Eine Zeitreise durch die Nematologie in Deutschland - Von den Anfängen bis zur Nutzung künstlicher Intelligenz - weitere Zeitschriften des JKI
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Journal für Kulturpflanzen, 73 (7-8). S. 243–251, 2021, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2021.07-08.08 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Übersichtsarbeit Johannes Hallmann1, Matthias Daub2, Holger Heuer1, Björn Hoppe3, Sebastian Kiewnick2, Stephan König3, Jan Henrik Schmidt1 Eine Zeitreise durch die Nematologie in Deutschland – Von den Anfängen bis zur Nutzung künstlicher Intelligenz A time travel through nematology in Germany – From the beginnings to the use of artificial intelligence 243 Zusammenfassung 100th birthday. It has remained true to its goal of “provid- ing instruction and information to those involved in the Das Nachrichtenblatt für den Deutschen Pflanzenschutz- practical plant protection service” to this day as stated in dienst, unser heutiges Journal für Kulturpflanzen, feiert its first issue by Otto APPEL. This also applies to the field seinen 100. Geburtstag. Seinem Ziel, „den im praktischen of nematology. The topics have expanded over time and Pflanzenschutzdienst Tätigen Belehrung und Informatio- developed further on an international level. While the nen (zu) übermitteln“, wie Otto APPEL zur Einführung main focus was initially on the biology and host plant schrieb, ist es bis heute treu geblieben. Dies gilt auch für spectrum of the various nematode species, today it is on den Bereich der Nematologie. Die Themen haben sich host-parasite interactions, resistance and tolerance of dabei über die Zeit weiterentwickelt. Standen früher Biolo- cultivated plants and the influence of climate change and gie und Wirtspflanzenspektrum einzelner Arten pflanzen- globalization on the distribution and harmful effects of parasitärer Nematoden im Fokus des Interesses, so sind es nematodes. The present article looks back at the topics heute Wirt-Parasit Interaktionen, Resistenz und Toleranz 100 years ago, presents current research topics using the von Kulturpflanzen oder der Einfluss von Klimawandel und example of ongoing work at the Julius Kühn Institute and Globalisierung auf die Verbreitung und das Schadpotenzial provides an outlook on the topics of the future. der Nematoden. Der vorliegende Beitrag blickt zurück auf die Themen vor 100 Jahren, stellt am Beispiel laufender Ar- Key words: Beet cyst nematode, Heterodera schachtii, beiten am Julius Kühn-Institut aktuelle Forschungsthemen phytobiome, nematode resistance, bioindicators, vor und gibt einen Ausblick auf die Themen der Zukunft. digitalization Stichwörter: Rübenzystennematode, Heterodera schachtii, Phytobiom, Nematodenresistenz, Bioindikatoren, Einleitung Digitalisierung Vor 100 Jahren erschien die erste Ausgabe des Nach- richtenblatt für den Deutschen Pflanzenschutzdienst, der Abstract Vorgängerzeitschrift unseres heutigen Journal für Kul- turpflanzen. Was waren die Themen in der damaligen The Nachrichtenblatt für den Deutschen Pflanzenschutz- Zeit, was sind sie heute und was werden sie in Zukunft dienst, today's Journal of Cultivated Plants, celebrates its sein? Für den Bereich Nematologie soll dies im Folgen- Affiliationen 1 Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnos- tik, Braunschweig 2 Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grün- land, Braunschweig 3 Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für nationale und internationale Angele- genheiten der Pflanzengesundheit, Braunschweig Kontaktanschrift Prof. Dr. Johannes Hallmann, Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Epidemio- logie und Pathogendiagnostik, Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig, E-Mail: johannes.hallmann@julius-kuehn.de Zur Veröffentlichung eingereicht/angenommen 26. Februar 2021/25. Mai 2021
Journal für Kulturpflanzen, 73 (7-8). S. 243–251, 2021, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2021.07-08.08 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart den dargestellt werden. Aufgrund der Vielfalt an Themen Rübsen, Speiserüben, Mangold sowie Unkräuter wie Übersichtsarbeit kann dies nur anhand von einigen Beispielen erfolgen. So Senf, Amarant, Knöterich und Portulak befallen werden haben die Autoren vor allem Themen aufgegriffen, die und somit von Befallsflächen fernzuhalten sind. am Julius Kühn-Institut schwerpunktmäßig bearbeitet Das Wirtspflanzenspektrum von H. schachtii ist auch werden, wohl wissend, dass nematologische Forschung das Thema einer Pressenotiz der Biologischen Reichs- im deutschsprachigen Raum, dem Verbreitungsgebiet anstalt im Nachrichtenblatt Nr. 8 des darauffolgenden des Journal für Kulturpflanzen, natürlich an vielen wei- Jahres (ANONYM, 1923). Hier wird das Flugblatt Nr. 11 teren Forschungsinstitutionen von Bund, Ländern und der Biologischen Reichsanstalt zur Bekämpfung der Unternehmen betrieben wird und nematologische Ent- Rübenmüdigkeit vorgestellt. Als Wirtspflanzen für wicklungen niemals nur eine bestimmte Region betref- H. schachtii werden neben Zuckerrübe auch Runkelrü- fen, sondern immer national bzw. international zu be- ben, Raps, Kohl, Hafer, Roggen, Weizen, Erbsen, Wicken, trachten sind. Pferdebohnen und Kartoffeln genannt. Diese Ausführun- gen belegen, dass man seinerzeit noch nicht zwischen den verschiedenen Heterodera-Arten differenzieren Nematologische Themen im Nachrichtenblatt vor 100 konnte und man bei den Untersuchungen zum Wirts- Jahren pflanzenspektrum unwissend mit einer Mischung ver- schiedener Heterodera-Arten arbeitete. Da H. schachtii Die erste Erwähnung pflanzenparasitärer Nematoden im hauptsächlich Pflanzen aus den Familien Brassicaceae Nachrichtenblatt für den Deutschen Pflanzenschutz- und Amaranthaceae (inklusive Gänsefußgewächse 244 dienst findet sich im Jahr 1922 und zwar in der 7. Ausga- = Chenopodiaceae) befällt, nicht aber Getreide, Legumi- be des 2. Jahrgangs. Hier verweist WILKE auf Arbeiten von nosen oder Kartoffel, lässt das zuvor genannte Wirts- THORNE und HIDDINGS zum Rübenzystennematoden pflanzenspektrum vermuten, dass die Böden neben Heterodera schachtii im Westen der USA (WILKE, 1922). H. schachtii zumindest auch H. avenae (an Getreide), Dieser Nematode wurde übrigens vor genau 150 Jahren H. goettingiana (an Leguminosen) sowie Globodera im Jahr 1871 von Adolf SCHMIDT aus Aschersleben be- rostochiensis (an Kartoffel) enthielten. Unklar ist, ob die schrieben und nach seinem Entdecker Hermann Schacht Liste der Wirtspflanzen auf eigenen Untersuchungen der benannt (HALLMANN et al., 2009). Es war seinerzeit die Biologischen Reichsanstalt beruhte oder ob man sich hier fünfte Beschreibung eines pflanzenparasitären Nemato- der sehr ausführlichen Liste von Wirtspflanzen von Julius den überhaupt und die erste Beschreibung eines Nema- KÜHN bediente, die dieser 40 Jahre zuvor zusammenge- toden an unterirdischen Pflanzenorganen. In dem Bei- stellt hatte (KÜHN, 1881). Julius KÜHN untersuchte seiner- trag von WILKE (1922) wird darauf hingewiesen, dass zeit 180 Kulturpflanzen und Unkräuter aus 35 Familien H. schachtii in den USA erstmals Anfang des 20. Jahrhun- auf deren Wirtseignung für H. schachtii. Als Wirtspflanze derts im Zuckerrübenanbau nachgewiesen wurde. In für H. schachtii führte auch Julius KÜHN irrtümlich Getrei- kürzester Zeit verbreitete er sich in den Hauptanbau- dearten und Leguminosen auf, was nur durch die Ver- gebieten der Zuckerrübe in Idaho, Utah, Kalifornien und wendung kontaminierter Erden zu erklären ist. Colorado. Da die infizierten Flächen in der Regel weit Im 3. Jahrgang des Nachrichtenblatt des Deutschen voneinander entfernt lagen, wurde vermutet, dass die Pflanzenschutzdienstes wird auf eine der bedeutendsten Einschleppung über kontaminiertes Saatgut erfolgte. nematologischen Arbeiten der damaligen Zeit verwiesen. Saatgut kam seinerzeit vor allem aus Europa und war Es handelt sich um die von Dr. Walter BAUNACKE durchge- häufig mit Erden, die Zysten enthalten konnten, kontami- führten „Untersuchungen zur Biologie und Bekämpfung niert. Heute gehen wir davon aus, dass über eine sorgfäl- des Rübennematoden Heterodera schachtii Schmidt“, tige Saatgutreinigung in Verbindung mit Quarantäne- erschienen in Arbeiten aus der Biologischen Reichsan- maßnahmen eine solche Einschleppung hätte verhindert stalt für Land- und Forstwirtschaft, Band 11, Seiten 185– werden können. Dies wiederum unterstreicht anschau- 288 (MOLZ, 1923). Erstmals wird hier auf die Bedeutung lich, wie wichtig eine konsequente Umsetzung phytosa- des Schlupfreizes der Wirtspflanze für die Aktivierung nitärer Maßnahmen für den Schutz von Kulturpflanzen der juvenilen Tiere in den Zysten verwiesen. Laut BAUNA- vor neuen Schaderregern ist. Einmal eingeschleppt, er- CKE ist die Aktivierung der Tiere Voraussetzung für den Er- folgte die weitere Ausbreitung von H. schachtii in den folg einer jeden Bekämpfungsmaßnahme, denn nur wenn USA durch den Transport von Erdpartikeln während und die Tiere den Schutz der Zyste verlassen haben, können sie nach der Bodenbearbeitung. Weiter heißt es in diesem über Maßnahmen wie Nichtwirtspflanzen, resistente Sor- Beitrag, dass THORNE und HIDDINGS den Nematoden in bis ten oder Pflanzenschutzmittel unterdrückt werden. Wei- zu 76 cm Tiefe nachweisen konnten. Aufgrund des Auf- terhin untersuchte BAUNACKE die Fortbewegung der Tiere tretens von H. schachtii in solch großer Tiefe schlussfol- im Boden. Durch Darbietung von Wirtspflanzen in räum- gerten die Autoren, dass eine Bekämpfung mit Kalk oder licher Entfernung von H. schachtii konnte BAUNACKE zei- anderen Chemikalien keinen Sinn mache und man sich gen, dass die juvenilen Tiere in der Lage waren, bis zu ganz auf eine geregelte Fruchtfolge konzentrieren sollte. 2,4 m in horizontaler und 1,0 m in vertikaler Richtung zu Laut den Autoren werden Weizen, Hafer, Gerste, Mais, wandern, bevor sie in die Wurzel eindrangen. Kartoffeln, Erbsen, Bohnen, Luzerne und Klee von Wie diese Arbeiten eindrucksvoll belegen, dominierte H. schachtii verschont, wohingegen Kohl, Blumenkohl, der Rübenzystennematode H. schachtii bereits vor 100 Journal für Kulturpflanzen 73. 2021
Journal für Kulturpflanzen, 73 (7-8). S. 243–251, 2021, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2021.07-08.08 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Jahren die nematologische Forschung. Das eigentlich fung, wurde erst kürzlich anlässlich des Jahres der Übersichtsarbeit erstaunliche dabei ist, dass er weiterhin Bestandteil zen- Pflanzengesundheit ausführlich im Journal für Kultur- traler Forschungsfragen ist, auch wenn diese über die pflanzen berichtet (BERGER et al., 2020; DOUANLA-MELI et Jahrzehnte hinweg vielfältiger geworden sind und man al., 2020; HOPPE et al., 2020), so dass diese Aspekte hier tiefer in die Grundlagen eingetaucht ist. Dabei finden nicht weiter vertieft werden. sich im Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutz- dienstes vor allem angewandte Themen, wie zur Wirkung Bedeutung von Nematoden als Bioindikatoren in resistenter Zwischenfrüchte (z. B. Ölrettich, Senf) (STEU- Agrarökosystemen DEL & MÜLLER, 1981; STEUDEL et al., 1989), resistenter Durch ihre zentrale Position im Bodennahrungsnetz fun- und/oder toleranter Zuckerrüben (KENTER et al., 2014) gieren Nematoden als Indikatoren für Bodenabbaupro- oder aber einer Monokultur von Zuckerrüben (THIELE- zesse, Bodengesundheit sowie Bodenfruchtbarkeit von MANN & STEUDEL, 1970) auf die Abundanzdynamik von Agrarökosystemen (FERRIS et al., 2001). Die fünf trophi- H. schachtii. Gleich eine ganze Serie von Veröffent- schen Nematodengruppen (herbivore, bakterivore, fun- lichungen widmete sich der Optimierung von Methoden givore, omnivore und karnivore Nematoden) reagieren zur Erfassung von Zystennematoden in Bodenproben unterschiedlich sensibel auf individuelle Agrarmanage- und lieferte damit den Grundbaustein für eine bessere mentmaßnahmen wie (Grün-)Düngung, Pflanzenschutz Standardisierung dieser Verfahren (MÜLLER, 1980, 1983 oder Bodenbearbeitung (NEHER et al., 2019). Durch einen a-c). Gerne wurde das Nachrichtenblatt auch immer wie- Vergleich der Häufigkeit von Vertretern der verschiede- der für die Präsentation nematologischer Jubiläen ge- nen trophischen Gruppen können Indices berechnet wer- 245 nutzt, um so an wegweisende Arbeiten zu erinnern und den, die eine ökologische Bewertung der jeweiligen Maß- aufzuzeigen, wie diese Arbeiten unseren heutigen Wis- nahmen ermöglicht. In Ackerböden sind insbesondere sensstand beeinflusst haben (STURHAN, 2008; HALLMANN bakterivore, fungivore und herbivore Nematoden vertre- et al., 2009). Andere Themen zu H. schachtii, wie die ten, wohingegen omnivore und karnivore Arten durch grundlegenden Arbeiten von Florian GRUNDLER und Mit- Bodenbearbeitung, intensive Düngung oder den ständig arbeitern (Universität Bonn) zu den molekularen Mecha- wechselnden Umweltbedingungen in annuellen Acker- nismen der Entwicklung von H. schachtii sowie der Nähr- bausystemen stark beeinträchtigt werden. Ein weiterer stoffaufnahme der Nematoden (ANJAM et al., 2020; Ansatz ist die Nutzung von Nematodenindices als Indika- SIDDIQUE & GRUNDLER, 2018) oder Arbeiten zur molekula- tor für Nährstoffverfügbarkeit. Bakterivore Nematoden ren Charakterisierung verschiedener Populationen von nehmen proportional mit der Verfügbarkeit von Bakte- H. schachtii (NUAIMA et al., 2020) finden sich dagegen in rien als Nahrungsgrundlage zu. Durch das höhere C/N- internationalen Journalen. Auch 150 Jahre nach Be- Verhältnis der bakterivoren Nematoden (10:1) im Ver- schreibung dieses Nematoden ist eines sicher: Aufgrund gleich zu Bakterien (6:1) wird ein Großteil des mit der der wirtschaftlichen Bedeutung von Zuckerrüben als Nahrung aufgenommenen bakteriellen Stickstoffs von Zuckerpflanze und der enormen Schadwirkung von den Nematoden nicht benötigt und als pflanzenverfüg- H. schachtii wird uns dieser Nematode auch in Zukunft bares Ammonium ausgeschieden (FRECKMAN, 1988). Ein intensiv fordern, in der Praxis, wie auch in der For- Anstieg der bakterivoren Nematoden sollte somit zu schung. einem Anstieg des frei verfügbaren Stickstoffs im Boden und demnach zu einem verbesserten Pflanzenwachstum bzw. einer erhöhten Bodenfruchtbarkeit führen. Dies Aktuelle nematologische Themen am Beispiel von zeigte sich so auch in einer Studie des Julius Kühn-Insti- Arbeiten am Julius Kühn-Institut tutes mit der Universität Kassel, in der der Ausgangs- besatz mit bakterivoren Nematoden im Boden mit der Verglichen mit der Zeit von vor 100 Jahren hat sich die Biomasseproduktion von Felderbsen positiv korrelierte nematologische Forschung deutlich in die Breite entwi- (Abb. 1). Allgemein sind die freilebenden Nematoden ckelt, sei es im Bereich der Biologie der Tiere, der Grund- neben der organischen Bodensubstanz eine wichtige lagen von Wirt-Parasit-Interaktionen bis hin zu Fruchtfol- Senke für Stickstoff und andere Nährstoffe. Diese Senke gemaßnahmen und chemischen bzw. biologischen Be- kann durch nachhaltige Bewirtschaftung (ganzjährige kämpfungsverfahren. Langfristiges Ziel all dieser For- Bodenbedeckung, reduzierte Bodenbearbeitung, organi- schungsaktivitäten ist die Entwicklung zuverlässiger und sche Düngung/Mulch) aktiv gefördert werden (SCHMIDT möglichst nachhaltiger Verfahren zum Schutz unserer et al., 2020) und führt so zu einer verbesserten Nähr- Kulturpflanzen vor Nematodenbefall (SIKORA & ROBERTS, stofffreisetzung während der Vegetationsperiode. Mögli- 2018). Die großen gesellschaftlichen Themen wie Globa- cherweise eigenen sich Nematoden darüber hinaus auch lisierung, Klimawandel, Nachhaltigkeit, Biodiversität als Indikatoren für Bodensuppressivität. Aktuelle Unter- und Digitalisierung prägen dabei die nematologische suchungen lassen vermuten, dass hier vor allem be- Forschung. Im Rahmen dieses Beitrages können wir nur stimmte Arten fungivorer Nematoden von Bedeutung auf einige ausgewählte Arbeiten näher eingehen und sind. Ein besseres Verständnis der Funktionen verschie- möchten dies anhand einiger aktueller Forschungsarbei- dener trophischer Gruppen von Nematoden im Boden in ten am Julius Kühn-Institut tun. Zu Nematoden in einer Bezug auf Bodengesundheit, Bodenfruchtbarkeit und globalen Welt, ihrer Diagnose, Kultivierung und Bekämp- Bodenqualität könnte in Zukunft eine holistischere Journal für Kulturpflanzen 73. 2021
Journal für Kulturpflanzen, 73 (7-8). S. 243–251, 2021, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2021.07-08.08 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Nährstoffversorgung, Wachstum und Abwehr von Schad- Übersichtsarbeit erregern wichtig ist. Im Agrarökosystem kann die Nut- zung der Systemleistungen des Phytobioms zur nachhal- tigen Stabilität des Ertrags der Kulturpflanze entschei- dend beitragen. Eine Arbeitsgruppe am JKI befasst sich mit den Interaktionen zwischen Mikroorganismen, Kul- turpflanze und Nematoden in der Rhizosphäre mit dem Ziel, Schäden durch Nematoden zu verringern. Endopa- rasitäre Nematoden müssen durch die Rhizosphäre wan- dern, bevor sie in die Wurzel einer Wirtspflanze eindrin- gen, um sich dort zu vermehren. Damit sind sie einer Vielzahl unterschiedlicher Bakterien- und Pilzarten kon- frontiert, von denen sich einige an die Kutikula der Ne- matoden anheften und in der Folge deren Eindringung in die Wurzel und Vermehrung reduzieren (Abb. 2) (ADAM Abb. 1. Trockenmasse (TM) der Erbsen nach 12-wöchigem Wuchs in Abhängigkeit der Besatzdichte des Bodens (vor Aussaat) mit bakteri- et al., 2014b; ELHADY et al., 2017; TOPALOVIĆ et al., 2020b). ovoren, herbivoren und fungivoren Nematoden. Daten aus SCHMIDT et Je nach Suppressivität des Bodens wurden Vermehrungs- al. (2020). raten beobachtet, die um eine Zehnerpotenz geringer waren als in der sterilen Kontrolle. Bei der antagonisti- 246 schen Wirkung der Mikroorganismen gegen die Nemato- den spielen nicht nur direkte Effekte eine Rolle (TOPA- Bewertung der Güte von (Agrar-) Ökosystemen ermögli- LOVIĆ et al., 2019), sondern vor allem die Induktion der chen. Wer also den Erfolg von Agrarmaßnahmen in pflanzlichen Abwehr (ADAM et al., 2014a; TOPALOVIĆ et al., Bezug auf eine nachhaltigere Landnutzung evaluieren 2020a). Sedentär-endoparasitische Nematoden etablie- möchte, kommt um eine Analyse der Nematodenfauna ren sich in der Wurzel, indem sie sich tarnen und lokal als wichtige Bioindikatoren im Boden nicht herum. die Immunabwehr der Pflanze manipulieren. Bestimmte an der Kutikula der eindringenden Nematoden anhaften- Nematoden als Teil des Phytobioms de Bakterien aus der Rhizosphäre können eine systemi- Das Phytobiom umfasst die Pflanze mit all ihren mikros- sche Immunantwort der Pflanze auslösen und dadurch kopisch kleinen Mitbewohnern in der Pflanze selbst, auf die Nematoden in der Wurzel bekämpfen (TOPALOVIĆ et ihren ober- und unterirdischen Außenflächen sowie im al., 2020a). wurzelnahen Boden, der sogenannten Rhizosphäre. Die Um das Potential des Phytobioms besser zu nutzen, zunehmende Verwendung dieses Begriffs trägt der kann es über die Kulturpflanze oder seitens des assoziier- Erkenntnis Rechnung, dass die Pflanze mit ihren Sym- ten (Mikro-)Bioms beeinflusst werden. Sorten könnten bionten ein selbstorganisierendes System bildet, das für hinsichtlich ihres Pflanze-Boden-Feedbacks verbessert Abb. 2. An der Kutikula von Meloidogyne hapla Juvenilen haf- tende Bakterien der Gattung Microbacterium, aufgenommen mit einem Rasterelekronenmik- roskop (ESEM). Foto: Katja Ri- chert-Pöggeler, JKI. Journal für Kulturpflanzen 73. 2021
Journal für Kulturpflanzen, 73 (7-8). S. 243–251, 2021, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2021.07-08.08 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart werden. Das Biom kann durch Zugabe förderlicher mals Populationen des Pathotyps Pa3 von G. pallida Übersichtsarbeit Mikroorganismen, organische Zusätze oder den Anbau beschrieben wurden, die eine veränderte Virulenz gegen- von Vor- und Zwischenfrüchten gestärkt werden. Exem- über bisher als sehr resistent eingestuften Kartoffelsorten plarisch konnte durch Studien am JKI gezeigt werden, zeigten (NIERE et al., 2014). Im Jahr 2015 wurden in den dass die Kulturpflanze sich ein eigenes Mikrobiom in der Niederlanden ebenfalls Populationen mit einer veränder- Rhizosphäre anreichert, das sie besser vor Nematoden ten Virulenz detektiert und deren Auftreten den zustän- schützt als das Mikrobiom fremder Pflanzen (ELHADY et digen Behörden mitgeteilt. Zur Bekämpfung dieser Popu- al., 2018). Interessanterweise können bestimmte Vor- lationen stehen somit keine Sorten mehr zur Verfügung, früchte das Mikrobiom auch suppressiver machen, so da die bisher verwendeten Sorten mit einer überwiegend zum Beispiel Mais vor Soja. aus Solanum vernei stammenden und vom Resistenzgen Oft sind bodenbürtige Schaderreger besonders GpaVvrn vermittelten Resistenz unwirksam sind (KIEWNICK ertragsmindernd in Komplexen mit anderen Arten. Ein et al., 2018). Beispiel ist die langzeitige Nachbaukrankheit bei Apfel, Ziel aktueller Forschungsarbeiten ist es daher, neue bei der freilebende Nematoden zusammen mit assoziier- Resistenzquellen zu erschließen, um eine Bekämpfung ten Pilzen eine Abwehrreaktion der Wurzel induzieren des neuen Virulenztyps „Emsland“ zu ermöglichen. In und diese dadurch erheblich schädigen (KANFRA et al., dem Forschungsprojekt: Neue Resistenzquellen gegen- 2018). Hinweise auf diesen Zusammenhang lieferte die über Globodera pallida in Stärkekartoffeln „PARES“, Trennung von Mikroorganismen und Nematoden aus gefördert von der Fachagentur für Nachwachsende Roh- nachbaukrankem Boden und anschließendem Biotest stoffe, war daher ein Hauptziel die Schaffung und Bereit- 247 dieser Fraktionen an Apfelsämlingen. Die Nematoden stellung von innovativem Zuchtmaterial der Kartoffel mit mit den an ihnen befindlichen Mikroorganismen konnten Resistenz gegen verschiedene Virulenztypen von die bekannten Symptome der Bodenmüdigkeit an Wur- G. pallida. zeln auslösen, nicht aber die Mikroorganismen allein. Verschiedene Akzessionen wurden auf Resistenz gegen Pflanzenparasitäre Nematoden waren in den untersuch- den neuen Virulenztyp geprüft und Material mit hohem ten Böden nur in geringer Anzahl vorhanden und trugen Resistenzniveau wurde in Kreuzungen mit anfälligen nicht zu den Schäden bei. Sorten genutzt, um die Grundlage für die Entwicklung molekularer Marker zu legen (Abb. 3). Diese Marker sol- Neue Resistenzquellen zum Management von neuen, len mit Hilfe der ’Marker Assisted Selection‘ (MAS) die virulenten Populationen des Kartoffelzystennema- Introgression der verantwortlichen Resistenzgene in Sor- toden Globodera pallida tenkandidaten beschleunigen. Um in diesem Projekt Die Kartoffelzystennematoden Globodera pallida und frühzeitig Kreuzungsnachkommen phänotypisieren zu G. rostochiensis können unter anderem große Schäden in können, wurde ein Resistenzprüfungsverfahren mit der europäischen Produktion von Stärkekartoffeln verur- Pflanzen aus Gewebekultur erfolgreich etabliert (MWANGI sachen. Daher unterliegen diese Nematoden entspre- et al., 2019). Mit diesem Testsystem konnten Genotypen chenden Quarantänerichtlinien, die in der EU über Richt- aus Wild- und Primitivformen der Kartoffel (Solanum linie 2007/33/EG des Rates zur Bekämpfung von Kartof- spp.) hinsichtlich ihrer Resistenz gegenüber verschiede- felnematoden geregelt werden. In dieser Richtlinie wird nen Virulenztypen von G. pallida charakterisiert werden. die Verwendung resistenter Kartoffelsorten ausdrücklich Des Weiteren zeigten Untersuchungen im Rahmen des als wichtigste Maßnahme amtlicher Bekämpfungspro- Europäischen Forschungsprojektes „PalAdapt“, dass es gramme genannt. Auf Flächen mit Kartoffelzystennema- sich nicht um eine Einschleppung neuer virulenter Popu- toden müssen Sorten mit sehr hohen Resistenzgraden lationen, sondern um eine lokale Selektion durch den Verwendung finden. Ziel dabei ist es, durch den Anbau intensiven Anbau resistenter Sorten handelte. Wobei sich resistenter Sorten die Nematoden einerseits zum Schlupf die Populationen des neuen Virulenztyps aus Deutsch- anzuregen, deren Vermehrung aber durch die Resistenz- land und den Niederlanden populationsgenetisch nicht reaktion der Pflanze, d. h. über die Inaktivierung des für unterscheiden lassen (GRENIER et al., 2020). die Nahrungsaufnahme erforderlichen speziellen Nähr- zellensystems (Synzytium), zu unterbinden, um so die Digitalisierung in der Nematologie Populationsdichte der Nematoden auf einer befallenen Ein lang ersehntes Ziel ist das teilflächenspezifische Ma- Fläche nachhaltig zu reduzieren. nagement eines Nematodenbefalls. Da der Aufwand für Der Anbau von Stärkekartoffeln hat sich, bedingt Daten aus repräsentativen Bodenproben auf großen Flä- durch eine geringe Transportwürdigkeit der Knollen, auf chen häufig in keinem Verhältnis zum Nutzen steht, wer- Flächen in der Nähe der Stärkefabriken konzentriert. den solche Daten oft gar nicht erst erhoben. Daher zielen Durch zu enge Fruchtfolgen und damit verbundenem aktuelle Forschungsansätze darauf ab, einen Nemato- hohen Befallsdruck ergaben sich sehr hohe Populations- denbefall mit Hilfe verschiedener Sensor-techniken dichten von G. pallida, der vorherrschenden Art in diesen (Thermografie, Chlorophyllfluoreszenz, Multi- und Anbaugebieten. Durch den gesetzlich vorgeschriebenen Hyperspektralsignaturen) aus der Ferne zu erfassen. Anbau nematodenresistenter Kartoffelsorten ergab sich Hierbei nutzt man physiologische Reaktionsnormen ein sehr hoher Selektionsdruck bei den vorhandenen oberirdischer Pflanzenteile, die sich in Folge des Nema- Nematodenpopulationen, wodurch im Jahr 2014 erst- todenbefalls als Symptome an der Wirtspflanze zeigen Journal für Kulturpflanzen 73. 2021
Journal für Kulturpflanzen, 73 (7-8). S. 243–251, 2021, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2021.07-08.08 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Übersichtsarbeit Abb. 3. Phänotypisierung von Kartoffelgewebekulturpflanzen in Bezug auf Resistenz gegen Glo- 248 bodera pallida. Foto: Sebastian Kiewnick, JKI. (Welke, Blattverfärbung, Wassergehalt, Transpiration, räume ausgewählt werden können, in denen für die Sym- Kümmerwuchs). Für H. schachtii konnten Bereiche hy- ptomausprägung begünstigende Witterungsbedingun- perspektraler Signaturen aus der Blattreflexion von Zu- gen vorherrschen. ckerrüben bereits beschrieben werden (JOALLAND et al., Ein weiterer zukunftsträchtiger Anwendungsbereich 2017). Aber erst die Verrechnung der Signaturen mit Hil- der digitalen Bildauswertung besteht bei der quantita- fe eines Transformationsalgorithmus und die anschlie- tiven Phänotypisierung von Nematoden auf mikrosko- ßende Analyse im komplexen, biologischen Modell brin- pischer Ebene. So wurden für Caenorhabditis elegans, gen Schätzparameter für ertragsrelevante Populations- einem häufig in der Biologie verwendeten bakterivoren dichten aus dem Signal und tatsächlichen Wert für be- Modellnematoden, verschiedene automatisierte Anwen- stimmte Zeiträume in Beziehung (r2> 0,8) (SCHMIDT & dungen zur Quantifizierung von Eiern und Juvenilen DAUB, 2015). sowie zur Phänotypisierung von Körperdimensionen, Le- Für die Identifizierung von Quarantänenematoden wie bensdauer und Bewegungsaktivität entwickelt (JUNG et Bursaphelenchus xylophilus ist es wichtig, auf unüber- al., 2014; XIAN et al., 2013). Dies funktioniert in sauberen sichtlichen und großen Arealen einen Erstbefall mög- Nematodensuspensionen sehr gut. Bei pflanzenparasi- lichst schnell zu erkennen. Ein möglicher Ansatz hierbei tären Nematoden, die aus Bodenextrakten gewonnen ist die Auswertung von Satellitenbildern, wie zum Bei- werden, sind die Suspensionen in der Regel mit hohen spiel der Satelliten SENTINEL-2A und 2B aus dem ESA Anteilen organischer Restbestandteile verunreinigt. Kopernikusprogramm mit multispektralen Sensoren und Damit Nematoden in solchen Suspensionen durch auto- einer Auflösung von 10 m. Die durch B. xylophilus verur- matisierte Verfahren erkennbar sind, müssen sie durch sachte Kiefernwelke führt zur intensiven Verfärbung bis einen Erkennungsalgorithmus von gleichzeitig auftreten- hin zum völligen Verlust von Nadeln. Mit der Berechnung den Artefakten differenziert werden können. Mit Hilfe verschiedener auf hyperspektralen Signaturen basieren- maschineller Lernverfahren und neuronaler Netze konn- der Vegetationsindices und Abgleich der Bildbereiche mit ten solche Erkennungsalgorithmen zum Beispiel für die georeferenzierten Daten können solche Befallsherde und Quantifizierung von angefärbten Eiern des Sojabohnen- deren Ausbreitung erfasst werden (BECK et al., 2015). zystennematoden (AKINTAYO et al., 2018) und Juvenilen Was für Bäume bereits gelingt, muss für Feldkulturen erst des Kartoffelzystennematoden, im Rahmen des PheNe- noch entwickelt werden, da die Auflösung der Bilddaten Sens Projektes, entwickelt werden (CHEN et al., 2020). Im für kleinräumige Phänomene in Feldkulturen noch unzu- gleichen Projekt konnte zum ersten Mal für Zystennema- reichend ist. Mit kontinuierlich fortschreitender Entwick- toden ein einzigartiges Verfahren entwickelt werden, in lung im Bereich der Datenverarbeitung und -speicherung dem über 70 % der Zysten auch in Aggregation und in ist davon auszugehen, dass die Fernerkundung zukünftig Überlagerung mit organischem Rest erkannt und quanti- einen bedeutenden Part bei der Erfassung von Pflanzen- fiziert werden konnten (Abb. 4) (CHEN et al., 2019). Sol- schäden und deren Verursachern einnimmt. Ein entschei- che Entwicklungen liefern wichtige Grundlagen zum dender Vorteil von Satellitenbildern ist, dass hierbei Zeit- Aufbau von automatisierten Hochdurchsatzverfahren in Journal für Kulturpflanzen 73. 2021
Journal für Kulturpflanzen, 73 (7-8). S. 243–251, 2021, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2021.07-08.08 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart Übersichtsarbeit Abb. 4. Annotation und Seg- mentierung von Zysten (grün hervorgehoben) im Bodenextrakt für die Erstellung von Trainings- daten im PheNeSens Projekt. Fo- to: Matthias Daub, JKI. 249 der Pflanzenzüchtung, die in Zukunft zum Beispiel für Landwirt schnell reagieren und anhand der übermittel- ein breit angelegtes Screening genetischer Resistenzen ten GPS-Daten den Problembereich punktgenau bepro- gegen Nematoden eigesetzt werden könnten. ben und eine Analyse veranlassen. Mittels molekularer Verfahren auf Basis von on-site Hybridisierungsverfahren oder multi-plex-Amplifikationen könnte ein rascher Ausblick Nachweis aller in Frage kommender Nematoden durch- geführt werden. Idealerweise würde dieser Nachweis Pflanzenparasitäre Nematoden werden auch in Zukunft sowohl qualitativ als auch quantitativ sein. Dort, wo kei- wichtige Verursacher von Ertragsverlusten an vielen Kul- ne molekularen Verfahren zur Verfügung stehen, könn- turpflanzen sein. Es ist davon auszugehen, dass ihre wirt- ten bildverarbeitende Verfahren in Verbindung mit schaftliche Bedeutung infolge einseitiger Fruchtfolgen Künstlicher Intelligenz und Deep Learning zum Einsatz und erhöhter Anbauintensitäten eher noch zunehmen kommen, um Nematodeneier, lebende Tiere oder Zysten wird. Klimawandel und Globalisierung werden die nega- zu identifizieren und zu quantifizieren. Die so generier- tiven Auswirkungen eines Nematodenbefalls zudem wei- ten Werte ließen sich in Entscheidungshilfesysteme ein- ter verstärken, da sich wärmeliebende Arten in die gemä- speisen, die dann den Landwirten alternative Manage- ßigten Regionen ausbreiten, vorhandene Arten stärker mentstrategien aufzeigen. vermehren bzw. Arten mit dem globalen Warenhandel in Maßnahmen zum Schutz der Kulturpflanze sollten zu- bis dahin neue Gebiete verschleppt werden. Bezüglich künftig die natürlichen Schutz- bzw. Abwehrmechanis- der zukünftigen Herausforderungen in der Nematologie men der Pflanze besser nutzen. Verfahren zur Nutzung haben SIKORA et al. (2018) die wesentlichen Aspekte um- des Mikrobioms, zum Priming bzw. der Applikation an- fassend erörtert, von denen einige hier nun vorgestellt tagonistischer Mikroorganismen sind weiter zu entwi- werden sollen. ckeln und in der Praxis zu etablieren. Auch sollte das Ein zentraler Aspekt eines jeglichen Nematodenma- antagonistische Potenzial des Bodens bei der Bekämp- nagements ist die Verhinderung der Einschleppung bzw. fung pflanzenparasitärer Nematoden stärker als bisher Verbreitung neuer oder besonders schädigender Arten. Berücksichtigung finden, wie zum Beispiel durch Appli- Die hierfür erforderlichen phytosanitären Maßnahmen kation von organischer Substanz bzw. Komposten, sind kontinuierlich anzuwenden, weiter zu entwickeln Anbau von Zwischen- und Unterfrüchten oder Förderung und anzupassen. Haben sich die Nematoden bereits eta- des Bodenlebens durch bodenschonende Anbauverfah- bliert, ist der Aufbau schädigender Nematodendichten ren. Im Idealfall würde ein solches Vorgehen zu einem möglichst im Ansatz zu vermeiden. Dies erfordert eine suppressiven Boden führen, in dem pflanzenparasitäre frühzeitige und zuverlässige Diagnose der Nematoden, Nematoden zwar noch auftreten, aber keinen Schaden sowie ein gutes Verständnis von deren Biologie hinsicht- mehr verursachen. Der Grad der Suppressivität ließe sich lich Wirtspflanzenspektrum, Verschleppungswegen und dabei möglicherweise über die Nematodenfauna als Populationsdynamik. Zukünftige Fernerkundungsver- Bioindikator erfassen und bewerten. fahren sollten einen Nematodenbefall frühzeitig erken- Mit zunehmender Aufschlüsselung der Genome von nen, noch bevor er visuell sichtbar wird. So kann der Kultur- und Wildpflanzen werden immer neue Resistenz- Journal für Kulturpflanzen 73. 2021
Journal für Kulturpflanzen, 73 (7-8). S. 243–251, 2021, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2021.07-08.08 Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart quellen entdeckt, die für die Züchtung resistenter Sorten BERGER, B., M. BECKER, M. DAUB, S. STEINMÖLLER, S. KÖNIG, 2020: Kar- toffelzysten-nematoden (Globodera pallida/G. rostochiensis) und Übersichtsarbeit genutzt werden können. Durch Pyramidisierung von Re- Kartoffelkrebs-Erreger (Synchytrium endobioticum) belastete sistenzen mit unterschiedlicher Wirkungsweise ließe sich Resterden – Status quo und Perspektiven effektiver Diagnoseme- die Widerstandsfähigkeit einer Pflanze gegenüber Nema- thoden und Dekontaminationsverfahren. Journal für Kulturpflan- zen 72, 431-434, DOI: 10.5073/JfK.2020.08.13. toden sogar noch weiter verbessern. In Fällen, in denen CHEN, L., M. STRAUCH, M. DAUB, M. JANSEN, H,-H. LUIGS, D. MERHOF, klassische Züchtungsverfahren zu langwierig oder erst 2019: Instance segmentation of nematode cysts in microscopic gar nicht möglich sind, könnten neue Züchtungsmetho- images of soil samples. 41st International Engineering in Medicine and Biology Conference (EMBC 2019) (Annual international con- den, wie das Genome Editing, zu einem besseren Schutz ference of the IEEE Engineering in Medicine and Biology Society), der Kulturpflanze vor Nematodenbefall beitragen. DOI: 10.1109/EMBC.2019.8856567. CHEN, L., M. STRAUCH, M. DAUB, X. JIANG, M. JANSEN, H.-G. LUIGS, S. Klassische Verfahren wie sauberes Pflanzgut, phytosa- SCHULTZ-KUHLMANN, S. KRÜSSEL, D. MERHOF, 2020: A CNN frame- nitäre Maßnahmen, Fruchtfolge und Anbau von Zwi- work based on line annotations for detecting nematodes in microscopic images. In: Institute of Electrical and Electronics En- schenfrüchten werden auch zukünftig eine zentrale Rolle gineers (Eds.): IEEE ISBI 2020: International Conference on Bio- beim Nematodenmanagement einnehmen. Neue Nicht- medical Imaging, April 2-7, 2020, Iowa City, Iowa, USA. Sympo- wirtspflanzen werden in ihrer Anbauwürdigkeit so ver- sium proceedings, Piscataway, NJ, 508-512, DOI: 10.1109/ ISBI45749.2020.9098465. bessert werden, dass eine effiziente Bekämpfung der DOUANLA-MELI, C., E. FORNEFELD, P. BAUFELD, Y. BECKER, K. FLATH, M. jeweiligen Nematoden gegeben ist. Bei Zwischenfrüchten GÖTZ, C. HOFFMANN, B. HOPPE, W. JELKMANN, S. KÖNIG, M. LORBEER, W. MAIER, M. MAIXNER, E. PFEILSTETTER, A. PUCHER, J. RIEBESEHL, B.C. wird die Entwicklung multiresistenter Sorten weiter fort- SCHÄFER, Q. SCHORPP, H. TLAPÁK, S. WAGNER, A. WENSING, H. ZIEBELL, schreiten und deren Verwendung in der Praxis zuneh- K. ZIKELI, F. BITTNER, 2020: Diagnose von Quarantäneschadorga- men. Trotz all der hier aufgezeigten Optionen wird es nismen am Julius Kühn-Institut im nationalen Referenzlaborato- 250 rium für Schadorganismen der Pflanzen. Journal für Kulturpflan- aber auch in Zukunft Bekämpfungslücken geben, für die zen 72, 404–414, DOI: 10.5073/JfK.2020.08.11. der Einsatz nematizider Wirkstoffe, sei es biologischer ELHADY, A., S. ADSS, J. HALLMANN, H. HEUER, 2018: Rhizosphere micro- biomes modulated by pre-crops assisted plants in defense against oder chemischer Natur, eine Lösung darstellen könnte. plant-parasitic nematodes. Frontiers in Microbiology 9, 2679, Letztendlich sind die vielfältigen Maßnahmen zum DOI: 10.3389/fmicb.2018.01133. Nematodenmanagement noch intensiver als in der Ver- ELHADY, A., A. GINE, O. TOPALOVIĆ, S. JACQUIOD, S.J. SØRENSEN, F.J. SORRIBBAS, H. HEUER., 2017: Microbiomes associated with infective gangenheit mit den sonstigen agronomischen Maßnah- stages of root-knot and lesion nematodes in soil. 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