ENERGIEPRAXIS OSTSCHWEIZER - Abteilung Energie

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ENERGIEPRAXIS OSTSCHWEIZER - Abteilung Energie
OSTSCHWEIZER                                                         April 2020

                                                       ENERGIEPRAXIS
EIGENSTROM BEI GEBÄUDEN
Minergie schreibt es bereits vor und Modul E der
MuKEn 2014 empfiehlt es: die Eigenstromerzeugung
bei Neubauten.
Silas Gerber, Energiefachmann, AWEL,
Abteilung Energie
Sowohl Minergie als auch das Modul E der                                        Zum Bulletin
Mustervorschriften der Kantone im Ener-                                         Der Einsatz erneuerbarer Energien ist für
giebereich (MuKEn) fordern bei Neubauten                                        den Gebäudebetrieb unerlässlich. Fossile
eine Eigenstromversorgung von mindestens                                        Energien, wie Öl oder Gas, verlieren dabei
10 W pro m2 Energiebezugsfläche. Dieser                                         an Bedeutung. Doch was geschieht mit
Strom muss nicht zwingend von einer Pho-                                        der bestehenden Gasinfrastruktur? Aber
tovoltaik (PV)-Anlage stammen. Meist ist                                        nicht nur die Wärme, auch der Strom soll
dies jedoch die einfachste Art, um die Vor-                                     erneuerbar sein und möglichst aus der ei-
gaben zu erfüllen.                                                              genen Photovoltaik-Anlage stammen. Wie
Bei einem Einfamilienhaus mit 200 m2 Ener-                                      sieht dies aus ökonomischer Sicht aus?
giebezugsfläche genügt zum Beispiel eine                                        Diese Ausgabe zeigt auf, welche Mass-
PV-Anlage mit einer Leistung von 2 kWp.                                         nahmen zu einem hohen Eigenverbrauch
Auch bei bestehenden Gebäuden setzen                                            des selbstproduzierten Stroms führen
Eigentümerinnen und Eigentümer zuneh-                                           und wie die Zukunft der Gasinfrastruktur
mend auf Solarenergie vom eigenen Dach                                          aussehen könnte. ❚
oder von der eigenen Fassade.

Energiefachstellen der Ostschweizer Kantone und des Fürstentums Liechtenstein
ENERGIEPRAXIS OSTSCHWEIZER - Abteilung Energie
Eine PV-Anlage ist nicht nur aus ökologi-             ger Strom wird dem EVU verkauft. Dieses in-
          scher, sondern auch aus ökonomischer                  stalliert bei jedem Gebäude einen separaten
          Sicht sinnvoll – vorausgesetzt, der Eigen-            Zähler und rechnet den Stromverbrauch ab
          verbrauch ist hoch. Das heisst, möglichst             (Abbildung 1).
          viel Strom sollte direkt im eigenen Haushalt
          verbraucht und möglichst wenig ins öffent-            Die zwei Modelle des ZEV
          liche Netz eingespeist werden. Der Eigen-             ZEV – private Zähler und interne Abrech-
          verbrauch lässt sich mit einer intelligenten          nung (Abbildung 2): Der Produzent verkauft
          Steuerung erhöhen. Grosses Potenzial bie-             seinen Strom direkt dem Nachbarn und
          ten jedoch auch die umliegenden Häuser:               nutzt dazu private Installationen. Die Zäh-
          Anstatt den Strom ins Netz einzuspeisen,              ler sind im Besitz der Hauseigentümer. Die-
          kann ein Solarstromproduzent seinen Strom             se lesen sie selbst ab und verrechnen den
          den Nachbarn verkaufen. Solche «Zusam-                Strom untereinander. Das EVU misst ledig-
          menschlüsse zum Eigenverbrauch» (ZEV)                 lich den Stromverbrauch des ZEV als Gan-
          sind mit dem Inkrafttreten des eidgenössi-            zes und stellt diesem die Rechnung für den
          schen Energiegesetzes und der dazugehö-               bezogenen Netzstrom.
          rigen Energieverordnung seit dem 1. Januar            ZEV-EVU – Abrechnung durch das EVU (Ab-
          2018 möglich.                                         bildung 3): Wie beim ersten Modell nutzen
                                                                Produzent und Konsument ihre privaten In-
          Der Direktverkauf an den Nachbarn macht               stallationen. Dem EVU wird jedoch die Ab-
          Sinn für den Solarstromproduzenten. Denn              rechnung des ZEV übergeben. Dazu instal-
          die Vergütungssätze der Energieversor-                liert das EVU je einen Zähler für jede Partei
          gungsunternehmen (EVU) für die Rücklie-               –zusätzlich zum Zähler für den ZEV. Mit der
          ferung des Stroms decken die Produkti-                Abrechnung durch das EVU und der Miete
          onskosten selten. Beim Verkauf des Stroms             für die Zähler erhöhen sich jedoch die Kos-
          innerhalb der ZEV ist der Erlös höher, weil           ten für die Mitglieder des ZEV gegenüber
          die Bezüger keine Netzzuschläge und Abga-             dem Modell mit privaten Zählern.
          ben leisten müssen.
                                                                Wann ist ein ZEV erlaubt?
          Der klassische Eigenverbrauch                         Der Zusammenschluss zum Eigenverbrauch
          Der Solarstrom wird soweit möglich direkt             ist erlaubt, wenn Produktion und Verbrauch:
          im eigenen Haus verbraucht. Überschüssi-              ❚ auf demselben Grundstück liegen oder

 Wirtschaftlichkeit der Modelle
 Welches Modell aus wirtschaftlicher Sicht am besten ist, zeigt das Rechenbeispiel eines Mehrfa-
 milienhauses mit 6 Wohnungen und einer PV-Anlage mit 15 kWp à 1000 kWh/kWp = 15 000 kWh
 PV-Jahresertrag und mit einer Eigenverbrauchsrate von 0 % und 50%. Das Gebäude liegt im Netz-
 gebiet der EKZ (5/7 Hochtarif und 2/7 Niedertarif).

 Beträge in Schweizer               Installation ohne           ZEV-EVU                    ZEV
 Franken inkl. MwSt                 Eigenverbrauch
 Eigenverbrauchsrate                0%                          50 %                       50 %
 Zähler                             8 EVU                       8 EVU                      1 EVU, 8 private
                                    (6x Wohnung, 1x             (6x Wohnung, 1x            (6x Wohnung, 1x
                                    Allgemein, 1x PV)           Allgemein, 1 x PV)         Allgemein, 1x PV
 Investition in private Zäh-        0.-                         0.-                        - 3200.-
 ler (400.– pro Stk.)
 Miete Zähler (103.45               - 827.60 / Jahr             - 827.60 / Jahr            - 103.45 / Jahr
 Fr./Jahr)
 Vergütung Rückspei-                + 1080.- / Jahr             + 540.- / Jahr             + 540.- / Jahr
 sung (7.2 Rp./kWh)1
 Verkauf Eigenverbrauch             0.- / Jahr                  + 1303.50 / Jahr           + 1303.50 / Jahr
 im ZEV (17.38 Rp./kWh)2
 Total nach 10 Jahren               2’524.-                     10‘159.-                   14‘200.50
1 gemäss EKZ Tarifblatt (www.ekz.ch  Private  Stromprodukte), Hoch-/Niedertarif gewichtet.
2 maximale Vergütung für den Eigenverbrauch gemäss EKZ Tarifblatt (www.ekz.ch Private  Stromprodukte), Hoch-/
  Niedertarif gewichtet

2                                                                               Ostschweizer Energiepraxis April 2020
ENERGIEPRAXIS OSTSCHWEIZER - Abteilung Energie
❚ auf angrenzenden Grundstücken liegen
oder
❚ nur durch eine Strasse, Eisenbahntrasse
oder ein Fliessgewässer voneinander ge-
trennt sind.
Bei allen Varianten müssen die Eigentü-
merinnen und Eigentümer der Grundstü-
cke dem Zusammenschluss zustimmen und
das öffentliche Netz darf nicht in Anspruch
genommen werden. Zudem muss die Ei-
genstromversorgung mindestens 10 % der
Anschlussleistung des Zusammenschlus-
ses betragen, dazu ein Beispiel: Bei zwei
Einfamilienhäusern mit einer gemeinsamen                                 Abbildung 1 (oben links):
Anschlussleistung von 33 kW muss die Ei-                                 klassischer Eigenverbrauch
genstromversorgung des ZEV mindestens
3.3 kWp betragen.                                                        Abbildung 2 (oben rechts):
                                                                         privater Zähler und interne
Mieter in einem ZEV                                                      Abrechnung
Bei einem Neubau mit einem ZEV werden
die Mieterinnen und Mieter über den Miet-                                Abbildung 3 (links):
vertrag in den Zusammenschluss aufge-                                    privater Zähler und Abrech-
nommen. Wird der ZEV nachträglich gegrün-                                nung durch EVU
det, können die Mieter selbst entscheiden,
ob sie dem ZEV beitreten.
Mieterinnen und Mietern, die Teil eines ZEV
sind, stellt die Grundeigentümerin oder der    Lastgangmessung bei mehr als 30 kVA
Grundeigentümer folgende Kosten in Rech-       Anschlussleistung
nung:                                          Bei Energieerzeugungsanlagen (EEA) ab 30
Interne Kosten (ZEV), verbrauchsabhängig:      kVA (ca. 30 kW) Anschlussleistung ist zu-
❚ für die intern produzierte Energie           sätzlich eine Lastgangmessung (Produkti-
❚ für Betrieb und Unterhalt der Anlage         onszähler Abbildung 4) mit automatischer
❚ anrechenbare Kapitalkosten der Anlage        Datenübermittlung vorgeschrieben. Bis an-
Interne Kosten (ZEV), anteilmässig:            hin musste der Eigentümer für die Anschaf-
❚ für die interne Messung, Datenbereit-        fung der Zähler mit Datenübermittlung
stellung, Verwaltung und Abrechnung            und für die regelmässigen Messungen auf-
                                               kommen. Dies hatte verhältnismässig hohe
Externe Kosten:                                Mehrkosten zur Folge – die Eigentümer ent-
❚ für die beim EVU bezogene Elektrizität       schieden sich häufig für kleinere Anlagen.
Abgezogen von der Rechnung werden die          Dadurch wurde die installierte Leistung von
Erlöse aus der eingespeisten Elektrizität.     neuen EEA begrenzt.
Für den Strom aus dem ZEV darf den Mie-        Die Stromversorgungsverordnung (Strom-
terinnen und Mietern nicht mehr verrechnet     VV) mit deren Überarbeitungen vom 1. Ja-
werden als ein Standardprodukt des EVU         nuar 2018 und 1. Juni 2019 ändern dies: Die
kosten würde.                                  Lastgangmessung ist Teil der Netzkosten
                                               und die Messwerte werden automatisch mit
Fazit                                          Smart Meter ausgelesen.
Den selbst produzierten Strom direkt zu nut-   Damit trägt nun das EVU und nicht mehr der
zen, ist wirtschaftlich interessant. Neben     Eigentümer die Kosten für die Lastgangmes-
dem ZEV gibt es weitere Möglichkeiten, den     sung.
Eigenverbrauch zu erhöhen: Einerseits wir-
ken sich bauliche Massnahmen wie Grösse
und Ausrichtung der PV-Anlage, das Last-
management oder ein Batteriespeicher auf
den Eigenverbrauch aus. Anderseits können
die Bewohnerinnen und Bewohner mit ihrem
Verhalten den Eigenverbrauch steigern, in-
dem sie zum Beispiel Geräte wie Waschma-
schine oder Geschirrspüler betreiben, wenn
die Sonne scheint und so den selbst produ-                               Abbildung 4: bei EEA ab 30 kVA
zierten Solarstrom direkt verbrauchen. ❚                                 zusätzlich Produktionszähler

Ostschweizer Energiepraxis April 2020                                                                 3
ENERGIEPRAXIS OSTSCHWEIZER - Abteilung Energie
DIE ZUKUNFT DER GASNETZE
         Welche Rolle spielen die Gas-Verteilnetze in einer (fast)
         klimaneutralen Welt? Ein Dialogprojekt hat nach Ant-
         worten gesucht.

          Sabine Perch-Nielsen, Projektleiterin            Gemeinden, Städte und Gasversorger aus-
          Die Energie- und Klimapolitik ist stark in Be-   zuarbeiten.
          wegung. Im August 2019 hat der Bundesrat         In jeweils ganztätigen Workshops haben die
          entschieden, dass die Schweiz bis 2050 kli-      Vertreter/innen die Themen Nachfrage, In-
          maneutral werden soll. Was bedeuten solch        frastruktur, Biogas, erneuerbares syntheti-
          ambitionierte Klimaziele für die Zukunft der     sches Gas und die Bedeutung für die Ver-
          Gas-Verteilnetze?                                teilnetze vertieft diskutiert. Über zentrale
          Die öffentliche Diskussion zu diesem Thema       Aussagen haben sie abgestimmt, um den
          scheint zuweilen widersprüchlich: Einige         Konsens festzuhalten und den Dissens her-
          Akteure argumentieren, dass Erdgas als fos-      auszuschälen und transparent darzulegen.
          siler Energieträger keine Zukunft hat und die    Die zwei Produkte dieses Prozesses sind:
          Verteilnetze daher langfristig in Frage ge-      ein Fachbericht mit allen Grundlagen samt
          stellt sind. Andere Akteure widersprechen        Quellenangaben und Abstimmungsresulta-
          und verweisen darauf, dass es in einer erneu-    ten sowie ein breit abgestützter Ratgeber
          erbaren Energiezukunft zum Ausgleich des         für Gemeinden, Städte und Versorger, der in
          Sonnen- und Windstroms «Power-to-Gas»            diesem widersprüchlichen Umfeld konsoli-
          brauchen wird. Wie sind diese Argumente          dierte Orientierung bieten soll.
          zu beurteilen?
                                                           Konsens Nachfragerückgang
          Dialog mit breiter Beteiligung                   Ein Konsens unter den Teilnehmenden war,
          Im Rahmen der Metropolitankonferenz Zü-          dass eine starke Klima- und Energiepolitik
          rich wurde der Zukunft der Gasnetze in ei-       zu einem Rückgang der Gasnachfrage füh-
          nem Dialogprojekt nachgegangen. Ziel ist         ren wird: Gebäudevorschriften und Förder-
          es, die Gas-Infrastruktur in Städten und Ge-     programme führen dazu, dass Eigentümer
          meinden weiterzuentwickeln und Fehlinves-        auf Wärmeverbunde, Wärmepumpen oder
          titionen zu vermeiden. Dazu haben im Dia-        Holzheizungen umsteigen und somit für die
          logprojekt 15 ausgewählte Vertreter/innen        Gasversorger als Kunden verloren gehen
          von Gemeinden, Gasversorgern, Verbänden,         (linker blauer Pfeil Abbildung 5). Damit müs-
          Kantonen, der Wissenschaft und dem Bund          sen die Kosten für das Gasnetz auf weni-
          gemeinsam Fakten und Grundlagen entwi-           ger Kunden verteilt werden, die Netzkosten
          ckelt, um auf dieser Basis Empfehlungen für      steigen für die übrigen Kunden (roter Pfeil).
                                                           Die Energie- und Klimapolitik verteuert die
                                                           Gasversorgung auch direkt, so über die For-
                                                           derung nach erneuerbarem Gas oder die
                                                           steigende CO2-Abgabe auf fossilen Brenn-
                                                           stoffen (rechter blauer Pfeil). Die über Me-
                                                           chanismen verteuerte Gasversorgung kann
                                                           je nach Entwicklung der Alternativen wiede-
                                                           rum zu einem weiteren Rückgang der Gas-
                                                           nachfrage führen, potenziell kommt es zu ei-
                                                           ner «Abwärtsspirale».

                                                           Konsens klimafreundliches Biogas
                                                           Wird Biogas aus Hofdünger oder anderen
                                                           organischen Abfällen und Nebenprodukten
                                                           hergestellt, ist es klar klimafreundlicher als
                                                           fossile Energieträger. In der Schweiz beste-
                                                           hen zudem noch viele unerschlossene Po-
                                                           tenziale. Das Gesamtpotenzial von Biogas
Abbildung 5: Konsens Nachfragerückgang.                    ist aber beschränkt und beläuft sich auf rund

4                                                                      Ostschweizer Energiepraxis April 2020
ENERGIEPRAXIS OSTSCHWEIZER - Abteilung Energie
10–15 % des heutigen Gasverbrauchs. Zu-         Bedeutung Verteilnetze
dem ist der Bezug von Biogas über das Ver-      Die Nachfrage von Gas geht zurück, erneu-
teilnetz heute rund 50 % teurer als Erdgas.     erbare Gase sind beschränkt und teuer. Was
                                                bedeutet dies für die Zukunft der Verteilnet-
Konsens «Power-to-Gas»                          ze? Die Akteure gehen davon aus, dass sich
Methan kann heute mit einem Wirkungsgrad        in wenig dichten Wohnquartieren die Erneu-
von rund 55 % aus Strom synthetisch herge-      erung von Leitungen irgendwann nicht mehr
stellt werden. Das ökologische Potenzial von    lohnt und somit die Netze schrumpfen wer-
inländischem erneuerbaren, synthetischen        den. Eine Schweiz mit «netto null» Emissi-
Gas beläuft sich auf rund 5–15 % des heu-       onen ist nicht kompatibel mit der heutigen
tigen Gasverbrauchs. Diese Schätzung be-
ruht auf der Annahme, dass in der Schweiz
Photovoltaik massiv ausgebaut wird (Bele-
gung von ca. 50 % aller dafür mindestens
«gut» geeigneten Dächer in der Schweiz).

Zu diesem «ökologischen Potenzial» wer-
den nur die Mengen an Gas gezählt, die mit
«überschüssigem» erneuerbaren Strom pro-
duziert werden, also wenn die übrige Strom-
nachfrage bereits vollständig erneuerbar
gedeckt ist. Denn der direkte Einsatz von er-
neuerbarem Strom ist in jedem Fall viel kli-
mafreundlicher als die Herstellung von Gas.

Dabei zeigt sich eine der Herausforderun-       Abbildung 6: Herstellungskosten erneuerbares Gas
gen. «Überschüssiger» Strom fällt nur in
wenigen Stunden pro Jahr an. Die Herstel-       Ausdehnung der Verteilnetze. Dies heisst je-
lungskosten sind jedoch stark von den Voll-     doch nicht, dass Verteilnetze in einer klima-
laststunden der Anlagen abhängig. Fallen        neutralen Zukunft keine Rolle übernehmen
diese unter 2 000 Stunden pro Jahr, so stei-    können. Denn für einige Anwendungen gibt
gen die Kosten des erzeugten Gases deut-        es derzeit kaum Alternativen zu Brennstoffen.
lich an. Hier stehen also Wirtschaftlichkeit
und Klimafreundlichkeit im Widerspruch          Klimaziele von 2050 klingen weit weg, doch
                                                sie bedeuten für einen Gasnetzbetreiber be-
Einsatz erneuerbare Gase                        reits heute Handlungsbedarf. Verzichtet der
Das gesamte Potenzial von inländischen, er-     Gasversorger auf die Erneuerung einer Lei-
neuerbaren Gasen (Biogas und Synthese-          tung, sollte er im Idealfall bereits 20 Jahre
gas) beläuft sich also auf rund 15–30 % des     vorher keine neuen Anschlüsse mehr legen
heutigen Gasverbrauchs. Dissens bestand         und 10 bis 20 Jahre vorher die bestehenden
zwischen den Teilnehmenden des Dialog-          Kunden informieren. Um Fehlinvestitionen
projekts, inwieweit die Schweiz ausländi-       («stranded investments») zu vermeiden, darf
sche erneuerbare Gase künftig nutzen kann       er also nicht erst zum Zeitpunkt der Erneue-
und soll, um den eigenen Bedarf an erneuer-     rung einer Leitung prüfen, ob sie auch wirt-
barem Gas zu decken.                            schaftlich ist.
Angesichts des beschränkten Potenzials an       Die Botschaft ist klar: Der Handlungsbedarf
erneuerbaren Gasen stellt sich die Frage, wo    ist für Gemeinden, Städte und Gasversorger
dieses kostbare Gut in einer klimaneutralen     gross, sich mit der künftigen Rolle des Gas-
Zukunft eingesetzt werden soll. Es bestand      netzes zu beschäftigen, genau hinzuschau-
Konsens, dass sie vor allem dort zum Ein-       en, zu rechnen und zu planen. Der erarbeite-
satz kommen sollen, wo wenige Alternativen      te Ratgeber gibt hierzu Hintergrundwissen,
bestehen: also in der Industrie, im Güterver-   zeigt Bausteine der Umsetzung auf und por-
kehr und zur Produktion von Winterstrom.        traitiert Gemeinden und Versorger, welche
Zudem waren sich die Teilnehmenden einig,       die Herausforderungen schon angehen. ❚
dass langfristig der Einsatz für Raumwärme
und im Personenverkehr nur in Ausnahme-         Der Ratgeber ist zu finden unter:
fällen sinnvoll ist. Wo zukünftig tatsächlich   metropolitanraum-zuerich.ch/themen/koope-
erneuerbare Gase eingesetzt werden, hängt       rationsprogramm/zukunft-der-gas-infrastruk-
von vielen Faktoren ab wie der Zahlungsbe-      tur.html
reitschaft, den jeweiligen Alternativen und
den politischen Rahmenbedingungen.

Ostschweizer Energiepraxis April 2020                                                             5
ENERGIEPRAXIS OSTSCHWEIZER - Abteilung Energie
NEWS AUS DEN KANTONEN
     APPENZELL AUSSERRHODEN                            Staubli wird seine Aufgaben im Bereich der
     Energiegesetz: Teilrevision (MuKEn 2014)          Energie übernehmen. Per Anfang März hat
     Der Regierungsrat von Appenzell Ausser-           das Team Verstärkung durch Roxanne Dör-
     rhoden hat einen Entwurf für eine Teilrevi-       ge erhalten. In ihrer Verantwortung liegen
     sion des Energiegesetzes verabschiedet und        die Bereiche Lärm, NIS und Feuerungskon-
     das Vernehmlassungsverfahren eröffnet. Mit        trolle.
     der Teilrevision sollen in erster Linie die Mu-   energie.gl.ch
     KEn 2014 umgesetzt werden. Gleichzeitig
     können die gesetzlichen Grundlagen für die        GRAUBÜNDEN
     Umsetzung von weiteren Massnahmen aus             Die Teilrevision des Energiegesetzes des
     dem Energiekonzept 2017–2025 geschaffen           Kantons Graubünden (BEG)
     und Verbesserungen am geltenden Recht             Mit der Teilrevision des BEG werden die ge-
     vorgenommen werden.                               setzlichen Grundlagen im Gebäudebereich
     Das Vernehmlassungsverfahren wurde per            an die veränderten energiepolitischen Rah-
     Ende Februar 2020 abgeschlossen. Die Aus-         menbedingungen angepasst. Der Grosse
     wertung ist zur Zeit in Arbeit.                   Rat stimmte der Teilrevision mit 69:18 Stim-
     energie.ar.ch                                     men bei 0 Enthaltungen zu.
                                                       Neubauten sollen künftig nach dem Stand
     APPENZELL INNERRHODEN                             der Technik gebaut werden. Dies deckt sich
     Energiegesetz in Kraft getreten                   mit den Zielen der MuKEn 2014, dass der
     In Appenzell Innerrhoden ist das neue Ener-       Bedarf an Energie «nahe bei null» ist. Eine
     giegesetz am 1. April 2020 in Kraft getreten.     neue Bündnerlösung für die Eigenstromer-
     Es setzt die Basismodule der MuKEN 2014           zeugung sieht Ausnahmen für Gebäude an
     um und legt beispielsweise fest, dass bei ei-     Standorten mit wenig Sonneneinstrahlung
     nem Neubau ein Teil der benötigten Ener-          oder Minergiebauten vor.
     gie auf der Parzelle der Neubaute selber          Beim Wärmeerzeugerersatz in bestehen-
     erzeugt wird. Beim Ersatz des Wärmeerzeu-         den Bauten ist der Einsatz von erneuerbaren
     gers in einem bestehenden Wohnbaut ist            Energien oder Energieeffizienzmassnahmen
     das Gebäude so auszurüsten, dass der An-          im Rahmen von 10 % künftig Pflicht.
     teil an nichterneuerbarer Energie 90 % des        Die umfangreichen Förderprogramme wer-
     massgebenden Bedarfs nicht überschreitet.         den für winterstromoptimierte PV-Anlagen
     Die Neuinstallation von und der Ersatz durch      ergänzt.
     elektrische Widerstandsheizungen und aus-         Weiter wird ein Steuerabzug für Investitio-
     schliesslich direkt elektrisch beheizte, zent-    nen, die dem Energiesparen oder dem Um-
     rale Wassererwärmer ist verboten.                 weltschutz dienen, namentlich auch PV-An-
     energie.ai.ch                                     lagen, eingeführt.
                                                       www.energie.gr.ch
     GLARUS
     Revision kantonales Energiegesetz                 ST. GALLEN
     Die Landsgemeinde hätte am ersten Mai-            VI. Nachtrag Energiegesetz
     sonntag über die Revision des kantonalen          In der nächsten Session des Kantonsrats
     Energiegesetzes abstimmen sollen. Wegen           wird der VI. Nachtrag des Energiegesetzes
     des Coronavirus wurde die Landsgemeinde           diskutiert.
     erstmals in der Geschichte verschoben. Die        Das Ziel des Baudepartements des Kantons
     Abstimmung findet am 6. September statt.          St. Gallen ist es, dass der VI. Nachtrag im
     Anfang des Jahres hatte der Landrat die Vor-      ersten Quartal 2021 in Kraft treten kann.
     lage behandelt, das Eintreten war unbestrit-      energie.sg.ch
     ten. Widerstand gegen die Neuerungen im
     Gesetz wie sie der Regierungsrat und die          Neue Kampagne
     landrätliche Kommission vorgelegt haben,          Der Kanton hat Mitte März 2020 die Kampa-
     gab es bei der Landratsdebatte nur von der        gne für den beschleunigten Ersatz fossiler
     SVP. Die anderen Parteien stellten sich prak-     Heizungen gestartet. Mit zusätzlichen För-
     tisch geschlossen hinter die Vorlage.             dergeldern will die Regierung die Nutzung
                                                       erneuerbarer Heizsysteme wie zum Beispiel
     Wechsel in der Energiefachstelle                  Wärmepumpen vorantreiben. Dazu hat der
     Urs Fischli, Leiter der Energiefachstelle, geht   Kantonsrat im vergangenen Jahr einen Kre-
     per Ende Mai in den Ruhestand. Alexandra          dit von 10 Millionen Franken bis 2023 be-

6                                                                 Ostschweizer Energiepraxis April 2020
ENERGIEPRAXIS OSTSCHWEIZER - Abteilung Energie
schlossen. Mit den zusätzlichen Beiträgen     ZÜRICH
des Bundes ist für die Kampagne von 30 Mil-   move-MEGA
lionen Franken auszugehen.                    Mit dem Power-to-Gas-Projekt «move-ME-
Neben dem Ersatz fossiler Heizsysteme         GA» demonstriert die Empa in Dübendorf,
               durch Wärmepumpen wer-         wie die Mobilität der Zukunft ohne fossile
               den die Impulsberatung «er-    Energie funktionieren kann. Beim Demons-
               neuerbar heizen» sowie die     trator «move-MEGA» wird aus erneuerba-
               Erstellung des Anlagenzer-     rem Strom Wasserstoff hergestellt und aus
               tifikat Wärmepumpen-Sys-       der Luft CO2 gewonnen. In einer neuarti-
               tem-Modul gefördert.           gen Methanisierungsanlage lässt sich dann
               energieagentur-sg.ch           aus dem Wasserstoff und dem CO2 erneuer­
                                              bares Methangas hergestellen, das direkt
SCHAFFHAUSEN                                                  als Treibstoff genutzt wer-
Neue Förderbereiche                                           den kann. Der Kanton Zürich
Der Kanton Schaffhausen hat sein Förder-                      unterstützt «move-MEGA»
programm auf 2020 ausgebaut. Von höhe-                        als Pilotprojekt mit 500 000
ren Beiträgen profitieren beispielsweise                      Franken.
Hausbesitzer/innen bei der Dämmung des                        empa.ch/web/s604/move-­
Dachs sowie der Wände oder des Bodens                         mega
gegen aussen oder gegen das Erdreich. Neu
spricht der Kanton zusätzlich einen Bonus Potenzialabschätzung Asphaltkollektoren
bei der Dachsanierung, wenn diese gleich- Die im Auftrag der Abteilung Energie des
zeitig mit der Installation einer Solarstrom- AWEL erstellte Studie zeigt, dass sich As-
anlage erfolgt. Ausserdem bietet er eine Ak- phaltkollektoren vor allem zur Gewinnung
tion an, um den Ersatz von Elektroheizungen von Niedertemperaturwärme insbesondere
zu beschleunigen. Ersetzen Hausbesitzer/ für die Regeneration von Erdsondenfeldern
innen eine Elektroheizung durch ein erneu- eignen. Durch die Regeneration erhöht sich
erbares System, erhalten sie zusätzlich zum die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe und
Förderbeitrag einen Bonus.                    die erforderliche Erdsondenanzahl kann re-
Im Weiteren wird neu die Installation statio- duziert werden. Die Potenzialabschätzung
närer Batteriespeicher für bestehende oder zeigt, dass solche Anlagen auch wirtschaft-
geplante Solarstromanlagen gefördert.         lich interessant sein können. Nun werden Pi-
energie.sh.ch                                 lotprojekte gesucht.
                                              www.energie.zh.ch
THURGAU
Energienutzungsgesetz breit abgestützt        ALLE KANTONE
Ohne Gegenstimme hiess der Thurgauer Impulsberatung «erneuerbar heizen»
Grosse Rat die Revision des Energienut- EnergieSchweiz hat Anfang des Jahres das
zungsgesetzes (ENG) gut. Dadurch lassen Programm «erneuerbar heizen» lanciert. Es
sich – wie in anderen Kantonen – technische will zum Umstieg von fossilen Heizungen
Entwicklungen, neue Baufachnormen und auf Systeme für einheimische, erneuerba-
energiepolitische Rahmenbedingungen so- re Energien motivieren und damit einen we-
wie die MuKEn berücksichtigen.                sentlichen Beitrag an die Erreichung der Kli-
Der Kanton hat im Rahmen der Revision maziele leisten.
auch den administrativen Aufwand für Ge- Mit der Impulsberatung «erneuerbar heizen»
meinden und Bauherrschaften reduziert. So erhalten Hausbesitzer/innen professionelle
realisiert er bei Neubauten ein vereinfachtes Unterstützung beim Heizungsersatz. Dazu
energietechnisches Profil, das sogenann- besichtigen ausgebildete Impulsberater/in-
ten «TG-light», das sich auf die wesentlichen nen das Gebäude und beraten vor Ort über
sechs Anforderungen fokussiert.               die Möglichkeiten, wie die Heizung ersetzt
Als Besonderheit ist die Steigerung des An- werden kann. Gemeinsam mit der Hausei-
teils erneuerbarer Energien beim Heizungs- gentümerschaft wählen sie dann das pas-
ersatz zu erwähnen. Entscheiden sich Eigen- sende, erneuerbare Heizsystem.
tümer/innen bei der Heizungserneuerung Die Impulsberatung wird in den meisten
wieder für eine fossile Feuerung, so ist der Kantonen kostenlos oder vergünstigt ange-
Energieverbrauch zu senken oder ein Teil mit boten. Bitte informieren Sie sich in Ihrem
erneuerbarer Energie abzudecken. Dieser Kanton bezüglich der Förderbedingungen.
Anteil beträgt ab dem Jahr 2020 mindestens
10 %, ab 2025 15 % und ab 2030 20 %.          Impulsberater/innen sowie Infos zum Pro-
Das ENG tritt per 1. Juli 2020 in Kraft.      gramm sind zu finden unter:
www.energie.tg.ch                             erneuerbarheizen.ch

Ostschweizer Energiepraxis April 2020                                                        7
VERANSTALTUNGEN
     MEHRERE KANTONE (AR, GL, SG, ZH)                ZÜRICH
     EnergiePraxis-Seminare 2020                     Kurs Einführung Private Kontrolle
     Die EnergiePraxis-Seminare in St. Gallen,       Zürich           10.07.20     09.00 –12.00
     Ziegelbrücke, Winterthur und Zürich finden      Zürich           01.12.20     09.00 –12.00
     im Herbst 2020 statt. Weitere Informationen     energie.zh.ch ➞ Private Kontrolle
     folgen zur gegebenen Zeit.                      Energie (PK)
     energie.zh.ch ➞ EnergiePraxis & Kurse

                                                     Weitere Veranstaltungen
     GRAUBÜNDEN                                      Tageslicht-Symposium
     Energieapéro                                    Das Tageslicht aus seinem Schattendasein
     Chur             13.05.20        17.00–19.00    befreien
     Chur             26.08.20        17.00–19.00    Zürich            18.06.20  08.30 –17.00
     energieapero-gr.ch                              tageslicht-symposium.ch

     ST. GALLEN
     Minergie-Kurse
     Minergie-Systemerneuerung: Modernisie- Der Bundesrat verbietet auf Grund des Co-
     ren und alternative Lüftungssysteme        ronavirus bis zum 19. April 2020 öffentli-
     FHS, St.Gallen     09.06.20    08.30–12.00 che und private Veranstaltungen.

     Mehr Komfort im Sommer                          Wir führen in dieser Agenda deshalb nur An-
     FHS, St.Gallen   30.06.20        08.30–12.00    gebote ab Mitte Mai 2020 auf. Bitte erkundi-
                                                     gen Sie sich über die aktuelle Durchführung
     Monitoring                                      von Veranstaltungen sowie längerer und re-
     FHS, St.Gallen      19.08.20     13.30–17.00    gelmässiger Kurse und Lehrgänge im Ener-
                                                     giebereich beim entsprechenden Anbieter.
     PV und Eigenverbrauchsoptimierung               Vielen Dank für Ihr Verständnis und bleiben
     FHS, St.Gallen   01.09.20    08.30–17.00        Sie gesund.

     Planung eines Minergie-ECO Gebäudes
     FHS, St.Gallen   15.09.20   08.30–17.00          Weitere Infos zu Angeboten finden Sie
                                                      unter:
                                                      minergie.ch
     8. Energiekongress 2020                          energieagentur-sg.ch/Kalender
     Auf direktem Weg zur Klimaneutralität – aber     forumenergie.ch/kurse
     wie?                                             energie-agenda.ch
     Olma-Messen     St. Gallen        19.06.20       energieakademie.ch
                                                      energie-cluster.ch ➝ Veranstaltungen
     EnergieTreff 2020                                solarevent.ch
     St.Gallen 13.05.+26.08.20        17.00–19.00     energieschweiz.ch ➝ Veranstaltungen

     Weitere Veranstaltungen und Infos:
     energieagentur-sg.ch ➞ Kalender

     SCHAFFHAUSEN +THURGAU
     1. KEEST EARLY BIRD – Forum für wache
     Unternehmerinnen und Unternehmer
     Das Energienutzungsgesetz tritt am 01. Juli
     2020 in Kraft. Welche Konsequenzen erge-
     ben sich für KMU?                           Impressum
     Ermatingen        24.06.20    07.30–10.00 Redaktion: Ivo Peter (ip), Christoph Gmür (chg) AWEL
                                                     Zürich, Telefon 043 259 42 66, energie@bd.zh.ch,
     Weitere Termine und Infos:                      www.energie.zh.ch
     energie-agenda.ch                               Layout: Gaby Roost, Nova Energie, Sirnach

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