EIN "COMITATO SCIENTIFICO" STATT ALLEINGANG - Land Tirol
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[Museum des Monats Jänner 2021] EIN „COMITATO SCIENTIFICO“ STATT ALLEINGANG Das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum im Aufbruch in die 2020er Jahre von Sylvia Mader Noch zeigt es sich im alten Gewand, doch ein Umbau wurde mit dem Architektenwettbewerb bereits eingeleitet. Er ist aus bautechnischen, konservatorischen, räumlichen und logistischen Gründen notwendig. Das neue Landesmuseum Ferdinandeum soll 2023 zum 200. Jahrestag der Museumsgründung der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Im November 2019 gab es, wie bekannt, einen Wechsel in der Führungsetage. Die Hauptaufgaben des neuen Direktors Dr. Peter Assmann sind dieser Umbau und die Neupositionierung des Hauses bzw. der Häuser in der Kulturlandschaft Österreichs und Europas. Bei der Konzept-Erstellung ist Pluralität gefragt. Durch einen interdisziplinären Fachbeirat (comitato scientifico) werden die unterschiedlichen Kompetenzen und die Bedürfnisse der verschiedenen Sammlungen zu einem Paket geschnürt. Schon seit Jahren pflegt man in Tirol im Sinne der EU-Regionen die Zusammenarbeit mit Südtirol und Trentino. Die beiden italienischen Provinzen sind sowohl in den Sammlungen der Tiroler Landes- museen als auch in der Bibliothek des Hauses vertreten. Obwohl die südlichen Nachfolger des ehemaligen Landes Tirol, das schon im Mittelalter bis zum Gardasee reichte und nach 1500 die Bezirke Kitzbühel, Kufstein und auch Osttirol miteinschloss, eigene Museen und Bibliotheken besitzen, sind die Sammlungen und die Bibliothek der Tiroler Landesmuseen in Innsbruck nach wie vor die erste Adresse für Forscher und Ausstellungsmacher. Italienisch ist deshalb wichtig, auch in der Chefetage. In der Bibliothek achtet man sogar darauf, einen ladinisch sprechenden Mitarbeiter im Team zu haben. Dass der neue Landesmuseumsdirektor vorher Direktor des Museums Palazzo Ducale in Mantua war, passt perfekt ins Bild, auch seine Tiroler Wurzeln – er hat 1990 an der Universität Innsbruck mit einer Dissertation über die Freskenausstattung des Klosters Santa Maria Novella, Florenz promoviert. Dort befindet sich (in der Klosterkirche) auch das Renaissance-Fresko von Masaccio, das die Kunstentwicklung von ganz Europa prägte und auch in Tirol für viele Maler wegweisend war. Es zeigt den Gnadenstuhl (Gottvater hält den gekreuzigten Christus; dahinter die Heiliggeist-Taube), das typische Dreifaltigkeitsbild des Mittelalters, in einem zentralperspektivisch konstruierten Bildraum. Kunst entsteht nicht im leeren Raum. So ist es denn auch wichtig mit der heimischen Kunstgeschichte und ihren Einflussbereichen vertraut zu sein. Wir haben schon zu viele Manager, die vom Inhalt nichts verstehen, weil man es vielerorts befruchtend fand, fachfremde Personen an die Spitze eines Fachkollegiums zu stellen. In den Tiroler Landesmuseen ist die Bandbreite groß. Sie erstreckt sich von der Kunstgeschichte über die Musikwissenschaft, von der Landesgeschichte über die Archäologie bis hin zu den verschiedenen Naturwissenschaften und zur Technikgeschichte. Um die Verwirrung für Außenstehende noch zu steigern: Die Häuser decken sich nicht mit den Disziplinen. Ein Haus kann für sich ein Mehrspartenmuseum sein, manche Sammlung hat gar kein Haus (mit Ausstellungs- räumen), wie die naturwissenschaftliche. Allein das Ferdinandeum beherbergt drei Disziplinen: Bildende Kunst, Musik, Archäologie. Letztere favorisierte der 1823 gegründete Museumsverein durch gezielte Maßnahmen. Das Herzstück der Sammlung, die im 19. Jahrhundert vom Museumverein zusammengetragen und ständig erweitert wurde, sind die Kunstwerke. Besonders die Exponate der Gotik können sich auf dem internationalen Parkett behaupten. Werke der Tiroler www.tirol.gv.at/kunst-kultur/kulturportal/museumsportal/
Schnitzkunst sind in vielen ausländischen Museen vertreten, u.a. im Bode-Museum, Berlin. Da gibt es noch einiges zu tun, will man das Ferdinandeum wieder und stärker als Haus der Kunst positionieren. Tiroler Komponisten erlangten, vor allem im 19. Jahrhundert, in damaligen europäischen Musikmetropolen wie Wien, Paris oder München bedeutende Positionen. Selbst im Instrumentenbau kann Tirol mitreden, vor allem aber in der Erforschung der Musikgeschichte. Hervorragende Konzerte bringen längst vergessene Komponisten wieder zu Gehör. Auch wenn die Bauarbeiten noch etwas auf sich warten lassen, der innere Umbau hat 2020 begonnen. Man geht nun kritischer mit den imageträchtigen Tiroler Idolen und den gesellschaftlichen Dogmen um. Die von Mag. Rosanna Dematté kuratierte Ausstellung URSULA BEILER. GRÜSS GÖTTIN macht das deutlich. Für die wissenschaftlich-kritische Aufarbeitung der Vergangenheit haben die Landesmuseen, die Universität Innsbruck, das Land Tirol/Kulturabteilung, das Landesarchiv und freie Kulturwissenschaftler schon vielfach gesorgt - vgl. Aufarbeitung des Mythos Andreas Hofer (2009) oder der Nazi-Zeit. Die jetzige Generation in der Führungsschicht der genannten Institutionen traut sich endlich mit den tradierten Tabus zu brechen. Im Ferdinandeum ist schon manches neu. Im Dauerausstellungs- bereich hat man Themenräume geschaffen und Graphik-Kabinette eingerichtet. Bei den Sonderausstellungen sollen die fünf Landesmuseen (Ferdinandeum, Tirol Panorama, Volkskunst- museum, Hofkirche, Zeughaus) künftig besser miteinander verwoben werden und externe Kooperationen, wie aktuell mit dem Alpenzoo, suchen. Damit würden sich den bisher weitgehend auf Forschung beschränkten Naturwissenschaftler*innen mehr Ausstellungs- möglichkeiten bieten. Immerhin leisten sie Unverzichtbares für die ökologische Entwicklung in Tirol. Man setzt auf Publikum aus der EU-Region Tirol, Südtirol und Trentino und verzeichnet bereits Erfolge. Heuer, im August 2020, wurden (wohl auch pandemiebedingt) wesentlich mehr Einzel-Eintritte registriert als 2019. Weg vom Gruppenbesuch des Bus-Tourismus, hin zu den Individualbesuchern! Das ist nicht nur für das Ferdinandeum und die anderen Tiroler Landesmuseen die richtige Devise. Für viele Museen wäre diese Strategie konservatorisch besser, für die Menschen im eigenen Lande angenehmer und für die Arbeit der Kultur-Vermittlerinnen eine Erleichterung. Wie und ob der Fokus auf einheimisches Publikum auch wirtschaftlich gelingen kann, gehört zu den großen selbst gewählten Herausforderungen des neuen Museumsdirektors und Geschäftsführers der Tiroler Landesmuseen-Betriebsges.m.b.H. Vieles ist noch ausbaufähig, will man künftig aus dem Ferdinandeum einen beliebten „Treffpunkt für Einheimische“ (Peter Assmann) machen. Wer es nicht schafft, im Winter aus einem der Seitentäler nach Innsbruck zu kommen für den/die ist schon jetzt ein digitaler Besuch möglich: entweder durch Anklicken der Bildergalerie (mit Kurzinformation zum jeweiligen Objekt) oder Abspielen einer Kuratoren-Führung. Auch das angegliederte Tiroler Volksliedarchiv bietet Interessierten einen Online-Zugang. Durch eine digitale Notenedition nebst Hörproben kann man das musikalische Volkskulturgut aus Tirol, das oft nur in Handschriften oder alten Drucken überliefert ist, kennenlernen. Besonders hilfreich für Familienforscher ist die Wappen-Datenbank. Wissenschaftler*innen und Amateur-Historiker*innen dienen die online-Kataloge. Seit 1825 veröffentlicht der Verein des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum wissenschaftliche Beiträge zum Sammlungsbestand und assoziative Publikationen. Sie sind nun online verfügbar. Der Ausbau des digitalen Angebotes wird fortschreiten; vielleicht darf man sich als Kunsthistoriker*in auch eine online zugängliche Objektdatenbank wünschen. Herzlicher Dank gilt Herrn Dr. Michael Zechmann-Khreis, Leiter der Abteilung Marketing & Kommunikation für die Bereitstellung der professionellen Fotos. Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag: 10:00 – 18:00 Uhr; Sonderöffnungszeiten entnehmen Sie bitte der Homepage Bibliothek: Dienstag-Freitag: 10:00 – 13:00 Uhr und 14:00 – 17:00 Uhr. https://www.tiroler-landesmuseen.at/forschung/sammlungen-der-bibliothek-im- ferdinandeum/ Tiroler Volksliedarchiv: Montag bis Freitag: 10:00 – 12:00 Uhr und Montag 15:00 – 17:00 Uhr, sowie nach Vereinbarung. https://www.tiroler-landesmuseen.at/forschung/tiroler-volksliedarchiv/ www.tirol.gv.at/kunst-kultur/kulturportal/museumsportal/
Kontakt: FERDINANDEUM 6020 Innsbruck, Museumstraße 15 Tel.: +43 (0)512 594 89 Mail: info@tiroler-landesmuseen.at https://www.tiroler-landesmuseen.at/ © Land Tirol, Dr. Sylvia Mader, Text und Abbildung 4 © Wolfgang Lackner (Abbildung 1 und 5) © Alexander Haiden (Abbildung 2) © Tiroler Landesmuseen (Abbildung 3) Abbildungen: 1 - Ferdinandeum, Blick von der Wilhelm-Greil-Straße auf die Eingangsfassade 2 - Bibliothek 3 - Moderne Sammlungen 4 - Archäologische Sammlungen 5 - Graphik-Kabinett Empfohlene Zitierweise: Mader, Sylvia: Ein „Comitato scientifico“ statt Alleingang. Das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum im Aufbruch in die 2020er. 2021. Online unter: https://www.tirol.gv.at/kunst-kultur/kulturportal/museumsportal/ (Zugriff am: …….) www.tirol.gv.at/kunst-kultur/kulturportal/museumsportal/
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