrope Destillation entfernen
a) Polykondensation zu Polyamid 6,6 O x HO + y H2 N OH NH2 O Adipinsäure (Hexan-1,4-dicarbonsäure) Hexamethylendiamin (1,6-Diaminohexan) O NH + 2 n H2O NH O n Polyamid 6,6 (Nylon) - Entwicklung in den 1930er Jahren durch die amerikanische Firma DuPont (1935) - Paradebeispiel für die Verwendung von Polyamiden sind Nylonstrümpfe, die 1940 in den USA auf den Markt kam - 15.5.1940 N-Day - ursprünglich: no-run Abb.: www.ladies-and-gents.de, 01.08.2016
b) Ringöffnungspolymerisation zu Perlon 1. Kettenstart: benötigte 6-Aminohexancarbonsäure wird durch hydrolytische Ringöffnung von ε-Caprolactam gewonnen NH + H2O H2N OH O C O Caprolactam 6-Aminohexancarbonsäure 2. Kettenreaktion: 6-Aminohexancarbonsäure reagiert zusammen mit Caprolactam zum Polyamid 6 NH O O + H2N C OH O H N C H2N C OH O NH +n O Polyamid 6 (Perlon)
• 1938 eingeführt, zunächst ein kriegswichtiger Rohstoff für Fallschirme und Flugzeugreifen, kaum ein Unterschied zu den Eigenschaften von Nylon • nach dem 2.Weltkrieg: Konkurrenzprodukt von einer Gruppe deutscher Firmen (u.a. BASF, Bayer und Hoechst) zu dem bereits von der Firma Du Pont patentierten Nylon • ab den 1950er Jahren in Deutschland in der Bekleidungsindustrie verwendet • in der DDR seit 1959 unter dem Namen Dederon bekannt Abb. links: https://i.pinimg.com/474x/61/35/b1/6135b11ee120389c30e1a5da225c192a.jpg, 15.03.2020 Abb. rechts: https://www.ddr-museum.de/objectdatabase/daphne/8/8837.full.jpg, 15.03.2020
3. Polyaddition • verläuft in Stufen • ohne Abspaltung von Nebenprodukten (Monomere miteinander reagieren, indem sich Atome und Elektronenpaare verschieben) Abb.: http://www.maschinenbau-wissen.de/bilder/skripte/kunststofftechnik/polyaddition-07.PNG, 25.04.2020
Polyurethane Ausgangsstoffe: Diole, Diisocyanate Hexamethylen-1,6-diisocyanat für PUR-Lacke Toluol-2,4-diisocyanat (TDI) für Klebstoffe, Schaumstoffe ( Matratzen und Polsterungen), Schuhsohlen, Elastomere, Schmierstoffe, Beschichtungen und hochwertigen Lacke zur Verwendung in der Automobil-industrie, für Flugzeug- oder Triebwagenlackierungen Diphenylmethan-4,4‘-diisocyanat (MDI) das weltweit am meisten hergestellte Isocyanat für Weichschaum-, Isolierschaum- und Klebstoffe
Reaktion des Isocyanates (Heterocumulen) mit einem Alkohol R-N=C=O + H2O R-NH-COOH R-NH2 + CO2 (R-NH-CO-NH-R) Carbaminsäure Bildung von Schäumen und Harnstoffen Reaktion von Hexamethylen-1,6-diisocyanat mit Butan-1,4-diol
Thermoplaste • Verformung bei Erwärmung, dadurch in beliebige Formen vergießbar (Tasse aus PS) • bei großer Hitze schmelzen sie (Schüssel auf Herdplatte) Marktanteil Thermoplaste: 80% Duroplaste • bei RT relativ hart und spröde, oft gegen Schlag und Stoß anfällig • Werkstücke aus DP bereits bei Herstellung in die gewünschte Form bringen – bearbeiten nur durch Sägen, Schleifen und Bohren möglich • beim Erhitzen bleibt Struktur erhalten • bei sehr hohen Temperaturen Verkohlung Abb.: www.seilnacht.com, 28.03.2016
Thermoplaste Duroplaste Elastomere Polyethen (PE) Aminoplaste Kautschuk Polypropen (PP) Epoxidharze Polyurethan-Weichschaum Polystyrol (PS) Kunsthorn Silicon-Kautschuk Polyvinylchlorid (PVC) Phenolharze (Bakelit) Polycarbonate (PC) Polyester-Harze Polyacetale (POM) Polyacrylnitril (PAN) Polyester (PES) Polyamide (PA)
Kunststofftypen Homopolyme • besteht nur aus einem Kunststoff, z.B. PS, PVC Copolyme / Pfropfpolymere • bestehen aus zwei oder mehr Monomeren • Kunststoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften werden in einem einzigen Kunststoff vereint • je nach Anteil der einzelnen Monomere können chemische, physikalische und verarbeitungs- technische Eigenschaften beeinflusst werden Verbundwerkstoffe • zwei Kunststoffe miteinander verklebt, umschichtet oder umpackt • Problem bei Müllentsorgung! Schema: https://www.lernhelfer.de/sites/default/files/lexicon/article_image/BWS-CHE2-0192-07.gif, 21.04.2020
Technisch bedeutsame Copolymere Styrol - Acrylnitril (SAN) - transparenter, spröder Kunststoff - Eigenschaften ähnlich Polystyrol, jedoch besseres Eigenschaftsbild • eine höhere Festigkeit • eine höhere Oberflächenhärte und Kratzfestigkeit • eine bessere chemische Beständigkeit • höhere Temperaturbeständigkeit • ist klarsichtig - typische Zusammensetzung: 70 % Styrol- und 30 % Acrylnitrilanteile - durch Zusatz von Synthesekautschuken zu ABS und ASA weiterverarbeitet
CH H2C CN Acrylnitril - 1,3-Butadien - Styrol (ABS) A CH CH2 H2C CH Mischungen von Acrylnitril, 1,3-Butadien und CH Styrol CH2 Verwendung: Herstellung von Möbeln, Gehäusen (Elektronik, Haushalt), Schalt- knöpfen und für Einzelteile in der Automobilindustrie Chemikalien- resistenz Acrylester - Styrol - Acrylnitril (ASA) ähnliche Eigenschaften wie ABS, nur Glanz viel witterungsbeständiger Schlagzähigkeit Fließfähigkeit Festigkeit B S Abb.: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e2/Panton_Stuhl.jpg, 22.03.2020
Biologisch abbaubare Kunststoffe • Definition nicht eindeutig = biologisch abbaubare Kunststoffe unabhängig von dem Rohstoff versus Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen • biologisch abbaubar, kompostierbar, enthalten keine Zusätze wie Weichmacher oder Stabilisatoren • Abbau innerhalb eines bestimmten Zeitraums durch Mikroorganismen (Pilze, Bakterien, Enzyme) zu H2O, CO2 und Biomasse • Vorteil: Aus Pflanzen gewonnene Werkstoffe setzen nach ihrem Gebrauch nur soviel CO2 frei, wie diese während ihrer Wachstumsphase aus der Atmosphäre entnommen haben; CO2-neutral, geschlossener Stoff- und Energiekreislauf • Nachteil: 2-4mal so teuer wie Standard-Kunststoffe (PVC, PP, PE, PS ca. 0,50 - 0,75 €/kg; PLA 1.80 – 2,00 €/kg) • Ursachen: Entwicklungskosten, Produktionsanlagen, Kleintonnagen • Weltproduktion 2017 2,06 Mio. t 2018 2,11 Mio. t 2019 2,19 Mio. t Prognose 2023 2,62 Mio. t Kompostierbarkeitszeichen der DIN CERTCO und der • 65% der Biokunststoffe gehen in Verpackungsindustrie (2018) European Bioplastics nach EN 13432 Quellen: https://www.plastverarbeiter.de/82019/biokunststoffindustrie-waechst-stabil/, 21.04.2020 Abb.: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/d/d4/Biodegradable.svg/800px-Biodegradable.svg.png, 21.04.2020)
Biologische Abbaubarkeit ist eine Eigenschaft, die sowohl biobasierte Kunststoffe (z. B. PLA), als auch Kunststoffe petrochemischen Ursprungs (z.B. PCL - Polycaprolacton) besitzen können. Im Gegenzug gibt es biobasierte Kunststoffe, die nicht biologisch abbaubar sind (z.B. CA – Celluloseacetat). , Schema: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/c/c5/Biokunststoffe_Final.svg/530px-Biokunststoffe_Final.svg.png 21.04.2020
nachwachsende Rohstoffe aus fossilen Rohstoffen pflanzlich: Stärke, Cellulose, Zucker, Polyester Pflanzenöle, Proteine aus Weizen oder Polyesteramide (40% Polyester-Anteil) Mais Polyesterurethane (40% Polyester- Anteil) tierisch: Wolle, Seide, Gelatine aus Haut und Knochen, Chitin und Chitosan aus Krabbenschalen Produkte aus biotechnischen Synthesen, Casein aus Magermilch
1. BAK auf der Basis nachwachsender Rohstoffe Thermoplastische Stärke (EP 0397819) • Stärke + Glycerin + Plastifizierungsmittel Sorbitol • neigt zur Wasseraufnahme, Oberfläche wird klebrig, Änderung der physi- kalischen Eigenschaften je nach Klimabedingungen → Kapseln für Medikamente besser: Vermischung mit anderen Polymerkomponenten Blends
Blends = Gemische aus mehreren Kunststoffen Aufbau: Blends bestehen aus 2 Phasen (wasserfest) • kontinuierliche und hydrophobe Phase (wasserunlöslich) • disperse und hydrophile Stärkephase (wasserlöslich) Mulchfolie aus bioabbaubarem PLA-Blend Abb.: de.wikipedia.org, 30.04.2016
Polymilchsäure (Polylactid PLA) • Milchsäure hat 2 Isomere • können bei Polymerisation vielfältig kombiniert werden • PLA copolymerisiert mit Glycolsäure HOCH₂–COOH • je nach Zusammensetzung: Abbaubarkeit von schnell bis kaum abbaubar planbar, d.h. wahlweise schneller Abbau oder jahrelange Funktionsfähigkeit • reines Poly-L-Lactid mehrere Jahre • Polyglycolid mehrere Monate • Poly-D,L-Lactid wenige Wochen • Vorteile: hohe Variationsbreite - fast jede gewünschte Eigenschaft einstellbar, Festigkeit, Thermoplastizität, Transparenz und Verarbeitbarkeit auf vorhandenen Anlagen • Nachteile: Erweichungspunkt bei 60°C (keine Heißgetränke) • Einsatz: Herstellung von Alltagsprodukten, Anwendung in Bauindustrie, Technik, Optik und Automobilbau, Spezialgebiete in Medizin und Pharmazie (resorbierbare Nägel, Schrauben, Implantate, Platten und Wirkstoffdepots, resorbierbares Nähmaterial)
Polyhydroxybuttersäure (PHB) • Bakterien wandeln Zucker, Stärke, Glycerin oder Palmöl in PHB um (1924 entdeckt, fermentative Verarbeitung) • Eigenschaften ähnlich dem PE, Schmelzpunkt über 130°C, bildet klare Filme, sehr gute mechanische Eigenschaften, thermoplastisch verformbar → bei der Gewinnung des Kunststoffes gibt es z.Z. 2 Probleme: 1. Problem: Trennung des Polymers vom Zellmaterial durch Chloroform oder enzymatisch 2. Problem: 3 kg Zucker für 1 kg Polymer, Zuckermenge limitiert alternativ: Herstellung von PHB-Blends
Polycaprolacton (PCL) • auf der Basis von Erdöl oder Cellulos/ Stärke hergestellt • Ringöffnungspolymerisation von -Caprolacton (Hitze, Kat: Wasser/Alkohol/ Diol) O O Kat. O n n O • Eigenschaften dem PE ähnlich • gut mischbar mit und verbindet sich mit anderen Kunststoffen (PE, PP, PC, PET, PS,SAN) sowie mit Lignin, Stärke u.v.a. • haftet gut an einer Vielzahl von Oberflächen • leicht verarbeit- und schmelzbar, ungiftig • Verwendung: Verpackung, Präparate mit kontrollierter Abgabe (Retardtabletten), synthetische Wundverbände, orthopädische Abdrücke, aktuelle Forschung: als Trägermaterial für Stammzellen bei der regenerativen Bildung von Knochengewebe
2. Vollsynthetische BAK BTA-Copolyester (Markenname Ecoflex®) - entstehen durch Umsetzung von 1,4-Butandiol mit Terephthalsäure und Adipinsäure - Verwendung z.B. als Folien, Formteile, chirurgisches Nähmaterial - biologischer Abbau: Spaltung der Ester-Bindung durch Wasser, Abbau der Reste durch Mikroorganismen O HO O O O H O O O O Terephthalsäure 1,4-Butandiol Adipinsäure 1,4-Butandiol
Entsorgung und Verwertung bioabbaubare Kunststoffe Abb.: https://www.netzwerk-bioplastik.de/typo3temp/_processed_/csm_Fraunhofer_Umsicht_Grafik-pla-abfaelle_e4c93047c1.jpg, 23.03.2019
Entsorgung synthetischer nicht abbaubarer Kunststoffe Quelle: www.archiv.aktuelle-wochenschau.de/images/w2013/w42/abb1.jpg, 31.07.2016
Kunststoffabfälle und Verwertung Kunststoffabfälle insgesamt 2018 29,1 Mio. t (100%) 1 kg Heizöl 10 200 kcal 1 kg Braunkohle 4 800 kcal 1 kg KS z.B. PE 11 000 kcal Verwertung Deponie 21,8 Mio. t (75%) 7,2 Mio. t (25%) energetisch stofflich 12,4 Mio. t (57%) 9,4 Mio. t (43%) Daten im Schema aus: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/206843/umfrage/kunststoffabfallaufkommen-und-recycelte-menge-kunststoff-in-europa/, 27.04.2020 Infos Kunststoffabfälle in Deutschland siehe unter: https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/abfallpolitik/191213-plastikmuell_2019_dezember_final.pdf
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