Ein Fass im Schnee - Berggasthaus Alpenblick

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Ein Fass im Schnee - Berggasthaus Alpenblick
journal

WINTERZAUBER AM ARNISEE

Ein Fass
im Schnee

                                          „Mir ist’s unter allen ­Gegenden, die ich kenne,
                                                 die liebste und interessanteste.“
                                                            J. W. v. Goethe

Schon Johann Wolfgang von Goethe schätzte die
                                                                              W             as ist das denn? Oben unter
                                                                                            der Decke bei der Station der
                                                                              Luftseilbahn Intschi-Arnisee im Herzen
                                                                              der Schweiz im Kanton Uri hängt ein gro-
Vielfalt der Region um das Städtchen Andermatt im                             ßer Holzkasten. „Ist das der Ersatz der Ka-
                                                                              bine, falls die mal ausfallen sollte?“, frage
Herzen der Schweizer Alpen. Die Gegend ist im Win-                            ich im Scherz Walter Arnold, der ehren-
ter und Sommer der ideale Ort für erholungssuchen-                            amtlich den Betrieb der kleinen Luftseil-
de Naturliebhaber, die unvergessliche Momente in                              bahn überwacht. „Nein“, lacht er. „Aber
                                                                              der Winter brach so früh über uns herein,
einer fantastischen Bergwelt suchen. So findet sich
                                                                              dass wir die Kühe von der Alm nicht mehr
hier auch das größte Zentralschweizer Skigebiet und                           durch den hohen Schnee ins Tal treiben
die perfekte Kulisse für Winteraktivitäten mit Lang-                          konnten. Also bauten wir diese stabile,
laufloipen, Winterwanderungen und Schneeschuh-                                oben offene Holzkiste, hängten die nor-
                                                                              male Gondel aus und brachten die Tiere
trails, wie unsere Reiseautorin Dr. Renate Scheiper
                                                                              immer zwei und zwei sicher hinunter.“
selbst erfahren durfte.                                                       Er reibt sich die Hände noch immer vor
                                                                              Vergnügen über diesen Streich, den die →

84   Der Allgemeinarzt 3/2019www.allgemeinarzt-online.de
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                                                Reise-Informationen:
                                                Berggasthaus Alpenblick, Mirjam u.
                                                Osi Ehrler, CH 6476 Arnisee, E-Mail:
                                                info@berggasthaus-alpenblick.ch,
                                                Tel: 0041 41 883 03 42
                                                www.berggasthaus-alpenblick.ch.
                                                Ganzjährig geöffnet. Zimmer im
                                                Haupthaus oder Schlaf-Fässer ne-
                                                ben dem Haus. Das Berggasthaus
                                                ist nur zu Fuß (ca. 1,5 Std.) oder mit
                                                der Luftseilbahn Intschi-Arnisee er-

                                                                                                                                    alle Fotos: Scheiper
                                                reichbar. Außerhalb der Öffnungs-
                                                zeiten ist der Betrieb der Seilbahn
                                                seit Herbst 2018 mit Jeton mög-
                                                lich, im Berggasthaus zu kaufen.
                                                Schneeschuhe kosten 12 CHF pro             essen vor. Wir schnallen die Schneeschu-
                                                Tag.                                       he an und schon laufen wir durch eine
pfiffigen Älpler dem Wettergott gespielt        Anreise: Mit dem Zug von Ander-            weiß gepuderte Märchenlandschaft. Den
haben. Wir steigen ein in die wirklich win-     matt bis Göschenen, von dort mit           Weg säumen hohe, tief verschneite Tan-
zige Kabine, die maximal „acht Perso-           dem Postbus bis zur Station Intschi.       nen, deren Äste von der Last des Schnees
nen mit Handgepäck und sechs Personen           Seilbahn Intschi-Arnisee:                  tief gebeugt sind. Absolute Stille. Ein Ha-
mit Skiausrüstung“ fasst, wie ein großes        www.arnisee.ch                             se hüpft wie tänzerisch durch das weiße
Schild anweist. Wir sind sieben Personen.                                                  Polster der Erde. Allmählich kämpft sich
                                                                                           der blaue Himmel durch die Wolken. Ein
                                                                                           Schild weist auf einen Wanderweg zum
Mit Schneeschuhen zum Arnisee                  Hier werden wir auch übernachten – eine     geometrischen Mittelpunkt des Kantons
Wir reihen uns ordentlich hinter- und ne-      große Überraschung. Dazu später. Dort       Uri hin.
beneinander, schließen die Tür, Walter         lassen wir auch das kleine Gepäck. Denn
Arnold drückt auf den Knopf – und auf          unser „Hauptquartier“ ist in Andermatt.
geht’s. Stehend mit eingezogenen Bäu-          Von dort sind wir mit der Matterhorn-       Stilles Bergpanorama
chen schweben wir über tief verschneite        Gotthard-Bahn bis nach Göschenen ge-        Dann öffnet sich der Wald und gibt den
Nadelwälder mit Blick in die Bergwelt, die     fahren, umgestiegen auf den Postbus bis     Blick auf eine weite, einsame, von Tan-
mit jedem Höhenmeter prächtiger wird.          zur Talstation Arnisee. Nun sind wir auf    nen und Bergen gesäumte Bilderbuchsze-
Nach genau sechs Minuten sind wir oben         1.370 m Höhe, besser gesagt Tiefe – denn    ne frei, in deren Mitte der Arnisee liegt.
auf der Station „Arnisee“, der einzigen Sta-   Andermatt liegt 1.444 m hoch.               Nur an einem kleinen, nicht zugefrore-
tion überhaupt. Die Schneeschuhe, mit                                                      nen Teil des Sees spiegeln sich Himmel
denen wir wandern wollen, leihen wir           Schmunzelnd gibt uns Osi, der Wirt vom      und Landschaft. Ansonsten ist der See
uns im „Berggasthaus Alpenblick“, we-          „Berggasthaus“ mit prächtigem, weißem       jetzt nur zu ahnen unter der Schneede-
nige Meter über der Station gelegen mit        Schnauzbart, den Rat, sich ordentlich ins   cke. Es herrscht eine fast feierliche Stille.
atemberaubendem Rundumblick über die           Zeug zu legen bei der Wanderung, denn       Wir können uns nicht sattsehen an dem
Bergwelt mit mehreren Dreitausendern.          seine Mirjam bereite ein kräftiges Abend-   großartigen Bergpanorama, hinter dem →

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                                            So sind wir mit gutem Appetit nach drei
                                            Stunden in unserem Quartier zurück. Ge-
                                            mütlich ist die Gaststube. Serviert wer-
                                            den mit Käse gezauberte „Älpli-Makkaro-
                                            ni“, die umwerfend gut sind. Mehrmals
                                            bitten wir um einen „Nachschlag“. Dazu
                                            gibt es ein Apfelmus, dessen Früchte im
                                            Paradies gewachsen sein müssen. Auch
                                            davon bleibt nichts übrig. „So ist’s halt
                                            bei uns – reinste Natur!“, freut sich die
                                            Köchin. Und ihr Ehemann beglückt uns

                                                                                         Abb. 2: Mit Schneeschuhen lässt es sich
                                                                                         gut wandern.

                                                                                         sen ist zur Talfahrt!“, sagt ein begeister-
                                                                                         ter Stammgast. „Wieso das?“, fragen wir.
                                                                                         Das Geheimnis: Im Herbst 2018 wurde der
                                                                                         Betrieb der Seilbahn umgestellt. Seitdem
                                                                                         kann man unten in der Station oder bei
                                                                                         Osi Jetons kaufen und im „Selbstbetrieb“
Abb. 1: Osi und Mirjam begrüßen die Gäste                                                fahren – die ganze Nacht lang, wenn man
vor ihrem Bergasthaus Alpenblick.                                                        möchte. Aha.

im Süden Italien liegt, an den verschnei-                                                Nächtigen im Fass
ten Wäldern und nehmen uns viel Zeit.                                                    Wir aber brauchen keine Jetons. Denn ku-
Etwas abseits hat man eine kleine Ka-                                                                schelige zwei Nächte stehen
pelle aus Schnee gebaut – sogar mit ei-                                                              uns bevor im gemütlichen
nem Glocken-„Turm“ daneben und einer                                                                 Schlaf-Fass wenige Schritte
echten Glocke an einem Holzgestell. Wir                                                              vom Haus entfernt, eigent-
machen einem Schneepflug Platz, der die                                                              lich mitten im Wald. Durch
breiten Wanderwege begehbar macht. Ein                                                               ein Fenster können wir hin-
weiteres Schild weist fast unendlich vie-                                                            ausschauen. Auch die Tür hat
le Ziele aus. Tafeln informieren über Be-                                                            Glasscheiben. Wir schlafen
sonderheiten der Pflanzen- und Tierwelt.                                                             himmlisch. Das heißt, immer
                                                                                                     wieder stehen wir auf, treten
Auch im Sommer ist es hier wundervoll                                                                barfuß vor die Tür und verlie-
und vor allem blumenreich, erfahren wir                                                              ren uns in der Unendlichkeit
später von dem reizenden Gastgeber-         Abb. 3: So sehen die Schlaf-Fässer von au-               des millionenfach funkelnden
paar, das mit Herzblut das kleine Berg-     ßen und von innen aus.                       Sternenhimmels.
gasthaus betreibt. Doch wir nutzen den
Nachmittag bis zum Dunkelwerden, ma-                                                     Ein fast unwirklich kräftiges Frühstück
chen Abstecher in jede Richtung, mal auf-   danach mit einem natürlich selbst ge-        erwartet uns am Morgen. Ein weiterer
wärts, mal abwärts. Mit den sich bei je-    brauten „Glühwein“ aus Beeren. Auch so       wundervoller Wandertag beginnt. Und
dem Schritt in den Schnee krallenden        etwas Gutes kann es nur hier geben, ver-     wir freuen uns schon auf die zweite Nacht
Schneeschuhen geht das nach einiger         sichern uns andere Gäste, die sogar aus      im Fass – wo hat man das sonst?! Denn
Übung bestens. Wenn man fällt, fällt man    Andermatt kommen, um diese einmali-          zurück in Andermatt schlafen wir wie-
weich. Und immer wieder atmen wir tief      ge Atmosphäre zu genießen. „Vor allem,       der in einem normalen Hotel – zwar mit
die würzige Luft ein.                       da man bald nicht mehr auf die letzte        eigenem Bad, aber völlig unromantisch.
                                            planmäßig fahrende Gondel angewie-           Dr. Renate V. Scheiper                 ▪

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