Einblicke in die Münz-Bilder-Welt der Ottonen und Salier (919-1125): Die Sammlung Klaus Giesen

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Einblicke in die Münz-Bilder-Welt der Ottonen und Salier (919-1125): Die Sammlung Klaus Giesen
Einblicke in die Münz-Bilder-Welt der
    Ottonen und Salier (919-1125): Die Sammlung Klaus Giesen

                                                                                                Kaiserpfalz in
                                                                                                Goslar mit dem
                                                                                                Pfalzstift St. Simon
                                                                                                und Judas
                                                                                                (Postkarte 1908;
                                                                                                Bildquelle: Wikimedia,
                                                                                                Public Domain)

Heinrich III. feierte seinen 30. Geburtstag in Goslar: Am 28. Oktober 1047 gründete er hier ein den Tagesheiligen
Simon und Judas geweihtes Stift. Von Goslar nahm aber auch eine Münzreform ihren Ausgang, die auch dem heutigen
Betrachter sofort ins Auge fällt. Fortan erschien auf den Prägungen das Frontalbildnis des Herrschers mit einer
Giebelkrone (Goslarer Typ) oder Doppelbügelkrone (Dortmunder/Duisburger Typ). Dieses neue Münzbild wurde bald
an verschiedenen Orten des mitteldeutschen Raumes wie Halberstadt, Hildesheim, Erfurt oder Arnstadt nachgeahmt.
Dabei waren Herrscherbilder auf den Münzen in ottonisch-salischer Zeit durchaus noch nicht die Regel. Erst unter
Heinrich II. (1002–1024) wurden sie häufiger und setzten sich erst unter besagtem Heinrich III. (1039–1056) in den
königlichen Münzstätten durch. Das Herrscherbild – ob als Profilbild oder Enface-Typ – war kein lebensnahes Porträt,
sondern vielmehr ein Topos. Es besaß die Eigenschaften und Attribute, die man von einem König erwartete: Krone
und (häufig) Bart, sowie ein Zepter oder eine Lanze. Woher die anonymen Stempelschneider ihre Inspirationen für
die Gestaltung der Münzbilder nahmen, lässt sich nicht immer eindeutig sagen. Kirchenmalereien als die oftmals
einzig öffentlich zugänglichen Bildvorlagen jener Zeit dürften hierbei wohl ebenso eine Rolle gespielt haben.

Münzen sind neben ihrer eigentlichen Geldfunktion stets eben auch Medienträger und damit Objekte des
historischen Kunstschaffens und Kunstgeschmacks gewesen. Im 10./11. Jahrhundert sind sie sogar die weitaus
umfangreichste Quellengruppe, mit der uns die ottonisch-salische Bilderwelt überliefert wird. Die erhaltenen
Zeugnisse der oftmals deutlich bekannteren Buchmalerei nehmen sich dagegen weitaus geringer aus und waren nur
einem ausgewählten Personenkreis zugänglich. Wenngleich nur die wenigsten Zeitgenossen die Münzinschriften
lesen konnten, so verstanden sie dennoch, die enthaltenen Bildbotschaften zu deuten. Zunächst waren es vor allem
karolingische Münzbilder wie der Säulentempel (ein stark stilisiertes Kirchengebäude nach antikem Vorbild), die von
den ostfränkischen Prägestätten weiter tradiert wurden (Abb. 1, Kat-Nr. 123).

Abb. 1: Toul. Bischof Dietrich II. (1006–1047).
Denar. 1,36 g; Kirchenfront mit vier gepunkteten
Säulen. + HINRICVS … Rv.: Kreuz, in jedem Winkeln
ein Punkt. + DEODERI … Auktion 154, Frankfurter
Münzhandlung, 6. November 2020, Nr. 123.

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Einblicke in die Münz-Bilder-Welt der Ottonen und Salier (919-1125): Die Sammlung Klaus Giesen
Bald aber schon bildeten sich in den großen Münzstätten des Reiches eigenständige Bildmotive heraus, die von
den umgebenden Prägeorten übernommen wurden. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist der Kölner Typ mit
dreizeiligem Stadtnamen S / COLONI / A (Sancta Colonia Agrippina), der während der ganzen Ottonenzeit geprägt
und vielerorts imitiert wurde (Abb. 2, Kat-Nr. 211).

Abb. 2: Köln. Kaiser Otto II. (962–983). Denar.
1,6 g; Kreuz, in jedem Winkel ein Punkt. + OTTO
IMPERATOR. Rv.: Stadtname in drei Zeilen:
S/COLONIA/AG. Auktion 154, Frankfurter
Münzhandlung, 6. November 2020, Nr. 211.

In Remagen prägte man sogar einen Typ, der den dreizeiligen Kölner Stadtnamen mit den eingangs erwähnten
Heiligen Simon und Judas kombinierte; lediglich deren Namen S SIMON S IVDAS auf den Goslarer Geprägen ersetzte
man in Remagen durch den Stadtnamen in der Form RIGEMAGO (Abb. 3, Kat-Nr. 261).

                                                                          Abb. 3: Remagen. Denar. 1,4 g; Nebeneinander
                                                                             die Brustbilder der Heiligen Simon und Judas.
                                                                         + … IGEMAGO. Rv.: Der Stadtname in vier Zeilen
                                                                        + / … CA / COLO / + AG. Auktion 154, Frankfurter
                                                                             Münzhandlung, 6. November 2020, Nr. 261.

Ohnehin sind die Bilder von Heiligen in vielen geistlichen Münzstätten beliebte Motive gewesen – sie beschworen
einerseits den überirdischen Schutzpatron der Institution und waren andererseits über den Tod des jeweiligen
geistlichen Amtsträgers (Abt oder Bischof) hinaus weiterhin nutzbar (Abb. 4, Kat-Nr. 162).

Abb. 4: Lüttich. Otto III. (983–1002) zur Zeit
Bischof Notgers (972–1008). Denar. 1,16 g;
Gekröntes Brustbild nach links. … TTOG … Rv.: In
drei Zeilen: S / LEDGI / A. Auktion 154, Frankfurter
Münzhandlung, 6. November 2020, Nr. 162.

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Einblicke in die Münz-Bilder-Welt der Ottonen und Salier (919-1125): Die Sammlung Klaus Giesen
Auch beim Bischofsbild entstanden Bildtraditionen, bei denen der Geistliche in der Regel mit Messgewand,
Krummstab und Buch abgebildet wurde (Abb. 5, Kat-Nr. 141). Die Mitra als bischöfliche Kopfbedeckung begegnet
dagegen im Münzbild erst ab etwa 1100.

Abb. 5: Trier. Erzbischof Eberhard (1047–1066). Denar.
1,11 g; Brustbild des Erzbischofs nach links, vor ihm der
Krummstab EBERHART- ARCHIEP- TREV. Rv.: Die rechte Hand
Gottes hält zwei Schlüssel, deren Bärte die Buchstaben E
und R der Legende SPETRVS bilden. Auktion 154, Frankfurter
Münzhandlung, 6. November 2020, Nr. 141.

Besonders in der Salierzeit (1024–1125) wurden die Darstellungen der Münzbilder immer vielfältiger. Wiederum in
Köln entsteht ein Typus, der den Namen des amtierenden Erzbischofs in das Innere eines Kirchengebäudes setzte und
ihn mit dem Porträt des Königs kombinierte (Abb. 6, Kat-Nr. 228)).

                                                                           Abb. 6: Köln. Erzbischof Pilgrim (1021–1036) mit
                                                                             Konrads II. (1024–1039). Denar. (2. Typ). 1,4 g,
                                                                             Kopf des Kaisers mit einem Diadem nach rechts.
                                                                             … ON … ADVSIMP. Rv.: Kirchenfront mit einem
                                                                                 runden Giebel, im Portal in zwei Zeilen: PILI /
                                                                            GRIM , Umschrift + … TACOLONA. Auktion 154,
                                                                     Frankfurter Münzhandlung, 6. November 2020, Nr. 228.

In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts wurden auch die Architekturdarstellungen immer aufwendiger. Aus dem
einfachen Säulentempel entstehen meist dreitürmige Gebäude, die von einem Mauerring umschlossen waren, und
wohl als Symbole der Stadt (lat. civitas) verstanden werden dürfen. Umschriften wie IMAGO SANCTAE COLONIE (»das
Bild des heiligen Kölns«) sind wohl ebenfalls in diese Richtung zu deuten (Abb. 7, Kat-Nr. 245).

Abb. 7: Köln. Erzbischof Anno (1057–1075). Denar. 1,5 g; Das
barhäuptige Brustbild des Erzbischofs von vorne, links vor ihm der
nach außen geneigte Krummstab mit der Krümme nach innen;
das Pallium ist mit Ringeln besetzt. … ANNO · ARCHIEPS. Rv.:
Ein Mauerring mit einem hohen rechteckigen Tor, innerhalb des
Ringes links und rechts je ein schlanker Kuppelturm; dazwischen
ein gedrungener zweigeschossiger Turm; unter dem Mittelturm
der Name PET R Umschrift: + IMAGO · S · C … Auktion 154,
Frankfurter Münzhandlung, 6. November 2020, Nr. 245.

Die Städte der ottonisch-salischen Kaiserzeit waren noch keine sich selbst verwaltenden Kommunen wie im
Spätmittelalter, sondern unterstanden einem weltlichen oder geistlichen Stadtherrn, den wir auch auf den Münzen

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Einblicke in die Münz-Bilder-Welt der Ottonen und Salier (919-1125): Die Sammlung Klaus Giesen
finden. Als raffiniert kombinierte Schrift-Bilder könnte man auch die ins Kreuz gestellten Stadtnamen sehen, die in
vielfältiger Gestalt auf den Prägungen nicht nur der königlichen Münzstätte Duisburg erscheinen (Abb. 8, Kat-Nr.
264).

Abb. 8: Duisburg. Konrad II. (1024–1039). Denar. 1,38 g;
Brustbild des gekrönten Kaisers mit spitz zulaufendem Bart
von vorne. CHVONRADVSIMP. Rv.: Stadtname ins Kreuz
gestellt. +DIVS / BV - RG. In den Kreuzwinkeln doppelte
Halbbögen, die inneren punktiert. Auktion 154, Frankfurter
Münzhandlung, 6. November 2020, Nr. 264.

Münzen sind die quantitativ am häufigsten auftretende Originalquelle aus der ottonisch-salischen Kaiserzeit. In
ihren Bildern und Inschriften transportieren sie zahlreiche Informationen über das Leben und den Glauben ihrer
Zeitgenossen. Im Gegensatz zu antiken Münzen sind mittelalterliche Gepräge allerdings bislang noch selten in ihrer
Eigenschaft als Bildmedium (kunst-)historisch ausgewertet worden. Dies erscheint umso unverständlicher, wenn
man sie in geballter Form präsentiert bekommt, wie in Gestalt der zahlreichen Objekte aus der Sammlung Klaus
Giesen, die nun in zwei Teilen bei der Frankfurter Münzhandlung unter den Hammer kommt. Abgesehen von der
Spezialsammlung von Dr. Bernhard Schulte (Auktion Münzen und Medaillen GmbH 28, 30./31. Oktober 2008)
handelt es sich um eine der umfangreichsten Zusammenstellungen dieser Art in den letzten Jahrzehnten. Damit stellt
der Katalog nicht nur die immense Vielfalt der Münzbilder des 10./11. Jahrhunderts in großformatigen Farbbildern
jedermann vor Augen, sondern bildet zugleich eine wertvolle Ergänzung zu numismatischen Einführungswerken zu
dieser Epoche.

Über die Sammlerpersönlichkeit Klaus Giesen

Klaus Giesen (geb. 1934) kam dabei erst vergleichsweise spät zum Münzensammeln: Den systematischen Aufbau
seiner Sammlung begann er erst nach seinem Ruhestand im Jahre 1999. Den Großteil seines Berufslebens verbrachte
er bei einem Chemieunternehmen im Kreis Diepholz. Dort entstand zunächst aus regionalem Geschichtsinteresse
ein Interesse für die spätmittelalterlichen Münzen von Diepholz, zu denen er auch umfangreiches Material und
Literatur sammelte. Die Ergebnisse seiner numismatischen Recherchen flossen in das Katalogwerk »Die Münzen von
Diepholz« (2001) ein, dem nur kurze Zeit später die nicht weniger umfangreiche Publikation »Die Münzen von Hoya«
(2004) folgte. Bis heute sind beides Standardzitierwerke für Münzsammler dieser Gebiete, für die Klaus Giesen 2013
auch den Eligius-Preis der Deutschen Numismatischen Gesellschaft (DNG) erhielt.

Das Interesse für die ottonisch-salischen Münzen wurde allerdings schon weitaus früher geweckt. 1978 kaufte Klaus
Giesen die erste Münze dieses Zeitraums bei einem Osnabrücker Münzhändler – die Katalognummer 307. Zunächst
blieb jedoch aus beruflichen Gründen lange keine Zeit, sich intensiver mit zu beschäftigen. Erst rund 20 Jahre später
konnte er das Interesse für ottonisch-salische Münzen vertiefen und zielstrebig bis zur heutigen Sammlung ausbauen.
Dabei beließ er es nicht beim Kauf der Stücke, sondern nutzte diese als Anknüpfungspunkte für weitreichende
historisch-numismatische Detailbetrachtungen: Zwischen 2012 und 2019 hat er zahlreiche Aufsätze verfasst, von
denen insbesondere die Untersuchungen zu den Hälblingen (Obolen) der Otto-Adelheid-Pfennige, den Eilhard-

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Einblicke in die Münz-Bilder-Welt der Ottonen und Salier (919-1125): Die Sammlung Klaus Giesen
Denaren und der Münzstätte Remagen im 11. Jahrhundert auch in Fachkreisen große Beachtung gefunden haben.
Fragt man ihn nach seiner »Lieblingsmünze«, so verweist Klaus Giesen gerne auf die Prägungen der Münzstätte
Duisburg, seines Geburtsortes.

Stets lag ihm aber auch die Förderung des numismatischen Nachwuchses sehr am Herzen. Im Dezember 2019
schenkte er eine Sammlung von knapp 800 Münzen aus aller Welt zu Unterrichtszwecken an das Gymnasium
in Damme. Die Stücke hatte er von beruflichen und privaten Reisen mitgebracht und durch etwa 130 deutsche
Münzen ergänzt, anhand derer sich der Flickenteppich der Münzprägung vor der Gründung des Kaiserreiches 1871
besonders anschaulich den Schülerinnen und Schülern näherbringen ließ. Aber auch in so manchen universitären
Lehrveranstaltungen war er ein gern gesehener Gast, der den Studierenden mit Literaturtipps und Aufsatzkopien zur
Seite stand und sogar Stücke aus seiner Sammlung als Anschauungsmaterial mitbrachte.

Klaus Giesen ist aber auch ein gefragter Gesprächspartner bei Fragen zur mittelalterlich-westfälischen Münzprägung.
Zu den Münzfreunden für Westfalen und Nachbargebiete kam er über die Bekanntschaft mit Peter Ilisch, den er Ende
der 1990er Jahre wegen einer Aufsatzkopie erstmals kontaktierte. Bis heute ist er festes Mitglied der sich regelmäßig
treffenden Münzbolde. Vielleicht beschäftigen ihn auch deshalb in den letzten Jahren immer wieder die Biografien
von bekannten Sammlerpersönlichkeiten.

Für Klaus Giesen gilt, dass Münzen oftmals mehr erzählen, als die in Früh- und Hochmittelalter nur spärlich
überlieferten Schriftquellen. Außerdem üben Originalobjekte als »begreifbare Geschichte« immer noch die größte
Faszination auf historisch Interessierte aus. Der Beweis dafür liegt nun in Gestalt des Auktionskatalogs der Sammlung
Giesen vor, deren Stücke hoffentlich viele Betrachter für das Mittelalter und seine Prägungen begeistern werden.

                                     © Frankfurter Münzhandlung Nachf. GmbH, 2021

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