FÖRDERUNG DIVERSITÄTSORIENTIERTER TRANSFORMATIONSPROZESSE - Philippe Bischof, Direktor Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia
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FÖRDERUNG DIVERSITÄTSORIENTIERTER TRANSFORMATIONSPROZESSE Philippe Bischof, Direktor Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia 02.03.2021, KuPoGe, 02.03.2021
Kultursektor in globaler Erschütterung • Zustand zwischen Disruption und Transformation Verdächtiger Konsens (schweigende Mehrheit?) Institutionelle Friktionen und individuelle Krisen Debatte um Deutungshoheiten und politische Rahmensetzungen Existentielle Überlebenssorgen und mögliche Verteilkämpfe Lokale, nationale und internationale Spannungsverhältnisse • Nota bene: Pandemie als Brennglas für systemische Missstände, die älter sind als Covid-19 >> Transformation ist mehr als eine Flexibilisierungs- und Anpassungsübung == System-/Modellveränderung mit grundsätzlichen Wirkungs-/Wertefragen 2
Hito Steyerl > New Cultural Deal "Es muss eine gesellschaftlichen Verständigungsprozess darüber geben, was Kunst soll, welche soziale Funktion sie hat – jenseits von Verwertbarkeit und Instagram-Populismus. Gerade in säkularen Gesellschaften könnte die Kunst eine extrem wichtige Rolle spielen, nämlich die Reflexion darüber fördern, was die Gesellschaft eigentlich zusammenhält. Die Kunst kann nicht die Antworten finden, aber sie kann den Prozess der Verständigung begleiten." Hito Steyerl / Die Zeit, 20.11.2019 4
Tomorrow 5
Leadership = Selbstkritik und Entwicklungslust Kulturpolitik braucht • Mehr Verantwortung und Grosszügigkeit, weniger Verordnung • Mehr Einbezug und Kollaboration, weniger Singularität • Mehr Verteilgerechtigkeit, weniger Marktgefügigkeit/Wettbewerb • Mehr Nachhaltigkeit, weniger Output/Produktion • Mehr Reaktion auf gesellschaftlichen Wandel, weniger Festhalten an vergangenen Realitäten • Mehr Lernen und Ausprobieren, weniger Bewerten und Formatieren "Comment penser au pluriel si on est dans une situation asymétrique." Yala Kisukidi, Philosophin und Kuratorin 6
Denken und Handeln im Plural: Diversität/Vielfalt Notwendige Versuche, die Asymetrien aufzuheben. Beispielhafte Ansätze in Bezug auf: • Kulturelle Werte und Produktionsmodelle • Strukturen und Zugang/Teilhabe • Wirkungsziele und Kriterien (Kulturförderung) >> Wechselwirkung zwischen Kultur und Gesellschaft und Rückwirkung auf die Kulturförderung 7
Diversitätsorientierte Transformationsprozesse Befund • Gesellschaftliche Diversität wird im Kulturbetrieb nicht angemessen widerspiegelt • Kulturschaffende aus marginalisierten Bevölkerungsgruppen sind in Strukturen und künstlerischen Programmen unterrepräsentiert. • Grundlegende Ungleichheiten sind systemisch und strukturell verankert Ziel Ausschlüsse benennen und strukturell angehen. Fragen Wer hat Zugang zum Kultursystem? Auf welcher Ebene? Welche unbewusste Diskriminierungsverhalten verbergen sich hinter den Ausschlussmechanismen? Wie reproduzieren sie sich? 8
Diversitätsorientierte Transformationsprozesse • Befähigung der Institutionen, ihre eigenen Strukturen auf allen Ebenen (Personal, Programme, Publika etc.) zu hinterfragen und zu entwickeln, ist notwendige Voraussetzung. • Begleitung und Unterstützung institutioneller Prozesse (Good practice: Arts Council England, Kulturstiftung des Bundes, Flanders Arts Institut etc.) • Bedarf: Kompetenzen, Ressourcen und Methoden, um Herausforderungen einer diversen Gesellschaft konkret anzugehen. (Sensibilisiert sein bedeutet nicht automatisch fähig sein, Diversität in die Praxis umzuwandeln.) • Diversitätsorientierte Transformationen haben immer ein strukturelles (Veränderungs-)Ziel, sie brauchen langfristige Visionen der Entscheidträger*innen. Pro Helvetia will strukturelle Veränderungen im Kultursystem stimulieren: In Förderung und Institutionen. 9
Diversitätsorientierte Transformationensprozesse Transformationsprozesse brauchen Zeit, Wissenstransfer und erfahrene Begleitung, damit sie nachhaltige Veränderungen bewirken. Damit Diversität als organisationsübergreifendes Thema gelebt wird, ist es notwendig, über Sonderprogramme für Zielgruppen hinauszugehen und die eigenen Strukturen selbstkritisch zu überdenken. (Beispiel für fehlende Kompetenz: Oft wird von den Institutionen das Thema Diversität auf die Inklusion verschiedener Publika reduziert.) Pro Helvetia Ziele 2021-2024: • Kulturinstitutionen bei der Entwicklung von diversitätsorientierten Prozessen fördern und aktiv begleiten • Zugangsbarrieren zum Kulturbetrieb sowie zu Fördermöglichkeiten für Kulturschaffende aus marginalisierten Bevölkerungsgruppen abbauen • Wissenstransfer rund um Diversität und Chancengleichheit fördern und praxisorientierte Leitfäden für den Kulturbetrieb zur Verfügung stellen • Daten und Fakten zur Diversität im Schweizer Kulturbetrieb erheben und vermitteln 10
Diversitätsorientierte Transformationsprozesse Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia als lernende Organisation: > Diversity Scanning (Sprache, Bilder, Kriterien, Instrumente, Ziele, Personal etc.) Ziel: Schrittweiser Aufbau der notwendige Kompetenz, gezielt Fachwissen hinzuholen, um uns selbst zu hinterfragen und zu entwickeln. Kulturförderung • Projektbezogene Förderung ist von diesen Fragestellungen genauso betroffen wie Kulturinstitutionen. • Erfordert Reflexion über die Empfänger*innen unserer Unterstützung sowie die Entscheider*innen. Fragen: Wen erreichen wir und für wen entscheiden wir uns? Welche Kompetenzen oder Profile z.B. bei Gremien und Jurys, aber auch bei den Mitarbeiter*innen werden berücksichtigt (und welche nicht)? 11
Konkrete Förderangebote von Pro Helvetia Kulturinstitutionen • «Start Diversität» (https://prohelvetia.ch/de/2021/01/start-diversitaet/) und «Tandem Diversität» (https://prohelvetia.ch/de/2021/01/tandem-diversitaet/) : zwei komplementäre neue Ausschreibungen. • Die Idee dahinter ist, Institutionen bei diversitätsorientierten Transformationsprozessen aktiv zu begleiten und ihnen eine längerfristige Unterstützung anzubieten. Es handelt sich um ein vielfältiges Coachingangebot, das sowohl Institutionen erreichen kann, die sich schon seit Jahren mit dem Thema Diversität beschäftigen, als auch diese, die sich für das Kennenlernen erster Tools interessieren. Beratung von und Zusammenarbeit mit Diversitätsexpert*innen sind Eckpfeiler des Angebots. Projektförderung • Vielsprachige Literatur (https://prohelvetia.ch/de/2021/01/vielsprachige-literatur/) : Ab 2021 weitet Pro Helvetia ihre literarische Kreationsförderung auf Texte in allen Sprachen aus. Für die Kreationsbeiträge können sich neu Autorinnen und Autoren aller Sprachen bewerben. Damit können auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die nicht in den Landessprachen schreiben, Gesuche für einen Kreationsbeitrag eingeben können. Voraussetzungen bleiben das Schweizer Bürgerrecht oder ein ständiger Wohnsitz in der Schweiz sowie eine Verankerung in der Schweizer Literaturszene. 12
Diversität < Differenz > Hybridität Diversität (Vielfalt in gesellschaftlicher und kultureller Hybridität (Mischform von zwei ursprünglich getrennten Sicht) Systemen) • Chancengleichheit, Genderoffenheit • Digitalität & "Analogität" • Interkulturalität, Multilingualität • Interaktivität • Generationenfrage • Transdisziplinarität • Klassismus • Hybride Formate (analog-digital u.a.) • Urbanität & Peripherie • Virtualität, KI Transsektorialität Transversalität 13
Die Zukunft der grosszügigen, hybriden Modellen • System-/Modellveränderung mit grundlegenden Wirkungs-/Wertefragen • Selbstkritik der "turbokapitalistischen" Kulturförderung: Alternative zu Erfolgs- und Outputorientierung • Gemischte Fördermodelle und Kreationszeiträume ermöglichen • Selbstbestimmte Wirkungsziele fördern • Aufheben von Klassismen und Asymetrien • Bsp. während Covid: • Recherchebeiträge Tanz & Theater (https://prohelvetia.ch/de/2020/11/ausschreibung-recherche-tanz- theater/) Pro Helvetia unterstützt Recherchen freier Gruppen und Tanz- und Theaterschaffender aus der Schweiz. Die Beiträge sollen erlauben, theoretische oder künstlerische Fragen zu verfolgen oder die eigene Arbeitsweise und Ausrichtung zu reflektieren. Die Recherche muss nicht in eine öffentliche Auswertung oder ein Projekt münden • Digitale Atelier- und Studiobesuche für Künstler*innen und Kreative • Home Not Alone Residency (https://prohelvetia.org.za/en/2020/05/19/home-not-alone-residency/) 14
Karosh Taha > Was mache ich eigentlich hier? "Warum schreiben? Stell dir vor, du schreibst nicht für ein deutsches Publikum, sondern du schreibst. Wie würdest du schreiben? Stell dir vor, niemand wird deinen Text lesen, stell dir vor, du bist die einzige Person, die den Text lesen würde, würdest du immer noch deinen Text dir selbst erklären? (…) Kunst ist eine Notwendigkeit, für diejenigen, die es erschaffen. Kunst ist Ausdruck, keine Pose. Das Beispiel soll nicht zu dem Vorurteil beitragen, leidende Künstler*innen wären die besseren Künstler*innen. Trotz der widrigsten Umstände entsteht Kunst, aber möchte das »Land der Dichter und Denker« wirklich die widrigsten Umstände als Arbeitsalltag für Künstler*innen akzeptieren? Ich weiß: Kunst ist kein Luxus, den ich mir erlaube, sondern eine Notwendigkeit; Geld sollte nicht darüber bestimmen, was ich mache und doch entscheidet Geld über alles, und dies zu ignorieren, bedeutet die Realität zu leugnen." "Was mache ich eigentlich hier? Eine Rechtfertigung" Karosh Taha, 27. Januar 2021 (https://kupoge.de/blog/2021/01/27/was-mache-ich-eigentlich-hier-eine- rechtfertigung/) 15
WER IST PRO HELVETIA Gesetzlicher Auftrag In der Schweiz Im Ausland • Werkförderung • Verbreitung • Austausch und Promotion • Promotion • Nachwuchsförderung • Schweizer Auftritte • Kulturelle Impulse • Austausch mit anderen Kulturen • Kunstvermittlung • Neue Netzwerke, Regionen und Märkte 16
WER IST PRO HELVETIA Zahlen und Fakten CHF 42,4 Mio. Jahresbudget 2019 106 Mitarbeitende in 7 Ländern Projekte in 120 Ländern Über 5’000 Gesuche in 2019 48,4% Zustimmungsquote 12,8% Administrationskosten 17
WER IST PRO HELVETIA Information prohelvetia.ch www prohelvetia.ch/newsletter facebook.com/prohelvetia twitter.com/prohelvetia instagram.com/prohelvetia/ # #prohelvetia 18
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